A.N. Afanasjew
Russische Volksmärchen
Aus dem Russischen von Swetlana Geier
Fischer e-books
Covergestaltung: bilekjaeger, Stuttgart
Coverabbildung: L.S.Popova, ›Malerische Architektonik‹, 1916 / akg-images
Die Originalausgabe erschien
unter dem Titel
›Russische Volksmärchen‹
im Winkler Verlag, München 1989
© 1989 Winkler Verlag München
Für diese Ausgabe:
© Fischer Taschenbuchverlag, ein
Unternehmen der S. Fischer Verlag GmbH,
Frankfurt am Main, 2013
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Dieses E-Book ist urheberrechtlich geschützt.
ISBN 978-3-10-402295-6
Es lebten einmal ein Mann und eine Frau. Der Mann sagte zu der Frau: »Frau, du sollst Piroggen backen, und ich will Fische holen!« Als er genug Fische gefangen hatte, machte er sich mit dem vollen Wagen auf den Heimweg. Er fuhr dahin und sah auf einmal: zusammengerollt lag ein Füchschen auf dem Weg. Der Mann stieg vom Wagen und ging auf das Füchschen zu. Es rührte sich nicht und lag da wie tot. »Das gibt ein Geschenk für meine Frau«, dachte der Mann, hob das Füchschen auf und legte es auf den Wagen. Er selbst ging vor dem Wagen her. Die Füchsin aber nutzte die Zeit und warf sachte einen Fisch nach dem andern von dem Wagen herunter, einen Fisch nach dem andern. Alle Fische warf sie herunter, dann machte sie sich davon.
»Nun, Alte«, sagte der Mann, »schau, was für einen Pelzkragen ich dir mitgebracht habe!« – »Wo ist er?« – »Draußen, auf dem Wagen, der Fisch und der Kragen.« Die Frau trat an den Wagen: Weder Kragen noch Fisch; sie schalt ihren Mann: »Ach, du alter Rettich! Du bist mir einer! Und dann machst du dich über mich lustig!« Da begriff der Mann, daß das Füchschen mitnichten tot gewesen war; er grämte sich eine Weile, aber es war nichts mehr zu ändern.
Und die Füchsin trug die über den Weg verstreuten Fische auf einen Haufen zusammen, setzte sich hin und ließ es sich schmecken. Da kam der Wolf daher: »Guten Tag, Gevatterin.« – »Guten Tag, Gevatter.« – »Gib mir von deinen Fischen.« – »Du kannst selbst fischen und essen.« – »Ich hab’s nicht gelernt.« – »Ei! Ich hab ja auch gefischt! Du mußt zum Fluß gehen, Gevatter, und den Schwanz ins Eisloch stecken. Die Fische hängen sich von selbst an deinen Schwanz; aber sieh zu, daß du möglichst lange sitzen bleibst, sonst wirst du nicht genug Fische fangen.«
Der Wolf lief zum Fluß und steckte den Schwanz in das Eisloch; es war nämlich Winter. Er saß lange, lange, die ganze Nacht saß er, und da fror sein Schwanz im Eise fest. Er versuchte aufzustehn, aber es wollte nicht gehen. »Da hängen aber viele Fische dran, ich kann sie ja nicht herausziehen!« dachte er. Und schon sah er: Frauen kamen zum Fluß, um Wasser zu holen. Als sie den Grauen entdeckten, schrien sie: »Ein Wolf! Ein Wolf! Schlagt ihn! Schlagt ihn!« Sie liefen herbei und begannen den Wolf zu prügeln, die eine mit dem Tragholz, die andere mit dem Eimer, wie es gerade kam. Der Wolf sprang hin und sprang her, riß sich den Schwanz ab und rannte Hals über Kopf davon. »Na warte«, dachte er, »das werde ich dir heimzahlen, Gevatterin!« Schwesterchen Füchsin aber hatte sich die Fische schmecken lassen und wollte sehen, ob sie nicht irgendwo noch etwas erwischen könnte; sie schlich sich in ein Haus, wo Frauen Pfannkuchen buken, geriet dort unversehens mit dem Kopf in die Teigschüssel und lief teigbeschmiert weiter. Da begegnete ihr der Wolf: »Das war also dein guter Rat? Ich bin am ganzen Leib zerschunden!« – »Ach, lieber Gevatter«, sagte Schwesterchen Füchsin, »bei dir fließt bloß das Blut, bei mir aber das Hirn. Mich haben sie viel schlimmer zerschunden, ich kann mich kaum rühren.« – »Wohl wahr«, sagte der Wolf, »wie willst du weiterkommen, Gevatterin? Setz dich auf meinen Rücken, ich will dich tragen.« Die Füchsin setzte sich auf seinen Rücken, und er trug sie weiter.
Schwesterchen Füchsin sitzt so da und spricht leise vor sich hin: »Nichtverprügelt auf Verprügelt, Nichtverprügelt auf Verprügelt.« – »Was sagst du da, Gevatterin?« – »Ach, Gevatter, ich sage: Verprügelt auf Verprügelt.« – »So ist es, Gevatterin, so ist es.«
»Komm, wir wollen uns Häuser bauen, Gevatter.« – »Gut, wir wollen uns Häuser bauen, Gevatterin.« – »Ich baue mir ein Haus aus Schindeln, und du baust dir ein Haus aus Eis.« Sie gingen an die Arbeit und bauten Häuser: Dem Füchschen aus Schindeln, dem Wolf aus Eis, und wohnten darin. Der Frühling kam, und das Haus des Wolfs schmolz. »Aha, Gevatterin«, sagte der Wolf, »du hast mich wieder betrogen und deshalb will ich dich fressen.« – »Komm, Gevatter, wir wollen losen, wer wen fressen soll.« Schwesterchen Füchsin führte den Wolf zu einer tiefen Grube mitten im Wald und sagte: »Spring! Wenn du über die Grube springen kannst, dann sollst du mich fressen. Und wenn du nicht hinüberspringen kannst, dann soll ich dich fressen.« Der Wolf sprang und fiel in die Grube. »So«, sagte das Füchschen, »jetzt kannst du hier sitzen!«, und ging.
