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Inhalt

Wohltätiger Zweck

Widmung

Vorwort

Einleitung

Blick zurück: März 2015

Kapitel 1: Von den Wirren des Exils in die Mühlen des italienischen Justizsystems

Kapitel 2: Wie ich meine tiefe Verzweiflung bewältigte

Kapitel 3: Die Abwärtsspirale

Kapitel 4: Freiheit und Repression

Kapitel 5: Antworten

Epilog

Über den Autor

Über Our Lady´s Message of Mercy to the World

 

Wohltätiger Zweck

Wie bei meinem ersten Buch gehen alle Autorenhonorare an eine ordnungsgemäß eingetragene und umfassend geprüfte karitative Einrichtung. Jede Spende ist sehr willkommen, denn sie wird dringend gebraucht, um Menschen in Not zu helfen.

Gott segne Sie und Ihre Angehörigen. Sie können mich unter den folgenden Adressen erreichen:

florian@olmomag.org
www.florianhomm.org

 

Widmung

Diese wahre Geschichte ist der Muttergottes gewidmet, die mir dieses kleine Büchlein mit ermutigenden und erleuchtenden Botschaften nahegebracht hat. Als ich im Staub lag und mich mit Selbstmordgedanken trug, rettete mir Marias Botschaft der Gnade, Hoffnung und Liebe das Leben. Da SIE diese verlorene kleine Seele vor dem Ruin gerettet hat, habe ich es mir zur Lebensmission gemacht, Our Lady´s Message of ­Mercy to the World zu verbreiten, damit andere Seelen in Not auch von ihrer großen Gnade profitieren können. Dieses Buch ist zudem den sieben weltlichen Engeln gewidmet, die für mich gekämpft haben, sowie all denjenigen, die mir während meiner Zeit im Gefängnis geholfen und für mich gebetet haben. Ich werde nicht alle eure Namen offen­baren, aber jeder einzelne von euch weiß, wen ich meine. Ich danke euch.

 

Vorwort

Was bisher geschah:
Vom Vorhof der Hölle in den Himmel auf Erden

Während ich mit dem Manuskript zu diesem Buch beginne, fühle ich mich als eine völlig andere Person als die, die im Jahr 2012 das Buch Kopf Geld Jagd verfasste. In jener Autobiographie schrieb ich, dass ich möglicherweise im Gefängnis landen würde. Allerdings konnte ich mir 2012 nicht im Entferntesten vorstellen, dass mir eine potenzielle Gefängnisstrafe von neunmal lebenslänglich drohen würde, dass ich unter den schwierigsten Bedingungen, die sich ein Mensch nur ausmalen kann, ein Auslieferungsbegehren der USA würde abwenden können, eine dramatische persönliche Wandlung vollziehen und schließlich als einziger deutscher Bürger enden würde, der auf der Liste der meist­gesuchten Personen des FBI auftaucht.

Im Gegensatz zum ersten Buch besteht der Zweck dieses Buches nicht darin, die Rätsel meiner Existenz zu lösen und einen Lebenssinn zu finden. Ich habe meine Berufung gefunden.

Dieses Buch ist für jedermann, egal ob Sie glücklich, einigermaßen zufrieden oder kreuzunglücklich sind. Ich möchte einfach nur unterhalten und einige wertvolle Erkenntnisse über die Dinge beisteuern, die uns wirklich glücklich machen. Aber das ist nicht der Hauptzweck. Dieses Buch will andere, die sich in einer misslichen und scheinbar ausweglosen Lage befinden, dazu ermuntern, nicht aufzugeben! Dieses Buch richtet sich außerdem an verlorene Seelen, an Menschen in ex­trem schmerzlichen Situationen und solche, die Angst, Zweifel, Krisen und Einsamkeit verspüren. Es richtet sich an alle, die aus dem Lebensgleis geraten sind oder in ihrer eintönigen Existenz einen Weg zu Erfüllung und Glück suchen. Es richtet sich auch an all diejenigen, die sich mit Selbstmordgedanken tragen oder sogar versucht haben, Selbstmord zu begehen, sowie an die aus der Gesellschaft Ausgestoßenen, zum Beispiel Straftäter, Drogensüchtige, Prostituierte, Gefängnis­insassen, Hedgefondsmanager (ich mache nur Spaß!) und alle Kranken und Unterdrückten. Und schließlich richtet es sich an diejenigen, die an gar nichts glauben, nicht wissen, an was sie glauben sollen, und diejenigen, die schwer mit sich und dem Glauben ringen. Diese drei letztgenannten Punkte trafen alle einmal auf mich selber zu.

