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www.beck.de

 

ISBN 978-3-406-70097-2

© 2016 Verlag C. H. Beck oHG
Wilhelmstraße 9, 80801 München

Satz: Fotosatz Buck, Kumhausen
Umschlaggestaltung: Ralph Zimmermann – Bureau Parapluie
Bildnachweis: © Ambient Ideas – istockphoto.com
eBook‐Produktion: Datagroup int. SRL, www.datagroup.ro

Dieser Titel ist auch als Printausgabe beim
Verlag und im Buchhandel erhältlich.

2So nutzen Sie dieses Buch

Die folgenden Elemente erleichtern Ihnen die Orientierung im Buch:

Beispiele

Hier finden Sie Beispiele, die den dargestellten Sachverhalt veranschaulichen.

Tipp/Hinweis:

Hier finden Sie zahlreiche Tipps und Hinweise.

Definitionen

Hier finden Sie wichtige Begriffe verständlich erklärt.

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Achtung/Merke:

Hier finden Sie Empfehlungen und hilfreiche Praxistipps.

Auf den Punkt gebracht

Hier finden Sie am Ende der Kapitel das Wichtigste noch einmal kurz zusammengefasst.

7Vorwort

Die erste Auflage unseres Ratgebers ist erfreulicherweise auf so großes Interesse gestoßen, dass wir in eine zweite Runde gehen dürfen. Diese zweite Runde kommt genau zum richtigen Zeitpunkt, denn es hat sich seit der Erstauflage einiges getan. Das deutsche Erbrecht wird nämlich mit der Geltung der Europäischen Erbrechtsverordnung (EuErbVO) für alle Erbfälle ab dem 17.8.2015 europäischer. Wir erfahren gerade eine weitgreifende Wende: Während ein Erbfall bislang an die Staatsangehörigkeit des Verstorbenen anknüpfte, ist jetzt grundsätzlich der letzte gewöhnliche Aufenthaltsort des Verstorbenen für dessen Rechtsnachfolge maßgeblich. Weil Nationalität und Sprache wie auch der Belegenheitsort des Vermögens allerdings häufig nicht mit dem letzten gewöhnlichen Aufenthaltsort eines Menschen korrespondieren, führt dies unweigerlich zu einer Internationalisierung erbrechtlicher Mandate. Sie als späterer Erblasser können dem vorbeugen, indem Sie geeignete Rechtswahlklauseln in Ihr Testament mitaufnehmen. Wie man das und vieles andere konkret umsetzt und wann man juristische Hilfe in Anspruch nehmen sollte, zeigt Ihnen dieser Ratgeber.


Wir wünschen Ihnen viel Freude beim Lesen!


München im April 2016, Julia Roglmeier & Maria Demirci

9Einführung

Laut einer Studie der Postbank aus dem Jahr 2012 rollt auf Deutschland eine Erbschaftswelle in historischem Ausmaß zu. Bis zum Jahr 2020 werden Vermögensmassen in einer Größenkategorie von 2,6 Billionen Euro vererbt. Das entspricht in etwa einem Viertel des gesamten Privatvermögens der deutschen Haushalte. Angesichts dieser Zahlen erscheint es umso erschreckender, dass über 80 % der Deutschen kein Testament errichtet haben. Man rechnet zudem damit, dass 95 % der bestehenden Testamente fehlerhaft sind.

Umgekehrt ausgedrückt bedeutet das: Nur 1 % der Deutschen besitzt ein Testament, welches sowohl in formeller Hinsicht, als auch inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen entspricht und die individuellen Wünsche des späteren Erblassers so wiedergibt, dass sie nach dem Erbfall auch tatsächlich umgesetzt werden können.

Unter Eheleuten – und nun auch unter eingetragenen Lebenspartnern – erfreut sich das sog. Berliner Testament großer Beliebtheit. Fragt man allerdings einmal nach, was der Einzelne denn genau hierunter versteht, offenbaren sich große Wissenslücken und Fehlvorstellungen.

