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Gerhard Friedrich Grabbe

Rezensionen

Film – TV – Musik

Band II

Ästhetik ist das Erlebnis der Übereinstimmung von Form und Inhalt auf untadeligem Niveau. Ihre Aussagekraft wird getrübt, wenn dieser Balance der Kräfte zuwider gearbeitet wird. Anlass und Absicht, sie zu stören, müssen ebenso erkannt werden wie die Charaktere, die sich solcher Mittel bedienen, „das Strahlende zu schwärzen und das Erhab’ne in den Staub zu ziehen“ (Schiller). Die Rezension mischt sich ein, weil das Schweigen kein Mittel gegen disharmonisierende Weltsicht darstellt. Das Gute zu fördern und menschliche Lebensleistung zu würdigen, wo irgend sie segensreich wirken will, begründet die Beurteilung der hier vorgestellten Werktitel.

Inhaltsverzeichnis

Rezensionen II

Inhalt:

Adrian will tanzen

Aschenputtels Geheimnis

Auf der Suche nach Shakespeare

Bastard

Betrogene Kinderherzen

Charley und die Schokoladenfabrik

Daniel, Philipp und das Wunder der Liebe

Das doppelte Lottchen

Das fliegende Klassenzimmer - Remake 1973

Das Geheimnis des Seehundbabys

Das Morphus-Geheimnis 1 und 2

Das Leben ist seltsam

Das Parfum

Das Taschenmesser

Den Tod vor Augen

Der Ball

Der Große mit dem außerirdischen Kleinen

Der große Tom / Zum halben Preis

Der Indianer im Küchenschrank

Der Junge mit den Goldhosen

Der kleine Magier

Der kleine Wilde / Der Schmetterling

Der Krieg der Kinder

Der Mann auf der Brücke

Der Mistkerl

Der Mord der unschuldigen Kinder

Der Stellvertreter

Des Teufels Rechnung

Die Abenteuer des kl. Indianerjungen Little Tree

Die Farbe der Milch

Die Reise zum Mittelpunkt der Erde

Die Schatzinsel

Die wundersame Welt des David Wiseman

Die Zauberflöte

Don Carlos

Don Quichote – gib niemals auf!

Du hast das Leben noch vor dir!

Du sollst nicht töten

E.T., der Außerirdische

Echo eines Sommers

Ein Jahr als Robinson in Kanada

Ein Sommer mit Paul

Eine Kindheit auf dem Montmartre

Ein Sommer in den Bergen

Emil und die Detektive 1931 - Nachkriegs-Version

Engel in der Kellerwohnung

Ferien in Tirol

Ferien und andere Katastrophen

Ferien vom Ich

Fidelio

Folle a Tuer – Mord auf Bestellung

Frühlingslied

Gefangen im Tunnel der Zeit

Gefesselte Stimmen

Geheimnis eines Kindes

Genie am Abgrund: Beethoven

Hänsel und Gretel (Humperdinck-Everding)

Harry Potter

Hearts in Atlantis

Heidi (1952, mit Elsbeth Sigmund)

Heimliche Freunde

Herr der Diebe

Home-Video

Hommage an Ulrich Thein

Ich bin Sam

Ich habe keine Angst

Ich, César, 10 1/2 Jahre

Ikingut

Im Reich der Sonne

In aller Stille

Ivana im Angriff

Jacob hinter der blauen Tür

Jeremy

Johnny und die Toten

Karate-Kid

Katja und der Falke

Kauboy

KES

Kim – Geheimdienst in Indien (Stockwell /Flynn)

Kim und die Wölfe

Kinder des Himmels

Kleine Teufel

Knabenchöre
Boys-Choir – Stimme des Herzens

Kleine große Stimme

Knabenchöre im Verhör (Kreuzchor / Windsbach)

Der Kreuzchor – eine Dokumentation

Sünden an den Sängerknaben

Kolya

Lauf, Junge, lauf

Liebe mich, wenn du dich traust

L’Isle Atlantique – Insel der Diebe

La Misma Luma

Last Ride

Lauf, Rebecca, lauf

Les Choristes – live

Licht im Dunkel

Lippels Traum

Little Buddha

Little Indian

Lost Heaven

Maos letzter Tänzer

Mario (12 Geschichten)

Mama, hör endlich auf damit!

Masada

Mein Freund auf vier Pfoten

Mein Freund, der Geist

Mein Freund Knerten

Mein Leben ist rosa

Mein Opa ist genial

Mirakel

Mississippi – Fluss der Hoffnung II

Moritz in der Litfasssäule

Mozart – Ich hätte München Ehre bringen können

Nico, das Einhorn

Neufeld, mitkommen

O Jonathan – Hommage an Heinz Rühmann

Odysseus und die Sterne

Peter und Pompeius

Petter und Leo

Pünktchen und Anton

Quo vadis, domine?

Reich mir die Hand, mein Leben

Oskar Werner

Richard III.

Science-fiction

Schloss des Schreckens

Schwimmen mochte ich noch nie

Sie hat es verdient

Sofies Welt

Sonja

Stimme der Sehnsucht

Theater u. d. Linden: L’Orfeo von Monteverdi

Tod im Regenwald

Tom und Thomas

Übergeschnappt

Und ich dachte, du magst mich

Unter der Sonne Australiens

Vor Sonnenuntergang (Hauptmann)

Wiener Sängerknaben – mehrstimmig!

Weihnachten 800-Jahr-Feier Dresdner Kreuzchor

Wilhelm Tell

Willkommen im Tollhaus

Wink des Himmels

Wir pfeifen auf alles

Wo die starken Kerle wohnen (11 ADS-Kinder)

Woche für Woche

Zoobesuche mit Hindernissen

Zoomer – kleine Spione, große Geheimnisse

Zwei Himmelsstürmer

Zwei in einem Boot

Zwei kleine Helden

Zum Bedenken: Der Rekordbeobachter

Die Grenzen der Kritik

Hinweis:

Einige gute Filmwerke sind auf DVD gar nicht oder nur in fremder Sprache zu haben. Es bleibt dem Suchenden nur das Mittel, im Falle einer TV-Ausstrahlung diese Werke mitzuschneiden und aufzubewahren.

Mir erscheint es wichtig, von ihrer Existenz zu berichten, zum einen, um den geneigten Leser darauf aufmerksam zu machen, zum anderen, um die Mitwirkenden dieses Filmwerkes einschließlich ihrer Synchron-Sprecher zu würdigen. Auch vor Fehlleistungen zu warnen, ist Pflicht eines Rezensenten. Selbstverständlich bleibt sein Werk persönliche Erkenntnis. Ein Gesetz ist daraus nicht zu schmieden.