Wenn es Ihnen gut geht und Sie keinerlei Probleme haben, dann kann dieses Buch unterhaltsam und informativ sein, aber vielleicht berührt es Sie innerlich nicht. Sie haben alles unter Kontrolle. Nichts Schlechtes kann Ihnen zustoßen oder Sie aus der Fassung bringen, stimmt´s? Sie leben offensichtlich auf der Sonnenseite des Lebens. Sie haben hart für das gearbeitet, was Sie sind und besitzen. Vielleicht gehen Sie sogar regelmäßig in die Kirche oder sind ein ausgeprägter und leidenschaftlicher Familienmensch. Dann freue ich mich aufrichtig für Sie, aber dennoch bitte ich Sie eindringlich, offen zu sein und Ihre Leistungen und Ihren Segen mit anderen zu teilen, die weniger Glück im Leben haben. Der Hüter Ihres Bruders zu sein, mag Ihnen als eine seltsame Idee erscheinen. Warum sollten Sie Ihre sauer verdienten Früchte mit anderen teilen? Schließlich bekommt jeder, was er verdient und wofür er sich anstrengt, oder nicht? Nun, vielleicht auch nicht! Dieses kurze Buch wird Ihnen zeigen, dass Liebe, Geben und Teilen dem Gebenden eine größere Zufriedenheit und ein größeres Glücksgefühl bescheren, als Nehmen, kalte Logik und Selbstgerechtigkeit. Aus rein wissenschaftlicher Sicht ist es außerdem wesentlich intelligenter, zu geben als zu nehmen. Seien Sie offen. Sie werden möglicherweise überrascht sein. Versuchen Sie es.

 

Einleitung

Februar 2013,
wenige Wochen vor meiner Festnahme

Diejenigen, die uns am nächsten stehen, können Menschen und Ereig­nisse oft wesentlich besser beschreiben als wir selber. Mein Sohn Conrad kann auf alle Fälle eine persönlichere, von seiner Wahrnehmung geprägte Beschreibung der Jahre liefern, die meinem unfreiwilligen Sabbatjahr in Italien vorausgingen, als ich. Conrads folgender Aufsatz vermittelt den Lesern, die meine Autobiografie Kopf Geld Jagd von 2012 nicht gelesen haben, ein genaueres Bild der Dinge. In seinem letzten Jahr an einer der führenden Privatschulen der USA brachte er in seinem Kurs Kreatives Schreiben die folgenden Gedanken zu Papier:

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Blick zurück:
März 2015

Ich lebe. Ich bin relativ frei. Ich habe einen fantastischen Job. Ich liebe und werde geliebt. Ist es wichtig, dass ich an chronischer ­progressiver Multipler Sklerose leide und der einzige Deutsche auf der Liste der meistgesuchten Personen des FBI bin? Ist es wichtig, dass ich nirgendwohin reisen kann, außer innerhalb der Grenzen meines Heimat­landes? Ist es wichtig, dass ich dringend Geld für meine Verteidigung in zwei Zivil- und einem Strafprozess brauche? Nicht wirklich. Weil ich eine immense Dankbarkeit verspüre. Wenn die Menschen, die mir am nächsten stehen, nicht schweren Repressionen und Bedrohungen ausgesetzt wären und meine Mutter nicht von Brust-, Knochen- und Leberkrebs und inneren Blutungen aufgezehrt würde, wäre ich regelrecht überschwänglich. Werfen wir einen Blick zurück auf meine Situation vor einem Jahr.