Das Füchschen kam eines Tages mit einem Wellholz in den Pfoten und klopfte bei einem Bauern an: »Laß Schwester Füchsin bei dir übernachten.« – »Bei uns ist es ohne dich schon eng.« – »Ich werde euch nicht zur Last fallen; ich lege mich auf die Bank, den Schwanz unter die Bank, das Wellholz vor den Ofen.« Der Bauer ließ sie herein. Sie legte sich auf die Bank, den Schwanz unter die Bank, das Wellholz vor den Ofen. In aller Frühe erhob sich die Füchsin, verbrannte ihr Wellholz und fragte dann: »Wo ist denn mein Wellholz? Ich würde es nicht einmal gegen eine Gans tauschen!« Es war nichts zu machen – der Bauer gab ihr für das Wellholz eine Gans; das Füchschen nahm die Gans, ging weiter und sang:
»Ein Wellholz trug die Füchsin,
Als sie des Weges kam;
Fürs Wellholz – ein Gänschen!«
Tuck-tuck-tuck, klopfte sie bei einem anderen Bauern an. »Wer ist da?« – »Ich bin’s, Schwester Füchsin. Laß mich bei euch übernachten.« – »Bei uns ist es auch ohne dich schon eng.« – »Ich werde euch nicht zur Last fallen. Ich lege mich auf die Bank, den Schwanz unter die Bank, die Gans vor den Ofen.« Der Bauer ließ sie ein. In aller Frühe sprang sie auf, packte die Gans, rupfte sie, aß sie auf und sagte: »Wo ist denn mein Gänschen? Ich würde es nicht einmal gegen einen Truthahn tauschen!« Es war nichts zu machen – der Bauer gab ihr für die Gans einen Truthahn; das Füchschen nahm den Truthahn, ging weiter und sang:
»Ein Wellholz trug die Füchsin,
Als sie des Weges kam;
Fürs Wellholz – ein Gänschen,
Fürs Gänschen – einen Truthahn.«
Tuck-tuck-tuck, klopfte sie an der Tür bei einem dritten Bauern an: »Wer da?« – »Ich bin es, Schwester Füchsin. Laß mich bei euch übernachten.« – »Bei uns ist es auch ohne dich schon eng.« – »Ich werde euch nicht zur Last fallen; ich lege mich auf die Bank, den Schwanz unter die Bank, den Truthahn vor den Ofen.« Der Bauer ließ sie ein. Sie legte sich auf die Bank, den Schwanz unter die Bank, den Truthahn vor den Ofen. In aller Frühe sprang sie auf, packte den Truthahn, rupfte ihn, aß ihn auf und sagte: »Wo ist denn mein Truthähnchen? Ich würde es nicht einmal gegen deine Schwiegertochter tauschen!« Es war nichts zu machen – der Bauer gab ihr für den Truthahn die Schwiegertochter. Das Füchschen nahm die Schwiegertochter, steckte sie in einen Sack, ging weiter und sang:
»Ein Wellholz trug die Füchsin,
Als sie des Weges kam;
Fürs Wellholz – ein Gänschen,
Fürs Gänschen – einen Truthahn,
Für den Truthahn – die Schwiegertochter.«
Tuck-tuck-tuck, klopfte sie an der Tür beim vierten Bauern an. »Wer da?« – »Ich bin es, Schwester Füchsin. Laßt mich bei euch übernachten.« – »Bei uns ist es auch ohne dich schon eng.« – »Ich werde euch nicht zur Last fallen. Ich lege mich auf die Bank, den Schwanz unter die Bank, den Sack vor den Ofen.« Der Bauer ließ sie ein. Sie legte sich auf die Bank, den Schwanz unter die Bank und den Sack vor den Ofen. Der Bauer ließ heimlich die Schwiegertochter aus dem Sack und steckte einen Hund hinein. Als der Morgen kam, zog Schwester Füchsin weiter: sie ging, trug ihren Sack und sagte: »Schwiegertöchterchen, du mußt mir Lieder singen!« Da fing der Hund an zu knurren. Die Füchsin erschrak, ließ den Sack mit dem Hund fallen und lief weg. Das Füchschen lief und sah: auf einem Tor saß ein Hahn. Da sagte es zu ihm: »Hör mal, Gockel! Steig herunter, ich will dir die Beichte abnehmen: Du hast siebzig Frauen und sündigst immerfort.« Der Hahn stieg vom Tor herunter, die Füchsin packte ihn und fraß ihn auf.
Es lebten einmal Gevatter Wolf und Gevatterin Füchsin. Sie hatten ein Fäßchen Honig. Die Füchsin naschte für ihr Leben gern; einmal lag die Gevatterin neben dem Gevatter in ihrem Häuschen und klopfte heimlich mit dem Schwanz auf den Boden. »Gevatterin, Gevatterin! Da klopft jemand!« – »Wahrscheinlich ist eine in Kindsnöten und sie holen mich«, murmelte die Füchsin. »Dann geh doch hin«, sagte der Wolf. Die Gevatterin lief aus dem Haus und schnurstracks zum Honig, schleckte nach Herzenslust und kehrte zurück. »Was hat Gott gegeben?« fragte der Wolf. »Das Oberste«, antwortete die Füchsin.
Ein andermal lag die Gevatterin wieder da und klopfte mit dem Schwanz. »Gevatterin, da klopft jemand!« sagte der Wolf. »Wahrscheinlich ist eine in Kindsnöten und sie holen mich«, murmelte die Füchsin. »Dann geh doch hin«, sagte der Wolf. Die Füchsin lief aus dem Haus und wieder zum Honig und schleckte, bis sie genug hatte. Es blieb nur ein wenig Honig auf dem Boden des Fäßchens. Dann kehrte sie zum Wolf zurück. »Was hat Gott gegeben?« fragte der Wolf. »Das Mittlere.«
Zum dritten Mal täuschte die Füchsin den Wolf auf die gleiche Weise und schleckte den letzten Honig auf. »Was hat Gott gegeben?« fragte der Wolf. »Das Restchen.«
Über kurz oder lang stellte sich die Füchsin krank und bat den Gevatter, ein wenig Honig zu holen. Der Gevatter ging, aber das Fäßchen war leer.
»Gevatterin, Gevatterin!« schrie der Wolf, »der ganze Honig ist aufgegessen!« – »Wieso aufgegessen? Wer hat ihn aufgegessen? Niemand anderer als du!« schalt die Füchsin. Der Wolf schwor und schlug das Kreuz. »Nun gut«, sagte die Füchsin, »wir wollen uns beide in die Sonne legen, und wer von uns Honig schwitzt, der hat’s getan.«
Sie gingen hinaus und legten sich in die Sonne. Die Füchsin fand keinen Schlaf, aber der graue Wolf schnarchte aus vollem Rachen. Und siehe da, plötzlich trat bei der Gevatterin der Honig aus. Tropfen um Tropfen. Hurtig schmierte sie ihn dem Wolf auf den Pelz. »Gevatter! Gevatter! Was ist das?« Sie rüttelte den Wolf wach. »Jetzt sieht man, wer den Honig aufgegessen hat!«
Da blieb dem Wolf nichts anderes übrig, als sich schuldig zu bekennen.
Für euch das Märchen, für mich ein irden Butternäpfchen.
Es lebten einmal ein Fuchs und ein Hase. Der Fuchs hatte ein Haus aus Eis, der Hase eins aus Holz. Der Frühling kam – das Haus des Fuchses schmolz, das Haus des Hasen stand unverändert. Der Fuchs fragte zunächst das Häschen, ob er sich bei ihm nicht ein bißchen wärmen könnte, und jagte es dann aus dem Haus. Der Hase lief fort und weinte, da begegneten ihm einige Hunde: »Wau, wau! Warum weinst du, Häschen?« Der Hase sagte: »Laßt mich in Frieden! Wie sollte ich nicht weinen? Ich hatte ein Haus aus Holz und der Fuchs eins aus Eis, er wollte sich zuerst bei mir wärmen und jagte mich dann aus dem Haus.« – »Weine nicht, Häschen«, sagten die Hunde. »Wir werden ihn verjagen.« – »Nein, ihr könnt ihn nicht verjagen!« – »Doch, wir werden ihn verjagen!« Zusammen kehrten sie zu dem Häuschen zurück: »Wau, wau! Hinaus mit dir, Fuchs!« Der Fuchs blieb auf dem Ofen liegen und antwortete: »Wenn ich aufspringe, wenn ich rausspringe, fliegt zerfetztes Fell bis zum letzten Hof!« Die Hunde erschraken und liefen davon.