Woher der Begriff „Berliner Testament“ historisch stammt, ist selbst unter Juristen nicht ganz klar. Beschrieben wird damit jedenfalls der Oberbegriff für ein gemeinschaftliches Testament, wie es nur Eheleute oder eingetragene Lebenspartner errichten können. Ganz grundsätzlich gibt es zwei Modelle des Berliner Testaments: Zum einen ist das die sog. Einheitslösung, wonach sich die Eheleute zunächst im ersten Erbfall gegenseitig zu Alleinerben einsetzen und für 10den zweiten Erbfall – im Fachjargon auch „Schlusserbfall“ genannt – gemeinsame Erben (meist die ehegemeinschaftlichen Kinder) benennen. Zum anderen kann ein Ehegattentestament aber auch nach der sog. Trennungslösung errichtet werden. Hier verfügt jeder Ehegatte und separat vom Partner nur über sein eigenes Vermögen. Dies geschieht, indem der länger Lebende zum Vorerben eingesetzt wird und Dritte (meist Kinder oder andere Abkömmlinge) zu Nacherben auf den Tod des Vorerben bestimmt werden.

Einem juristischen Laien ist häufig nicht bewusst, dass Einheitslösung und Trennungslösung ganz entscheidende, unterschiedliche rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Ein Vorerbe (Trennungslösung) ist nämlich strikt zu unterscheiden von einem Vollerben (Einheitslösung). Er kann auch zu Lebzeiten in der Regel nur eingeschränkt über das ererbte Vermögen verfügen. Andererseits wird nur mit einer Vor- und Nacherbenkonstruktion eine Familienbindung des Vermögens erreicht. Der rechtstechnische Begriff „Nacherbe“ wiederum bedeutet für Juristen etwas völlig anderes als „Schlusserbe“. Spätestens hier fangen nach Eintritt des Erbfalles die Probleme bei der Auslegung von Laientestamenten an.

Die Risiken bei der Errichtung eines Ehegattentestaments sind vielschichtig und die Fallstricke zahlreich. Häufig nur unzureichend bedacht werden neben den steuerlichen und pflichtteilsrechtlichen Konsequenzen auch Auswirkungen im Hinblick auf die Bindungswirkung von Ehegattentestamenten. Sieht das Testament keine entsprechende Öffnungsklausel vor, kann sich ein Ehegatte nämlich nicht mehr ohne Weiteres von dem einmal niedergelegten Willen lösen. Das mag mitunter so gewollt sein. Nicht abgedeckt sind 11jedoch Fälle, in denen einer der Eheleute – ohne dass der Erbfall bereits eingetreten ist – geschäftsunfähig wird. Will der andere Ehegatte das Testament noch einmal abändern, möglicherweise, weil eines der als Erben vorgesehenen Kinder sich nicht so verhält und entwickelt, wie die Eltern es bei Testamentserrichtung angenommen hatten, so ist dies in der Regel nicht mehr ohne Weiteres möglich. Gleiches gilt für die Zeit nach Eintritt des ersten Erbfalles.

Bei hohen Vermögenswerten, Nachlässen mit Immobilienvermögen oder besonderen familiären Konstellation, seien es Familien mit minderjährigen Kindern oder Enkeln, Patchwork-Situationen oder aber auch Familien, mit besonders schutzbedürftigen Angehörigen, wie Kindern mit Behinderung, ist besondere Vorsicht geboten. Neben dem einfachen Modell des Berliner Testaments gibt es zahlreiche weitere juristische Instrumentarien, diesen Situationen gerecht zu werden: In die letztwillige Verfügung können beispielsweise Regelungen zur Testamentsvollstreckung, zur Auseinandersetzung des Nachlasses oder Strafklauseln eingebaut werden. Immer häufiger bieten sich bei höheren Vermögenswerten – und nicht zuletzt aus steuerlichen Erwägungen heraus – auch gesellschaftsrechtliche Lösungen, wie die Errichtung einer Familiengesellschaft an, die flankierend zu einem Testament ausgestaltet werden sollten.

Sicherlich: die eigenständige Erstellung eines Testaments ist billiger als die Beauftragung eines Experten. Mag diese Erwägung zu Lebzeiten für den Erblasser noch zutreffen, so rächt sich dieses Kostensparmodell spätestens nach Eintritt des Todes, wenn nämlich Ehegatte oder Kinder um die Auslegung von laienhaft formulierten Passagen streiten und Anwälte und Gerichte miteinbeziehen müssen.