Staatsgefängnis Pisa, Toskana, Italien – März 2014

»Das Leben ist zu kostbar, zerstöre es nicht. Leben ist Leben. Kämpfe dafür.«

Mutter Teresa

Ich saß mehr als ein Jahr in italienischen Gefängnissen, während ich gegen meine Auslieferung in die USA kämpfte. Das amerikanische Justiz­ministerium warf mir Betrug in neun Fällen vor und wollte, dass ich neunmal lebenslänglich bekäme – 25 Jahre (die Höchststrafe) für jedes angebliche Delikt; das machten insgesamt 225 Jahre Gefängnis ohne Bewährung. Das waren sieben lebenslange Haftstrafen mehr als die, die das Justizministerium für James J. Bulger, den berüchtigten Mafioso aus Boston beantragt hatte, der für schuldig befunden wurde, elf Morde begangen zu haben.

Mein rechtes Knöchelgelenk war vollkommen taub, weil die ­leitende Gefängnisärztin mir die Multiple-Sklerose-­Medikamente mehr als drei Monate lang bewusst vorenthalten hatte. Ich konnte nur mit einem Stock beziehungsweise einer Krücke laufen, weil ich unzählige Mal hingefallen war. Meine linke Hand zuckte unkontrolliert und ich ­hatte in den vergangenen fünf Monaten nicht eine Nacht mehr als zwei Stunden geschlafen. Das lag an einer Harnwegsentzündung, die mich zwang, spätestens alle zwei Stunden zu pinkeln. Da diese Infektion von den Gefängnisärzten nicht behandelt wurde, injizierte ich in dem Versuch einer Selbstbehandlung mit einem Strohhalm regelmäßig Seife in meinen Penis, um irgendwie die Bakterien zu bekämpfen. Ich war noch nicht so weit, dass ich eine selbstfabrizierte Plastikwindel tragen und mich nachts einnässen wollte, nur um einige zusätzliche Stunden Schlaf zu bekommen.

Seit Beginn der Dokumentation vor ungefähr 30 Jahren ist es noch keinem einzigen Strafgefangenen gelungen, einer Auslieferung von ­Italien nach Amerika zu entgehen. Die Chancen standen also katastrophal schlecht. Außerdem stand ich völlig unter Strom, weil mir das Geld für die Verteidigung ausging. Zwanzig Millionen Dollar, die auf einem Schweizer Konto lagen, waren eingefroren worden. Ich kam nicht an mein eigenes Geld heran, nicht einmal, um damit meine Verteidigung zu bezahlen. Ich musste unbedingt drei Millionen Dollar für meinen bevorstehenden Prozess in den USA aufbringen. Zwar waren meine amerikanischen Anwälte ziemlich sicher, dass ich den Prozess gewinnen würde, aber sie sagten mir auch, dass ein vom Staat bestellter Pflichtverteidiger weder die Ressourcen noch die Kompetenzen haben würde, um einen derart umfangreichen und komplexen Fall entsprechend zu betreuen. Meine Chancen, mit einem minderqualifizierten, überarbeiteten Pflichtverteidiger gegen die US-Regierung zu gewinnen, waren gleich null.

Also schrieb ich an zwölf angebliche Freunde und ehemalige Geschäftspartner. Sie alle waren schwerreich und verfügten über liquide Barmittel von mehr als einer Milliarde Dollar. Die meisten von ihnen standen tief in meiner Schuld. Auf einige traf das allerdings nicht zu. Zwei anständige Jungs boten mir jeweils rund 50 000 Dollar an, aber seien wir ehrlich. Meine monatlichen Anwaltskosten beliefen sich auf 300 000 Dollar, und diese Beträge würden stetig steigen, sobald ich im Stadtgefängnis von Los Angeles einträfe.

Die Typen in meiner Gefängniszelle stellten gewaltige Gesundheitsrisiken dar. Eine fiese Harnwegsinfektion und chronisch-progressive MS waren ein Scherz im Vergleich zu den Krankheiten dieser Jungs: Aids, alle denkbaren Formen von Hepatitis, Syphilis, Bronchitis und so weiter. Unübertroffener Sieger war ein Typ mit offener, chronischer Tuberkulose, der kaum drei Meter entfernt in der angrenzenden Zelle untergebracht war. Das wäre alles nicht so schlimm gewesen, wenn mir im Jahr 2006 in Caracas nicht ein Schwerkrimineller bei einem Mordversuch die Milz weggeschossen hätte. Als Folge davon war nämlich mein Immunsystem nicht in der Lage, die genannten Krankheiten zu bekämpfen. Ergebnis: Würde ich mich bei einem meiner Zellengenossen anstecken, würde ich sterben. Angesichts meiner Umstände und Perspektiven, wäre das vielleicht gar keine so schlechte Idee gewesen. Aber die Vorstellung, langsam und unter Schmerzen in diesem Loch zu verrecken – und das Ganze konnte sich gut und gerne über ein Jahr hinziehen –, war mir ehrlich gesagt kreuzzuwider.

