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Schreibwerkstatt Wendelstein
Gudrun Vollmuth (Hrsg.)

Die Leiche im Apfelbaum

Mörderische Geschichten

art&words

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek.
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im
Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

1. Auflage Oktober 2016

© 2016
art&words – verlag für kunst und literatur

Zerzabelshofstraße 41, D-90480 Nürnberg
Homepage:
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Twitter:
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Facebook:
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Gesamtgestaltung: art&words
Umschlaggestaltung: Peter R. Hellinger

ISBN 978-3-943140-59-0
Auch als Print erhältlich.

Vorwort

Liebe Leserin, lieber Leser, hallo Krimifans!

Mehr als 30 Autorinnen und Autoren erzählen mörderische Geschichten, die alle hier in Franken spielen. Folgen Sie ihnen auf verschlungenen Pfaden und lassen Sie sich gefangen nehmen. Ob folgende Fragen beantwortet werden?

Gibt es ein Urbedürfnis auf Gruseliges und Skurriles, das den Alltagstrott würzt? Beginnt die Lust auf das Eintauchen in Anderswelten schon in der Kindheit? Beschäftigt man sich mit Grenzgängen und den letzten Dingen erst im Alter? Und wie kommt die Leiche in den Apfelbaum?

Lesen Sie selbst!

Schreibwerkstatt Wendelstein
im Herbst 2016
Gudrun Vollmuth

Krimis
schreiben, lesen, anschauen

Ludwig Weber
Mein Krimi-Basis-Alphabet

Halt, Kriminalschreiberei! Ich verhafte Sie wegen organisierten Besuchs einer Autorenlesung, wegen ungezügelten Beifalls für kriminelle Texte und einfach so, weil Sie da sind. Statt Verhör gibt’s ein Krimi-Alphabet, umfangreich und genau in der Folge der 26 Standard-Buchstaben. Wer das ABC beherrscht, ist also klar im Vorteil. Sagen Sie nichts, es könnte gegen Sie verwendet werden. Hören Sie zu, denn Anwalt ist nicht.

Alibi, Beweis, Cybercrime,
Durchsuchung, Ermittlung, Fadenschein …

Ja, ja, so käme es Ihnen recht. Da wäre die Sache schnell vorbei und wieder Ruhe in der Stube. Aber ich habe leider Folgendes ermittelt:

Adler-Olsen gilt bei Dänen
als das Krimi-A und -O.
Und er schrieb „Das Alphabethaus“
vor 2000 oder so.

Bumm, das reißt Sie aus dem Leben,
böse Buben auf Babier (Papier).
Bella Block, die Kommissarin,
zieht am Bildschirm durchs Revier.

Conan Doyle erfand nicht Cannon
doch Professor Challenger.
Neben „C“ gäb’ sich sein Name
auch für „A“, „I“, „D“ noch her.

Der volle Name Conan Doyles lautet nämlich: Arthur Ignatius Conan Doyle. Der Privatdetektiv aus der Serie Cannon heißt Frank und wird gespielt von William Conrad. Da rappelt’s beim „C“. Chacka!

„D“ besetzt mit Dunkelziffer,
eine eher düstre Wahl.
Jan Arnald ist hier der Autor,
alias auch Arne Dahl. (Schwede)

Ehrlich, sagt man, währt am längsten;
Ehrlicher räumt Leipzig auf.
45 mal im Ersten,
ehrlich wahr, ein guter Lauf.

Fest im Fadenkreuz der Fahnder:
Feige Mörder, fiese Frau’n.
Schon „Drei Fragezeichen ???“ lehrten:
Fiesem Pack ist nicht zu trau’n.

Gänsehaut im Nachkriegs-Kino;
Graham Green: „Der Dritte Mann“.
Gräber, Gullys, Wien von unten;
– Geh schaust! – Gleich fängt die Zither an.

Hände hoch! Halt, stehenbleiben!
Hehler hinters Häfn-Tor.
(Häfn wird der Knast in Österreich genannt)
Hinterrücks durchs Herz ins Auge;
Harry, fahr, den Wagen vor.

Interpol ist eingeschaltet,
irgendein Inspektor flucht.
Nach Indizien und Beweisen
wird im Internet gesucht.

Jeder Ort hat seinen Krimi,
Wendelstein jetzt dieses Werk:
„Ein japanischer Komplize“
– Joggermord am Glasersberg –.

Killer, Kult und Kommissare;
Kottan der Major von Wien.
Kluftinger, mir sträubt’s die Haare,
wie einst vielen bei Kressin.

Leiche liegt im Landhauskeller
neben einem Leinensack.
Und Inspektor Lynley wettert:
„Liederliches Lumpenpack“.

In Wirklichkeit wettert der blaublütige Thomas Lynly natürlich auf Englisch und ohne sich um mein Alphabet zu kümmern.

„M“ wie Monk und auch wie Magnum,
„M“ wie einst Miss Marple schon.
„M“ wie Mankell oder Marklund, (2 x Schweden)
„M“ wie Mord und Munition.

Nur im Norden ist gut Morden,
Nesser Hakan (Schwede) bürgt dafür.
Und ein Niederbayern-Krimi,
ja, der heißt: „Sau Nummer vier“.

„O“ wie die Osiris-Morde,
Morten Olsen, Oslo-Stadt. (Norwegen)
Orientexpress, der Mord dort
fand mit Greta Ohlsson statt.
(Schwedische Missionarin)

Pfeilgift, Eispfahl, Goldpistolen,
gibt es das perfekte P? – Ach, Gschmarri! –
gibt es den perfekten Mord?
Polizisten und Profiler
räumen plumpe Zweifel fort.

Quincy, was, Ihr kennt nicht Quincy?
Ich beiß’ gleich vom Q-Tipp ab.
Quincy obduziert die Leichen
quer und längs, dann ab ins Grab.

„R“ wie Räuber oder Raubmord,
„R“ wie Russenmafia.
Wie Revolver oder Reißwolf,
„R“ wie Rauschgift-Razzia.

Sherlock Holmes meets Horst Schimanski,
Scotland Yard sucht SEK.
Seidenschal mit Schmuddeljacke?
Schmauchspur auch nach Streifschuss? Ja.

Tatort: Trimmel bis Thiel/Börne;
nach der Tagesschau geht’s rund;
Totschlag oder Triebverbrechen,
manche treiben’s richtig bunt.

Batic, Casstorf, Dorn und Eisner,
Faber, Gerber, Haverkamp.
Frieda Jung, Kressin und Lindholm …

Ja, schon hätte man wieder ein neues ABC. Aber wir konzentrieren uns lieber auf das Hauptverbrechen.

Unterschlagung, Überfälle,
Umweltkriminalität.
Untat, Unzucht, Unterlassung
und für Umkehr meist zu spät.

Vor „Verdammnis“ und „Vergebung“
ging es mit „Verblendung“ los.
Das Vermächtnis von Stieg Larsson: (Schwede)
Unvollendet und doch groß.

„Hallo, hier spricht Edgar Wallace“

Weltberühmt oft die Autoren;
auf die Toten heut ein Prost!
Hier in Wendelstein beim Flaschner
mit Wallander/Vor dem Frost.

„Vor dem Frost“ ist der 11. Band der Kurt Wallander-Reihe von Henning Mankell, verstorben am 05. Oktober 2015.

Hey, XY, Ihr Lieben,
ist noch immer ungelöst.
Zeigt es an, wenn Ihr von Xen
Und vom Ypsilon was lest.

Ziel und Fahnder wenn sich treffen,
findet meist ein Zugriff statt.
Zeugen und am Schluss die Zelle,
weil’s beim Z ein Ende hat.

Halt! Zugabe!

„Z“ wie Zeller, dessen Krimi
„Sterben ist das Letzte“ heißt.
Zeit, zum „A“ zurückzukehren,
das auf „B“ und „C“ verweist:

Nein, nicht aufs „Alphabethaus“ von Adler-Olsen, sondern auf Agatha Christies Krimi „Die Morde des Herrn ABC“ (im Original „The A.B.C. Murders“). Aber lassen wir es gut sein. Führt mich ab.

Elisabeth Hannweber
Ein ganz besonderer Fall

Walter faltete die Pappkartons zusammen, er musste aussortieren, der Umzug in die kleinere Wohnung nach dem Tod seiner Frau verlangte es. Wo sollte er anfangen, am besten bei Wilmas Büchern, neben Biographien waren Krimis ihre Lieblingslektüre gewesen. Er legte sämtliche Bände von Agatha Christie in den ersten Karton, schmunzelte ein wenig über Miss Marple und Hercule Poirot. Edgar Allen Poe kam ihm in die Hände, bevor er sich den Krimiautoren der neueren Zeit zuwandte. Er schlichtete die Bände von Ingrid Noll, Henning Mankell und Adler Olsen in zwei Kartons, damit sie nicht zu schwer wurden. Er würde nichts wegwerfen, sondern sie an Bekannte und Lesestationen verteilen. „Bücher sind wie Kinder“, hätte Wilma gesagt, „die muss man in die richtigen Hände geben.“

Jetzt kamen seine Bücher an die Reihe, Fachliteratur, Reisereportagen, Bücher über Kunst und Geschichte. Er griff in die hintere Reihe des Bücherregals, leicht angestaubt und ein bisschen vergilbt standen sie da. Er nahm eines davon in die Hand, Der Großtyrann und das Gericht, las er, von Werner Bergengruen. Es hatte ihn als Jugendlichen sehr beeindruckt, warum, war ihm damals nicht so recht klar gewesen. Es war spannend, soviel wusste er noch, Walter konnte nicht widerstehen, darin zu blättern. Es ging um einen Mönch, der tot aufgefunden wird, innerhalb von drei Tagen soll Nespoli, der für die Sicherheit des Ortes verantwortlich ist, den Mörder finden. Von Anfang an spürt er, dass dieser Fall anders ist als alle bisherigen, er macht Fehler, gerät selbst unter Druck und darf die Ermittlungen nicht mehr weiterführen. Immer mehr Menschen in der kleinen Stadt werden in das Netz von Lügen, Intrigen und Schuld verstrickt. Um dem Ganzen ein Ende zu bereiten, bekennt sich ein Mann freiwillig schuldig, bis der Großtyrann eingesteht, dass er selbst den untreuen Mönch getötet und geschwiegen hat, um alle auf die Probe zu stellen. Es geht um Macht und Ohnmacht, Schuld und Gerechtigkeit.

Walter wurde nachdenklich, Gerechtigkeit, war es das, was ihn damals so ansprach. Als er es wagte, mit klopfendem Herzen den Geschichtslehrer zu fragen, warum sein Klassenkamerad, der stotterte und sich schwer tat, die Fragen schnell zu beantworten, eine Sechs bekam und warum er, der die Fragen nicht besser beantwortete, eine Zwei bekommen sollte. Der Lehrer war kreidebleich geworden und hatte ihn laut angebrüllt wegen dieser Frechheit. Nach einer Zusatzfrage hatte er, Walter, ebenfalls eine Sechs bekommen, es war ihm egal, er wusste, dass der Lehrer im Unrecht war. So war es auch, als er als Praktikant in einem Heim arbeitete und sich um Kinder aus schwierigen Familienverhältnissen kümmerte. Dass die Heimleiterin ihre Lieblinge bevorzugte, die anderen, die sich ihr widersetzten, schikanierte, war ihm bald klar. Obwohl er nicht offen Stellung bezog, sondern nur versuchte, die Kinder gleich zu behandeln, bekam er Probleme und wechselte bald in eine andere Einrichtung.

Gerechtigkeit. War er sich treu geblieben in all den Jahren, in seinem Berufsleben hatte es auch bei ihm Situationen gegeben, in denen er aus Feigheit und Schwäche die Wahrheit nicht hatte sehen wollen, nicht entschlossen genug auftrat und nicht handelte. Und in der Familie, hatte er seine Kinder gleich lieben und ihnen gerecht werden können? War es bei dem Bemühen um Gerechtigkeit nicht nur um die gerechte Sache, sondern auch um ihn selbst, besser als andere zu sein, gegangen? Langsam klappte er das Buch zu, das Buch, das ihm so wichtig gewesen war und das auch jetzt so viele Fragen aufgeworfen hatte, war ein Kriminalfall. Vielleicht hatte Wilma doch recht damit gehabt, wenn sie darauf beharrte, dass in einem guten Krimi viel mehr steckte.

Klaus Gasseleder
Praktische Literaturtheorie

„Ist das autobiografisch?“, fragte der Zuhörer bei einer von uns veranstalteten Lesung den Krimiautoren, dessen Held, zugleich Ich-Erzähler, einen perfiden Mord begangen hat, der sich nie hat aufklären lassen, und jeder, der bei uns zu Lesungen kommt, weiß, dass eben dieser Herr, ein Stammgast bei uns, nach jeder Lesung die selbe Frage an den Autor stellt.

Etwas überrascht, aber die Frage mit Humor tragend, antwortete der Autor mit Ja, worauf der genannten Dauergast eine Dienstmarke aus der Tasche zog, sich als Kriminalobermeister Müllsiedl vorstellte und den Autor sogleich in Haft nahm.

Bei der nächsten Lesung werden wir den Autoren einschärfen müssen, dass sie bei entsprechenden Fragen zu sagen hätten, dass die postmoderne Literaturwissenschaft nachgewiesen habe, dass es überhaupt kein autobiografisches Schreiben geben könne, sondern Romane immer fiktiv seien.

Ingo Cesaro
Kriminal-Haiku

Beim Geiseldrama.
Gangster erschossen. Geiseln –
tot. Riesenerfolg.

Hört Polizeifunk.
Umfährt so Straßensperren.
Ein Katz- und Mausspiel.

Leiche im Gebüsch.
Hund des Jägers zerrt an ihr.
Jetzt Spuren sichern.

Zeuge meldet sich.
Hat Mord beobachtet. Wird –
nicht ernst genommen.

Es fehlt Abschiedsbrief.
Die Kripo ziemlich verwirrt.
Mord oder Selbstmord.

Beim Pokal-Endspiel.
Ehemann schaut Fernsehen.
Die Frau erstochen.

Klettert mit Opfer.
Steile Felswand. Ideal.
Typisch Bergunfall.

Wurde verhaftet.
Wird schon seinen Grund haben –
sagen die Nachbarn.

Regio-Krimis.
Mit viel Klischees und Schwachsinn.
Region erfreut.

Aus dem Buch „Eine schöne Leich“ Kriminal-Haiku, Éditions trèves, Trier 2015

Gudrun Vollmuth
Von der Schwierigkeit
einen Krimi zu schreiben

„Hast du keine kriminelle Ader?“, fragte mich meine Freundin Ingrid, als ich ihr von meinen vergeblichen Bemühungen einen Krimi zu schreiben, erzählte. Was meinte sie mit krimineller Ader?

Ob ich mir Krimis im Fernsehen anschaue? Ob ich Krimis lese? Ob ich zu kriminellen Handlungen fähig bin?

„Durch Krimis wird man kein schlechterer Mensch! Und kein besserer durchs Bibellesen!“ Ingrid brachte die Sache immer auf den Punkt.

Mir gefällt halt nicht, Spannung durch den Tod eines Menschen aufzubauen. Als Kind wurde mir eingeimpft: „Du sollst nicht töten!“

Zudem erfuhr man im Religionsunterricht, dass Kain seinen Bruder Abel erschlagen hat und Kains Nachfahren sind wir alle. In der Bibel wird überhaupt viel gemordet.

„Das Paradies gibt es nicht auf Erden. Früher war es nicht besser als heute, und auch Naturvölker lösen Probleme blutig. Ich habe viel darüber gelesen.“

Ingrid redete sich in Fahrt.

Ich krame in Erinnerungen:

Spielereien und Streiche in der Kinder- und Jugendzeit wie Verstecken, Schatz suchen, Personenverfolgungen, Geheimbotschaften schreiben und entschlüsseln waren sehr anregend. Auch Detektivgeschichten habe ich gerne gelesen. Also, Spürsinn und Durchhaltevermögen für die Lösung schwieriger Umstände besitze ich schon. Außerdem war ich über drei Jahre im Polizeipräsidium Nürnberg beschäftigt, aber das ist lange her.

„Am Ende ist doch jeder tot – und gestorben wird immer“, führte meine Freundin weiter aus. Und: „Wer früher stirbt, ist länger tot!“

Wo Ingrid Recht hat, hat sie Recht.

Gudrun Vollmuth
Gefährliches Gebiet

Meine Nachbarin kann nicht begreifen, warum ich so gerne in den alten Steinbrüchen herumstreife.

„Da ist es doch gefährlich, die Löcher, die Schluchten, die Abgründe. Fürchtest du dich nicht vor Schlangen, tollwütigen Füchsen und Wildschweinen?“ Das alles könnte es dort geben, meint sie.

„Ich habe keine Angst, ich fühle mich hier zuhause. Im Sommer zupfe ich Schwarz- und Preiselbeeren und suche Pfiffer. Schließlich ist hier mein Urgroßvater 1841 in dem kleinen Haus neben der Gaststätte Hinteres Wernloch zur Welt gekommen.“

„Und was ist mit dem Fuchsbandwurm und Giftpilzen, und übertragen die Schnaken vielleicht Krankheiten?“

„Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, ich kenne mich aus.“

„Und was ist wenn du da oben eine Leiche findest. So was liest man öfter in der Zeitung?“

Ich schüttelte nur den Kopf über so viel Unsinn.

Aber letztes Jahr wurde ich doch überrascht: Als ich meine Waldheimat wieder einmal aufsuchte, war dort der Teufel los. Die Nürnberger Straße hinauf, auf allen Waldwegen Unmengen von Autos, hektische Menschen, Kameras. Alles war abgesperrt. „Ein Mord! Der Mord im Franken-Tatort!“, schrie einer.

Ein paar Wochen später sah man es im Fernsehen. Die Leiche im ersten fränkischen Tatort wurde im felsigen Gelände der Steinbrüche bei Wendelstein gefunden.

Helga Lingsminat
Etz is er

Etz is er so a
friedlicher, guter Moh –
obber am Ahmd
beim Fernseng
will er bloß Krimis oschauer,
je blutrünstiger
desto besser.

Friedrich Ach
Auffällich

Oddär:

Wemmä dess, vo demm wou gsachd wärd,
dassmäs unbedingd hoom mou, nedd hoadd

Iich hoabb kann Indärnedd-Oanschluss
und ka Audo.
Iich foahr nedd inns Ausland,
iich hoabb ka Kundn-Kardn,
ka Händy, und iich zoahl nedd
midd Kardn.

Woahrscheinli
machd mi grood dess
su verdächdi.

Friedrich Ach
Blouss a Beischbiel

Oddär:

Imm ächdn Leem, dou zäichd-si immär alläs su lang hi

Inn su goud wäi alli
Fernseh-Grimmis
wass där Kommissar
schbedäsdns nach neunzg Minudn
wär där Dädär is.

Imm ächdn Leem
koann dess Joahre dauärn.
Und dann
värhafdns manchmoal
anuu inn falschn.

Däzou kummd,
dass-mä boa amm Fernseh-Grimmi,
wenn-är amm
nedd schbannend gnouch is,
imm Geengsadz zumm ächdn Leem,
aungbliggli ummschaldn koann.

Wenn-är-märs
gnau übärleech,
dann schbrichd
eingli nix
firs ächde Leem.

Die Polizei ermittelt

Dagmar Scherf
Hochexplosives
Menschenmaterial?

Was passierte wirklich in jener Nacht, als der letzte Wagen des Zugs D 213 Windrose kurz hinter dem Bahnhof Neustadt/Aisch explodierte? War es ein Sprengstoffanschlag, die missglückte Flucht eines Ganovenquintetts oder kollektiver Selbstmord der fünf Insassen? Trotz intensiver Spurensuche findet die Kriminalpolizei keinen Hinweis auf äußere Gewaltanwendung.

Zitat aus dem Klappentext zu: Dagmar Scherf: Fugato infernale. (K)ein Kriminalroman. MV Verlag, Münster 2002 (Vergriffen, aber antiquarisch erhältlich). – Hier ein Ausschnitt:

Die erste Besprechung war für neun Uhr morgens in Thielerts Dienstzimmer angesetzt. Als Mary eintraf, knallte der Chef gerade den Hörer auf. „Dieses Kompetenzgerangel geht mir auf den Geist!“, fluchte er. „Die Bahn AG hat vor zwei Stunden Bundesgrenzschützer in Marsch gesetzt, aber dann wieder zurückgezogen, weil das BKA den Fall übernehmen will. Aber das LKA hat ja auch längst seine Finger drin. Entsprechenden Streit gibt es zwischen Generalbundesanwalt und Staatsanwalt.“

Theo Rauscher gähnte herzhaft. „Ich schlage vor, wir gehen einfach an die Arbeit.“

„Nicht bevor wir eine Sonderkommission gebildet haben“, widersprach ihm Robert Bierbichl.

„Die Sonderkommission sind wir, fertig aus“, beschloss Thielert. „Allerdings sollten wir noch auf Doktor Hauer warten, vielleicht kann er uns ja schon was über die Toten erzählen.“

Eine Zeitlang herrschte nur von Gähnen und Kaffeeschlürfen unterbrochenes Schweigen in der Runde. Niemand hatte mehr als drei Stunden geschlafen. Mary fühlte sich so nackt und empfindlich wie ein rohes Ei. Normalerweise versuchte sie, solche irritierenden Zustände durch besonders aggressives Verhalten sich und anderen gegenüber zu überspielen. Diesmal genoss sie ihre Übersensibilität jedoch zu ihrer eigenen Verwunderung wie ein prickelndes Schaumbad. Die dumpfen Gesichter der drei Kollegen kamen ihr hingegen uralt und merkwürdig fremd vor. Klaus Thielert hatte die ständig herunterrutschende randlose Brille abgenommen und massierte sich die feuchtglänzende Halbglatze; Robert Bierbichls eng beieinanderliegende Augen blickten noch bärbeißiger als üblich unter den dichten Brauen hervor und Theo Rauschers schmales, von feinen Furchen durchzogenes Gesicht wirkte wie eine Kraterlandschaft.

„Fünf Tote und kein Krümel Sprengstoff!“, knurrte es aus dieser Kraterlandschaft. Niemand reagierte darauf.

Nur Mary rutschte unruhig auf ihrem Stuhl hin und her. Wenn ihr wüsstet, was ich schon alles herausgefunden habe! Ermittlungen auf eigene Faust liebte der Chef zwar überhaupt nicht, aber angesichts der aufregenden Neuigkeiten, würde er seinen Protest schnell herunterschlucken …

Nachdem sie letzte Nacht mitgeholfen hatte, den grauhaarigen Schockpatienten in ein Rettungsfahrzeug zu verfrachten, hatte sie energisch darauf gedrungen, dass er in die Psychiatrische Klinik Hohenhain eingeliefert wird. Dass einer der Krankenpfleger dort zufällig auch ihr Lover ist, sagte sie nicht. Als sie Tom gegen acht Uhr morgens von zu Hause aus anrief, erhielt sie – natürlich streng vertraulich und nur ihrer Eigenschaft als Kommissarin zu verdanken – einige aufregende Angaben zur Person des Patienten. Und jetzt brannte sie darauf, die loszuwerden. Allerdings im richtigen Moment. Sie hatte nun mal ein Faible für eine geschickt aufgebaute Dramaturgie.

Da man nicht länger auf den zuständigen Gerichtsmediziner warten wollte, drehte sich das Gespräch zu Beginn vor allem um die möglichen Ursachen der Explosion – mit dieser Frage würde Thielert bei der für elf Uhr angesetzten Pressekonferenz schließlich vor allem gelöchert werden. Einen terroristischen Anschlag hatten die am frühen Morgen eingetroffenen Beamten des BKA vorläufig ausgeschlossen. Kein Bekennerschreiben und – „Vor allem kein Krümel Sprengstoff aufzutreiben“, knurrte Rauscher.

„Tu doch nicht so, als hättest du überhaupt danach gesucht, Theo!“, brauste Bierbichl auf.

„Aber du, Robert. Und deiner Spürnase vertraue ich bekanntlich blind.“

„Reißt euch bitte zusammen, ja!“, ermahnte Thielert die zwei. Seit sich beide Kollegen um den Posten eines Hauptkommissars beworben hatten, benahmen sie sich gelegentlich wie Platzhirsche in der Brunftzeit. „Vielleicht war’s ja kein herkömmlicher Sprengstoff“, der Chef schob die heruntergerutschte Brille hoch, „sondern zum Beispiel ein Gasanschlag oder einfach …“

„ … hochexplosives Menschenmaterial“, warf Rauscher ein, ignorierte das allgemeine Kopfschütteln ringsum und fragte mit naivem Kinderblick, wobei er vor allem Mary in die Augen sah: „Hast du nicht auch manchmal das Gefühl, dass du vor Wut oder Freude gleich in die Luft gehen oder platzen könntest?“

Norbert Autenrieth
Dürrbeck
und die Bratwurstleiche

Es sah irgendwie albern aus. Albern und abstoßend zugleich. Da lag Anton Fischer vor seiner Coach im Wohnzimmer seiner neuen Eigentumswohnung in Nürnberg Thon. Seine Backen waren dick, wie aufgeblasen, und aus seinem Mund ragten die Reste von Nürnberger Bratwürsten, sie quetschten förmlich die Lippen auseinander. Unter seinem Kopf eine Blutlache. Anton Fischer war offensichtlich tot. Seine Augen waren aufgerissen und blickten beinahe ungläubig.

Kriminalhauptkommissar Hans Dürrbeck rückte die Brille zurecht und beugte sich etwas hinunter. „Nürnberger. Nicht einmal gebraten“, sagte er. Die Enden seines buschigen Schnurrbarts, die seinem dicken Gesicht etwas Melancholisches verliehen, zitterten leicht, als müsste er sich ein Lachen verkneifen.

„Er hat manchmal einen wirklich abartigen Humor“, dachte sein Assistent – wie Dürrbeck ihn zu bezeichnen pflegte – Kriminalkommissar Happel und beeilte sich, das Ganze wieder auf eine sachliche Ebene zu bringen: „Anton Fischer, 47 Jahre alt, Besitzer mehrerer Imbissstände in Nürnberg, Bamberg und Erlangen. Man hat ihn offensichtlich erschlagen.“ Happel deutete auf die Blutlache am Boden vor der Couch. „Tatwaffe haben wir nicht. Die Bratwürste hat man ihm wahrscheinlich erst hinterher in den Mund gestopft. Er ist höchstens zwei Stunden tot. Er muss seinen Mörder hereingelassen haben – keine Einbruchspuren. Seine Frau hat ihn gefunden.“

Dürrbeck drehte sich zum Arzt um, der gerade seine Tasche einräumte.

„Kann man mit seiner Frau sprechen?“

„Ich denke schon“, kam als Antwort.

„Mein Beileid“, sagte Dürrbeck lapidar. „Sie haben Ihren Mann gefunden. Ist fürwahr kein schöner Anblick.“

„Mein Gott, geht es denn nicht ein wenig einfühlsamer?“, dachte Happel. Frau Fischer war eine kleine, übergewichtige Frau, ca. 40 Jahre alt, sehr gepflegt, dezent geschminkt. Sie saß im Esszimmer auf einem Stuhl, sah Dürrbeck aus verweinten Augen an und schluchzte auf. Die Hände in ihrem Schoß kneteten ein Papiertaschentuch. Dürrbeck begann die Frau auszufragen, Happel zückte Bleistift und Block. Dürrbeck machte nie Notizen, was Happel jedes Mal ärgerte.

Frau Fischer war um 11 Uhr zum Einkaufen zu Ebl gefahren. Ihr Mann sei zu Hause gewesen. Sie habe um ca. 11.30 ihren Mann angerufen, ob sie Lachs zum Mittagessen mitbringen solle. Eine dreiviertel Stunde später sei sie zurück gewesen. Und dann habe sie ihren Mann gefunden.

„Frau Fischer, die Umstände des Todes Ihres Mannes sind, wie soll ich sagen, etwas seltsam. Haben Sie eine Erklärung dafür? Könnte das etwas mit dem Beruf Ihres Mannes zu tun haben. Hatte Ihr Mann Feinde?“

Frau Fischer schniefte: „Furchtbar, das mit den Bratwürsten! Wer tut denn sowas! Natürlich werden in seinen Imbissbuden vorwiegend Bratwürste verkauft. Aber Feinde? Toni? Feinde hatte mein Mann nicht. Im Gegenteil. Er war überall beliebt. Aber um seine Geschäfte habe ich mich wenig gekümmert. Das einzige, was ich weiß, ist, dass er vor vier Wochen einen seiner Imbissleiter entlassen hat, weil der ihn betrogen hat. Mein Gott, was soll ich ohne ihn anfangen! Wir sind über zwanzig Jahre verheiratet. Nie hat es Streit gegeben.“

„Sie redet mir ein bisschen viel“, dachte Dürrbeck. Happel notierte sich den Namen des entlassenen Imbissleiters; Dürrbeck wollte gerade nach Geschäftsunterlagen fragen, als vom Flur her Stimmengewirr zu hören war.

„Mein Gott, Kevin habe ich ganz vergessen“, rief Frau Fischer und rumpelte auf. Kevin stellte sich als Sohn der Fischers heraus, er war zwanzig Jahre alt und ging aufs Dürer-Gymnasium, 12. Klasse. „Ein paar Mal durchgefallen“, überlegte Dürrbeck. Frau Fischer fiel ihrem Sohn um den Hals und erzählte ihm unter Schluchzen vom gewaltsamen Tod seines Vaters.

Dürrbeck stand unbeteiligt herum und ließ die Blicke ungeduldig durchs Zimmer schweifen. Happel blickte krampfhaft auf seinen Block. Dann saßen Mutter und Sohn am Esstisch, Kevin hielt die Hand seiner Mutter und blickte starr vor sich hin. Dürrbeck musterte nun unverhohlen Mutter und Sohn. Der Sohn in Jeans und T-Shirt sah seiner Mutter ähnlich – auffallend war nur die Frisur: seitlich abrasiert, Seitenscheitel. „Nazifrisur“, dachte Dürrbeck und wandte sich unvermittelt an Kevin. „Können Sie etwas zum Tod Ihres Vaters aussagen?“ Taktlos. Happel schämte sich erneut für seinen Chef. Außerdem: Auf die Tour würde er nie etwas erfahren. Wie erwartet, war das Ergebnis mehr als mager.

Kevin war vormittags in der Schule gewesen und sonst? Er hatte keine Ahnung, warum jemand seinen Vater hätte umbringen wollen.

„Erledigen wir unsere Routinearbeiten“, sagte Dürrbeck im Präsidium. „Das ist wieder typisch“, dachte Happel. „Er fragt nicht einmal, wie ich über den Fall denke. Jetzt kommen wieder die Tagesbefehle.“

„Also, die Alibis müssen überprüft werden. Frau Fischers und Herrn Fischers Handyverkehr. Vielleicht kann jemand die Fischer bei Ebl identifizieren. Selbstverständlich überprüfen wir auch den Sohn. Wir lassen im Haus und in der Umgebung nach der Tatwaffe suchen – Mülleimer usw. Außerdem muss man natürlich diesen Imbissler – wie hieß er noch?“ Happel blätterte in seinen Notizen: „Franz Bunsler.“ „Also diesen Brunser überprüfen.“ „Bunsler“, verbesserte Happel, der keinen Sinn für solcherlei Humor hatte. Dürrbeck negierte den Einwurf. „Den Imbissler übernehme ich, Frau und Sohn Sie.“

„Was haben wir?“, fragte Happel am nächsten Tag. Dürrbeck hasste dieses Fernsehermittler-Geschwätz. Wie er es außerdem hasste, dass ihn Happel immer wieder mit dem Vorschlag löcherte, eine Glaswand für die Ermittlungsergebnisse anzuschaffen – alles Tatort-Quatsch. Was man im Kopf hatte, brauchte man auf keiner Glaswand zu notieren.

Happels Ermittlungen hatten ergeben, dass Frau Fischer tatsächlich zwanzig Minuten vor der Tat kurz mit ihrem Mann telefoniert hatte und beim Biodiscounter gesehen worden war. Also fiel sie als Täterin aus.

„Aber!“ Happel schrie beinahe triumphierend. „Der Sohn! Er war gar nicht in Schule! Er hatte sich selbst entschuldigt!“ „Und wo war er?“, fragte Dürrbeck. „Das muss ich erst überprüfen“, sagte Happel. Dürrbeck dachte: „Alles halbe Sachen.“ Er verkniff sich diesmal eine dumme Bemerkung und berichtete dann selbst. „Der Brunser“, er sagte absichtlich Brunser, um Happel zu ärgern, „also der Imbissler war natürlich schlecht auf Fischer zu sprechen, weil der ihn angeblich grundlos entlassen hatte – er habe nie Geld veruntreut. Aber er hat ein wasserdichtes Alibi für die Tatzeit – er war bei seinem Rechtsanwalt. Übrigens habe ich mit den Nachbarn der Fischers gesprochen. Bemerkt hat am Tattag keiner was. Ganz so harmonisch scheint aber das ganze Familienleben nicht gewesen zu sein. Zwischen den Eheleuten hat es lautstarke Auseinandersetzungen gegeben und bedeutend öfter mit dem Sohn.“

„Also doch der Sohn! Ein Unsympath!“, warf Happel eifrig ein. „Immer diese Voreiligkeit!“, dachte Dürrbeck, „wo sollte denn das Motiv liegen. Wegen eines bisschen Streits?“ Sagte aber zu Happel: „Bleiben Sie also am Sohn dran.“

Als Happel verschwunden war, machte sich Dürrbeck an die „Schreibtischarbeit“, das hieß in diesem Fall daran, die Geschäfts- und Bankunterlagen zu inspizieren. Eine Arbeit, die Dürrbeck nicht unbedingt liebte – sie hatte ihm aber oft zu ungeahnten Einsichten verholfen. Die Unterlagen waren sorgfältig geführt – ein gut gehender Betrieb, keine Auffälligkeiten. Nur eines im Geschäftskonto macht ihn stutzig: eine regelmäßige monatliche Überweisung an eine Frau Isabel Greiner über 600 € mit dem Verwendungszweck Aufwandsentschädigung.

Dürrbeck fackelte nicht lange, ermittelte ihre Adresse – Gostenhofer Hauptstraße, nicht gerade die vornehmste Gegend – und fuhr hin. Tatsächlich ein etwas heruntergekommenes Mietshaus. Eine hübsche Frau, vielleicht dreißig Jahre alt in einem grauen Jogginganzug, öffnete ihm, ein Zigarette zwischen den Lippen. Er wies sich aus und sie führte ihn ins Wohnzimmer – dort krabbelte am Boden ein ca. einjähriges Kind.

„Ihrer?“, fragte Dürrbeck. Frau Greiner nahm ihr Kind vom Boden auf: „Das ist Kevin.“ „Schon wieder“, dachte Dürrbeck. Er kam zur Mordsache – ohne Umschweife und sachlich, wie es seine Art war. Die junge Frau begann zu weinen, als sie von der Ermordung Fischers hörte. Offensichtlich kannte sie ihn. Dürrbeck stieß sofort nach: „Sie haben monatlich eine beachtliche Summe von Fischer erhalten. Darf ich fragen, wofür?“ Sein Verdacht wurde prompt bestätigt. Die Aufwandsentschädigung war in Wirklichkeit die Unterhaltszahlung für den kleinen Kevin und dessen Vater hieß natürlich Anton Fischer. Sie hatten sich vor zwei Jahren in einer Kneipe kennengelernt und es hatte eine Affäre gegeben, deren sichtbares Ergebnis auf dem Schoß von Frau Greiner saß. Jedenfalls hatte Fischer für sein Kind gesorgt und die beiden auch regelmäßig besucht.

„Und wer zahlt jetzt für mein Kind? Ich bin arbeitslos.“ Schnell hatte die junge Mutter in die Realitäten des Lebens zurückgefunden. Dürrbeck überhörte es: „Wo waren Sie eigentlich vorgestern Vormittag zwischen 10 und 13 Uhr?“

„Zu Haus, wo sonst? Halt, zwischendurch war ich beim Türken Zigaretten holen.“ Sie wies auf das Haus gegenüber. „Wir werden das überprüfen“, sagte Dürrbeck und bereute sofort den Satz. Tatort-Geschwätz. Wichtiger war ihm etwas anderes: „Weiß Fischers Frau eigentlich von seinem Kind?“ „Das glaube ich nicht“, war die Antwort und sie setzte leise hinzu: „Zuerst habe ich immer gehofft, dass er sich eines Tages scheiden lässt. Aber seine Frau ist zur Hälfte an seinen Imbissbuden beteiligt.“

„So ein armes Hascherl“, dachte Dürrbeck, als er im Auto saß. Die kam als Täterin kaum in Frage. Wo sollte das Motiv sein? Durch den Tod des Vaters ihres Kindes hätte sie nur Nachteile gehabt. Na ja, es stünde dem unehelichen Kind natürlich ein Erbe zu. Aber ob das dieses unbedarfte Geschöpf überhaupt wusste – eher unwahrscheinlich. Also war er nicht weitergekommen. Vielleicht hatte aber Happel mehr Erfolg gehabt. Dieser Happel. Er würde wieder den Mister Wichtig spielen, wenn er nicht dabei war.

Der hatte sich den jungen Fischer vorgenommen. Dieser hatte ganz einfach blau gemacht – als Volljähriger konnte er sich selbst entschuldigen – und sich mit Freunden getroffen. Ab zehn Uhr waren sie in einer Kneipe, der Wirt hatte das bestätigt. „Übrigens ein bekannter Rechtentreff“, fügte Happel hinzu, als er Dürrbeck berichtete. „Hat das was mit unserer Sache zu tun?“, fragte Dürrbeck unwirsch. Happel war beleidigt. Immer diese abfälligen Bemerkungen. „Er kommt also als Täter sicher nicht in Frage?“, hakte Dürrbeck nach. „Er nicht. Aber vielleicht einer von dieser rechten Clique? Soll ich dran bleiben? Sonst stehen wir wieder am Anfang.“ Wieder so ein Tatort-Satz! „Sie vielleicht“, sagte Dürrbeck giftig.

Tatsächlich kam er nicht umhin, seinem Kollegen innerlich Recht zu geben. Sie hatten wenig. Die Tatwaffe war nicht gefunden worden. Angenommen, der Täter hätte sie nicht mitgenommen. Wo konnte man auf die Schnelle eine Tatwaffe verschwinden lassen? Am einfachsten dort, wo es niemand vermutete – da, wo sie hingehörte, irgendwo in der Wohnung eventuell. Wenn das so war, dann musste der Täter in nahen Umfeld Fischers zu finden sein. Sollte Happel eben nach seinen Rechten suchen. Dann hatte er wenigstens seine Ruhe. Also antwortete er: „Dann schauen Sie sich diese Clique näher an.“ Happel wandte sich zur Tür und drehte sich um. „Ach ja. Da war noch was.“ Jetzt imitiert er Colombo, dachte Dürrbeck, fehlt nur der Trenchcoat. „Der Sohn sagt aus, es gab öfter Streit zwischen den Eheleuten. Der Fischer war kaum zu Hause und seine Frau warf ihm immer vor, er hätte kein Interesse mehr an ihr. Und der Sohn hat mit beiden gestritten, wegen seiner politischer Einstellung – Ignoranz vor den Verhältnissen in Deutschland, wie er es sagt.“ Happel warf die Tür zu. Er hatte keine Lust, sich wieder eine der spitzen Bemerkungen Dürrbecks anhören zu müssen.

Dürrbeck saß am Schreibtisch und zwirbelte die Spitzen seines Schnurrbarts. Das tat er immer, wenn er intensiv nachdachte. Er rief sich alle Fakten ins Gedächtnis. Wie hieß es immer in den Fernsehkrimis, die er so hasste: „Wer hat ein Motiv und kein Alibi?“ So einfach war das. So jemanden hatte er aber nicht. Am ehesten ließ sich ein Motiv der Ehefrau konstruieren, wenn sie vom unehelichen Kind ihres Mannes gewusst hatte. Selbst wenn, sie würde es abstreiten. Immer wenn Dürrbeck nicht mehr weiter wusste, pflegte er alle Unterlagen erneut durchzugehen. Vielleicht hatte er etwas übersehen, er ging in „Klausur“, wie er das nannte. Er zog sich dann in sein Wochenendhaus nach Hundsboden zurück. Das ging ganz spontan – als Junggeselle musste er auf niemanden Rücksicht nehmen. Also packte er Protokolle, Bank- und Geschäftsunterlagen und den Laptop – letzteren mit Widerwillen – ein und verließ sein Büro.

Am nächsten Tag kam Dürrbeck erst am Nachmittag ins Büro. Happel verhörte gerade im Nebenraum einen Jugendlichen – offensichtlich aus der rechten Clique. Dürrbeck öffnete die Tür und sagte bestimmend: „Herr Kollege. Brechen Sie bitte die Vernehmung ab. Wir haben dringend einen Einsatz.“ „Wieder einmal dieser Ton, wenigstens hat er Bitte gesagt“, Happel war beleidigt. Irgendwann würde er sich versetzen lassen. Unter Teamarbeit hatte er sich etwas anderes vorgestellt.

Dürrbeck und Happel saßen im Auto. „Wir fahren zur Wohnung“, sagte Dürrbeck. „Und warum?“, fragte Happel. „Ich habe den Fall gelöst!“ „Ich werde einen Teufel tun und dem arroganten Fatzke den Gefallen tun nachzufragen“, dachte Happel.

In der Wohnung der Fischers war bereits wieder die KTU zu Gange. Die Kommissare und Frau Fischer saßen sich im Wohnzimmer gegenüber. Dürrbeck sagte nichts. „Was suchen Sie denn, wenn ich fragen darf?“, sagte Frau Fischer. Happel wartete gespannt, den Notizblock vor sich. Dürrbeck beantwortete ihre Frage nicht. „Frau Fischer. Ich habe hier einen Kontoauszug von Ihrem Privatkonto. Sie haben vor vier Wochen 1500 € an das Detektivbüro Hermann überwiesen.“ Dürrbeck schob einen Bankauszug über den Tisch. „Wir brauchen gar nicht lange herumzureden. Ich weiß Bescheid. Ich habe mit dem Detektivbüro gesprochen. Sie haben Ihren Mann beobachten lassen und herausbekommen, dass er ein uneheliches Kind hat, für das er Unterhalt gezahlt hat.“ Dürrbeck schwieg erneut. Die Fischer sagte hastig: „Ja, das stimmt. Aber umgebracht habe ich ihn nicht. Ich habe kurz vor seinem Tod mit ihm telefoniert. Das haben Ihre Leute selbst nachgeprüft.“ „Das ist richtig“, sagte Dürrbeck. „Aber!“ Er erhob sich und stellte sich vor die Fischer hin. Seine Schnurrbartenden zitterten. „Jetzt kommt der große Zampano“, dachte Happel. „Aber! Ich habe herausgefunden, von wo der Anruf tatsächlich erfolgte. Man kann nämlich nachprüfen, in welchen Umsetzer sich das Handy eingeloggt hat. Und das war der Umsetzer in unmittelbarer Nähe Ihrer Wohnung, nicht der bei Ebl! Sie haben Ihren Mann vor der Wohnung angerufen, um sich ein Alibi zu verschaffen. Zu der Zeit waren Sie längst bei Ebl weg. Und ich wette, dass wir die Tatwaffe bei Ihnen finden werden, mit der Sie Ihren Mann erschlagen haben. Sicher ist es genau der Gegenstand in Ihrer Wohnung, auf dem wir keinerlei Fingerabdrücke finden werden, weil Sie ihn sorgfältig gereinigt haben. Aber DNS-Spuren Ihres Mannes werden zu finden sein. Um von sich abzulenken, haben Sie die alberne Bratwurstgeschichte ausgeheckt. Also: Ich verhafte Sie unter dem dringenden Tatverdacht, Ihren Mann Anton Fischer ermordet zu haben.“ Frau Fischer sagte kein Wort. Sie erhob sich, eine Beamtin, die mit der KTU gekommen war, führte sie hinaus.

Im Auto sagte Dürrbeck nicht ohne Stolz: „Na also. Da haben wir den Fall schnell gelöst.“ Von wegen wir! Happel war enttäuscht, dass er wie so oft von seinem Kollegen von der erfolgversprechenden Ermittlungsarbeit ausgeschlossen worden war. So würde er nie selbst einen Fall lösen. Aber er ließ sich nicht anmerken, dass er sich ärgerte. Den Triumph gönnte er dem Kollegen nicht. „Eifersucht ist das häufigste Motiv“, sagte er stattdessen. Fernsehgeschwätz, dachte Dürrbeck.

Walter Tausendpfund
Wos woor ne dees?

(Kurz-Krimi)

Aaaaaaaaaaaaaaaaaa …

1: Wos woorn dees?
2: Woor wos? Wos woorn?
1: Fraali woor wos! Ich hob’s gheerd.
2: Iich waaß fai ned, wos woor.

3: Duu, do lichd aane!
4: Wer lichd ne doo? Wer issn dees?
3: Wos waaßn iich?
4: Wenn mer’s ne wissen deed. Nached kenned me wos machen.

1: Eds waaß iich, wos dees vorhin woor.
2: Wos nached? Doo bin ich abbe gschbannd.
1: Hiigmachd is anne. Dees woor vorhin sai Schrai! Sai alleledsde.
2: Ganz hiie? Odde bloß soo?

3: Kennsd du deen doo?
4: Iich? Naa … Deen ned!
3: Deer is fai echd hiie!
4: Suu wos vo hiie! Des glabsd goor ned.

1: Weer woor nached dees gween?
2: Wenn mer’s no wissed!
1: Es mou aane gween sai, der … mmh.
2: Weer’s ne woor?
3: Gladd deschossn! Middn durch!
4: Abbe doch kaa gschaids Luuch.
3: Dees sigsd du ned ainfach soo. Middn durch …

4: Ainfach hiie!

1: Do brauchsd kann Dogde meehre. Doo is alles ze schbeed.
2: Wozou aa nu?
1: Es Leehm is grausam gnou. Doo hilfd kaa Dogde und kaa Bolizai!
2: Mensch, doo machd ainfach aane an hiie. Middn durch …

3: Und alles is aus.

4: Su ainfach koo dees haidzedooch sai.
2: Verregg …!

Walter Tausendpfund
Imme di glaiche Gschichd

Zerschd bloß e Doode,
kaane debai, kaa Zeuge …

bloß e Vedachd.

Deer wird imme gresse
und gresse …

de Vedachd werd hard.

Dann e klaans Schdiggle,
abbe no e wenig weng …

de Vedachd werd härde.

Eds aa no dees
und dann no dees …

scho werd’s e klaans Bild.

Dann verred si no deer
und aa deer …

und es Bildle werd meehr.

Und dann doo wos
und dord …

und es Bildle werd rund.

Eds dengd me, wos woor,
und bald aa no weer …

me hod bloß kaa Schuld.

Dees Eggle no eds,
dann mou e ins Neds …

wenn me si ne
ned daischd …

waal sunsd,
woor alles umsunsd …

und alles doo
gehd vo vorn
ganz nai wiede oo.

Walter Tausendpfund
Wos woor dees?

(kriminalistischer Monolog)

Horch! E Schuss!
Su wos! Gween woor do wos! Ganz gwiies!!
Eds heerd me abbe nix meehr.
Wos ne dees woor? Wenn mene wissed: woos?

Mou me wos machen?
Odde soll me besse nix machen!

Machsd wos, koosd Erche gräing –
machsd nix, koosd aa Erche gräing.

Als dusd so, als wenn nix gween weer …
Nached koosd soong, es woor ja nix gween.
Und wou nix gween woor, koo me aa nix machen.
Und nached koosd aa nix falsch machen.

Abbe iich hob scho wos gheerd …
Iich heer doch goud. Und laud gnouch woor’s doch aa.

Me koo werkli ned soong, dass nix woor …
Iich deed scho gern wissen, wos woor …
Wengsdens e weng …
Su e klaans Bissle … Blouß e ganz klaans Bissle …
Abbe …
Me mou saggrisch aafbassn …
Erche koo iich kann braung.

Me hod aa kann wechlaafn seeng …
Odde woor doo driieme e Schaddn?
Is wos ghuschd?

Iich deed su gern noochschaue.
Hindern Baam vor … durchn Vorhang durch … vom Dachfensdele roo …

Dees mach i!
Jaa … eds glai …
Doo … vo doo aus sichd mer’s: dordn is wos. Werkli!
E Gschdald … vo en Menschn? Iich sich nen dord …, abbe ned gschaid.
Lebd e no? Is e hiie?
Mai … iich gräich glai goor kaa Lufd meehr.
Nix riiehrd si. Kaane sunsd doo.

Wenn no aane doo weer. Nached kenned me froong. Abbe suu …
Is deer deschloong worn?
Des derf doch ned woor sai …
Ainfach e soo …

Riiehrd sich doo wos?
Naa … dees hod daischd.
Iich sich aa eds ned gschaid.
Eds is e wech!! Eds is nix meehr ze seeng … Naa!

Su e Sauerai! Wech! Ainfach wech.
Derfn dees sai?
Wech …
Naa … doo wor abbe doch wos.
Iich häid scho wos gmachd, wenn iich gschaid gwissd häid …

Abbe eds koo iich aa nix meehr machen …
Wenn’ s wech is …
Nached is hald wech. Koosd eds aa nix meehr machen!

Hans Pfähler
A frängischer Dadord

(Ein fränkischer Tatort)

In diesem Fall ist der Mediziner der KTU (griminaldechnische Undersuchung), wie bei jedem Fernsehkrimi, vor den Kriminalermittlern am grausigen Ort und beugt sich über die Leiche. Da tritt der Kommissar dazu:

Kommissar: „Und?“
Mediziner: „A Leich“
K: „Wäi?“
M: „Voh vorn“
K: „Wann?“
M: „Wass i doch nu ni“
K: „A Mooh?“
M: „Konn sei“
K: “Dadwaffn?”
M: „Hob i ned“
K: „Däder?“
M: „Nemmer dou“
K: „Zeug’n?“
M: „Schau di selber um“
K: „Foußdabber?“
M: „Frooch den Bolli dortn“
K: „Danke“
M: „Bitte“
K: „Teamwork is halt alles“
M: „Du sagst as“
K: „Glei kummt er“
M: „Wer denn?“
K: „Der Leichnwogn“
M: „Wenn’s sei mouh“
K: „Servus.“

Friedrich Ach
Di Drohung

Oddär:

A boaar Worde ass amm Härbsd-Grimmi

Där Kommissar
dridd vur di Dir
und deid affn
nassn Asfhald
und sachd:

„Iich värhafffd eich
alli middandär,
wenn iihr miir
edz nedd sofoard sachd,
wer dess
bloudroude Bladd dou
bladd gmachd hoadd!“

Friedrich Ach
Wie ist die?-Die ist grün!

Oder:

Hochdeutsch, Fränkisch und Englisch

Oddär:

Su schnell koanns gäih

Zwei Franken telefonieren. Der eine fragt:

„Wäi is däi?”

Worauf der andere antwortet:

„Däi is Gräi!“

Ein NSA-Agent, der diesen kurzen Dialog abhört, versteht:

„Weg ist Tag?“ und „Tag ist Grau!“

Da er die scheinbar harmlosen Worte für einen gut verschlüsselten Dialog hält, der höchstwahrscheinlich die Verabredung zu einem besonders hinterhältigen Hinterhalt verschleiern soll, informiert er sofort seinen Vorgesetzten. Eine Stunde später sind die beiden Franken verhaftet.

Friedrich Ach
Amm Onfang
woar a Lob gschdandn

Oddär:

Woss däi elf Leid, däi wou zougschaud hoamm,
alläs gsachd hoamm

A Koa(r)z-Grimmi

„Dou zäichi mein Houd!“
„Dou kärdsi schoa woss däzou!“
„Doudäzou, dou kärd ganz schäi vill Moud!“
„Dess is ja där Hammär!“
„Dess gäihd niie und nimmär goud!“
„Allmächd, naa, edz suwoss!“
„Dess is där Gibfl!“
„Ob där dära woss doud?“
„Scha hi, dou is ja alläs roud!“
„Iss des edz dou a Bloud?“
„Iich glaab, edz issär doud!“

Friedrich Ach
Däi wou

Oddär:
Zumm Schluss kummds raus

Däi.
Däi dou.
Däi dou, däi.
Däi dou, däi wou.
Däi dou, däi wou dära.
Däi dou, däi wou dära doard.
Däi dou, däi wou dära doard nix.
Däi dou, däi wou dära doard nix dou.
Däi dou, däi wou dära doard nix dou hoadd,
däi is dessweeng
a freigschbroachn woarn.

Gisela Hoffmann-Mehrle
Verwechslung

„Guten Morgen, Frau Bär, haben Sie einen Moment Zeit?“ Frau Kerner hatte anscheinend ihre Nachbarin durch den Spion ihrer Wohnungstür gesehen und die Tür geöffnet.

Frau Bär drehte sich um und setzte sich auf ihren Rollator. Eigentlich brauchte sie ihn nicht unbedingt, aber er war so bequem, wenn sie wie jetzt, ein Schwätzchen halten wollte.

„Ja, Frau Kerner, gern, ich wollte Sie sowieso etwas fragen: Ich habe lange nicht mehr die alte Tante der Bergers gesehen, und Sie?“