Der Hase lief weiter und weinte. Da begegnete ihm der Bär. »Warum weinst du, Häschen?« Der Hase sagte: »Laß mich in Frieden, Bär! Wie sollte ich nicht weinen? Ich hatte ein Haus aus Holz, und der Fuchs eins aus Eis, er wollte sich zuerst bei mir wärmen und jagte mich dann aus dem Haus.« – »Weine nicht, Häschen«, sagte der Bär. »Ich werde ihn verjagen.« – »Nein, du kannst ihn nicht verjagen! Die Hunde wollten ihn verjagen und haben nichts ausgerichtet, du wirst ihn auch nicht verjagen.« – »Doch, ich werde ihn verjagen!« Zusammen zogen sie gegen den Fuchs los: »Hinaus mit dir, Fuchs!« Der Fuchs blieb auf dem Ofen liegen: »Wenn ich aufspringe, wenn ich rausspringe, fliegt zerfetztes Fell bis zum letzten Hof!« Der Bär erschrak und lief davon.
Wieder lief der Hase weiter und weinte. Da begegnete ihm der Ochse: »Warum weinst du, Häschen?« – »Laß mich in Frieden, Ochs! Wie sollte ich nicht weinen? Ich hatte ein Haus aus Holz und der Fuchs eins aus Eis; er wollte sich zuerst bei mir wärmen und jagte mich dann aus dem Haus.« – »Gehen wir zusammen hin, ich werde den Fuchs verjagen.« – »Nein, du wirst ihn nicht verjagen, Ochs! Die Hunde wollten ihn verjagen – sie haben nichts ausgerichtet, der Bär wollte ihn verjagen – er hat nichts ausgerichtet, auch du wirst ihn nicht verjagen.« – »Doch, ich werde ihn verjagen!« Zusammen kehrten sie zu dem Haus zurück. »Hinaus mit dir, Fuchs!« Der Fuchs blieb auf dem Ofen liegen: »Wenn ich aufspringe, wenn ich rausspringe, fliegt zerfetztes Fell bis zum letzten Hof!« Der Ochse erschrak und lief davon.
Wieder lief der Hase weiter und weinte. Da kam ihm der Hahn mit einer Sense entgegen. »Kikeriki! Warum weinst du, Häschen?« – »Laß mich in Frieden, Hahn! Wie sollte ich nicht weinen? Ich hatte ein Haus aus Holz und der Fuchs eins aus Eis, er wollte sich zuerst bei mir wärmen und jagte mich dann aus dem Haus.« – »Gehen wir zusammen hin, ich werde ihn verjagen.« – »Nein, du wirst ihn nicht verjagen! Die Hunde wollten ihn fortjagen – sie haben nichts ausgerichtet, der Bär wollte ihn verjagen – er hat nichts ausgerichtet, der Ochse wollte ihn verjagen – er hat nichts ausgerichtet, auch du wirst ihn nicht verjagen.« – »Doch, ich werde ihn verjagen!« Zusammen kehrten sie zu dem Haus zurück.
»Kikeriki, die Sense ist gewetzet, der Fuchs wird gleich gemetzelt! Hinaus mit dir, Fuchs!« Als der Fuchs das hörte, erschrak er und sagte: »Ich ziehe mich gerade an.« Und der Hahn wieder: »Kikeriki, die Sense ist gewetzet, der Fuchs wird gleich gemetzelt! Hinaus mit dir, Fuchs!« Der Fuchs sagte: »Ich will noch den Pelz überziehen.« Der Hahn zum dritten Mal: »Kikeriki, die Sense ist gewetzet, der Fuchs wird gleich gemetzelt!« Da kam der Fuchs aus dem Haus gelaufen; der Hahn zerstückelte ihn mit der Sense, zog zu dem Hasen in das Haus und sie lebten glücklich und das Gute mehrte sich.
Für dich ein Märchen, für mich ein irden Butternäpfchen.
Einmal irrte der Fuchs eine ganze lange Herbstnacht durch den Wald, konnte aber nichts zu essen finden. In der Morgendämmerung lief er ins Dorf, schlich in einen Bauernhof und kletterte über die Hühnerstiege zu den Hühnern. Er war gerade oben angelangt und wollte schon ein Huhn packen, da wurde es für den Hahn Zeit zu singen: auf einmal schlug er mit den Flügeln, trat heftig von einem Bein auf das andere und krähte aus vollem Halse. Der Fuchs erschrak dermaßen, daß er von der Hühnerstiege fiel und drei Wochen mit Fieber das Bett hüten mußte.
Eines Tages bekam der Hahn Lust, im Walde zu spazieren. Der Fuchs aber lauerte ihm schon lange auf; er versteckte sich hinter einem Strauch und wartete, ob nicht der Hahn vorüberkäme. Der Hahn aber sah einen dürren Baum, flatterte hoch und setzte sich auf einen Ast. Nach einer Weile war der Fuchs des Wartens müde und wollte den Hahn vom Baum herunterlocken. Er dachte nach, dachte nach und dachte: »Ich muß ihn überlisten.« Er stellte sich unter den Baum und grüßte: »Guten Tag, lieber Petja!« – »Warum schickt den der Teufel hierher?« dachte der Hahn. Und schon begann der Fuchs eine arglistige Rede: »Ich wünsche dir Gutes, mein Lieber, – ich möchte dich auf den wahren Weg bringen und Vernunft lehren. Du hast doch fünfzig Frauen um dich und bist noch nie zur Beichte gegangen. Komm herunter, beichte und bereue, und ich werde dir alle deine Sünden nachlassen und mich nicht über dich lustig machen.«
Der Hahn flatterte immer tiefer herunter, und auf einmal hatte der Fuchs ihn zwischen den Pfoten. Da sagte der Fuchs: »Jetzt geht es dir an den Kragen. Ich werde mit dir für alles abrechnen; nun mußt du, du Wüstling, deine Unzucht und deine bösen Taten büßen! Weißt du noch, wie ich in der dunklen Herbstnacht zu euch kam und nur ein Hühnchen wollte, damals, als ich drei Tage hungern mußte, und du auf einmal mit den Flügeln flattertest und von einem Bein auf das andere tratest!« – »Ach, lieber Fuchs«, sagte der Hahn, »deine Reden sind stets lieblich, du allweiser Fürst! Bald feiert unser Erzbischof ein großes Fest. Beim Essen will ich ihn bitten, daß er dich zum Hostienbäcker macht, und dann werden wir allzeit das weiche Weihebrot essen und süßen Festmet trinken, ehrbar leben und guten Leumund haben.« Die Pfoten des Fuchses lösten sich, und der Hahn flatterte auf die Eiche hinauf.
Es lebten einmal ein Mann und eine Frau. Der Alte pflanzte einen Kohlstrunk im Keller, die Alte in dem Aschenloch. Der Kohlstrunk der Alten verwelkte in dem Aschenloch, der Kohlstrunk des Alten wuchs und wuchs, bis er die Kellerdecke erreichte. Der Alte nahm das Beil und hackte in die Decke über dem Kohlstrunk ein Loch.
Der Strunk wuchs weiter, immer höher und höher, bis er die Decke erreichte; wieder nahm der Alte das Beil und schlug in die Decke über dem Kohlstrunk ein Loch. Der Kohlstrunk wuchs immer höher und höher, bis zu dem Himmel.
Wie konnte nun der Alte die Spitze des Kohlstrunks sehen? Er kletterte an dem Strunk hoch, kletterte höher und höher, höher und höher, er kletterte bis an den Himmel, schnitt in den Himmel ein Loch und kletterte hinein. Er sah: Dort stand eine Mühle; die Mühle mahlte – Piroggen, Fladen und obendrein einen Topf Kascha. Der Alte aß und trank nach Herzenslust, legte sich nieder und schlief ein.
Als er ausgeschlafen hatte, kletterte er auf die Erde herunter und sagte: »Alte, he, Alte! Dort ist ein Leben! In dem Himmel gibt es eine Mühle, die mahlt – Piroggen und Fladen und obendrein einen Topf Kascha!« – »Wie könnte ich auch einmal hinaufkommen, Alterchen?« – »Krieche in den Sack, ich werde dich hinauftragen.« Die Alte überlegte und kroch dann in den Sack.
Der Alte nahm einen Sackzipfel zwischen die Zähne und kletterte in den Himmel; er kletterte und kletterte, er kletterte lange; der Alten wurde es langweilig und sie fragte: »Ist es noch weit, Alterchen?« – »Noch weit, Alte!« Wieder kletterte er und kletterte, er kletterte und kletterte. »Ist es noch weit, Alterchen?« – »Die Hälfte haben wir schon!« Wieder kletterte er und kletterte, kletterte und kletterte. Wieder fragte die Alte: »Ist es noch weit, Alterchen?« Der Alte wollte eben sagen: »Nicht mehr weit!« – da rutschte der Sackzipfel ihm aus den Zähnen, die Alte stürzte auf die Erde herunter und zerschellte. Der Alte kletterte an dem Strunk herunter, nahm den Sack auf, aber in dem Sack waren nichts als Knochen, und auch die waren alle zerbrochen.
Der Alte ging aus dem Haus und weinte bitterlich. Da begegnete ihm das Füchschen: »Warum weinst du, Alterchen?« – »Wie sollte ich denn nicht weinen? Meine Alte ist zu Tode gestürzt.« – »Weine nicht, ich werde sie heil machen.« Der Alte fiel vor dem Fuchs auf die Knie: »Mache sie heil, ich werde dir geben, was du verlangst!« – »Gut, heize die Badestube, bringe ein Säckchen Hafermehl, ein Näpfchen Butter und deine Alte, stell dich draußen vor die Tür und wage ja nicht, auch nur einen Blick in die Badestube zu werfen!«
Der Alte heizte die Badestube, brachte alles, was der Fuchs verlangt hatte, und stellte sich vor die Tür; der Fuchs ging in die Badestube, legte den Türhaken vor und machte sich daran, die Knochen der Alten zu waschen. Er wusch sie oder er wusch sie nicht, aber er nagte sie ab. Der Alte fragte: »Was macht die Alte?« – »Sie regt sich schon«, sagte der Fuchs, der inzwischen die Alte verspeist, die Knochen gesammelt und in eine Ecke getragen hatte. Dann rührte er sich eine Salamata an.
Der Alte wartete eine geraume Weile, dann fragte er: »Was macht meine Alte?« – »Sie setzt sich hin«, sagte der Fuchs und ließ sich die Salamata schmecken. Er aß alles auf und sagte: »Alterchen, mach die Tür ganz weit auf!« Er machte die Tür auf, der Fuchs sprang mit einem Satz aus der Badestube und lief schnell nach Hause. Der Alte trat in die Badestube und sah: nur die Knochen seiner Alten lagen unter der Bank, die waren sauber abgenagt, das Hafermehl und die Butter aufgegessen. So blieb der Alte allein und in Armut zurück.
Es lebten einmal ein Mann und eine Frau. Sie hatten eine Tochter. Eines Tages aß sie Bohnen und ließ ein Böhnchen fallen. Es keimte, wuchs und wuchs bis an den Himmel. Der Alte kletterte in den Himmel hinauf; dort ging er hin und her, schaute alles an, freute sich und sagte: »Jetzt will ich meine Alte heraufholen; die wird sich freuen!« Er kletterte herunter, steckte die Alte in den Sack, nahm einen Sackzipfel zwischen die Zähne und kletterte wieder hinauf; er kletterte, kletterte, wurde müde und ließ den Sack fallen. Ganz schnell stieg er hinunter, öffnete den Sack und sah – da lag seine Frau, bleckte die Zähne und riß die Augen auf. Er sagte: »Was gibt es zu lachen, Alte? Wieso bleckst du die Zähne?« Aber als er sah, daß die Alte tot war, flossen seine Tränen ohne aufzuhören.
Sie wohnten mitten in der Einöde; niemand war da, der um die Alte wehklagen konnte. Da steckte der alte Mann drei Paar weiße Hühner in den Sack und machte sich auf den Weg, um ein Klageweib zu suchen. Als er einen Bären kommen sah, sagte er: »Willst du nicht die Totenklage für meine Alte singen, Bär? Ich gebe dir zwei weiße Hühnchen.« Der Bär brüllte: »Ach, mein liebstes Großmütterchen, wie leid ist es mir um dich!« – »Nein«, sagte der Alte, »du verstehst dich nicht auf die Totenklage«, und ging weiter. Er ging weiter, und nach einer Weile begegnete ihm der Wolf. Er bat den Wolf, eine Totenklage zu singen, aber auch der Wolf verstand sich nicht darauf.
Er ging wieder weiter, begegnete einer Füchsin, bat sie, die Alte zu beklagen, und versprach ihr ein Paar weißer Hühner. Die Füchsin fing an zu singen: »Wehe, wehe, Großmütterchen, umgebracht hat dich Großväterchen!« Dem Bauern gefiel diese Totenklage. Er bat die Füchsin, ein zweites, ein drittes und ein viertes Mal zu singen. Darauf griff er in den Sack, aber das vierte Paar Hühnchen fehlte ihm. Der Alte sagte: »Weißt du was, Füchschen? Ich habe das vierte Paar Hühner zu Hause vergessen, komm mit mir, wir holen es.« Die Füchsin folgte ihm. Sie kamen nach Hause; der Alte nahm den Sack, steckte ein Paar Hunde hinein und obendrauf sechs Hühnchen, die der Füchsin zustanden, und gab ihn der Füchsin. Sie nahm den Sack und lief fort. Nach einer Weile blieb sie an einem Baumstumpf stehen und sagte: »Ich will mich auf diesen Baumstumpf setzen und ein weißes Hühnchen essen.« Sie aß das Hühnchen auf und lief weiter; nach einer Weile setzte sie sich wieder auf einen Baumstumpf und aß das zweite Hühnchen, dann das dritte, das vierte, das fünfte und das sechste. Als sie den Sack zum siebten Mal öffnete, sprangen die beiden Hunde heraus und bellten sie an.
Die Füchsin lief davon, sie lief, lief und versteckte sich schließlich unter einem Baumstamm. Sie versteckte sich und hub an zu fragen: »Öhrchen, Öhrchen, was habt ihr getan?« – »Wir haben gehorcht und gehorcht, damit die Hunde das Füchschen nicht auffressen.« – »Äuglein, Äuglein, was habt ihr getan?« – »Wir haben geschaut und geschaut, damit die Hunde das Füchschen nicht zerreißen.« – »Beinchen, Beinchen, was habt ihr getan?« – »Wir sind gerannt und gerannt, damit die Hunde das Füchschen nicht einholen.« – »Und du, dicker Schwanz, was hast du getan?« – »Ich bin an Baumstümpfen, an Büschen, an Stämmen hängengeblieben, damit die Hunde das Füchschen einholen und zerreißen.« – »Ach, so einer bist du! Hier, Hunde, kommt, da habt ihr meinen Schwanz!« Sie streckte ihren Schwanz aus dem Versteck, die Hunde packten zu, zogen an dem Schwanz die Füchsin hervor und rissen sie in Stücke.
Der Bauer und der Bär lebten in großer Freundschaft. Eines Tages beschlossen sie, Rüben zu säen! Sie säten und wollten unter sich abmachen, wie die Ernte geteilt werden sollte. Der Bauer sagte: »Für mich die Wurzeln, für dich das Kraut, Mischa.« Die Rüben waren gediehen; der Bauer nahm die Wurzeln und Mischa das Kraut. Mischa merkte, daß er den kürzeren gezogen hatte, und sagte zu dem Bauern: »Du hast mich übers Ohr gehauen, Bruder! Wenn wir das nächste Mal säen, wirst du mich nicht mehr übertölpeln.«
Das Jahr ging vorüber. Der Bauer sagte zu dem Bären: »Laß uns Weizen säen, Mischa.« – »Laß uns Weizen säen«, sagte Mischa. Sie säten Weizen. Der Weizen reifte; der Bauer sagte: »Was willst du denn jetzt nehmen, Mischa? Die Wurzeln oder das Kraut?« – »Nein, diesmal wird es dir nicht gelingen, mich übers Ohr zu hauen! Diesmal soll es anders sein: für mich die Wurzeln, für dich das Kraut!« Sie ernteten den Weizen und teilten. Der Bauer drosch den Weizen, mahlte, siebte, buk Brot, kam zu Mischa und sagte: »Siehst du, Mischa, hier ist das Kraut.« – »Weißt du, Bauer«, sagte der Bär, »jetzt bin ich böse. Jetzt will ich dich fressen!« Der Bauer ging fort und weinte.
Da kam die Füchsin und frage den Bauern: »Warum weinst du?« – »Wie soll ich denn nicht weinen und nicht den Kopf hängen lassen? Der Bär will mich fressen.« – »Fürchte dich nicht, Onkel, er wird dich nicht fressen.« Darauf versteckte sie sich im Gebüsch und befahl dem Bauern, auf derselben Stelle stehenzubleiben; dann trat sie hervor und fragte: »Bauer, hast du hier Wölfe gesehen? Werwölfe oder Bären?« Der Bär aber kam zu dem Bauern und sagte: »O weh, Bauer, verrat mich nicht, ich werde dich nicht fressen.« Der Bauer antwortete der Füchsin: »Ich habe keine gesehen.« Die Füchsin lachte und sagte: »Und was liegt da vor deinem Wagen?« Der Bär sagte heimlich zu dem Bauern: »Sag doch, es ist ein Baumstamm.« – »Wenn das ein Baumstamm wäre«, sagte die Füchsin, »dann läge er auf dem Wagen und wäre festgebunden.« Darauf versteckte sie sich wieder in dem Gebüsch. Der Bär sagte zu dem Bauern: »Binde mich und lege mich auf den Wagen.« Der Bauer tat es.
Da kam der Fuchs wieder hervor und fragte den Bauern: »Bauer, hast du hier Wölfe gesehen, Werwölfe oder Bären?« – »Ich habe keine gesehen!« sagte der Bauer. »Und was liegt da auf deinem Wagen?« – »Ein Baumstamm.« – »Wenn das ein Baumstamm wäre, dann würde deine Axt darin stecken.« Der Bär sagte darauf heimlich zu dem Bauern: »Steck die Axt in mich.« Der Bauer hieb ihm die Axt in den Rücken, und der Bär war tot. Darauf sagte die Füchsin zu dem Bauern: »Was willst du mir für die Arbeit geben?« – »Ich gebe dir ein Paar weißer Hühner. Du sollst sie tragen und den Sack nicht aufmachen.«
Sie nahm von dem Bauern den Sack und ging; sie trug ihn und trug und dachte: »Jetzt will ich sie doch einmal sehen!« Sie guckte in den Sack, aber es waren zwei weiße Hunde! Die Hunde schossen aus dem Sack heraus und setzten ihr nach. Die Füchsin rannte und rannte, dann schlüpfte sie unter einen Baumstumpf in ihren Bau und redete, als sie dort saß, mit sich selbst: »Was habt ihr getan, Öhrchen?« – »Wir haben immerfort gehorcht.« – »Und was habt ihr getan, Beinchen?« – »Wir sind immerfort gerannt.« – »Und was habt ihr getan, Äuglein?« – »Wir haben immerfort geschaut.« – »Und was hast du getan, Schwanz?« – »Ich habe dich immerfort beim Laufen gestört.« – »Ach so! Du hast mich gestört, warte nur, ich werde es dir schon zeigen!« – Und sie streckte den Schwanz den Hunden vor. Die Hunde packten den Schwanz, zogen die Füchsin aus ihrem Bau und rissen sie in Stücke.
Der alte Wolf war einmal in eine Falle geraten, konnte sich aber befreien und wollte nun in eine menschenleere Gegend fliehen. Die Jäger hatten ihn aufgespürt und verfolgten ihn. Der Wolf mußte über einen Weg, als gerade ein Bauer mit Sack und Dreschflegel vom Feld zurückkehrte. Der Wolf bat ihn: »Sei so gut, Bäuerlein, versteck mich in deinem Sack. Die Jäger sind mir auf der Spur.« Der Bauer willigte ein, steckte den Wolf in den Sack, band den Sack zu und hängte ihn sich über den Rücken. Er ging weiter, und schon kamen ihm die Jäger entgegen. »Hast du den alten Wolf nicht gesehen?« fragten sie. »Nein, ich habe ihn nicht gesehen«, antwortete der Bauer.
Die Jäger ritten weiter und waren nicht mehr zu sehen. »Wie steht es, sind meine Widersacher fort?« fragte der Wolf. »Sie sind fort« – »Jetzt kannst du mich wieder herauslassen.« Der Bauer band den Sack auf und ließ den Wolf heraus. Der Wolf sagte: »Weißt du was, Bauer, ich werde dich jetzt auffressen!« – »Aber Wolf! Aber Wolf! Ich habe dich vor solcher Not gerettet, und du willst mich auffressen!« – »Altes Brot und Salz sind bald vergessen«, antwortete der Wolf. Der Bauer sah, daß es schlecht um ihn stand und sagte: »Nun, dann laß uns wenigstens weitergehen, und wenn der erste, der uns begegnet, dasselbe sagt wie du, altes Brot und Salz sind bald vergessen, dann ist mir nicht zu helfen und du kannst mich fressen!«
Sie gingen weiter. Da begegnete ihnen eine alte Stute. Der Bauer fragte sie: »Sei so gut, Mütterchen Stute, auf dein Urteil kommt es an! Ich habe den Wolf aus großer Not gerettet, und er will mich auffressen!« – und er erzählte ihr, wie sich alles zugetragen hatte. Die Stute überlegte, überlegte und sagte:
»Ich habe bei meinem Herrn zwölf Jahre gelebt, ihm zwölf Fohlen geboren, nach besten Kräften für ihn gearbeitet, aber als ich alt wurde und nicht mehr arbeiten konnte – da hat er mich in die Schlucht geführt und dort stehen gelassen; ich mußte klettern und klettern, ich bin mit letzter Mühe herausgeklettert, und jetzt schleppe ich mich aufs Geratewohl durch die Welt. Ja, altes Brot und Salz sind bald vergessen!« – »Siehst du, ich habe recht«, sagte der Wolf.