Die Vorstellung, 225 Jahre in einem amerikanischen Gefängnis zu verbringen, und zwar ohne Aussicht auf Bewährung und in Gesellschaft brutalster Schwerkrimineller und Gangmitglieder, erheiterte mich auch nicht gerade. Und genau diese Möglichkeit würde mit 99,99-prozentiger Wahrscheinlichkeit eintreten. Mein Sohn hatte aufgehört, mit mir zu kommunizieren. Meine Exfrau sagte meinen Anwälten, sie könne absolut nichts tun. Meine Mutter war schwerkrank und würde wohl nicht mehr lange leben. Mein Vater hatte in 25 Jahren kein Wort mit mir gewechselt. Ja, ich hatte drei großartige Freunde: Jürgen, Daniela und Michael. Aber sie hatten kein Geld. »Warum zum Teufel sollte ich weiterleben wollen?«, fragte ich mich.

Allerdings war ich viel zu rational, um depressiv zu sein. Ich nahm den azurblauen toskanischen Frühlingshimmel wahr und die Tauben, die über den zementierten Gefängnishof flogen. Aber ich war es leid, nichts anderes als Mauern und Gitter zu sehen und ständig Erpressungsversuche abwehren zu müssen. Ich war niedergeschlagen, weil ich so viele Prozesse und Berufungsverfahren verloren hatte. Was mir wirklich zu schaffen machte, war, dass meine Chancen sehr schlecht standen. Rein rational betrachtet, war es mir lieber, mit einigen wunderbaren unzerstörten Erinnerungen zu sterben, als mit Multipler Sklerose langsam dahinzusiechen, einsam und verlassen in einem anderen Höllenloch, nur dass es sich in Amerika befand.

Welches war also die beste Methode, um dem Ganzen ein Ende zu setzen? Wer Geld hatte, konnte sich in einem italienischen Gefängnis praktisch alles beschaffen. In meinem Fall waren das zumeist spitzenmäßige kubanische Zigarren. Einigen privilegierten Mitgefangenen gelang es sogar, Golden Triangle Opium zu besorgen, eine sehr reine Mohnpaste, die man auf der Straße praktisch nicht bekam.

Wie schwierig würde es sein, Pentobarbital, Depronal oder irgendeine andere fiese Giftpille zu bekommen? Es ist nicht leicht, aber ein paar tausend Euro wären bestimmt genug, um sich selber auf relativ schnelle und schmerzlose Weise aus einem schlecht gemanagten und extrem korrupten Hochsicherheitsgefängnis wie Pisa ins Jenseits zu befördern.

März 2015, Frankfurt

Im März 2014 stand ich vor der ultimativen Entscheidung: Leben oder Tod. Ein Jahr ist vergangen, seit ich ernsthaft über Selbstmord nachgedacht habe; seit ich den absoluten Tiefpunkt in meinem Leben überwunden habe. Ich entschied mich für Leben und Glauben, und seit jenem Augenblick wurde ich mit Kraft, einer erfüllenden Mission und einer moralischen Verpflichtung gesegnet, anderen mitzuteilen, wie sie Angst und Verzweiflung überwinden und selbst in der elendesten Situation Hoffnung finden können; wie sie vielleicht sogar Wunder erleben können, indem sie einfach jeden Tag einige Minuten in einem kleinen blauen Büchlein lesen. Willkommen zu meiner kleinen Reise des Glaubens, des Leids, der Freude und Liebe. Willkommen zu Gnade und Hoffnung.

