Abbildungsnachweis

Titelbild: Fot. Dr. Bauer, Köln; Nach farbiger Zeichnung im Inventarbuch (NR. 9529) des Römisch-Germanischen Zentralmuseums Mainz; Abb. 1, 12a, 13, 14, 15, 17, 18, 23 (die Reliefs sind Ko­pien), 24, 28, 33, 34, 42 Fot. Verf.; Abb. 2 Bibi Saint-Pol, Wikimedia Commons, gemeinfrei; Abb. 3 Fot. Musées cantonaux, Sion, Robert Barradi, Martigny; Abb. 4 Nach E. Pottier, Une clinique grecque au ­Ve ­siècle (vase attique de la collection Peytel). Monuments Piot 13, 1906, 149–166 Taf. 13; Abb. 5 Nach G. Daux, Stèles funéraires et épigrammes (à propos d‘un livre récent). Bull. Corresp. Hellén. 96, 1972, 553 Fig. 8; Abb. 6 Fot. Antikenmuseum Istanbul; Abb. 7 Nach Ernestus Kalinka, Tituli ­Asiae Minoris II Tituli Lyciae linguis Graeca et Latina conscripti. Fasciculus 2 Regio quae ad Xanthum flumen pertinet praeter Xanthum oppidum (Vindobonae 1930) 223 Nr. 595; Abb. 8 Nach K. P. I. Lambros, Peri sikyon kai sikyaseos para tois archaiois (Athenesi 1895) Abb. 43; Abb. 9 Anagnostakis, Bull. Corr. Hell. 1877 Taf. 9; Abb. 10 Fot. Römisch-Germanisches Zentralmuseum Mainz; Abb. 11 Nach G. L. Gregori (ed.), La collezione epigrafica dell’Antiquarium Comunale del Celio. Inventario generale, inediti, revisioni, contributo al riordina. Tituli 8 (Roma: Quasar 2001) Taf. 19,3; Abb. 12b Nach P. Gall, Le vicende storiche del forcipe. Monografi e ostetrico-ginecologiche 8 (Milano 1939) 610 Fig. 1; Abb. 16 Nach L. Moretti, Inscriptiones Graecae Urbis Romae. Fasc. Secundus Pars prior (264–728). Studi pubblicati dall’Isti­tuto Italiano per la storia antica 22, parte prima (Abk. IGUR 2,1) 219 Nr. 675 (nach P. Ligorio); Abb. 19 Nach Rom CIL VI 7581; Abb. 20 Nach CIL VI 9477; Abb. 21 Nach M. G. Granino Cecere, Una collezione epigrafi ca presso l’Hotel „Villa Florence”. Bull. Com. 90, 1985, 278 Nr. 17; Abb. 22 Fot. J.-M. Degueule, Musée gallo-romaine, Lyon. Nach V. Dasen (red.), La médecine à l’époque romaine. Archéo-Théma 16, sept.oct. 2011, S. 17 unten; Abb. 25 Nach Ralph Jackson, Doctors and Diseases in the Roman Empire, London 1988 (= British Museum Publications) 99 Abb. 24; Abb. 26a Fot. ­Laurianne Kieffer – Musée de La Cour d‘Or – Metz Metro­pole; Abb. 26b Nach farbiger Zeichnung im Inventarbuch (Nr. 9529) des Römisch-Germanischen Zentralmuseums Mainz; Abb. 27 Fot. Musée de la civilization gallo-romaine, Lyon. (Cliché Christian Thioc); Abb. 29 Fot. Deut. Arch. Inst. Madrid, D-DAI-MAD-NOA-B-113 (D. M. Noack); Abb. 30 Kantonsarchäologie Aargau, Vindonissa Museum, 5200 Brugg, Fot. Gary Kammerhuber; Abb. 31 Fot. Kurpfälz. Mus. (A. Hensen/D. Rot­hacher); Abb. 32 Fot. Kurpfälzisches ­Museum Heidelberg; Abb. 35 RGZM CD 94–84; Abb. 36 RGZM CD 94–85; Abb. 37 Zeichnung Mainz, Römisch-Germanisches Zentralmuseum, H. Schmidt; Abb. 38 Fot. Musée d‘archéologie nationale et Domaine national de Saint-Germain-en-Laye. Nach B. Rémy, Les médecins dans l’Occident romain (Bordeaux 2010) 173 Nr. III; Abb. 39 Fot. Collection du musée vendéen, ville de Fontenay-le-Comte, Vendée, France; Abb. 40 Umzeichnung nach D.-A. van Bastelaer, Le cimetière belgoromanofranc de Strée. Rapport sur la fouille, description des objets trouvés, et etudes de diverses questions d’archéologie que cette fouille a soulevées (Mons 1877); Abb. 41 Nach E. Künzl, unter Mitarbeit von S. Künzl und F. J. Hassel, Medizinische Instrumente aus Sepulkralfunden der römischen Kaiserzeit. Kunst und Altertum am Rhein 115 (Köln-Bonn 1983) 71 Gallia Belgica 10 Abb. 45; Abb. 43 Fot. Antikensammlung, Staatliche Museen Berlin (A. Voigt); Abb. 44 Fot. Deut. Arch. Inst. Istanbul, D-DAI-IST-PE-63-478; Abb. 45 Nach J. G. C. Anderson/F. Cumont/H. Grégoire, Studia pontica. Recueil des inscriptions grecques et latines du Pont et de l=Armenie 3 (1910) S. 102f. Nr. 86; Abb. 46 Köln, Archäologisches Institut der Universität, Forschungsarchiv für antike Plastik FA398200_91930; Abb. 47 Köln, Archäologisches Institut der Universität, Forschungsarchiv für antike Plastik FA398503_9193008; Abb. 48 W. M. Calder, Monumenta Asiae Minoris 7. Monuments of Eastern Phrygia (Manchester 1956) 145 Nr. 566; Abb. 49 Nach CIL X 3980; Abb. 50 Fot. LVR – LandesMuseum Bonn; Abb. 51 Nach Giulio Gianelli/ Ugo ­Enrico Paoli (coord.), Rom und seine große Zeit. Leben und Kultur im antiken Rom. 2. Aufl. <Tutto su Roma antica, Firenze 1963> (Würzburg: Arena-Verlag G. Popp 1966) S. 200; Abb. 52 Bildarchiv des Römisch-Germanischen Zentralmuseums Mainz; Abb. 53 Entwurf Verfasser.