Der Bauer wurde traurig und bat den Wolf, noch auf einen zweiten Schiedsrichter zu warten. Der Wolf willigte noch einmal ein. Sie begegneten einem alten Hund. Der Bauer fragte ihn dasselbe. Der Hund überlegte, überlegte und sagte: »Ich habe meinem Herrn zwanzig Jahre gedient, ich habe sein Haus und sein Vieh bewacht, aber als ich alt wurde und nicht mehr richtig anschlug, da jagte er mich fort. Und nun schleppe ich mich aufs Geratewohl durch die Welt. Ja, altes Brot und Salz sind bald vergessen!« – »Siehst du, ich habe recht!« – Der Bauer wurde noch trauriger und bat den Wolf zu warten, bis sie einem dritten Schiedsrichter begegnen würden: »Und nachher kannst du machen, was du willst, wenn du mein Brot und Salz vergessen hast.«
Als dritter kam ihnen der Fuchs entgegen. Der Bauer wiederholte seine Frage. Der Fuchs aber glaubte ihm nicht: »Wie ist es möglich, daß der Wolf, dieses Ungetüm, sich in einem so kleinen Sack verstecken konnte?« Der Wolf und der Bauer schworen, daß es die Wahrheit wäre; aber der Fuchs traute ihnen trotzdem nicht und sagte: »Dann mußt du mir eben vormachen, Bauer, wie du den Wolf in den Sack gesteckt hast!« Der Bauer hielt den Sack auf, und der Wolf steckte den Kopf hinein. Der Fuchs rief: »Hast du vielleicht nur den Kopf in den Sack gesteckt?« Der Wolf kroch in den Sack. »Nun, Bäuerlein«, fuhr der Fuchs fort, »kannst du auch vormachen, wie du den Sack zugebunden hast?« Der Bauer band den Sack zu. »Nun, Bäuerlein, kannst du auch vormachen, wie du auf dem Acker das Korn gedroschen hast?« Der Bauer begann, mit dem Dreschflegel auf den Sack einzudreschen. »Nun, Bäuerlein, und wie hast du das Getreide gewendet?« Der Bauer wendete den Sack, traf dabei den Fuchs am Kopf und schlug ihn tot. Dabei sagte er: »Altes Brot und Salz sind bald vergessen.«
Es lebten einmal ein Alter und eine Alte, und ihr ganzes Hab und Gut war ein verschnittener Eber. Der Eber ging in den Wald Eicheln fressen. Da begegnete ihm der Wolf. »Eber, he, Eber, wohin gehst du?« – »In den Wald, Eicheln fressen.« – »Nimm mich mit!« – »Ich würde dich mitnehmen«, sagte der Eber, »aber in dem Wald ist eine Grube, so tief und so breit, daß du nicht hinüberspringen kannst.« – »Das macht nichts«, sagte der Wolf, »ich werde schon hinüberspringen.« Und so gingen sie weiter; sie gingen und gingen durch den Wald und kamen zu der Grube. »Nun«, sagte der Wolf, »spring!« Der Eber sprang – und war drüben. Der Wolf sprang – und fiel in die Grube. Darauf fraß sich der Eber an den Eicheln satt und begab sich nach Hause.
Am nächsten Tag ging der Eber wieder in den Wald. Unterwegs begegnete ihm der Bär. »Eber, he, Eber, wohin gehst du?« – »In den Wald, Eicheln fressen.« – »Nimm mich mit«, sagte der Bär. »Ich würde dich mitnehmen, aber im Wald ist eine Grube, so tief und so breit, daß du nicht hinüberspringen kannst.« – »Ich werde bestimmt hinüberspringen«, sagte der Bär. Dann kamen sie zu der Grube. Der Eber sprang – und war drüben; der Bär sprang – und saß in der Grube. Der Eber fraß sich an den Eicheln satt und begab sich nach Hause.
Am dritten Tag ging der Eber wieder in den Wald Eicheln fressen. Da begegnete ihm der scheele Hase. »Guten Tag, Eber.« – »Guten Tag, scheeler Hase.« – »Wohin gehst du?« – »In den Wald, Eicheln fressen.« – »Nimm mich mit.« – »Nein, Hase, dort ist eine Grube, so tief und breit, daß du nicht hinüberspringen kannst.« – »Ich soll nicht hinüberspringen können? Das wäre ja noch schöner!« Sie gingen und kamen zu der Grube. Der Eber sprang – und war auf der anderen Seite. Der Hase sprang – und geriet in die Grube. Darauf fraß sich der Eber an den Eicheln satt und begab sich nach Hause.
Am vierten Tag ging der Eber in den Wald Eicheln fressen. Unterwegs begegnete ihm der Fuchs; auch der bat, daß der Eber ihn mitnähme. »Nein«, sagte der Eber, »dort ist eine Grube, so tief und so breit, daß du nicht hinüberspringen kannst.« – »Ach was«, sagte der Fuchs, »ich werde schon hinüberkommen.« Aber auch er fiel in die Grube. So saßen sie zu viert in der Grube und zerbrachen sich die Köpfe, woher sie das Essen nehmen sollten. Da sagte der Fuchs: »Wir wollen singen. Wessen Stimme versagt, den werden wir fressen.« Sie fingen an zu singen, dem Hasen ging alsbald die Luft aus, der Fuchs hatte den längsten Atem. Sie packten den Hasen, rissen ihn in Stücke und fraßen ihn auf. Bald danach waren sie wieder hungrig und wollten wieder singen: wessen Stimme versagt, der wird gefressen. »Wenn mir die Stimme versagt«, sagte der Fuchs, »sollt ihr mich fressen, genauso wie jeden anderen.« Sie fingen an zu singen, dem Wolf ging die Luft aus, er brachte keinen Ton mehr hervor. Der Fuchs und der Bär packten ihn, rissen ihn in Stücke und fraßen ihn auf.
Aber der Fuchs führte den Bären hinters Licht: er gab ihm ein wenig Fleisch, das übrige versteckte er und fraß es heimlich. Der Bär wurde wieder hungrig und sagte: »Gevatter, woher hast du dein Essen?« – »Bist du aber einfältig, Gevatter Bär! Du mußt dir die Tatze zwischen die Rippen stecken und eine Rippe ausbrechen, dann weißt du sofort, woher man das Essen hat.« Der Bär tat, wie geheißen, brach sich mit der Tatze eine Rippe aus und war auf der Stelle tot. Der Fuchs blieb allein zurück. Er hatte an dem Bären lange zu fressen, aber schließlich mußte er hungern.