Adrian will tanzen

Die Handlung:

Adrian ist ein Junge von 10 Jahren – heute ist er vermutlich 12 -, der sich schon sehr früh für das Tanzen begeistern konnte und auch den Mut besaß, arttypische Verhaltensmerkmale nicht zu bestätigen wie Fußball spielen / heiser sprechen / in Rudeln leben wollen / „in sein“ zu müssen / machen, was Papas Welt von ihnen will.

Hingegen hat der Junge großartige Fürsprecher: Die Mutter trägt seine Gesinnung, der Vater verteidigt seine Entscheidung für das Tanzen, auch gegen das Klischee „normaler Junge“ und die Frage: „Was machste, wenn der schwul wird?“

Der ethische Aspekt:

Die Parallele zu „Billy Elliot“ drängt sich auf, obwohl Billy’s Mutter nicht mehr lebt, der Vater aus ihm einen Boxer machen will, das soziale Umfeld gar keinen Bezug zu dem aufbaut, wofür sich Billy entscheidet, als er zufällig einer Ballett-Unterrichtsstunde zuschaut.

Da auch Adrian in einem Berliner Hochhause kein Theater, keine Oper, kein Ballett kennt, ist seine klare Entscheidung für den professionellen Tanz sowohl mutig als auch „gegen den Strich gebürstet“, weil die harte Arbeit an sich schon im Grundschulalter von ihm den vollen Einsatz verlangt.

Die Dokumentation beweist, dass Kinder, sofern sie etwas als für sie elementar förderlich entdecken, sich rückhaltlos dafür entscheiden.

Der schöpferische Vollzug:

Dieser Beitrag zeigt, welche Opfer Kinder zu bringen in der Lage sind, denn statt „vor Wut ins Kopfkissen zu beißen“, lieber durch den kraft- und konzentrationsfordernden Tanz den Emotionen ihren berechtigten Ausdruck – oder Ausbruch – zu ermöglichen! So kanalisiert der damals Zehnjährige sein Potenzial, und er findet in den Eltern den dringend erforderlichen Rückhalt. Mit welchen Erkenntnissen diese ihrem Kinde den Weg ebnen, ist grandios, weil aus ihrem Milieu der Gang zum Theater vorab nie in Frage gekommen wäre. Dass diese Menschen aber dazu befähigt sind, verdanken sie ihrer gern angenommenen Verantwortung ihrem Kinde gegenüber, dem sie den Rücken stärken, und das mit den dazu nötigen mitwachsenden Einsichten und einer absolut verständnisinnigen Liebe!

Soziale Grenzen wirken hier nur noch betreten lächerlich. Der tanzende Adrian verzaubert durch sein Wesen die Welt seiner Familie, ihren Alltag, ihre verordnete Bescheidenheit, und weitet ihren Blick für das Außergewöhnliche, das Genie, dem sie vertrauen dürfen. Überheblich ist hier niemand. Man kennt sich ja!

Nachtrag:

Die Kamera dokumentierte noch einmal Adrians Weg, diesmal in die berufliche Sackgasse. Durch vermutlich dauernde Überanstrengung war ein opeativer Eingriff am Fuße nötig geworden, und das beendete Adrians Karriere als Tänzer.

Ein Ausweg wäre gewesen, jetzt ein Gesangsstudium zu beginnen, damit der zu vermutende antrainierte Zwerchfell-Hochstand durch eine solide Bauchatmung abgelöst werden kann. Denn dadurch stabilisiert sich die Gemütsverfassung eines früheitig Gescheiterten. Talent, sich auszudrücken, hat der junge Mann durchaus. Aber sein geradliniger Charakter wird sich wohl der Bühnenarbeit mit gewissen Entscheidungsengpässen in der Darstellung eines Schauspielers versagen. Adrians Ausdrucksstreben und sein feinsinniges künstlerisches Empfinden benötigt konstante Ermutigung. Wir hoffen, er kann davon Gebrauch machen!

Aschenputtels Geheimnis

Vorbemerkung:

Im Jahre 1637 jagt der Pöbel eine Mutter (NE) mit ihren zwei erwachsenen Töchtern Ruth (GE) und Iris (GE) vor sich her aus dem Lande. Eine Woche später finden die drei Frauen bei einem Kunstmaler (GE) eine Bleibe. Iris erregt das Interesse des Malers, aber auch das seines Gesellen (GE) Kaspar, und als man die jungen Frauen dem Hause eines Handelsherren ver Meer bekannt macht, begegnen sie hier der traurigen Tochter Klara (GE).

Die Mutter schafft es, sich mit ver Meer zu verheiraten und somit ihren zwei Töchtern ein Auskommen zu sichern. Bald aber ist mit dem Tulpenhandel nichts mehr zu verdienen; Klaras Vater ist hoch verschuldet.

Zum Glück sucht die Königin von Frankreich für ihren Sohn eine Frau, und so wird in Haarlem ein Ball veranstaltet. Sowohl Iris als auch Ruth werden dem Prinzen vorgestellt, und Iris kann ihn durch ihre Offenheit beeindrucken. – Inzwischen wird Klara von einer heimlichen Beschützerin ins Vertrauen gezogen, und Klara erscheint in ungeahnter Schönheit vor dem Prinzen. Zwar kann sie noch unter falschem Namen entkommen, doch Kaspar kann dem Prinzen den entscheidenden Wink geben. – Am nächsten Tage sieht der selbst nach dem Rechten, und so findet sich die Lösung aller Probleme.

Die Handlung:

Märchen haben gemeinhin den Auftrag, über Grusel- oder Wunschvorstellungen Warnungen oder Bedürfnisse auszusprechen. Inzwischen wissen wir, dass mehr im Spiel sein dürfte als „gegenstandlose Erfindung“, und weder der „Magie der goldenen Schuhe“ oder des Haselnussbaumes noch dem „Zauber der Unschuld“ Aschenputtels sollen wir unsere Aufmerksamkeit schenken, sondern wir sollten uns anschicken, sofort die mehrschichtige Botschaft zu decodieren. Da ist das Prinzip des Zufalls, den es nicht gibt, was die schöpferische Energie zum Fließen bringt, und das wache Auge derer, die das Wesen der Kunst bei jenen finden, die es in sich tragen. Der Prinz schließlich schätzt Iris, aber angesichts Klaras erwacht er zur Entscheidung

Der ethische Aspekt:

„Aschenputtels Geheimnis“ stellt uns eine Handlung vor, wie wir sie auf historisch trächtigem Boden Englands und der Niederlande glauben dürfen. Kostüme, Lebensraum, soziale Konditionen, wirtschaftliche Aktualitäten sind darin wohl versponnen, und der Film malt gar nicht schwarz gegen weiß, sondern farbenprächtige Charaktere in ihrer Anfälligkeit und mangelnden Stärke, wenn sie nicht aufgebaut werden konnte.