 

Kapitel 1:
Von den Wirren des Exils in die Mühlen des italienischen Justizsystems

März 2013, Deutschland/Italien

Ich fuhr in einem äußerlich unauffälligen, aber getunten Audi-Kombi, der 270 Sachen Spitzengeschwindigkeit schaffte, von München nach Florenz. Ich war auf dem Weg, meinen Sohn Conrad und Mikaela, die Liebe seines Lebens, zu treffen. Die beiden jugendlichen Liebenden wurden von meiner Exfrau als Anstandsdame begleitet. Mein kleiner Ausflug begann in Berlin, wo ich mir in einer Talkshow ein argumentatives Wortgefecht mit Sahra Wagenknecht, Deutschlands wortgewandtestem Shootingstar der politischen Szene lieferte. Meine nächste Station war Frankfurt – wo ich während meines fünfjährigen Exils aus der Welt des Mammons, der Eitelkeit und falscher Vorstellungen oft gewesen war –, um meiner Mutter einen Besuch abzustatten. Danach ging es weiter nach München, wo ich diesen Typen namens Josef Resch traf, der eine 1,5 Millionen schwere weltweite Kopfgeldjagd organisiert hatte, um mich im Namen seiner Kunden, die es vorzogen, inkognito zu bleiben, festzusetzen. Die Hatz rund um den Globus war offiziell beendet, daher hatte Resch wenig Anreiz, mich in Bayern zu inkommodieren. Unabhängig davon war dieser Typ gefährlich. Er hatte mich im chilenischen Ort Puerto Mont und in Paris fast drangekriegt. Das ehemalige bulgarische Hausmädchen meiner Mutter und ein ehema­liger Geschäftspartner namens Ulrich Z. standen auf seiner Gehaltsliste.

Um ein etwas normaleres Leben führen zu können, musste ich jedoch mit möglichst vielen meiner Feinde das Kriegsbeil begraben. Ich hatte mit meinen eigenen Leuten genügend Recherchen über Josef Resch angestellt, und das abschließende Urteil lautete, dass er sein Wort hielt. Er versprach fast nie etwas, aber wenn er es tat, hielt er zuverlässig Wort. Er würde mir keine Falle stellen. Also dachte ich: »Was soll´s, ich kann diesen Bluthund treffen.« Im vorhergehenden Jahr war ich auf einer langen Friedensmission mit einer umfangreichen Liste an Feinden in Russland, London, Spanien und Deutschland gewesen, darunter einige wesentlich gefährlichere Elemente, wie zum Beispiel diverse Oligarchen und einige furchterregende unabhängige Agenten. Selbst Mitglieder der Frankfurter Sektion der Hell´s Angels hatten sich an der weltweiten Jagd auf meinen Kopf beteiligt und meinem besten Freund vor einigen Jahren einen »intensiven« Besuch abgestattet, um »Informationen zu sammeln.«

Ich wollte Frieden, meine Rechtsprobleme lösen, ein Vater sein, meine Exfrau um Vergebung bitten und mit meinem restlichen Leben etwas Sinnvolles tun. Mein Vermögen war auf weniger als ein Prozent meines Vermögens zu Spitzenzeiten – 600 Millionen Euro im Jahr 2007 – geschrumpft, aber das war immer noch genug, um vernünftig und ohne allzu großes Kopfzerbrechen zu leben. Dazu kamen mittlerweile mehr als 20 Mio. Schweizer Franken, die mein Schweizer Treuhänder einige Zeit »verlegt, vergessen oder verloren« geglaubt hatte, und die Dank der Staatsanwaltschaft wieder ausfindig gemacht worden sind. Für diese exzellenten Ermittlungsleistungen bedanke ich mich aufrichtig und besonders herzlich bei Staatsanwältin de Falco Haldemann und ihren Wirtschaftsanalysten.