Über dieser Grube stand ein Baum. Auf diesem Baum nistete eine Drossel. Der Fuchs saß in der Grube, sah immerfort zu der Drossel hinauf und sagte schließlich: »Drossel, was tust du da?« – »Ich baue ein Nest.« – »Wozu baust du ein Nest?« – »Ich will Junge ausbrüten.« – »Du sollst mir zu essen geben, Drossel, und wenn du mir nicht zu essen gibst, fresse ich deine Jungen.« Die Drossel geriet in Angst, die Drossel geriet in Schrecken, wie sie dem Fuchs zu essen geben sollte. Sie flog ins Dorf und brachte ihm ein Huhn. Der Fuchs verzehrte das Huhn und sagte abermals: »Drossel, höre, Drossel, du hast mir doch zu essen gegeben?« – »Ich habe dir zu essen gegeben.« – »Dann gib mir auch zu trinken.« Die Drossel geriet in Angst, die Drossel geriet in Schrecken, wie sie dem Fuchs zu trinken geben sollte. Sie flog ins Dorf und brachte ihm Wasser. Der Fuchs trank, bis sein Durst gestillt war und sagte: »Drossel, höre, Drossel, du hast mir doch zu essen gegeben?« – »Ich hab dir zu essen gegeben.« – »Du hast mir doch zu trinken gegeben?« – »Ich habe dir zu trinken gegeben.« – »Dann hol mich auch aus der Grube heraus.«
Die Drossel geriet in Angst, die Drossel geriet in Schrecken, wie sie den Fuchs aus der Grube herausholen sollte. Sie sammelte Knüppel und warf die Knüppel in die Grube; es waren so viele, daß der Fuchs über die Knüppel aus der Grube klettern konnte. Dann streckte er sich unter dem Baum der Länge nach aus. »Nun«, sagte er, »hast du mir zu essen gegeben?« – »Ich habe dir zu essen gegeben.« – »Hast du mir zu trinken gegeben?« – »Ich habe dir zu trinken gegeben.« – »Hast du mich aus der Grube herausgeholt?« – »Ich habe dich aus der Grube herausgeholt.« – »Dann mußt du mich jetzt zum Lachen bringen.« Die Drossel geriet in Angst, die Drossel geriet in Schrecken, wie sie den Fuchs zum Lachen bringen sollte. »Ich fliege voraus«, sagte sie, »und du kommst nach.« Gesagt, getan – die Drossel flog ins Dorf und setzte sich auf das Tor eines reichen Bauern. Der Fuchs aber legte sich vor das Tor. Dann begann die Drossel zu rufen: »Frau, höre, Frau! Gib mir ein Stück Speck! Frau, höre, Frau! Bring mir ein Stück Speck!« Die Hunde kamen herausgelaufen und rissen den Fuchs in Stücke.
Auch ich war dort, habe Met und Wein getrunken, über die Lippen ist mir alles geflossen, aber nichts in den Mund. Sie gaben mir ein Wams; das war blau; ich ging, und die Krähen flogen hinterher und riefen: »Blau ist das Wams, blau ist das Wams!« Ich dachte: »Geklaut ist das Wams, geklaut ist das Wams«, zog es aus und warf es fort. Sie gaben mir eine Haube, die war rot. »Die Krähen kamen geflogen und riefen: »Die Haube ist rot, die Haube ist rot!« »Ich dachte: »Die Haube bringt Not, die Haube bringt Not«, warf sie schnell ab – und ging leer aus.
Die Füchsin und der Kranich hatten Freundschaft geschlossen und sogar gemeinsam ein Kind aus der Taufe gehoben.
Eines Tages wollte die Füchsin den Kranich bewirten, ging zu ihm und lud ihn ein: »Besuche mich, Gevatter, besuche mich doch, mein Lieber. Ich möchte dir etwas Gutes vorsetzen!« Der Kranich kam zu dem Festschmaus, die Füchsin aber hatte Grießbrei gekocht und ihn auf einem flachen Teller angerichtet. Sie trug ihn auf und setzte ihn dem Kranich vor: »Laß es dir schmecken, teurer Freund! Ich habe es selbst gekocht.« Der Kranich pickte und pickte mit dem Schnabel, konnte aber nichts aufpicken! Die Füchsin aber leckte und leckte, bis sie den Brei aufgegessen hatte.
Der Brei war aufgegessen; die Füchsin sagte: »Nichts für ungut, liebster Gevatter! Mehr kann ich dir nicht bieten.« – »Auch dafür danke ich, Gevatterin! Nun mußt du mich besuchen.« Am anderen Tag kam die Füchsin zum Kranich, der hatte eine Okroschka zubereitet und brachte sie in einem Krug mit engem Hals auf den Tisch. Er sagte: »Laß es dir schmecken, Gevatterin. Wahrlich, etwas Besseres habe ich nicht.« Die Füchsin strich um den Krug herum, sie versuchte es bald von dieser, bald von jener Seite, sie leckte daran, sie schnupperte, aber sie konnte nichts von der Suppe bekommen! Der Kopf war für den Krug zu dick. Der Kranich indessen pickte und pickte, bis er alles aufgegessen hatte. »Nichts für ungut, Gevatterin, etwas anderes kann ich dir nicht vorsetzen.« Die Füchsin aber ärgerte sich. Sie hatte gedacht, daß sie sich für eine ganze Woche satt essen könnte, und mußte unverrichteter Dinge nach Hause gehen. Wie man in den Wald ruft, so schallt es heraus! Damit hat die Freundschaft zwischen der Füchsin und dem Kranich ein Ende genommen.
Es lebten einmal ein Mann und eine Frau. Der Alte bat: »Back mir doch einen Kolobok, Frau.« – »Woraus soll ich ihn backen? Wir haben kein Mehl.« – »Ach, Alte, feg den Speicher aus, kratz die Lade aus; vielleicht bringst du genug Mehl zusammen.« Die Alte nahm ein Flügelchen, fegte den Speicher aus, kratzte die Lade aus und brachte an die zwei Handvoll Mehl zusammen. Sie rührte den Teig mit Rahm an, buk ihn in Butter und legte ihn ans Fenster zum Abkühlen.
Der Kolobok lag und lag, und plötzlich begann er zu rollen, vom Fensterbrett auf die Bank, von der Bank auf den Boden, über den Boden zur Tür, er sprang über die Schwelle in den Flur, aus dem Flur auf die Treppe, von der Treppe in den Hof, aus dem Hof vor das Tor, immer weiter und weiter.
Der Kolobok rollte über den Weg, da begegnete ihm der Hase: »Kolobok, Kolobok, ich will dich fressen!« – »Friß mich nicht, scheeler Hase! Ich will dir ein Liedchen singen«, sagte der Kolobok und sang:
»Auf dem Speicher gefegt,
aus der Lade gekratzt,
mit Rahm angerührt,
in Butter gebacken,
am Fenster gekühlt,
bin ich Großvater entwischt,
bin ich Großmutter entwischt,
und es ist mir ein leichtes,
auch dir, Hase, zu entwischen!«
Und er rollte weiter; schon sah der Hase ihn nicht mehr! Der Kolobok rollte weiter, da begegnete ihm der Wolf: »Kolobok! Kolobok! Ich will dich fressen!« – »Friß mich nicht, grauer Wolf! Ich will dir ein Liedchen singen«, sagte der Kolobok und sang:
»Auf dem Speicher gefegt,
aus der Lade gekratzt,
mit Rahm angerührt,
in Butter gebacken,
am Fenster gekühlt,
bin ich Großvater entwischt,
bin ich Großmutter entwischt,
bin ich dem Hasen entwischt,
und es ist mir ein leichtes,
auch dir, Wolf, zu entwischen!«
Und er rollte weiter; schon sah der Wolf ihn nicht mehr! Der Kolobok rollte weiter, da begegnete ihm der Bär: »Kolobok! Kolobok! Ich will dich fressen!« – »Wie willst du, tapsiger Bär, mich kriegen!«
»Auf dem Speicher gefegt,
aus der Lade gekratzt,
mit Rahm angerührt,
in Butter gebacken,
am Fenster gekühlt,
bin ich Großvater entwischt,
bin ich Großmutter entwischt,
bin ich dem Hasen entwischt,
bin ich dem Wolf entwischt,
und es ist mir ein leichtes,
auch dir, Bär, zu entwischen!«
Und wieder rollte er weiter; schon sah der Bär ihn nicht mehr! Der Kolobok rollte und rollte dahin, da begegnete ihm der Fuchs: »Guten Tag, Kolobok! Wie bist du hübsch!« Und der Kolobok sang:
»Auf dem Speicher gefegt,
aus der Lade gekratzt,
mit Rahm angerührt,
in Butter gebacken,
am Fenster gekühlt,
bin ich Großvater entwischt,
bin ich Großmutter entwischt,
bin ich dem Hasen entwischt,
bin ich dem Wolf entwischt,
bin ich dem Bären entwischt,
und dir, Fuchs, werde ich auch entwischen!«
»Was für ein hübsches Lied«, sagte der Fuchs, »aber ich bin schon alt und kann kaum hören; setz dich doch auf mein Schnäuzchen, Kolobok, und sing mir das Lied noch einmal, aber lauter!« Der Kolobok sprang hoch, setzte sich dem Fuchs aufs Schnäuzchen und sang sein Lied noch einmal. »Hab Dank, Kolobok, es ist ein hübsches Lied, und ich möchte es gar zu gern noch einmal hören! Setz dich doch auf mein Zünglein und sing es ein allerletztes Mal«, sagte der Fuchs und streckte seine Zunge aus; der dumme Kolobok hüpfte ihm auf die Zunge, der Fuchs machte – happ! und aß ihn auf.
Es lebte einmal ein alter Mann. Er hatte einen Kater und einen Hahn. Der Alte ging zum Arbeiten in den Wald, der Kater brachte ihm sein Essen, und der Hahn sollte das Haus bewachen. Da kam der Fuchs.
»Schönes Hähnchen,
Golden Kämmchen,
Unterm Fenster, ohne Zahl,
Kullern Erbsen, rund und prall.«
So sang der Fuchs und legte sich unter das Fenster auf die Lauer. Der Hahn öffnete das Fenster, streckte den Kopf heraus und wollte nachsehen: »Wer singt denn da?« Der Fuchs packte den Hahn und schleppte ihn davon. Da schrie der Hahn: »Der Fuchs schleppt mich davon! Er schleppt den Hahn hinter dunkle Wälder, in ferne Länder, in fremde Reiche, hinter die dreimal neun Länder in das dreißigste Königreich. Kater Katersonowitsch, rette mich!« Der Kater hörte auf dem Felde die Stimme des Hahns, verfolgte den Fuchs, holte ihn ein, befreite den Hahn und brachte ihn nach Hause zurück. »Paß auf, Petja«, sagte der Kater zum Hahn, »streck nicht noch einmal den Kopf aus dem Fenster und traue dem Fuchs nicht! Er frißt dich auf und läßt nicht einmal ein Knöchelchen übrig.«
Der alte Mann ging wieder zum Arbeiten in den Wald, und der Kater sollte ihm wieder das Essen bringen. Bevor der alte Mann ging, ermahnte er den Hahn, gut auf das Haus achtzugeben und nicht den Kopf aus dem Fenster zu strecken. Aber der Fuchs lag schon auf der Lauer. Er hatte große Lust, den Hahn zu verspeisen; er schlich sich an das Haus heran und sang:
»Schönes Hähnchen,
Golden Kämmchen,
Feingesalbtes Köpfchen,
Unters Fenster, ohne Zahl,
Streut ich Erbsen, rund und prall.
Heute streu ich Körnchen.«
Der Hahn ging im Haus auf und ab und schwieg. Der Fuchs stimmte sein Liedchen von neuem an und warf eine Handvoll Erbsen durchs Fenster. Der Hahn pickte die Erbsen auf und sagte: »O nein, Fuchs, ich lasse mich von dir nicht täuschen. Du willst mich fressen und nicht einmal ein Knöchelchen übriglassen.« – »Aber was redest du, Petja! Ich möchte dich nur bei mir zu Gast haben, du sollst sehen, wie ich lebe und mein Hab und Gut bewundern!« Dann sang er wieder:
»Schönes Hähnchen,
Golden Kämmchen,
Feingesalbtes Köpfchen!
Unters Fenster, ohne Zahl,
Streut ich Erbsen, rund und prall.
Heute streu ich Körnchen.«
Kaum streckte der Hahn den Kopf aus dem Fenster, als der Fuchs ihn schon zwischen den Krallen hatte. Der Hahn schrie aus Leibeskräften: »Der Fuchs schleppt mich davon, er schleppt den Hahn hinter dunkle Wälder, hinter dichte Forste, über steile Ufer, über hohe Berge; der Fuchs will mich fressen und kein Knöchelchen übriglassen!« Der Kater hörte seine Stimme, verfolgte den Fuchs, befreite den Hahn und brachte ihn nach Hause zurück. »Hab ich dir nicht gesagt: Mach das Fenster nicht auf, streck den Kopf nicht heraus, der Fuchs wird dich sonst fressen und kein Knöchelchen übriglassen. Paß auf, hör auf mich! Morgen gehen wir weiter fort.«
Der alte Mann war wieder bei der Arbeit, und der Kater brachte ihm das Brot aufs Feld. Der Fuchs schlich unter das Fenster und stimmte dasselbe Liedchen an; dreimal sang er das Liedchen, aber der Hahn rührte sich nicht. Der Fuchs sagte: »Was ist geschehen? Unser Petja hat heute die Sprache verloren!« – »Nein, Fuchs, ich lasse mich nicht mehr von dir täuschen, ich werde nicht aus dem Fenster schauen.« Der Fuchs warf Erbsen und Weizenkörner durchs Fenster und sang wieder:
»Schönes Hähnchen,
Golden Kämmchen,
Feingesalbtes Köpfchen,
Schau doch in die Welt hinaus,
Dort, in meinem großen Haus,
Liegt das Korn in jeder Ecke,
Reicht hinauf bis an die Decke!«
Dann fügte er hinzu: »Du solltest sehen, Petja, welche Schätze ich habe! Komm doch hervor, Petja! Ich bitte dich, glaub dem Kater nicht! Wenn ich dich fressen wollte, hätte ich dich schon längst gefressen! Aber, siehst du, ich hab dich gern, ich will dir die Welt zeigen, ich will dich gute Sitten lehren und dir beibringen, wie man leben soll! Zeig dich doch, Petja, ich stell mich hinter die Hausecke!« – und er schlich noch näher an die Mauer heran. Der Hahn sprang auf die Bank und spähte heraus; er wollte wissen, ob der Fuchs fortgegangen wäre. Kaum streckte er den Kopf aus dem Fenster, als der Fuchs ihn schnappte und eilends davonschleppte.
Der Hahn stimmte sein altes Lied an; aber der Kater konnte ihn nicht hören. Der Fuchs schleppte ihn hinter ein Tannenwäldchen und fraß ihn auf, den Schwanz und die Federn trug der Wind davon. Der Kater und der alte Mann kamen nach Hause und fanden den Hahn nicht mehr; aber so lange sie auch trauerten, sie mußten doch sagen: »So geht es, wenn man nicht gehorchen will.«
Es lebte einmal ein Bauer, der hatte einen Kater, der viel Schaden anrichtete. Schließlich wurde es dem Bauern zu bunt, er überlegte und überlegte, packte den Kater, steckte ihn in einen Sack, band den Sack zu und trug ihn in den Wald. Im Wald ließ er den Sack einfach liegen: mag er verrecken! Der Kater streifte durch den Wald und kam schließlich zu dem Haus, in dem der Förster wohnte; er kletterte auf den Speicher und richtete sich dort wohnlich ein. Wenn er Hunger hatte, ging er in den Wald, jagte Vögel und Mäuse, aß sich satt, kehrte dann auf den Speicher zurück und kannte keine Sorgen!