12Die richtige Gestaltung einer optimalen testamentarischen Lösung erfordert beim Berater ein hohes Maß an juristischem Geschick und persönlichem Einfühlungsvermögen. Nur ein im Erbrecht versierter Fachanwalt verfügt regelmäßig über die notwendige Kompetenz, die Wünsche des späteren Erblassers so abzubilden, dass sie nach Eintritt des Erbfalles problemlos auch umgesetzt werden können. Informieren Sie sich daher im Vorfeld einer Beauftragung stets ausreichend über die Kompetenzen und Tätigkeitsfelder Ihres Wunschanwalts.

13Welche Möglichkeiten des Vererbens gibt es?

Gesetzliche Erbfolge

Die gesetzliche Erbfolge tritt immer dann ein, wenn der Erblasser keine wirksame Verfügung von Todes wegen – also weder ein Testament noch einen Erbvertrag – errichtet hat. Liegt eine derartige Verfügung des Erblassers vor, dann richtet sich die Erbfolge nach den im Testament/Erbvertrag enthaltenen Anordnungen. Diese Anordnungen des Erblassers gehen der gesetzlichen Erbfolge vor. Bei Errichtung mehrerer Testamente ist das zeitlich jüngste maßgebend. Etwas anderes gilt nur, wenn sich die Testamente inhaltlich ergänzen. Dann ist im Zweifel durch Auslegung zu ermitteln, wer Erbe geworden ist. Erben werden die Personen oder Institutionen, die der Erblasser bestimmt hat.

Die gesetzlichen Erben

Das Gesetz bestimmt die Verwandten des Erblassers zu seinen Erben. Zu den Verwandten des Erblassers zählen seine ehelichen, nichtehelichen und adoptierten Kinder sowie deren Abkömmlinge (Enkel, Urenkel etc.), seine Eltern, seine Geschwister und Großeltern.

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14Merke:

Für Erbfälle seit dem 1.4.1998 sind nichteheliche Kinder den ehelichen gleichgestellt. Das heißt, dass nichteheliche Kinder einen gesetzlichen Anspruch auf Teilhabe am Nachlass des Vaters haben. Eine Ausnahme besteht allerdings für die alten Bundesländer. Vor dem 1.7.1949 geborenen Kindern, deren Vater vor dem 29.5.2009 verstorben ist, steht kein gesetzliches Erbrecht zu. Sie gelten als nicht mit ihrem Vater verwandt und erben deshalb nichts.

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Merke:

Seit dem 1.1.1977 wird bei Adoptionen zwischen Voll- und Minderjährigen unterschieden. Ein nach dem 1.1.1977 adoptierter Minderjähriger steht einem leiblichen Kind gleich. Das Verwandtschaftsverhältnis zu den leiblichen Eltern und Verwandten des adoptierten Minderjährigen erlischt komplett. Erbrechtliche Ansprüche bestehen nur noch in der Adoptivfamilie.

Bei Adoptionen Volljähriger erstrecken sich die erbrechtlichen Ansprüche nur im Verhältnis zwischen Adoptierendem und Adoptiertem, nicht jedoch auf die weiteren Verwandten des Adoptierenden.

Für Adoptionen vor dem 1.1.1977 wird keine Unterscheidung zwischen Voll- und Minderjährigen getroffen. Das Verwandtschaftsverhältnis zu den leiblichen Eltern und deren Verwandten bleibt grundsätzlich bestehen. Dies hat zur Folge, dass vor dem 1.1.1977 adoptierte 15Kinder nach den leiblichen und den Adoptiveltern erben können. Nach den Verwandten der Adoptiveltern besteht jedoch kein Erbrecht. Die Adoptiveltern selbst sind nicht erbberechtigt am Nachlass des adoptierten Kindes.

Der Ehegatte zählt nicht zu den Verwandten. Für ihn sieht das Gesetz ein Sondererbrecht neben den Verwandten vor.

Das Gesetz teilt die Verwandten des Erblassers in Ordnungen ein:

1. Ordnung

2. Ordnung

3. Ordnung

4. Ordnung

Abkömmlinge (Kinder, Enkel, Urenkel etc.)

Eltern und deren Abkömmlinge (Geschwister, Nichten und Neffen etc.)