Dies geschieht durch das allmähliche Werden des weiblichen Malerlehrlings Iris und deren Fürsorge für die Tochter des Hauses, in welchem alle leben. Sich dem anreisenden Prinzen zu stellen, bedeutet den gesellschaftlich rettenden Durchbruch für alle. Wer aber kann Favorit sein – wer die Gunst des Prinzen erringen? Ist es die Klugheit der jungen Malerin oder die Bestimmung Klaras, der ersten Tochter des Hauses? Und welche der Rechnungen der spurwitternden Mutter geht am Ende auf?

Der schöpferische Vollzug:

In diesem Filme stellt sich die schicksalhafte Begegnung der Mädchen und des Prinzen als der energetische Zusammenfluss sich anziehender Kraftfelder dar, und so mag erklärlich sein, dass der Prinz persönlich die Schuhanprobe im Hause des pleite gegangenen Tulpenhändlers vornimmt. Die Intelligenz und Offenheit der jungen Malerin fasziniert ihn, die erblühende Erkenntnis zweier Herzen, die füreinander geschaffen sind und sich nun unwiderruflich zueinander bekennen werden, kann für Klara bewirken, dass die gesamte Familie der Gunst des Prinzen gewärtig sein darf, auch die Schwiegermutter, die sich in Skrupellosigkeit gegenüber Klara verrannt hatte.

Größe zeichnet sich nicht durch Länge aus, sondern durch die horizontal sich ausbreitende Aura, jenem Kraftfelde der nicht einzuschränkenden Liebe, deren Energie die Widerstände untereinander in Nebel auflöst. Es ist die Sonne aus den Augen der aus sich selbst immer noch Schöpfenden. Wir kennen das von Kindern. Aber erwachsen zu werden, bedeutet für die Normativen, nicht den inneren Kräften, sondern den Kontrakten mit den Umfeldmächten zu vertrauen. Klara könnte Bedingungen verlangen – sie erwirkt die Begegnung freimütiger Liebe und wendet alles zum Guten, auch die Liebe der jungen Iris zu Kaspar, dem Gesellen ihres Meisters.

Auf der Suche nach Shakespeare

Vorbemerkung:

3 SAT bietet eine Hommage an den größten Dramatiker, serviert große klassische Filmwerke und führte am 15.03.2008 in das Leben des Dichters ein.

Neben Fakten-Darlegungen in Dokumenten, handschuhgeschützt mit dem Zeigefinger nachgelesen, fielen die Hypothesen etwas karg aus. Den Spuren des Knaben Will nachzugehen, indem man sein soziales und konfessionelles Umfeld abtastete, ihm auch mit modernen Verkehrsmitteln nachfuhr, bringt uns den Gast auf Erden zwar näher, doch vermochte niemand das Ausmaß dessen, was da heranwuchs, zu deuten noch nachzuempfinden. Die Spuren der Historie sind zwar keine gestreuten Brosamen, sondern Erbsen, aber sie halten keine Gültigkeit angesichts des ungeheuren Genies, das aus seiner Verpuppung strebte, um endlich das ersehnte Licht in die Welt zu tragen. Was sind da noch 51 Jahre! Aber in seiner Seele nagte der Verlust des 11-jährigen Sohnes, den er hergeben musste. Der Familie mag er kein Ruheständler üblicher Art gewesen sein. Warum sich dieser Mann am Ende der Lethargie ergab – ein Genie ruht nimmer, sondern bricht unvermutet unter der Last zusammen, und das war hier nicht der Fall - fragt man sich, denn was machte der Genius in ihm, während er mit seinen Kumpanen als früheren Zeiten dem Biere so üppig zugesprochen haben soll?

Die Handlung:

Dem Mangel an Fakten stellt der Film den soziokulturellen Hintergrund gegenüber und versucht, den Aufforderungscharakter der Zeitströmungen gerecht zu werden. Wenig erfahren wir über die dramaturgischen Mittel damaliger Dichtung, aber wichtige Gedanken Shakespeares zu den ethischen Grundfragen trug man als Schlüsselbegründungen seiner Entscheidungen zusammen. In der Tat verhehlt der Film nicht die Dürftigkeit historischer Belege, noch weniger den Lebensrahmen, den der junge Dramatiker so gut auszuloten wusste und mit den Zungen aller Gesellschaftsschichten sprechen konnte. So wissen wir, was ihn menschlich, beruflich und ethisch in Atem hielt oder durch private Niederschläge den Atem benahm. Den grossen Atem eines Genies jedoch kann nur nachempfinden, wer ihn in sich trägt, und so bleibt dem Sender die Möglichkeit, die verschiedenen Dramen durch den Film für sich wie für den Dichter sprechen zu lassen.

Zwei Gefahren lauern allerdings auf den allzu Naiven:

- Es ist die Sprachkraft, deren Übersetzung zu erhalten ist, und es ist die Regie, die das Genie beleidigen kann.

Der ethische Aspekt:

Shakespeare ist nicht irgendwer, nicht ein Bürger unter tausenden anderen, sondern konzipiert die Sprengkraft der Sprache in das Bühnengeschehen, wo sich ihre Spannung bis zur Explosion in die Katastrophe im Augenblickserleben dem Zuhörer wie –schauer zusammenbraut, gärt, schwillt, zu glühen beginnt, den Geruch des Verderbens im Theaterrund sich ausbreiten lässt.

Vor diesem Einzigen unter den größten Dramatikern der Erde nimmt sich der Taschenspieler Brecht so entsetzlich kläglich aus, dass mich wundert, warum die Gymnasialverordnenden in Sachen Literaturunterricht nicht mit permanent schamgeröteten Köpfen durch die Schulgänge schleichen, wenn die Kinder schon fort sind.

Weg mit dem Geschwätz vom Epischen oder gar Lyrischen Theater! Das ist krasser Widerspruch, denn wer Theater mit Schauspielkunst übersetzt, weiß wirklich, was sich in diesen Stunden entrollen soll. Größe entwickelt und formt sich in der Stille aus. Kunst kann nur das Werk eines Einzelgängers sein, sonst sind Handwerker daran beschäftigt gewesen! Denn den schöpferischen Prozess kann nur ein jeder in sich selbst hervorrufen, und was nun reifen soll, geschieht in jedem Individuum auf dessen ganz einzigartige Weise. Und Brecht war kein Genie, das mit deren Werken spielen durfte, weil ihn die Parteien so fehldeutend brauchen konnten. Und sicher hat Shakespeare nicht einer Partei gedient, sondern ihnen die Fenster geputzt und helle Lichter aufgesteckt, damit das Volk sie beobachten und beurteilen konnte, damals noch nicht vor dem Hintergrunde der letzten Sätze Orwell’s in „Farm der Tiere“- :

Könige hatten selbst im Untergange durch pervertierende Bösartigkeit noch Stil.

Der schöpferische Vollzug:

Kinder, Künstler (Genies) und Propheten sind die Botschafter der Schöpfung. Was sie zu überbringen haben, entwickelt sich aus ihnen selbst. Wer da noch „Teamwork“ verlangt, verwechselt Botschaft mit Garküche, das Dauergericht um die Ecke, von dem man satt werden soll.

Wer die wahren Botschafter erlebt, bekommt den Hunger nach der Ewigkeit und der Gegenwart des Göttlichen nicht mehr gestillt.

Wer Shakespeare in deutscher Sprache erleben will, muss die kongeniale Schlegel-Tieck-Übersetzung nutzen. Alles darunter ist Alltags-Gedankengut, nach dem Gewicht der Nutzbarkeit abgestuft, nicht nach dem Grade der Ästhetik in Vermischung mit der Gesamtgedanklichkeit, die alles abdeckt, was zu sagen ist, und danach den endgültigen Punkt setzen wird.

Das konnte auch Goethe, aber Schiller übertraf die blanke Ästhetik der Sprache durch die notwendig zu komprimierende Gedankenflut eines Shakespeares durch die Leidenschaft, mit der sich der junge Dramatiker im Sinne der Auf- und gegen die Abklärung des älteren Weimarers die Bahn freifegte.

Schiller ist die eine Art Ethiker, Shakespeare die gebündelte Kraft allen ins Dramatische sich steigernden Aufbegehren gegen das politische Vereisen. Was er schreibt, ist Zeichen und weder an Personen noch historischen Faktenkenntnissen festzuschrauben! Das ist der Grund, warum er schreiben durfte, was der König den übrigen Bühnenschreibern verbot. Über Shakespeare’s Weitsicht lässt sich kein Buch führen. Was nicht im ersten oder zweiten Werk gesagt werden konnte, behielt die Eingebung dem Dichter für die nachfolgenden aufbewahrt. Man schreibt nicht für’s Theater und geht dann irgendwann. Man verfasst der Menschheit ihr Vermächtnis und trägt mit ihr das zeitlich Gebundene zu Grabe – still, ohne großes Aufheben, in den Armen der Liebsten, wenn es der Schöpfer so will – und er scheint es so verfügt zu haben, und noch ein wenig mehr …!

Bastard

Vorbemerkung:

Zum Begriff: Die oben angeführte Bezeichnung ist eine Beleidigung gegenüber dem Leben und gehört in die gleiche Kategorie wie „schwul“ oder „Bulle“. Es sind negativ besetzte Begriffe, die nach Belieben der Gosse aufoder abgewertet werden. Exakt hätte es heißen müssen: „Der Namenlose, dessen Zeugung erzwungen und der als Säugling in einer Babyklappe ausgesetzt wurde“.

Carsten Unger schrieb das Drehbuch und führte Regie über eine Szenencollage aus einer Science-fiction-Schreckenskammer, von der wir glauben dürfen, ihre Keime sprossten bereits in früher Vergangenheit und schauen schon aus allen Ritzen gesellschaftlichen Verfalls hervor.

Es ist eine Ruinen-Persiflage auf ein „bürgerliches Versteckspiel“ abgetauchter Identitäten, nämlich der Eltern gegenüber einem in die Babyklappe gelegten „Bastard“, genannt „Schandfleck“ oder „Schamklumpen“ aus dem Dunstkreis gehobener Ansprüche.

Das Werk:

Besagter Abgelegter erhält ein Praktikum im Jugendamt seiner Heimatgemeinde und findet auch richtig seine Akte – vermutlich auf Grund eines Verdachtes zielsicher geortet und studiert. Mutter und Halbbruder sind bekannt, es entwickelt sich also eine Strategie rächender Identitätserzwingung. Indem er den kleinen Halbbruder, der von dem Älteren nichts weiß, einsperrt, setzt er einen feinsinnig erdachten Psychoterror in Gang, spielt Katz und Maus mit Eltern, Polizei und anderen Wissbegierigen. Ihm schließt sich eine „warmherzig mitfühlende“ Schulkameradin an, deren Verlorenheit in der Welt der Erwachsenen zunächst zu schnoddriger Selbstbehauptung und schließlich zum Selbstmord führt – mit der Dienstpistole, die sie der ermittelnden Beamtin entwenden konnte.

Der ethische Aspekt:

Bei Filmhandlungsknäueln mit Rotationscharakter überwiegt erwartungsgemäß die Frauenquote. Ihrem Denken scheint – bei dem sich hier demonstrierenden speziellen Typus Frau – jeglicher ethische Aspekt überflüssig, sobald sich handlungsdominante Sofortentscheidungen einstellen. Es wird viel überlegen gelächelt und mit Emotionen gepokert. Die Qualität der Ermittlung des vermissten Jungen hangelt sich am Bedarf entlang, mit dem sich, abseits der ermüdend häufigen femininen Selbstinszenierungen, eine Art Kieselsteinspur im Mondenschein anbietet. Eine Logik, warum ein „Hochbegabter“ mit Zugang zu seiner eigenen Adoptionsakte einen derart psychopathischen Gewaltpfad betreten muss, um mit seiner Mutter abrechnen zu können, ist im ethischen Sinne nirgend zu erblicken. Ein konsequent geradliniger Weg auf die Akteure seiner Vergangenheit hätte dem jungen Manne gut getan. Allerdings zeigt sich das Umfeld, dem er ausgeliefert ist, diesem Niveau ebenbürtig.

Der schöpferische Vollzug:

Sollte der Film die Absicht gehabt haben, das Für und Wider von Babyklappe oder Mord des Ungeborenen auf die Waagschale zu legen, besteht bei diesem Labyrinth eines blindwütigen Aktionismus des Halbwüchsigen keinerlei Anzeichen. Eine Kriminalhandlung daraus zu stricken, in der sich Frauen gegenseitig ihre zynischen Fallstricke spannen, gehört heute schon zum täglichen Programm der TV-Sender, bestärkt durch hysterisch schrille, szenenfremde Lärmkanonaden. Eine Problemlösung lässt sich daraus nicht ablesen. Wir hören überwiegend Satzbrocken, denn das meiste Hingeworfene versteht kein Mensch, und darum ist es belanglos. Es geht also gar nicht um eine sauber darzulegende Handlung mit klugen wie mit Fehlentscheidungen, sondern die Verrücktheiten nehmen gar kein Ende, und man weiß tatsächlich nicht, warum das auch noch nötig gewesen sei.

Geradezu überfremdend die ausbleibende Konsequenz in der Darstellung des Leidens der anderen: Der Halbbruder durchläuft Phasen unerträglicher Lebensbedrohungen – wer kümmert sich wie um den traumatisierten Jungen? Die „Göre“ als Animateurin zur Geisterbeschwörung ihres „Freundes“ unterstützt dessen unmenschliche Attacken und ballert sich letztlich eine vor den Latz, weil sie von der Wucht des sich selbst Überlassenseins erdrückt wird. Der Trick, sich einer Polizistin „schutzsuchend“ in die Arme zu werfen, um an ihre Dienstwaffe heranzukommen, wirkt so peinlich abgekupfert, dass es schon schmerzt.

Dramaturgie braucht einen klaren, übersichtlichen Handlungasaufbau, und davon verstehen manche Normative herzlich wenig, sondern sie stückeln ihre Handlung der Reihe nach zu Szenen. Ein guter Dramatiker bietet bei klarer Führung dennoch verschiedene Entscheidungsperspektiven und demonstriert durch den Handlungsverlauf, wozu die nicht bevorzugten hätten führen können. Hier aber wird der Zuschauer mit dem Ring durch die Nase durch die Geisterbahn gezogen und soll über die Schreckensbilder eingeschüchtert berichten können. Auf solchem Niveau noch von sachlicher Analyse von Ursache und Wirkung reden zu wollen, wird indiskutabel. Wer sich in der Wohnung eines Fremden bewegt, als sei er dort zu Hause, müsste zu Fragen und Entscheidungen der so Provozierten herauszufordern sein. Aber wir stoßen auf völlige Hilflosigkeit der „Schuldigen“ oder „Mitbetroffenen“; bei Verweigerung seines Namens „Ich habe keinen Namen“ gibt die ermittelnde Beamtin nach, statt sofort eine schulpsychologische Fachkraft hinzuzuziehen. Mit anderen Worten: Der Drehbuchautor setzt lebende Schauspieler in eine künstlich angehaltene Welt gelähmten Denkens und erwartet, dass wir uns am Ende schuldig bekennen, die Drachenzähne, die er ausgesät hat, ausgebrütet zu haben. – Es gibt schon recht komische Leute, die Handlungen stricken, bei denen die Maschen reihenweise fallen. Ihre Produkte überschwemmen inzwischen den Markt: Löcher sind eben „in“ - wie das Fernsehen – aber die Weitsicht bleibt auf der Strekke.

Als Rezension abgelehnt, fühlte ich mich zur Erläuterung aufgerufen:

Nachtrag:

Heute, am 1. Dezember 2014, erhielt ich die Begründung für die Ablehnung dieser Rezension „Bastard“. Damit ist der Zustand erreicht, wo niemand der Wahrheit mehr Asyl gewähren wird, wenn das eigene Wohlergehen auf dem Spiele steht. Aber man verteidigt auch die Würde jener Betroffenen, deren Vorführung diese Rezension in ihrer Schärfe herausgefordert hat. Selbstverständlich sind die Rechte des Anbieters zu wahren; wir haben die Rezension zurückgezogen.

Ungeachtet dessen sehe ich mich aufgefordert, zu meiner Wahl der stilistischen Mittel Stellung zu nehmen.

Wenn es sich um ein Problem der Jugend handelt, etwa des Ausgesetztseins durch die Mutter, wenn es zudem um das Elend der sich selbst ausgelieferten zieldesorientierten Jugend gehen soll, muss das Drehbuch völlig anders konzipiert sein. Was wir jedoch erleben, sind Charakterschablonen mit vorhersehbaren Fehlreaktionen. Diese beruhen auf der Einstellung des Autors, wie er die Rollen in der Gesellschaft verteilt sehen lassen möchte. Und so führt er eine Kaltschnäuzigkeit der Konfliktträger und –auslösenden vor, die wir so nicht stehen lassen wollen. Ist Leon ein psychisches Wrack, hätte die Kriminalpsychologin völlig anders reagieren müssen; hätte die Mutter einen Funken Mütterlichkeit in sich glimmen lassen, hätte sie sich ihres Kindes erbarmt – wenn nicht des Säuglings, so doch dann in der Gefährdung einer harmonischen Aduleszenz. Statt dessen führt sie ihren apportierenden Partner vor, dem sie befehlen kann, was immer er zu bedienen hat. Der Schulauftritt vor der Masse der Schüler ist ein pädagogisches Abenteuer besonderer Klasse, und danach sieht die Rektorin auch aus.

Wir erleben einen Frauentyp, wie er heute in den Kriminalfilmen aus der Retorte ständig vorgeführt und verordnet wird: Überlegen, süffisant gegenüber den von ihnen ausgemachten Tölpeln, belehrend, rechtend, als Märtyrer einer Gesellschaft, in der die Männer als „Auslaufmodell der Evolution“ auf der Müllkippe ihrer Verachtungswürdigkeit vegetieren dürfen. Das dulden wir nicht. Eine Frau, wie sie in der Krisenbewältigung seit jeher heldenmütig Familie und Überlebensproblematik gemeistert hat, muss ein solches Schreckgespenst der „Emanzipation“ verachten, denn solche Frauen haben es nötig, während die Nation von ganz anderen Charakteren aus dem Sumpf geholt worden ist.

Dem Schicksale des 13-jährigen Leon und dessen Freundin wird psychologisch eben nicht Rechnung getragen. Statt dessen fädelt die Regie „Fakten“ wie Bohnen zum Trocknen auf. Wir vermissen überzeugende, die Handlung wendende Einblicke in die Gewissenskonflikte der jungen Leute. Statt dessen führt man uns junge Menschen vor, die als Marionetten an den Fäden fremdleitender Willkür tänzeln. Welches Kind bringt es fertig, auf den eigenen Halbbruder, auf einen weitaus Jüngeren die Waffe immer wieder zu richten, um sich an ihm zu rächen, wenn er doch völlig unschuldig ist? Und worin bildet sich die Katastrophe sichtlich gesteigert vor, wenn das Mädchen schließlich die Waffe gegen sich richtet?

Die gesamte Handlung hätte ihren Wendepunkt an der Stelle verdient und nötig gehabt, an der sich Leon als Namenloser querlegt und nicht mehr verhandlungsbereit sein will. Das war das brandheiße Notsignal, hier sofort einzuschreiten. Aber spielt die Dame mit ihm nicht Räuber und Gendarm – doch wer ist nun wer? Das lässt sich kaum vermuten.

Das vernichtende Urteil für dieses Machwerk liegt in der Erkenntnis, dass der Film aus den psychischen Katastrophen zweier Jugendlicher, eigentlich noch Kinder, einen Krimi strickt, der Ursache und Wirkung als Sensationsspiel vermarktet, sich aber einen Dreck um die Stunden bemüht, in denen drei Kinder die Hölle durchstolpern und nicht ein noch aus wissen. Das lässt sich nicht mit Kaltschnäuzigkeit bemänteln. Dazu ist der Stoff zu brisant, zu ernst, zu wegweisend, zu ursächlich, als dass man dem taten- und empfindungslos zusieht. Da liegt ein junges Mädchen im eigenen Blute auf dem Frühstückstisch, und man hat mit seinen eigenen Empfindungsbezeigungen zu tun, statt sofort einen Notarzt kommen zu lassen. Der fachkundige Blick entschuldigt nichts: Ob jemand tot aussieht oder es ist, entscheidet allein der schleunigst alarmierte Mediziner, und um ihn zu holen, muss sich das Bemühen jener drehen, die das Kind aufgefunden haben.

Was denkt sich ein Regisseur, der das wissen muss, wenn er nicht über eine Gesellschaft spötteln möchte, die er wegen ihres sittlichen Verfalls allenfalls hätte verachten dürfen?

Wäre es ihm tatsächlich um das Los der Kinder gegangen, auch jener, die in der Schule so cool über das Schicksal Vermisster hinwegschwatzen, hätte es sich um einen sehr subtil beschreibenden Handlungsablauf gehandelt, dessen Spannungsmomente so vielseitig und so facettenreich anzuschauen gewesen wären, dass tatsächlich die Gleichgültigen aufgeschreckt wären.

Weil der Stil alles andere als künstlerisch gerechtfertigt ist, haben wir uns gestattet, diese Schnoddrigkeit als Mittel zurückweisender Kritik einzusetzen. Die Wirkung ist also keineswegs missverständlich, die eine Publikation hätte rechtfertigen sollen. Sie verstößt formal nur gegen geltendes Recht des Betreibers.

Betrogene Kinderherzen

Das Werk:

Eine labile Mutter lässt ihrem Manne zur Liebe ihre Kinder im Stich. Die älteste, 12 Jahre alte Tochter versucht, die Kinder vor der Einzeladoption zu retten. Die Behörden lassen die Muskeln spielen. Ein Einzelgänger unter ihnen rettet die Familie und führt sie unter der Obhut eines mit ihm befreundeten Ehepaares wieder zusammen.

Es handelt sich nicht um Einzelfälle, sondern diese Methode der Wegwerfgesellschaft begann sich auszuweiten. Inzwischen werden Gesetzesgrundlagen geschaffen, um das Auseinanderreißen zu verhindern.

Der ethische Aspekt:

Kinder als Wegwerfartikel zu behandeln, ist das Prädikat des kriminellen Gefährten jener Mutter, die sich zwischen ihren leiblichen Kindern und dem Strolch als Fahrer ihres Autos entscheiden muss. Damit sinkt sie auf die gleiche Stufe pervertierten Menschenbildes hinab und hat ihre Kinder nicht mehr verdient.

Dass die Behörden prompt reagieren und sofort Pflegefamilien suchen, ist durchaus lobenswert. Aber wenn das Zusammengehörigkeitsgefühl der Geschwister so heftig auf jeden Versuch reagieren muss, sie auseinander reißen zu wollen, muss man damit behutsam umgehen. Ganz sicher ist eine Trennung der Geschwister für den Rest ihrer Kindheit unerträglich und gehört nicht in die Kategorie Fürsorge!

Unmenschlichkeit aber auch noch mit „Notwendigkeit“ einer nun mal gegebenen Gesetzeslage zu verbrämen, ist blanker Zynismus, und der hat sich in einer besonders rabiaten Person der zuständigen Behörde eingefressen. Das gehört an den Pranger, und darum ist dieser Film ein Fanal gegen die Unmenschlichkeit im Jugendfürsorgewesen, gleich welchen Landes. Es fehlte noch die Verhaftung der Zwölfjährigen und deren Vorführung in Hand- und Fußfesseln – aber das kann man in der USA durchaus auch erwarten. Andere Länder spielen gelegentlich auch mit diesen „Maßnahmen“.

Das können sie, nur sollten sie dann alle Kirchen und Moscheen abreißen und die Leute mit Stachelhalsbändern in die Arbeit scheuchen ….

(Zum Vergleich: Rent a kid! - Wie bringe ich Geschwister alle in einer Familie unter?)

Durch Gefühllosigkeit entfesselte Gewaltbereitschaft siedelt sich in den Behörden unter dem Aspekt an, dass man das Recht auf seiner Seite habe und dass Kinder sich ja leicht auf neue Lebensverhältnisse einstellen könnten. Wer sich widersetzt, bekommt den brutalen Zugriff der Justiz zu spüren. Fürsorge und Jugendverwahrung sind die gängigen Mechanismen zur Disziplinierung. Wer dort versagt, wird, wie im Film „Das Ermorden der Kinder“, bei dem leisesten Verdacht der psychischen Deformation weggespritzt oder erschossen – Utah bietet beide Möglichkeiten zur Wahl an – der „Gott der Gerechten“ hat dieses Land fest im Griff, und nicht nur dieses in den USA!

Es scheint, als erhöhe das Leid der Kinder die Lust der Administration, es noch toller zu treiben. Inzwischen hat dieser Sadismus an Ohnmächtigen die gesamte Dienstleistungsbranche durchwandert.

Kinder scheinen Kromosomen-Abfall zu bedeuten, den man nach Belieben wegspritzt oder operativ entfernt (legale Abtreibung nennt man diese Form des Kindermordes).

Aus der Sichtweise der Kinder gestaltet sich die Lüge „Ich liebe meine Kinder“ als Verrat, und als die Zwölfjährige das begreift, vertraut sie logischer Weise keinem Erwachsenen mehr.

Der schöpferische Vollzug:

„Was ihr einem meiner Geringsten getan habt, das habt ihr mir getan!“ warnt der Meister seine innerlich distanzierten Zuhörer. Als ob er ihnen gegen das Schienbein treten dürfte – und wie will er wissen, wer Gott ist, mit dem sie doch ihre Verträge laufen haben? Nein, nein, den Kuhhandel geht niemand ein: Erst brav sein, dann artige Kinder haben? Wo kämen wir denn da hin? Erst artige Kinder, die man abstellen oder wegwerfen kann, wohin doch auch immer, dann kann über das „Himmelreich“ verhandelt werden, und da geht es immer um das Preis-Leistungs-Verhältnis, oder?

Merkwürdig: Hochmut kommt vor dem Fall – aber was ist das? Wozu ist man versichert?

Übrigens werden aus Kindern, wenn nicht zu verhindern, auch mal Erwachsene mit Stimm- und Wahlrecht – schon mal überlegt?

Oder anders: Wissen Sie, wie ein Bumerang funktioniert, wenn man die Kleinen damit nicht trifft? Er fliegt zurück!

Charley und die Schokoladenfabrik

Vorbemerkung:

Es sind keine schönen Gesichter, die sich um den Knaben Charley versammeln, aber vom Leben gezeichnete, von Entbehrung geformte, vom Hunger groß geränderte Augen und die Mutlosigkeit, wenn man nicht mehr vom Bett aufstehen möchte, weil die Welt einen vergessen machen wird. Dann finden wir dieses zeitlos offene Gesicht eines Jungen, dem durchaus klar ist, was Armut bedeutet, der aber mit dem, was man ihn gelehrt, sehr wohl haushalten kann, der nicht unter den Enttäuschungen zusammenbricht, als er zweimal die Goldene Einladung verpasst hat, die Fabrik besichtigen zu dürfen.

Wir erkennen das Leuchten einer Zuversicht, die sich nicht erschrecken lässt, das Leuchten, das von innen kommt und den alten Menschen in der Runde das Leben lohnenswert macht. Es ist Charley, eine „Tankstelle der Ewigkeit“, auf die alte Menschen unserer Zeit immer häufiger verzichten müssen: Man sperrt sie weg – alt zu alt und jung zu jung, und das Licht, das die Jugend in die Welt trägt, wird dem Kommerz, der Hektik des Unnützen zugetragen, und das Altern erlischt vor den Augen der Kinder, die das nicht sehen dürfen oder sollen, die man sich selbst überlässt und auf Erfolgskurs dressiert, mit ihrem Leben um die lukrativen Plätze pokert = das Grauen hat die lieblichen Wohnungen des Herrn mit Leichentüchern verhüllt!

Die Handlung:

Ist das Glück wie Schokolade, muss man es vor zuviel Hitze und der Gefräßigkeit der Neider schützen. Charley wächst mit seinen Eltern und Großeltern in einem baufälligen, windschiefen Gemäuer neben der gigantischen Fabrik des Willy Wonka auf, der eben nicht auf eine geborgene Kindheit zurückblicken darf und sich ein süßes Reich der Einsamkeiten schafft. Und dorthin lädt er sich eines Tages per Los fünf unterschiedlich gewachsene Kinder mit ihren „großen“ Begleitern ein. Er führt sie herum, und jeder dieser Charaktere scheitert an einer Klippe, bis nur noch Charley übrig bleibt. Und der will die Fabrik nicht geschenkt, wenn er dafür seine Familie verlassen soll. Erst als er dem „Magier“ der süßen Verführung den Vater und damit den Sinn einer schützenden Familie vermittelt, kommt das Abenteuer endlich zur Ruhe, und der Begriff „Glück“ bekommt für den geleckten Selfmademan Wonka ein Gesicht.

Es lüftet sich dabei auch das Geheimnis seines Erfolges: Geht es ihm gut, ist auch die Produktion ein Riesenerfolg, und fühlt er sich miserabel, geht es mit der Fabrik bergab.

Der ethische Aspekt:

Man darf den Gestaltern der DVD-Hüllen nicht alles abnehmen – so ist es wertlos, den Regisseur als den Erschaffer des „Planeten der Affen“ ins Feld zu führen, auch wenn man gelegentlich darüber nachdenkt, wer Kinder dazu bringt, vom homo sapiens, als der sie geboren werden, auf die Stufe des homo erectus zu fallen, wenn es um Egoismus, Fressgier, Geltungsdrang und Herrschsucht geht.

Wonka lässt diese Katastrophen des Kulturverfalls während des Rundganges durch seine Fabrik scheitern, weil sie sich zu weit vorwagen und ihr heiliges Land des Beschütztseins verlassen. Es geschieht vor den Augen derer, die sie dazu gemacht haben, und dass Charley übrig bleibt, unter der Obhut seines Großvaters, ist der verdiente Preis, ist die Belohnung, um als Erbe dieser skurrilen Fabrik in Betracht gezogen zu werden.

Es überrascht nicht, dass der Junge auf Reichtum verzichtet, wenn die Familie dabei ausgesperrt bleiben soll. Und er bringt es fertig, Wonka zu überzeugen, wie recht er damit hat! Wonka lernt, dass Glück nicht durch Bestechung käuflich wird, und er lernt, dass ein Kind einen Charakter haben kann, den die Erwachsenen sich zu gern versilbern ließen – nicht so in dieser Familie! Das bringt Hoffnung, das zieht die Schleier der Dummheit fort, und man kann klar sehen.

Der schöpferische Vollzug:

Filme sind keine Bücher und haben es nicht nötig, sich linear zu entwickeln. Dennoch verstehen naive Gemüter solche Phantasie-Handlungen als „action“ und sind glücklich, dass man sie mit Effekten einspinnt, während die zweite und dritte Ebene sich außerhalb ihres Vermutens zum Gesamtkunstwerk vollenden.

Eindeutig beruft sich der Film auf die ethische Grundaussage: Reich ist, wer das Glück familiärer Geborgenheit wie eine Schutzhülle um sich trägt. Bei dem Geplärr nach Selbstverwirklichung stellt man Kinder heute gerne weg, wenn sie nicht gebraucht werden, und so wirft man sie mit weniger als drei Jahren dem Kollektiv in den Rachen, und damit verschwindet die Zwerchfellatmung und die Mitte des Lebens. Aktuell ist also das Thema, ist die Sentenz dieses Films, ist die Notwendigkeit, dieses Thema in den Mittelpunkt zurückzuholen, und somit ist dieser Film ein Plädoyer gegen das Mammon-Anbeten und das Gieren nach Reichtum und Macht. Es sind die Charleys, deren Stimmen man lauthals übertönt und nicht mehr hören will, und es sind die Großväter, denen das Licht noch einmal ins Leben scheint, weil sie ihren Enkeln das richtige Brot zu essen gegeben haben. Aber die Eltern müssen natürlich begreifen, was sich da so entwickelt, sonst bremsen sie das Leben aus und damit die Wonkas, die sich an ihren Tisch setzen und wissen möchten, was Leben eigentlich bedeutet.

Daniel, Philipp und das Wunder der Liebe

Vorbemerkung:

Daniel: Thomas Näßl

GE

 

Philipp: Günter Strack

GE

 

Viktor Saalbach,

 

    Daniels Freund:

GE

Prof. Saalbach: Miguel Herz-Kestranek

NE

Prof. Schmidt-Gaden (nicht abgebildet):

GE

Das Werk:

Waisenknabe Daniel wird ins Paradies gewiesen, hat aber mit dessen Wächter, seinem Großonkel Philipp, erhebliche Anpassungsschwierigkeiten. Ursache ist die Verbitterung des Alten und der Hass auf die praktizierte Musik, wie sie in „seinem“ Stammschloss in Sichtweite von Prof. Saalbach mit einem Knabenchor einstudiert wird (Tölzer Knabenchor). Daniel ist aber vorgeprägt und von der Musik nicht wegzubekommen. Durch Sequenzen der momentanen Enttäuschungen finden die beiden schließlich zusammen. Nicht nur das Schloss wird wieder Familienbesitz, sondern der Knabenchor darf bleiben, weil Daniel sich als hervorragend geschulter Chorsänger beweisen konnte. Weihnachten ist das Fest der Liebe – eigentlich das der Kinder, aber das ist hier sichtbar dasselbe.

Der ethische Aspekt:

Dem Handlungsverlauf entnehmen wir, dass er, ähnlich wie eine Serie auch, passgenau auf den Tölzer Knabenchor zugeschnitten wurde. Triebfeder ist Prof. Schmidt-Gaden, und so wirbt dieser Spitzenchor für seinen Erhalt, Ausbau und weitgefächerte Effektivität – zwischen Renaissance und Jazz, wie wir wissen, wobei das bayerische Liedgut stark gefördert bleibt.

Ethisch betrachtet, hat sich die Musikwissenschaft längst mit dem Pop prostituiert. Auch Schmidt-Gaden macht Konzessionen, die Kopfschütteln hervorrufen. Der Film will dafür Gründe aufzeigen. Philipp will, dass der Junge für die Lebensbewältigung unter Lügnern und Betrügern lernen kann. Jagen, Angeln, also Töten als Grundübung des Sattwerdens, gestalten sich vor der Kamera rücksichtsvoll verhalten, aber stehen in diesem Zusammenhange außer Diskussion. Das ist der Prospekt, denn ohne den verlöre sich die zahlenmäßig ohnehin knappe Akzeptanz solcher Handlungen noch spärlicher.

Was wird dem Kenner geboten?

Daniel hat Geld aus der Kassette des Großonkels genommen und will es zurückzahlen. So stellt er sich in der Stadt vor den Brunnen und singt die Beatles – das bringt Geld in’s Sacktuch: Er kann seine Schuld begleichen. Und der Alte belohnt das! Was wäre noch?

Ein hochqualifizierter kleiner Chor unter einem Klangtechniker, mit strengem Auslese- und Konkurrenzanspruch: Das ist bei Normativen das absolute Muss. Und dafür hat man einen entsprechenden Schauspieler ausgesucht. Die Weichensteller zu Daniels Glück weisen dagegen ein großes Energiefeld auf, sind also schöpferisch unabdingbar für den konsequenten Sinneswandel und öffnen sich zu Menschlichkeit und Erhalt der dörflichen Qualität – die dem Bürgermeister gar nicht aufgeht und sie deshalb auch „aufgelöst“ haben möchte. Hat Prof. Saalbach zwar nicht das richtige Fingerspitzengefühl für schwelende Konflikte, so regelt das sein Sohn Viktor um so sicherer. Er fordert auch seinen Freund Daniel zu eigenwilliger Initiative auf, um ihm den allzu engen Lebensraum öffnen zu helfen. Die Konsequenzen (Vertrauensentzug, Unfall, Missverständnisse) versucht er mitzutragen. Am Ende hat der Waisenjunge eine Familie, die Freundschaft Viktors, die Kameradschaft der Chorknaben, und die Stadt behält ihren Knabenchor und stellt die Dummheit des Bürgermeisters in die Ecke. Das tut sehr gut! So soll es bleiben!

Der schöpferische Vollzug:

Statt professioneller Dramaturgie, die durchaus von Kindern meisterhaft gestaltet worden wäre, gerade auch mit diesen Jungen, nutzt man das Mittel des Erzählens (Brecht’sche Machart?) – der Tod jeder Dramatik. So entwickelt sich eine betuliche Handlung, kontemplativ-phasenhaft zusammengesetzt, zwar chronologisch, aber doch wie durch ein Fernrohr herangeholt.

Günter Strack spielt zunächst gegen seine Natur den Nöckergreis und lässt sich das Herz nur schwer erwärmen. Dass man sein Begabungspotenzial gewählt hat, überträgt sich zusätzlich auf die positive Erwartung einer Konfliktlösung. Sie ist einfach logisch!

Daniel, also Thomas Näßl, ist als geschulter Tölzer nur deshalb Mittelpunkt, weil er für diese Rolle vorgesehen wurde. Sein Gegenspieler, der ihm später „aus Konkurrenz“ die Geldkassette des Chorleiters in den Rucksack schmuggelt, ist, bei normativer Begabung, ein ebenso gesanglich geschulter Junge, dessen feine Mimik und die großen Augen den jahrelangen Umgang mit dem Schlüsselprinzip Musik bzw. Kunst beweisen. Viktor als Sohn des Dirigenten hält sich zwar zurück, vermittelt aber die Probleme der Chorkinder zum Vater: Er ist ein verlässlicher Kamerad und für notwendige Informationen zum Vater bezüglich der Chorgemeinschaft ein pracht-voller Mensch. Er schlägt die Brücke zwischen dem Chor und dem zukünftigen Schlossbesitzer-Jungen Daniel – er weiß es zu der Zeit natürlich noch nicht, handelt also uneigennützig.

Ein Film dieser Thematik hat verdient und soll deshalb hier besprochen werden, dass ein Regisseur mit sicherer Hand die richtigen Begabungspotenziale an die richtige Stelle setzt und dadurch der Gefahr entkommt, ein an sich schicksalhaft gesponnenes Sondergeschick (Daniel) aus unnötig dramatisierten Spannungsfeldern herauszuhalten, sich aber eine ebenso prickelnde Chance entgehen lässt, statt des Erzählens lieber Handlungen zu setzen, d. h., die bei schöpferisch Sonderbegabten hohe schauspielerische Leistungsfähigkeit herauszuentwickeln. Vermutlich stand dieser Film unter Zeitdruck, was leicht begründbar ist, weil dieser Chor noch ganz andere Aufgaben zu erfüllen hat. Aber mit diesen Kindern insgesamt eine ähnlich gute Geschichte dramaturgisch auf Höhepunkte zustreben zu lassen, würde sich durchaus lohnen.

Die ähnlich tendierende Serie mit den Tölzern liefert lediglich den Beweis, das seien ja auch nur ganz normale Rangen und hätten ja auch ihre Pop-Musik im Kopfe.

Weil es so ist, bedarf es einer klaren Grenzzuweisung: Jede Art Kunstbetrieb, die der Selbstdarstellung der sog. Künstler dienen soll, ist Betrug am Empfänger. Die Unterhaltungselektronik lebt ausschließlich von der Selbstaufblasbarkeit. Sie ist Knabenchören, überhaupt jedem ernsten Musizieren, ein Hieb ins Gesicht. Es darf und kann nicht sein, dass sich Menschen damit entschuldigen, wenn sie Höchstleistungen vollbracht haben, dass sie doch nur ganz normale Menschen seien wie … ?

Diese Botschaft ist eine schamhafte, unnütze, abgepresste Lüge. Und deshalb kommentiere ich die Darsteller mit den mir verfügbar gewordenen Messungen, um klarzustellen, dass ein schöpferisch sonderbegabtes wie überhaupt ein leistungsstarkes, ethisch strebendes Kind (= Pleonasmus) sich bei niemandem zu entschuldigen hat. Denn es gehört unauflöslich einer Minderheit der Mutigen an, die nicht zuerst an sich denken, sondern an die Beglückung anderer!

Wer wagt es, sich dem zu widersetzen? Er verschwendet nur Zeit für seine alberne Maskerade