Ernst Künzl

MEDICA

Die Ärztin

In memoriam Gerhard Koeppel

* 1936 † 2012

120 Seiten mit 54 Abbildungen in Duoton und einer Karte

Titelabbildung: Priesterin aus Antiochien (Antakya).

Mainz Arzneikästchen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet
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© 2013 by Nünnerich-Asmus Verlag & Media, Mainz am Rhein

ISBN 978-3-943904-45-1

Gestaltung: Bild1Druck GmbH, Berlin

Lektorat: Annette Nünnerich-Asmus, Frauke Itzerott, Mascha Schnellbacher

Gestaltung des Titelbildes: Scancomp GmbH, Wiesbaden

Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf fotomechanischem Wege (Fotokopie, Mikrokopie) zu vervielfältigen oder unter Verwendung elektronischer Systeme zu verarbeiten und zu verbreiten.

1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2013

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Vorwort

Ich überweise Sie jetzt an die Zahnklinik nach NN. Das sind dort zwar alles Männer, aber Sie können Zutrauen haben und brauchen sich keine Sorgen zu machen; die verstehen ihr Handwerk auch.

Beruhigende Worte einer deutschen Zahnärztin an eine Patientin im Sommer 2012

Im 20. Jh. wurde der Beruf der Ärztin zu einem bedeutsamen Feld weiblicher Tätigkeit. Dass Frauen als offiziell anerkannte Ärztinnen tätig sein konnten, war im Abendland ein Prozess, der im 19. Jh. begann und der nach dem Zweiten Weltkrieg vollendet wurde. Seitdem sind Praxisschilder weiblicher Ärzte und Doppelpraxen von Frauen und Männern ein selbstverständlicher Anblick an den Häuserwänden unserer Städte. Wie neu dies alles ist, mag man daran ermessen, dass in Deutschland die erste promovierte Ärztin, Dr. Cornelia Erxleben (Halle/Saale), eine Ausnahme des 18. Jh. war und dass noch in den Jahren nach 1871 Frauen, die in der Medizin promovieren wollten, aus Deutschland in die Schweiz gehen mussten.

Dies hat sich inzwischen grundlegend geändert; die Ärztin ist ein Erfolgsberuf geworden. Gerade deshalb ist es aber von historischem Interesse zu sehen, wo dieser Vorgang einer weiblichen Berufsemanzipation begann: im Altertum Europas, in Griechenland und im Römischen Reich. Das Altertum bietet die Möglichkeit einer Fallstudie für Frauen im Arztberuf in vormoderner Zeit. Dort geschah alles zum ersten Mal:

– gegen 300 v. Chr. praktizierte in der Nähe von Athen eine Griechin namens Phanostrate, die erste Ärztin des Altertums und die erste Ärztin Europas, die wir kennen,

– um 50 v. Chr., im Rom der Regierungszeit Caesars, arbeiteten ein Arzt namens Naevius und seine Frau und Kollegin Naevia in der ersten namentlich bekannten Gemeinschaftspraxis der Geschichte, und

– um Christi Geburt, als Kaiser Augustus regierte, praktizierte im römischen Spanien eine Ärztin, deren Grabbeigaben sie als die erste uns fassbare Chirurgin der Geschichte erweisen.

Ärztinnen waren im Römischen Reich des 1. bis 4. Jh. eine vertraute Erscheinung. Die Stellung der Frauen im Rahmen der ärztlichen Tätigkeit im antiken Römischen Reich war nicht auf die Hebamme beschränkt. Inschriften wie Grabbeigaben verraten uns, dass Frauen auch als Allgemeinmedizinerinnen, Zahnärztinnen, Gynäkologinnen, Chirurginnen und als Pharmazeutinnen tätig sein konnten. Nicht selten be­tätigten sich Frauen auch als Schriftstellerinnen und publizierten Werke über Heilmittel und medizinische Fragen. Der Frauenanteil an der römischen Ärzteschaft lag bei ca. 5 %; Grund genug, diesen geschichtlich frühen Frauenberuf näher zu betrachten.

Zu danken habe ich vielen, jedoch bin ich besonders Helmut Engelmann, Höhr-Grenzhausen, verbunden, der mich an seinem reichen Wissen über die Inschriften des Altertums teilhaben ließ. Eine von uns beiden vor nun fast zwanzig Jahren geplante gemeinsame Schrift über die antiken Ärztinnen kam leider nicht zustande; sie wäre freilich für das rein wissenschaftliche Publikum gedacht gewesen. Besonders danke ich auch Juliane Roderer, München; bei ihrer Literaturagentur fühle ich mich schon seit langen Jahren gut aufgehoben.

Für Hilfe aller Art danke ich Lawrence J. Bliquez, Seattle; Sylvia Brehme, Berlin; Andrea Bußmann, Bonn; Hélène Chew, Saint-Germain-en-Laye; Sylvia Diebner, Rom; Marion Euskirchen, Köln; Klaus-Dietrich Fischer, Mainz; Maria Grazia Granino, Siena; Gian Luca Gregori, Rom; Andreas Hensen, Heidelberg; Ralph Jackson, London; Annemarie Kaufmann-Heinimann, Basel; Susanna Künzl, Eckental; Maria Gabriella Lilli, Rom; Claudia Nauerth, Bad Bergzabern; Friederike Naumann-Steckner, Köln; Vivian Nutton, London; Bernhard Overbeck, München; Alpay Pasinli, Istanbul; Georg Petzl, Köln; Barbara Pferdehirt, Mainz; Gertrud Platz, Berlin; Péter Prohászka, Esztergom; Wolfgang Radt, Berlin; Évelyne Samama, Boulogne; Hugues Savay-Guerraz, Lyon; Hans-Joachim Schalles, Xanten; Matthias Schmandt, Bingen; Ingrid Schoppa, Wiesbaden; Anthony Snodgrass, Cambridge; Viktoria Stuppner, Wien; Dominique Tisserand, Lyon; Peter van Minnen, Ann Arbor; Claudia Waurick, Budenheim; Maria Xagorari-Gleißner, Eckental sowie dem Forschungsarchiv für antike Plastik am Archäologischen Institut der Universität Köln.

Der Erfolg der Frauen in der Medizin des 20. Jh.

Auf dem weiten Weg der Frauen zum Arztberuf war der unwichtigste Faktor die Diskriminierung der Frauen als zur ärztlichen Tätigkeit ungeeignet. Dieser Punkt spielte tatsächlich keine Rolle, im Altertum von vorneherein nicht und in der Neuzeit höchstens als Vorwand in Situationen, in denen man glaubte, sich bestimmter Frauen auf diese Weise entledigen zu können. Die beiden Hauptfaktoren waren vielmehr die soziale Herkunft der Ärztinnen und vor allem das jeweilige Ausbildungssystem.

Im Altertum bis in die neueste Zeit war der Arztberuf keine noble Tätigkeit, nicht nobel in dem Sinne, dass aristokratische Gesellschaften sie in Betracht zogen. Für Angehörige der senatorischen und ritterlichen Adelsschichten Roms kam eine handwerkliche Tätigkeit von vorneherein nicht in Betracht und dies galt noch viel mehr für ihre Frauen. Die römischen Senatoren und Ritter verwalteten ihren Besitz, und wenn sie eine öffentliche Tätigkeit ausübten, so war dies die kombinierte militärisch-politische Karriere eines römischen Hochadeligen, welcher im Laufe dieser Ämter sowohl eine Legion kommandierte wie auch als kaiserlicher oder senatorischer Legat eine Provinz verwaltete. Die von allen Ämtern ausgeschlossenen Frauen widmeten sich der Familie oder agierten politisch hinter den Kulissen, was vor allem für die Damen des Kaiserhauses galt. Die römischen Adelsschichten nahmen aber kaum mehr als 1 % der Gesamtbevölkerung des Reiches ein und wie in nachantiker Zeit war der Arztberuf als Handwerksberuf Domäne der Unterschichten, und das galt auch für die Frauen.

Die Frauen im Altertum fanden kein institutionelles Hindernis, sich dem Arztberuf zuzuwenden. Der Grund war einfach der, dass es keine institutionellen Regeln für den Arztberuf gab. Grundsätzlich konnte jeder das Handwerk eines Arztes lernen, denn als ein solches galt dieser Beruf. Es gab im Altertum keine geordneten Berufsausbildungspläne ebenso wenig wie einen qualifizierenden Berufsabschluss; es gab keine Ärztekammern und keine Approbationen.

Entscheidend waren immer die Ausbildungsmöglichkeiten. Die Basis des wissenschaftlichen Erfolgs des Abendlandes seit dem späten Mittelalter waren Europas Universitäten. Bologna 1130, Paris 1200, Oxford 1214, Cambridge 1284, Prag 1348, Wien 1365 und Heidelberg 1386 sind die Heroennamen des bis heute die Bildungssysteme dominierenden Universitätswesens. Seit dem späteren Mittelalter war den Frauen der Zugang zum medizinischen Wissen versperrt. Akademische Titel konnten sie nicht mehr erwerben. Bis ins 19. Jh. hinein waren die Frauen auf die Nebenwege der Hebamme oder auch nur der kenntnisreichen „Weisen Frau“ angewiesen.

Inzwischen übertrifft an den aktuellen deutschen Universitäten die Zahl von Medizinstudentinnen die ihrer Kommilitonen und auch in der medizinischen Forschung nahmen die Frauen am Beginn des 21. Jh. bereits ca. 30 % ein. Im aktiven Arztberuf liegt der Frauenanteil inzwischen bei ca. 40 %, was freilich für Führungspositionen z.B. in der Chirurgie noch nicht gilt. Die Zahlen aus der Chirurgie sind deshalb beachtenswert, weil dieser Sektor immer noch eine – relative – männliche Domäne ist.

Insgesamt ist nach 150 Jahren modernen Aufstiegs der Frauen in der Medizin der Punkt der inhaltlichen und numerischen Gleichheit mit den Männern nahezu oder bereits überschritten. Im Jahre 2012 waren schon rund 60 % der im Arztberuf beginnenden Mediziner Frauen. Von diesen Ärztinnen in Deutschland sind allerdings nach einer Umfrage des Jahres 2012 ungefähr ein Drittel mit Teilen ihrer Welt unzufrieden: „mit der Mitbestimmung, ihren Entwicklungschancen am Arbeitsplatz und ihrem Einkommen“. So kann es zu dem erstaunlichen Satz kommen:

Rund 60 % der Neueinsteiger in den Arztberuf sind Ärztinnen. Ihre berufliche Zufriedenheit wird wesentlich die Zukunft des Gesundheitswesens mitbestimmen“ (Zahlen nach einer Onlineumfrage unter 1.200 Ärztinnen aller Altersgruppen, Fachgebiete und Hierarchieebenen. Quelle: Chirurgische Allgemeine 13, Heft 5, Heidelberg 2012, S. 267).

Angesichts dieser Zahlen möge man den altrömischen Frauenanteil unter den Ärzten, der um die 5 % lag, nicht an unseren Tagen messen. Stellen wir uns aber nur einmal kurz die Könige von Preußen und Bayern des Jahres 1850 vor, denen man sagen würde, dass im nächsten Jahr jeder zwanzigste Arzt in ihren Ländern eine Frau sein würde: Die Majestäten hätten einträchtig den Kopf geschüttelt und niemand hätte ein Wort geglaubt, durften Frauen damals doch das Fach Medizin überhaupt noch nicht studieren.

Heilkundige Frauen des Mittelalters

Heilkundige Frauen gab es freilich in allen Jahrhunderten, auch nachdem um 500 n. Chr. die antike Welt untergegangen war. Die Überlieferungslage zum Ärzte­stand hatte sich in den Jahrhunderten des beginnenden und des hohen Mittel­alters allerdings radikal verändert. Die Kenntnisse der antiken Medizinschriftsteller ging zunächst rapide zurück. Der Aufschwung der Medizin nach dem Jahr 1000, also immerhin ein halbes Jahrtausend nach dem Untergang des Weströmischen Reiches, hing auch mit der zunehmenden Wiederentdeckung der antiken Medizinautoren zusammen. Die Übersetzungen aus Salerno in Süditalien und Toledo in Kastilien spielten hier die entscheidende Rolle.

Wie zu allen Zeiten haben Frauen in der realen Alltagswelt auch des Mittelalters heilkundige Handlungen und Beratungen ausgeübt. Das Feld der Geburtshilfe, die Arbeit der Hebamme, blieb ein weibliches Reservat. Schon aber die Frage, ob die aus der Römerzeit des Altertums aktenkundige Ärztin weiterhin unter dem Namen einer Ärztin tätig war, stößt auf die Probleme der Überlieferungslage.

Das Phänomen der Arztgräber mit Beigaben hörte mit der späten römischen Kaiserzeit der Jahre um 300 n. Chr. auf. Noch schwerer wiegt das Ende der antiken Inschriftensitte. Das Altertum war eine Welt der Inschriften, meist auf Stein, daneben auch auf Metall oder als aufgemalter Wandanschlag an Häuserwänden. Die öffentlichen Plätze der Städte im Römischen Reich waren voller Ehrendenkmäler, Ehrenstatuen und Ehreninschriften. Die vor den Toren der Städte gelegenen Grabmäler trugen Inschriften, die manchmal karg waren, oft aber auch den Lebensweg des Verstorbenen ausführlich schilderten und lobten. Zwar darf man für das Römische Reich annehmen, dass nur ein bescheidener Prozentsatz der Menschen Lesen und Schreiben gelernt hatte; dennoch spielte dies keine Rolle, weil die bestimmende römische Aristokratie schon früh die Sitte Griechenlands der Ehren­inschriften und der beschrifteten Grabmäler übernommen hatte. Und selbst wenn jemand nicht lesen konnte, so ließ er sich eben den Wortlaut vorlesen: Aber eine ordent­liche Grabinschrift gehörte sich einfach.

Diese Welt verschwand mit den Jahren um 500, und dies nicht nur im Westen, sondern auch im christlichen Reich Ostroms, in Byzanz. Damit verlieren wir eine Hauptquelle über den Ärztinnenberuf, stammen doch unsere Informationen über die antiken Ärztinnen zuerst aus Inschriften, dann erst aus den archäologischen Grabinventaren und aus den Bemerkungen antiker Autoren.

Im Mittelalter sind wir bei dem Fehlen aller Inschriften und auch aller archäologischen Bodenfunde nur auf die Medizinliteratur angewiesen. Hier begegnen uns freilich heilkundige Frauen in beachtlicher Zahl. Der heutige Leser wird mit dem Begriff Medizin im Mittelalter vermutlich zuerst den Namen Hildegard von Bingen verbinden. Diese Gestalt der Jahre 1098–1179 wurde und wird in jüngster Zeit immer berühmter. Es entstand inzwischen eine regelrechte Hildegard von Bingen-Industrie; gibt man den Namen in die aktuellen Suchmaschinen des Internets ein, bekommt man gut 2 Millionen Zitate. Der rezente Ruhm Hildegards entspricht nicht der Situation im Mittelalter, soweit es um die Medizin geht. In der damaligen altdeutschen medizinischen Literatur spielten Hildegards zwei Schriften (Physica, Causae et curae) anscheinend keine Rolle und werden kaum zitiert.

Das berührt jedoch nicht die Frage der Wertschätzung heilkundiger Frauen. Eine Episode aus der Zeit Hildegards und mit einer vergleichbaren Hauptperson steht in der Reinhardsbrunner Briefsammlung: Mitte des 12. Jh. wendet sich der Abt eines thüringischen Klosters an einen Amtsbruder und bittet um Hilfe bei einer Krankheit; man möge ihm bestimmte Arzneien schicken und man möge sich bei einer heilkundigen, berühmten Frau in Sangershausen genau erkundigen, wieviel und wie man von der Medizin einnehmen müsse. Bei dem Kranken handelte es sich um einen Mönch, was belegt, dass Ärztinnen nicht immer allein Frauen behandelten.

Im medizinischen Alltag des Mittelalters waren Frauen in großer Zahl tätig. Ihr Anteil an der Praxis war sicher größer, als es die medizinischen Schriften vermuten lassen. Frauen waren nach der mittelalterlichen Literatur als Hebammen und Pharmazeutinnen, als medizinische Autorinnen und eben auch als Diagnostikerinnen und Ärztinnen tätig. Freilich ergab sich im Laufe der Zeit die Einschränkung, dass Frauen spätestens seit dem 14. Jh. keinen Zugang mehr zu medizinischen Hochschulen bekamen. Im traditionsreichen Salerno konnten Frauen allerdings noch bis zum 14. Jh. den Grad einer Chirurgin erwerben. Die medizinische Hochschule von Salerno in Süditalien war neben Toledo in Spanien in der Vermittlung medizinischer Texte der Griechen, Römer und Muslime maßgebend. Die Universität Salerno existierte bis 1812, die Blütezeit der Salernitaner Medizinschule des Mittelalters war jedoch das 11. und 12. Jh. Für unser Thema sind die in Salerno tätigen Medizinerinnen hervorzuheben, die Mulieres salernitanae. Man hat sie entweder apodiktisch zu Hebammen erklärt oder erwogen, in ihnen doch auch Ärztinnen erkennen zu dürfen. Mit der Frauenheilkunde ist der Name Trotula verbunden, ein Frauenname, den man als Autorin eines Hauptwerkes der Schule von Salerno annahm, eine Schrift über die Leiden der Frauen oder die Heilmittel für Frauen. Inzwischen nimmt man nicht nur die Existenz einer Salernitaner Ärztin (nicht Hebamme) namens Trota an, man hat auch versucht, ihr schriftstellerisches Werk aus der ersten Hälfte des 12. Jh. in Umrissen zu rekonstruieren.

In mittelalterlichen Schriften werden die Mulieres salernitanae des Öfteren zitiert, und das nicht allein bei Problemen der Frauenheilkunde. Eine Ärztin Abella schrieb angeblich ein Werk in Versen (wie es üblich war) über die Schwarze Galle; Rebecca Guarna aus Salerno publizierte medizinische Versgedichte über das Fieber und über den Urin. Andere namentlich genannte Salernitaner Medizinerinnen waren Sigelgaita, Mercurias, Francesca Romano und Constanza Calenda. Eine Ärztin aus Katalonien nannte sich im Jahre 1188 in einem Grundstücksvertrag ganz selbstverständlich „ego Dulcia, medica“ (Ich, Dulcia, Ärztin).

Aus der gleichen Zeit, dem 12. Jh., hören wir nach langen Jahrhunderten wieder etwas von einer Ärztin im griechischen Byzanz: Im Pantokratorspital Konstantinopels hatte man einen Frauenflügel eingerichtet, den zwei Ärzte leiteten, denen eine Ärztin (iátraina) unterstellt war. Die Ärztinnen von Salerno waren in der Welt des Mittelalters nicht allein.

Der Weg zu den Universitäten

Salerno, wo Frauen hatten Medizin studieren können, war auf diesem Gebiet kein Vorbild geworden. Die maßgebenden Hochschulen des späten Mittelalters, angefangen von Bologna und Pavia in Norditalien, über Montpellier in Südfrankreich bis zum einflussreichen Paris, setzten diese Linie nicht fort. Außerhalb der Schulmedizin waren heilkundige Frauen allenthalben im späten Mittelalter und früher Neuzeit tätig. Aber sie waren eben von den Akademien und Zünften ausgeschlossen und es dauerte viele Generationen, bis sich auf diesem Gebiet etwas änderte.