Großeltern und deren Abkömmlinge

Urgroßeltern und deren Abkömmlinge

Eine höhere Ordnung geht dabei stets einer niedrigeren Ordnung vor. Innerhalb der einzelnen Ordnungen gilt das sog. Repräsentationsprinzip. Es gelangt nur derjenige zur Erbfolge, der dem Erblasser vom Verwandtheitsgrad am nächsten steht. Kinder des Erblassers schließen grundsätzlich alle anderen vorhandenen Verwandten von der Erbfolge aus. Eine Ausnahme gilt beim Sondererbrecht des Ehegatten. Ist ein Kind des Erblassers vorverstorben oder fällt es auf andere Weise nach dem Erbfall weg (z. B. durch Ausschlagung), so treten dessen Abkömmlinge an seine Stelle (sog. Eintrittsrecht). Solange ein Kind des Erblassers im Zeitpunkt 16des Erbfalles lebt, schließt es auch seine eigenen Kinder von der Erbfolge aus.

Beispiel:

Der verwitwete Erblasser hatte drei Kinder. Zum Zeitpunkt des Erbfalles lebt nur noch der Sohn S. Seine beiden Töchter sind bereits vorverstorben. Beide Töchter haben jeweils selbst ein Kind gehabt, E1 und E2, die zum Zeitpunkt des Erbfalles noch leben. Der Erblasser hat kein Testament hinterlassen, so dass die gesetzliche Erbfolge eintritt. Wer wird Erbe?

Lösung:

Erben des Erblassers werden der Sohn S und die beiden Enkel E1 und E2 zu je 1/3.

Bei der 2. Ordnung treten an die Stelle von einem bereits vorverstorbenen Elternteil des Erblassers die Abkömmlinge des Verstorbenen. Hinterlässt der verstorbene Elternteil keine Abkömmlinge, fällt sein Erbteil dem noch lebenden Elternteil zu.

Beispiel:

Zum Zeitpunkt des Erbfalles leben der Vater des Erblassers sowie seine vier Geschwister. Weil kein Testament vorliegt, tritt die gesetzliche Erbfolge ein. Wer wird Erbe?

Lösung:

Erbe zu 1/2 wird der Vater des Erblassers. Neben ihm gelangen zu je 1/8 die Geschwister des Erblassers zur Erbfolge, die an die Stelle ihrer bereits vorverstorbenen Mutter treten.

17Soweit nur Erben der 2. oder 3. Ordnung vorhanden sind, richtet sich die Erbfolge nach dem sog. Linienprinzip. Man unterscheidet eine mütterliche Linie, die die Verwandten der Mutter des Erblassers einschließt, von einer väterlichen Linie, die die Verwandten des Vaters umfasst. Das Vermögen des Erblassers fließt jeweils hälftig in die mütterliche und väterliche Linie.

Beispiel:

Der Erblasser verstirbt. Es leben nur noch dessen Großmutter mütterlicherseits und ein Bruder seines Vaters. Wer wird Erbe?

Lösung:

Erben der 1. oder 2. Ordnung sind nicht vorhanden. Der Nachlass fällt zu je 1/2 in die großelterliche Linie mütterlicherseits sowie in die großelterliche Linie väterlicherseits. In der großelterlichen Linie mütterlicherseits ist nur noch die Großmutter vorhanden. Sie wird Erbin zu 1/2. Die andere Hälfte erhält der Bruder des Vaters des Erblassers. Er erhält sowohl den 1/4 Anteil des Großvaters väterlicherseits, als auch den 1/4 Anteil der Großmutter väterlicherseits, da ansonsten keine Verwandten vorhanden sind.

Ab der 4. Ordnung gilt das Linienprinzip nicht mehr. Der Gesetzgeber hat hier ein Gradsystem eingeführt, nach welchem derjenige Erbe wird, der dem Erblasser gradmäßig am nächsten steht.

18Beispiel:

Der Erblasser hinterlässt eine Urgroßmutter väterlicherseits, eine Großtante mütterlicherseits sowie einen Sohn eines vorverstorbenen Großonkels väterlicherseits.

Wer wird Erbe?

Lösung:

Die Urgroßmutter wird Alleinerbin. Das Linienprinzip gilt nicht, wenn nur Erben der 4. Ordnung vorhanden sind. Dem Erblasser gradmäßig am nächsten steht die Urgroßmutter.

Das Sondererbrecht des Ehegatten

Dem Ehegatten des Erblassers steht neben dessen Verwandten ein Sondererbrecht zu.

Hinweis: