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Einige zentrale Sachverhalte vorab

Ein großes Problem der menschlichen Existenz liegt in der Knappheit, das heißt, der begrenzten Verfügbarkeit von Gütern und Produktionsfaktoren zu deren Erzeugung. Die Wirtschaftswissenschaften widmen sich der Frage, wie die Menschen mit diesem Problem umgehen bzw. sinnvollerweise umgehen sollten. Traditionell unterscheidet man dabei zwischen der Betriebs- und der Volkswirtschaftslehre.

Womit beschäftigt sich die Volkswirtschaftslehre?

Während die Betriebswirtschaftslehre die Entscheidungen der Unternehmen analysiert, beschäftigt sich die Volkswirtschaftslehre mit den Vorgängen des Wirtschaftslebens insgesamt. Sie wird in die Wirtschaftstheorie, die Wirtschaftspolitik und die Finanzwissenschaft untergliedert.

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Einteilung der Wirtschaftswissenschaften

Gegenstand der Wirtschaftstheorie ist zum einen die Mikroökonomik. Sie befasst sich mit dem Verhalten von Haushalten und Unternehmen sowie mit der Funktionsweise von Märkten. Aufgabe der Makroökonomik ist es zu erklären, wie sich die Entscheidungen von Unternehmen, Haushalten und Staat in ihrer Gesamtheit auswirken. Warum kommt es zu Konjunkturschwankungen, Arbeitslosigkeit und Inflation? Welche Rolle spielt das Geld? Die Außenwirtschaftslehre fragt nach den Konsequenzen, die aus der internationalen Verflechtung eines Landes entstehen. Im Rahmen der Wirtschaftspolitik geht es um Möglichkeiten des staatlichen Eingriffs in die Ordnung, die Struktur und den Ablauf der Wirtschaft. Was sollen Regierung und Zentralbank tun? Welche Rezepte gibt es zur Bewältigung der ökonomischen und sozialen Probleme einer Nation? Die Finanzwissenschaft schließlich untersucht die Aufgaben des Staates im Wirtschaftsgeschehen. Ihr Interesse richtet sich auf die Wirkungen von Steuern, Staatsausgaben und öffentlichen Schulden.

Wirtschaftssysteme im Vergleich

In jeder Volkswirtschaft sind infolge der nur begrenzten Produktionsmöglichkeiten drei Grundfragen zu beantworten:

  1. Was soll produziert werden?
  2. (Welche Güter sollen in welchen Mengen hergestellt werden?)
  3. Wie soll produziert werden?
  4. (Welche Produktionsmittel sollen in welchem Umfang wo eingesetzt werden?)
  5. Für wen soll produziert werden?
  6. (Wer erhält wie viel des Produktionsergebnisses? Welcher Teil der Produktion soll konsumiert, welcher Teil investiert werden?)

Die auf die Lösung dieser drei Kernprobleme gerichteten Entscheidungen können von einer zentralen Planungsbehörde getroffen werden. Das setzt voraus, dass die Produktionsmittel Kapital und Boden vergesellschaftet sind. Man spricht von sozialistischer Zentralverwaltungswirtschaft. Typischerweise werden hier auch die Güterpreise und Löhne staatlich festgelegt. Die Erfahrungen mit dieser Organisationsform einer Volkswirtschaft sind wenig ermutigend, wie die Beispiele der ehemaligen UdSSR, Kuba oder Nordkorea zeigen.

Auf der anderen Seite steht die kapitalistische Marktwirtschaft, in der Millionen von Privathaushalten und Unternehmen eigenverantwortlich (dezentral) darüber entscheiden, was, wie und für wen produziert wird. Die Produktionsmittel befinden sich in privater Hand, und die Lenkung der Güterherstellung geschieht über die erzielbaren Preise und Gewinne. Als Exponenten dieses Systems gelten die USA, Hongkong oder Monaco.

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Wirtschaftssysteme

Die kapitalistische Zentralverwaltungswirtschaft dürfte keine ernsthafte Realisierungschance haben. Im Modell der sozialistischen Marktwirtschaft sind die Produktionsmittel entweder überwiegend Staatseigentum (Beispiel China) oder sie gehören den Beschäftigen der einzelnen Betriebe (Beispiel Jugoslawien bis Ende der 1980er Jahre). Meist hat hier auch die staatliche Planung noch erhebliches Gewicht.

Die heute in der Realität zu beobachtenden Wirtschaftssysteme stellen i.d.R. Mischformen dar. Auch in der von Ludwig Erhard (1897–1977) in Deutschland etablierten „sozialen Marktwirtschaft“ kommt dem Staat die Aufgabe zu, lenkend einzugreifen und als negativ empfundene Wirkungen der freien Marktwirtschaft abzumildern.

Die unsichtbare Hand des Marktes

Die Funktionsweise der kapitalistischen Marktwirtschaft lässt sich gut anhand des einfachen Wirtschaftskreislaufs erklären. In diesem Modell sind alle privaten Haushalte zum Sektor Haushalte und sämtliche Unternehmen zum Sektor Unternehmen zusammengefasst. Der Staat und das Ausland werden nicht berücksichtigt.

Die Unternehmen nutzen die von den Haushalten angebotenen Produktionsfaktoren – Arbeit, Boden und Kapital – und die Haushalte verwenden das dafür erhaltene Einkommen für den Kauf von Konsumgütern. Es fließt also zwischen den beiden Sektoren ein ständiger Strom von Konsumgütern und Faktorleistungen, dem ein wertgleicher Geldstrom entgegengerichtet ist. Als Plattform für den Tausch Geld gegen Güter bzw. Geld gegen Faktorleistungen dienen die Konsumgüter- bzw. die Faktormärkte.

Koordination durch den Markt

Steigt nun die Nachfrage der Haushalte nach einem bestimmten Konsumgut, sagen wir Kartoffeln, so erhöht sich deren Preis und die Gewinne in der Kartoffelbranche nehmen zu. Dies veranlasst die Bauern, mehr Kartoffeln anzubauen, und lockt außerdem neue Anbieter auf den lukrativen Markt. Entsprechend werden mehr Feldarbeiter, Pflüge, Ackerflächen etc. benötigt, woraufhin deren Nutzungspreise – Löhne, Mieten, etc. – ansteigen.

Das Beispiel zeigt mithin, dass in der Marktwirtschaft die Konsumenten darüber entscheiden, was in der Volkswirtschaft produziert wird (nämlich das, was den höchsten Gewinn abwirft). Die gezielte Nachfrage der Unternehmen nach Faktorleistungen bestimmt daraufhin die Einkommen und damit, für wen produziert wird. Die Höhe der Faktorpreise schließlich ist maßgeblich dafür, wie produziert wird. Wenn etwa die Löhne der Feldarbeiter zu hoch erscheinen, werden die Bauern versuchen, Feldarbeiter (Arbeit) durch Kartoffelerntemaschinen (Kapital) zu ersetzen. Der Wettbewerbsdruck zwingt die Unternehmen zu höchstmöglicher Effizienz.

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Der einfache Wirtschaftskreislauf

Als Fazit ergibt sich:

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Die Lenkung des Wirtschaftsprozesses in einer freien Marktwirtschaft erfolgt durch den Preismechanismus. Er ist jene „unsichtbare Hand“, von der Adam Smith, der geistige Vater der Marktwirtschaft, 1776 in seinem wichtigsten Wer „Der Wohlstand der Nationen“ gesprochen hat. Sie bringt den Einzelnen, der im Grunde nur seinen eigenen Vorteil im Auge hat, dazu, sich für das Gemeinwohl einzusetzen.

Kritik am freien Preis- bzw. Marktmechanismus

Das vorne beschriebene marktwirtschaftliche System ist im Hinblick auf die Erreichung materiellen Wohlstands zweifellos äußerst leistungsfähig. Aber es hat auch gravierende Schwächen:

  1. Private Unternehmen produzieren nur, wenn sie damit Gewinn machen können. Sogenannte „öffentliche Güter“, die am Markt nicht ohne Weiteres verkauft werden können, wie Sicherheit oder Schutzimpfungen gegen Seuchen, werden nicht angeboten.
  2. Die absolute Gewinnorientierung kann zu Konflikten mit sozialpolitischen Zielen, etwa der Arbeitsplatzsicherheit, führen.
  3. Ein weiteres Problem bildet das Auftreten „externer Effekte“. Beispiel: Ein Unternehmen schädigt die Umwelt, ohne dafür zu bezahlen.
  4. Die wirtschaftliche Aktivität schwankt. In Krisenzeiten kommt es zu Arbeitslosigkeit. Umgekehrt besteht die Gefahr der Inflation. Den Chancen auf materiellen Erfolg stehen existenzielle Risiken gegenüber.
  5. Typisch ist schließlich die sehr ungleiche Einkommens- und Vermögensverteilung. Sie ist die Folge des zugrunde liegenden Leistungsprinzips.

Das magische Viereck

In Deutschland sind die Ziele der Wirtschaftspolitik im „Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft“ vom 8. Juni 1967 festgelegt worden. § 1StabG lautet:

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Bund und Länder haben bei ihren wirtschafts- und finanzpolitischen Maßnahmen die Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts zu beachten. Die Maßnahmen sind so zu treffen, dass sie im Rahmen der marktwirtschaftlichen Ordnung gleichzeitig zur Stabilität des Preisniveaus, zu einem hohen Beschäftigungsstand und außenwirtschaftlichem Gleichgewicht bei stetigem und angemessenem Wirtschaftswachstum beitragen.

Weitere, häufig genannte Ziele sind eine gleichmäßigere Einkommens- und Vermögensverteilung sowie der Umweltschutz. Das Zielsystem wird entsprechend als magisches Viereck, Fünfeck oder allgemein als magisches Vieleck bezeichnet. Der Begriff „magisch“ soll dabei ausdrücken, dass die Ziele oft miteinander in Konflikt stehen und deshalb in der Realität nicht gleichzeitig zu erreichen sind. Vielmehr ist die Gefahr gegeben, dass die Verbesserung des einen Ziels mit der Verschlechterung eines anderen Ziels verbunden ist. Dies erfordert dann ein Abwägen

(Trade-off). Beispiele für solche Zielkonflikte sind zahlreich.

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Das magische Viereck

Zielkonflikte

Zum Beispiel wirkt sich ein hohes Wirtschaftswachstum zwar positiv auf die Beschäftigungslage aus, ist indes häufig von Preissteigerungen begleitet. Daraufhin nehmen die Importe zu und die Exporte ab, wodurch das außenwirtschaftliche Gleichgewicht gefährdet wird. Der wohl berühmteste Zielkonflikt wird anhand der sogenannten Phillipskurve diskutiert, nach der eine höhere Beschäftigung durch eine staatliche Konjunkturankurbelung unter Inkaufnahme von Inflation erreicht werden kann. Dies behaupten zumindest die Vertreter der „Nachfragepolitik“. Die Verfechter der „Angebotspolitik“ setzen dem entgegen, dass eine solchermaßen expansive Wirtschaftspolitik längerfristig sowohl zu Inflation als auch zu mehr Arbeitslosigkeit führt. Man nennt das „Stagflation“.

Wirtschaftspolitische Instrumente …

Zur Erreichung der wirtschaftspolitischen Ziele verfügt jede Nation über ein breit gefächertes Instrumentarium.

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Einteilung der Wirtschaftspolitik

Wichtigster Bereich der Ordnungspolitik ist die Wettbewerbspolitik, deren rechtliche Basis in Deutschland das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) – auch „Kartellgesetz“ genannt – bildet. Zur Ordnungspolitik gehört des Weiteren die Verteilungspolitik. Bei dieser unterscheidet man vermögenspolitische (z. B. Wohnungsbauprämie, Vermögensteuer) und einkommenspolitische Instrumente (z. B. progressive Einkommensteuer, Sozialhilfe, Kindergeld). Die Verteilungspolitik ist das Hauptinstrument der Sozialpolitik.

Die Strukturpolitik umfasst alle Maßnahmen, mit denen der Staat auf die Entwicklung bestimmter Wirtschaftsbereiche (z. B. Kohle-, Stahl-, Textilindustrie), Regionen (z. B. neue Bundesländer, Saarland) oder Betriebe (z. B. Mittelstand) Einfluss nehmen will.

Zur Prozess- oder Ablaufpolitik zählen die Konjunktur- und Wachstumspolitik. Wachstumspolitik zielt auf die Förderung des Wirtschaftswachstums. Dies geschieht auch innerhalb der Ordnungspolitik, etwa über die Arbeitsmarkt-, Technologie-, Bildungs- und Umweltpolitik. Wachstumspolitische Relevanz haben zudem die Maßnahmen der Strukturpolitik.

Die Konjunkturpolitik dient der Verstetigung der konjunkturellen Entwicklung. Wesentliche Bereiche bilden die Fiskalpolitik (z. B. Steuersenkung, Investitionsprämien, staatliche Ausgabenprogramme) und die Geldpolitik. Konjunkturpolitik kann daneben über Instrumente der Außenwirtschaftspolitik (z. B. Exportsubventionen, Importzölle) und der Währungspolitik (z. B. Abwertung) betrieben werden.

… und ihre Wirkungsweise

Wenn wir aus den genannten wirtschaftspolitischen Instrumenten die Maßnahmen der Prozesspolitik herausgreifen, so lässt sich deren Wirkungsmechanismus wie folgt beschreiben:

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Wirkungsweise wirtschaftspolitischer Instrumente

Der Instrumenteneinsatz, etwa im Rahmen der Fiskal- oder Geldpolitik, führt zu Änderungen bestimmter Größen in der Volkswirtschaft, z. B. der Steuern, Zinsen, Wechselkurse etc. Diese Größen spielen ihrerseits für die Nachfrage- und Angebotsentscheidungen der Wirtschaftsakteure eine bedeutende Rolle. Die gesamtwirtschaftliche Nachfrage entspricht den Ausgaben, die die Konsumenten, die Unternehmer, der Staat und das Ausland tätigen wollen. Unter dem gesamtwirtschaftlichen Angebot versteht man die Ausbringungsmenge, die die inländischen Unternehmen zu produzieren und zu verkaufen bereit bzw. in der Lage sind.

Aus den Wechselwirkungen zwischen Angebot und Nachfrage resultieren nun bestimmte Ergebnisse, die sich in den gesamtwirtschaftlichen Zielgrößen (Produktion und Beschäftigung, Preisniveau, Außenbeitrag) niederschlagen. Wenn sich also zum Beispiel die gesamtwirtschaftliche Nachfrage erhöht, steigt typischerweise das Preisniveau, und die Produktion und Beschäftigung nehmen zu. Der damit verbundene Einkommenszuwachs regt aber die Importnachfrage an, wodurch sich der Außenbetrag (= Ex porte minus Importe) verschlechtert.

Auf den Punkt gebracht

Bei der Lösung des Knappheitsproblems hat sich das marktwirtschaftliche System als haushoch überlegen erwiesen. Um Konjunkturschwankungen, Übertreibungen und soziale Härten zu begrenzen, bedarf es aber einer starken staatlichen Wirtschaftspolitik.

Messung der Wirtschaftsleistung

Die in einem Land abgelaufenen Wirtschaftsprozesse werden in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung systematisch erfasst. In Deutschland ist hierfür in erster Linie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden zuständig.

Inlandsprodukt und Nationaleinkommen

Als wichtigstes Maß für die Wirtschaftsleistung einer Nation gilt das Bruttoinlandsprodukt.

Bruttoinlandsprodukt

Das Bruttoinlandsprodukt ist der Wert aller in einem Zeitraum (z. B. ein Jahr) innerhalb der Landesgrenzen erzeugten Endprodukte.

Betrachtet man seine Entstehung, so ergibt sich das Bruttoinlandsprodukt – grob gesprochen – aus der Summe der Wertschöpfungen der einzelnen Wirtschaftsbereiche (Dienstleistungen, produzierendes Gewerbe einschließlich Bau, Land- und Forstwirtschaft sowie Fischerei).

Verwendet wird das Bruttoinlandsprodukt für vier Zwecke: den privaten und staatlichen Konsum, die Investitionen und den Außenbeitrag (= Exporte minus Importe von Waren und Dienstleistungen). Alle Komponenten zusammen bilden die volkswirtschaftliche Gesamtnachfrage.

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Das Bruttoinlandsprodukt und seine Verwendung (in Mrd. Euro 2010)

Zu unterscheiden ist das nominale und das reale Bruttoinlandsprodukt. Nominal heißt, dass die mit den Verkaufspreisen bewerteten Endprodukte zusammengezählt werden. Wenn sich die Preise verdoppeln, dann verdoppelt sich das nominale Bruttoinlandsprodukt. Das reale Bruttoinlandsprodukt misst hingegen nur die Menge der Produktion, sozusagen den Güterberg. Dies geschieht, indem man die Produktion von Waren und Dienstleistungen mit den Preisen des jeweiligen Vorjahrs bewertet.

Reales Wirtschaftswachstum