Die Medien nannten mich einen Milliardenbetrüger, den deutschen Madoff und einen Gesetzesflüchtigen. In meinem Berufsleben war ich schon oft mit allen möglichen Namen bedacht worden: Der Plattmacher, Aktienkurskiller, Der Pate von Mallorca und sogar der Antichrist der Finanzen. Was meine Intelligenz allerdings mehr als jeder noch so absurde legale Vorwurf beleidigte, war die Bezeichnung Flüchtling. ­Sicher, ich benutzte damals ein Alias, aber wenn man als Folge eines Mordversuchs im zwölften Wirbel eine Kugel stecken, eine weltweite Kopfgeldjagd überlebt und Krieg gegen einige der reichsten und niederträchtigsten Männer der Welt geführt hat, war es wenig sinnvoll, sich auffällig zu verhalten, geschweige denn mit einem Namensschild durch die Gegend zu laufen. In den Jahren 2006 und 2007, mitten in unserem Scheidungskrieg, hatte selbst meine Exfrau Detektive auf mich angesetzt, um verstecktes Vermögen und Liebesaffären aufzuspüren. Wenn einige deiner durchgeknallteren Feinde eine Privatarmee, Kontakt mit der Unterwelt und/oder die Unterstützung von offiziellen Geheimdiensten haben, scheint mir eine zweite Identität eine ziemlich clevere Idee zu sein.

Ungefähr seit Anfang der Neunziger bis zum Jahr 2007 war ich eine öffentliche Figur und für viele leichtgläubige Medienkonsumenten die Inkarnation des teuflischen Kapitalismus. Gut, ich war ein Leerverkäufer und eine sogenannte »Heuschrecke«, aber ich war auch der ­größte Spender für Liberia und Risikokapitalgeber für ­vielversprechende medizinische Unternehmen und Internet-Startups mit höchst anspruchsvollen ethischen Standards. Von 2004 bis 2006 rettete ich sogar ­Borussia Dortmund, einen der Spitzenfußballvereine Europas, vor der Pleite. Einen bankrotten, aber berühmten Fußballverein wieder profitabel zu machen, war sehr unterhaltsam, trotz einiger Todesdrohungen, die ich von wutentbrannten BVB-Fans erhielt. Vor der Aufräumarbeit und der Rückkehr zu geordneten Finanzen hatte das Management den Markennamen BVB für einen Kredit über zwanzig Millionen Euro an einen ziemlich reichen Typen verhökert. Was mich betraf, hätte er den Namen behalten können und wir hätten den Verein umbenannt. Damit hätten wir mit einem Federstrich und einem simplen Fax zwanzig Millionen Euro eingespart. Drei Millionen BVB-Fans gingen jedoch auf die Barrikaden. Die Hardcore-Hooligans bedrohten uns am Tele­fon und sandten Drohbriefe. Und? Wenn ich irgendetwas von der dunklen Welt gelernt hatte, dann, dass Profis niemals drohen; sie machen einfach ihren Job. Daher war ich ziemlich entspannt. Der Turnaround des Vereins war ein Riesenerfolg und der Aktienkurs legte um 700 Prozent zu. Der Verein konnte sogar seinen Namen behalten. Die Todes­drohungen hörten auf und der Antichrist der Finanzen war für dieses eine Mal zum Retter einer guten Sache geworden.

Die Medien müssen aber dramatisieren und einseitig berichten, um Aufmerksamkeit zu erzielen. Vergessen Sie ausgewogene Porträts oder journalistische Integrität. Pure Schwarz-Weiß-Malerei. Für Nuancen ist in der Sensationspresse kein Platz. Die Botschaft muss schlicht und möglichst vulgär sein, um richtig viel Aufmerksamkeit zu erregen. Die Hälfte dieser Journalisten sind Berufsdilettanten mit gesunder Halbbildung, die selber entweder gar nicht oder nur oberflächlich recherchieren, so wie auch die meisten Finanzinvestoren. Damit konnte ich leben. Schließlich sind »weltliche Gerechtigkeit« und »faire Bericht­erstattung« ein Widerspruch in sich.

Aber Gesetzesflüchtling? Dieser Ausdruck war eine Beleidigung meiner Intelligenz, um nicht zu sagen, fast schon idiotisch. Nur wenige ­Monate nach dem Ende des liberianischen Bürgerkriegs im Jahr 2003 begann ich für zwei Ministerien als Sonderbotschafter zu arbeiten. Während meines Exils (2007-2013) setzte ich in der liberianischen Botschaft von Paris meine Arbeit für Liberia und die UNESCO fort. Ich hatte einen offiziellen französischen Ausweis für meine Aufenthaltserlaubnis, auf dem meine Adresse stand. Jeder drittklassige Detektiv hätte mich im französischen Behördensystem ausfindig machen können. Oft genug tauchte ich in der Botschaft auf. Und ich stand sogar auf der offiziellen Website der UNESCO in Paris. Der letzte Idiot hätte mich in Paris aufspüren können. Resch, der Privatdetektiv und Kopfgeldjäger, hatte mich auch gefunden, bekam mich aber trotz seines Aufgebots nicht zu fassen.

Im Jahr 2008 verteidigte ich mich erfolgreich gegen eine Klage, die im US-Bundesstaat Colorado gegen mich erhoben worden war. Im Jahr 2009 war ich Hauptzeuge in einem millionenschweren öffentlichen Rechtsstreit zwischen zwei Unternehmen in Düsseldorf. Zwischen 2009 und 2013 war ich mehrmals in die Schweiz gereist, um mich freiwillig den Befragungen eines Schweizer Staatsanwalts zu unterziehen. Im Jahr 2012 verteidigte ich mich offiziell sowohl gegen eine Klage der amerikanischen Börsenaufsicht SEC in Washington als auch im Rahmen eines Unternehmensprozesses in New York. Ich trat im öffentlichen Fernsehen vor Millionen Zuschauern auf und gab ausführliche Zeitungsinterviews. Flüchtlinge machen so etwas nicht; sie verstecken sich. Sie unterziehen sich keiner Befragung, sie treten nicht im Fern­sehen auf und verteidigen sich nicht vor Gericht. Sie meiden das Gesetz und die Öffentlichkeit. Sie stellen sich nicht. Und das macht sie zu Flüchtlingen.

Bis zum Tag meiner Festnahme hatte ich 53 Jahre und 153 Tage in Freiheit verbracht. Jeder, der mit mir in Kontakt treten wollte, konnte mich über meinen Anwalt oder die liberianische Botschaft erreichen. Anfang 2013 war ich in die Öffentlichkeit zurückgekehrt und fühlte mich relativ sicher. Ich hatte begonnen, mich wie ein ziemlich normaler Mensch zu verhalten. Im Rückblick erscheint das ziemlich dumm. Am 8. März 2013, 48 Stunden, nachdem die USA eine weltweite Fahndung über Interpol ausgegeben hatten, wurde ich von Italiens Elite­einheit Squadra Mobile festgenommen.

Doch wieso sollte ich ein Gesetzesflüchtling sein, nachdem ich am 18. September 2007 von meinem beruflichen Posten zurückgetreten war? Ich entschied mich für das Exil und beschloss zum ersten Mal, ein privates, nicht-öffentliches Leben zu führen. Ich bin nicht geflohen. Ich habe mich aus offensichtlichen Gründen vor meinen Feinden versteckt. Aber Anfang 2013 stellte ich mich den Rechtsvorwürfen, war bestrebt, mich mit meiner kleinen Familie auszusöhnen, mich für wohltätige Zwecke zu engagieren und mit einigen handverlesenen Freunden wieder Kontakt aufzunehmen. Ein Flüchtling? Nein, das war ich nicht!

Showdown in den Uffizien

»Das wahre Kunstwerk ist nur ein Schatten der göttlichen Perfektion.«

Michelangelo

Einer meiner Anwälte hatte mir versichert, ich könne bedenkenlos reisen. Laut seiner Auskunft liefen nirgendwo Strafanzeigen gegen mich. Die Verjährungsfrist betrug fünf Jahre und ich hatte diese Frist bereits um sechs Monate überschritten. Was ich nicht wusste, war, dass dieser unfähige Winkeladvokat sein Metier nicht beherrschte und eine Klausel im amerikanischen Finanzgesetz Frank-Dodd-Act übersehen hatte, die Verjährungsfristen für einige Gesetzesverstöße rückwirkend von fünf auf sechs Jahre verlängerte. Zwar hatte ich ausgiebige geschäftliche Beziehungen in die USA aus meiner Zeit am Harvard College, allerdings war ich noch nie mit der amerikanischen Justiz in Konflikt geraten. Und obwohl meine moralischen Werte vor meiner Wandlung im Gefängnis eher suboptimal ausgebildet waren, hatte ich während meines College-Studiums in einem der berüchtigtsten und gefährlichsten Gefängnisse des Landes – MCI Walpole – als ehrenamtlicher Gefängnisseelsorger gearbeitet und mich um einen mehrfachen Mörder gekümmert, der einst auf der Liste der meistgesuchten Straftäter des FBI gestanden hatte und nach der Schießerei bei einem Banküberfalls einsaß. Wer hätte damals gedacht, dass ich einmal auf derselben FBI-Liste stehen würde, wie mein Schützling Jean Christian? Einer meiner Professoren an der Harvard Business School und ein echtes Genie, bemerkte einmal sehr scharfsinnig, als er mich nach einem intensiven Party­wochenende sah, an dem ich mich mit Koks zugedröhnt hatte, dass ich entweder Milliardär werden oder im Gefängnis landen würde. Nun, ich habe beides geschafft.

Ich musste mich um zwei Klagen in Deutschland kümmern, und war infolgedessen wesentlich besser mit europäischem Recht vertraut als mit den amerikanischen Gesetzen. Tatsächlich war mein polizeiliches Führungszeugnis zum Zeitpunkt meiner Verhaftung blütenrein. Eine Anzeige wegen eines Gesetzesverstoßes und eine zur Bewährung ausgesetzte Verurteilung waren inzwischen gelöscht worden.

Rückwirkende Gesetzesänderungen, die in konsolidierte Rechtsbestände eingreifen, gibt es in Europa einfach nicht. Das gilt als eine Verletzung der Rechtssicherheit und ist verfassungswidrig. Ich hätte aber gewarnt sein sollen. Ich kannte die amerikanischen Gesetze zum Abhören von Telefongesprächen, die rückwirkend geändert worden waren, damit Tausende von amerikanischen Staatsbeamten nicht einer schweren Straftat angeklagt werden konnten. Dies wäre der Fall gewesen, wären die Gesetze nicht im Nachhinein mit rückwirkendem Effekt geändert worden, das heißt, nach der Durchführung massenhafter illegaler Abhörmaßnahmen.

Zudem konnte ich mir damals ziemlich zuverlässige Daten über Verhaftungen beschaffen. Diese Daten wurden mir einmal im Monat, und zwar zur Monatsmitte, mitgeteilt. Ich traue keinen verbalen Ver­sicherungen von Rechtsanwälten – um ganz genau zu sein, vertraue ich überhaupt keinen Versicherungen, egal von wem sie kommen – mit Ausnahme Gottes, der Heiligen Muttergottes und Jesus. Die Daten waren allerdings sehr beruhigend, also dachte ich, mein Anwalt hätte seinen Job gemacht. Ich hatte ihn bei mindestens drei verschiedenen Gelegenheiten gedrängt, die Verjährungsfristen mehrerer Länder zu überprüfen, einschließlich der USA. Er sagte mir, er habe seine Hausaufgaben gemacht und ich solle »nicht so paranoid sein, mich entspannen und beginnen, ein normaleres Leben zu führen.« Und ich kaufte ihm diesen Bullshit ab. Zumeist reiste ich ohne meine Leibwächter, mit meinem eigenen Pass und quartierte mich in einem Vier-Sterne-Hotel in Verona unter meinem eigenen Namen ein. Die vorhergehenden fünf Jahre war ich stets mit leichtem Handgepäck gereist: höchstens drei Outfits. Und sollte ich irgendwas brauchen, kaufte ich es mir an Ort und Stelle. Im Jahr 2013 war mein einziger Reisebegleiter ein kleines Büchlein mit dem Titel Our Lady´s Message of Mercy to the World. ­Frauen kamen und gingen, abhängig davon, wo ich gerade lebte. Solange ich einer 1,5 Millionen Euro schweren Kopfgeldjagd ausgesetzt war, konnte ich keine offene und aufrichtige Beziehung eingehen. Meine einzige Vorsichtsmaßnahme in Florenz bestand darin, dass ich in keinem Hotelregister auftauchte und mindestens 100 Kilometer vom Stadtzentrum entfernt wohnte. Ich freute mich darauf, meinen talentierten Sohn und seine superkluge Freundin zu sehen, die von meiner Exfrau Susan begleitet wurden.

Florianslegendenszene mit dem Brückensturz