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Nicole C. Krämer

Stephan Schwan

Dagmar Unz

Monika Suckfüll (Hrsg.)

Medienpsychologie

Schlüsselbegriffe und Konzepte

2., überarbeitete und erweiterte Auflage

Verlag W. Kohlhammer

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen und sonstigen Kennzeichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese von jedermann frei benutzt werden dürfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige geschützte Kennzeichen handeln, wenn sie nicht eigens als solche gekennzeichnet sind.

2., überarbeitete und erweiterte Auflage 2016

Alle Rechte vorbehalten

© 2008/2016 W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-026137-2

E-Book-Formate:

pdf:       ISBN 978-3-17-026138-9

epub:    ISBN 978-3-17-026139-6

mobi:    ISBN 978-3-17-026140-2

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Inhalt

 

  1. Vorwort
  2. Teil I Motivation
  3. Einführung Motivation
  4. Dagmar Unz
  5. Traditionelle Medien
  6. Uses-and-Gratifications-Ansatz
  7. Lisa Aelker
  8. Selective Exposure
  9. Stephan Winter
  10. Mood Management
  11. Lisa Aelker
  12. Sad-Film-Paradoxon
  13. Uli Gleich und Ines Vogel
  14. Evolutionäre Erklärungsansätze
  15. Frank Schwab und Christine Hennighausen
  16. Individualmedien
  17. Media Richness
  18. Oliver Fischer
  19. Modell des sozialen Einflusses
  20. Oliver Fischer
  21. Teil II Kognition
  22. Einführung Kognition
  23. Stephan Schwan
  24. Aufmerksamkeitsprozesse
  25. Aufmerksamkeitsprozesse beim Fernsehen
  26. Markus Huff
  27. Change Detection/Change Blindness
  28. Markus Huff
  29. Information-Foraging-Theorie
  30. Yvonne Kammerer
  31. Verarbeitungsprozesse im Arbeitsgedächtnis
  32. Cognitive-Load-Theorie (CLT)
  33. Maike Tibus und Alexander Eitel
  34. Cognitive Theory of Multimedia Learning (CTML)
  35. Maike Tibus und Alexander Eitel
  36. Perzeptuelle Disfluency
  37. Martin Merkt
  38. Medienbezogene Kompetenzen
  39. Medienkompetenz
  40. Sabine Trepte
  41. Repräsentationale Einsicht
  42. Stephan Schwan
  43. Perceived Reality
  44. Margrit Schreier
  45. Interpretationsprozesse
  46. Rezeptionsmodalitäten
  47. Monika Suckfüll
  48. Narratives Verstehen
  49. Manuela Glaser
  50. Multiple Dokumente
  51. Martin Merkt und Yvonne Kammerer
  52. Falschinformation
  53. Tobias Richter und Sascha Schroeder
  54. Hostile Media Effect
  55. Nicole C. Krämer
  56. Moral Disengagement
  57. Jens Martin Heuer
  58. Mediale Präsentation
  59. Framing
  60. Dagmar Unz
  61. Präsenzerleben
  62. Lisa Aelker
  63. Beabsichtigte kognitive Medienwirkungen
  64. Cultivation of Mental Skills und Supplantation
  65. Dagmar Unz
  66. Multiple externe Repräsentationen
  67. Daniel Bodemer
  68. Konstruktivistische Lernumgebungen
  69. Dagmar Unz
  70. Medienspezifische kognitive Verarbeitungs- und Lernprozesse
  71. Carmen Zahn
  72. Nicht beabsichtigte kognitive Medienwirkungen
  73. Displacement
  74. Dagmar Unz
  75. Wissenskluft-Hypothese und Digital Divide
  76. Martina Mauch
  77. Agenda Setting
  78. Dagmar Unz
  79. Kultivierung (Cultivation of beliefs)
  80. Dagmar Unz
  81. Teil III Emotion
  82. Einführung Emotion
  83. Frank Schwab
  84. Neugier und New Experimental Aesthetics
  85. Astrid Carolus und Frank Schwab
  86. Narratives Erleben und Transportation
  87. Freya Sukalla und Helena Bilandzic
  88. Involvement
  89. Frank Schwab und Benjamin P. Lange
  90. Excitation Transfer
  91. Frank Schwab und Elisabeth Königstein
  92. Drei-Faktoren-Emotionstheorie und affektive Disposition
  93. Frank Schwab und Isabelle Menne
  94. Spannung
  95. Michael Brill und Frank Schwab
  96. Unterhaltung
  97. Leonard Reinecke und Diana Rieger
  98. Teil IV Kommunikation
  99. Einführung Kommunikation
  100. Nicole C. Krämer
  101. Traditionelle Medien
  102. Parasoziale Interaktion (PSI)
  103. Holger Schramm
  104. Soziale Vergleichsprozesse
  105. Nicole C. Krämer und Jessica M. Szczuka
  106. Medienpsychologische Aspekte der sozial-kognitiven Lerntheorie
  107. Nikol Rummel
  108. Third Person Effect
  109. Astrid Carolus und Frank Schwab
  110. Die Theorie der Schweigespirale
  111. German Neubaum
  112. Two-Step Flow of Communication
  113. Dagmar Unz
  114. Der Sleeper-Effekt
  115. Markus Appel und Tobias Richter
  116. Individualmedien
  117. Reduced Social Cues/Cues Filtered Out
  118. Nicola Döring
  119. Social Identity Model of Deindividuation Effects (SIDE)
  120. Nicola Döring
  121. Hyperpersonal Communication und Social Information Processing Theory
  122. Oliver Fischer
  123. Impression Management und Self-Disclosure in sozialen Medien
  124. Sabrina C. Eimler und Stephan Winter
  125. Privacy Paradox
  126. Sabine Trepte und Doris Teutsch
  127. Social Capital in elektronischen Medien
  128. Sonja Utz
  129. Mass Interpersonal Persuasion
  130. Tina Ganster und German Neubaum
  131. Common Ground und Grounding
  132. Nikol Rummel und Anne Deiglmayr
  133. Immersive virtuelle Umgebungen: Transformed Social Interaction, Proteus-Effekt und Persuasion
  134. Sabrina Sobieraj und Nicole C. Krämer
  135. Media Equation
  136. Nicole C. Krämer und Laura Hoffmann
  137. Uncanny Valley
  138. Astrid Rosenthal-von der Pütten
  139. Teil V Verhalten
  140. Einführung Verhalten
  141. Nicole C. Krämer
  142. Gewalt
  143. Malte Elson
  144. Prosoziales Verhalten
  145. Leonie Rösner
  146. Gemeinsame Wissenskonstruktion im Internet
  147. Ulrike Cress und Joachim Kimmerle
  148. Internetsucht
  149. Matthias Brand
  150. Verzeichnis der Autorinnen und Autoren
  151. Stichwortverzeichnis
  152. Personenverzeichnis

Vorwort

 

 

 

 

 

Das vorliegende Lehrbuch entstand vor dem Hintergrund der Idee, ein übergreifendes Werk zur Verfügung zu stellen, das möglichst nicht redundant zu anderen Lehrbüchern der Medienpsychologie sein, sondern diese ergänzen sollte. Daher wurde das Buch als Lehrbuch und Nachschlagewerk konzipiert, das zentrale Konzepte der Medienpsychologie in kurzen Texten vorstellt. Damit soll das aktuelle Wissen zu spezifischen Annahmen und Theorien gebündelt werden. Das Buch hebt sich von anderen kürzlich erschienenen Lehrbüchern zur Medienpsychologie ab, da Letztere jeweils umfangreiche Kapitel zu übergreifenden Themengebieten beinhalten (z. B. Unterhaltung, Computer- und Videospiele, Lernen mit Medien, Nachrichten). Die einzelnen Theorien, Konzepte und Annahmen der Medienpsychologie (z. B. Mood Management, Parasoziale Interaktion, Sleeper-Effekt, SIDE-Theorie etc.) werden in diesen Büchern selbstverständlich auch geschildert, aber lediglich im Rahmen der Darstellungen zu übergreifenden Themen aufgegriffen. Die Konzepte selbst können in diesem Rahmen allerdings nicht umfassend mit Bezug auf die jeweilige Methode, empirische Bewährung und Kritik geschildert werden. Dies soll das vorliegende Lehrbuch leisten, indem die einzelnen »Schlüsselbegriffe« auf wenigen Seiten ausführlich dargestellt werden. Das Lehrbuch kann insofern als Ergänzung der bisherigen Lehrbücher verstanden werden. Die einzelnen Kapitel sind nach einem einheitlichen Schema gestaltet und enthalten eine kurze Darstellung der jeweiligen Konzepte, eine detaillierte Erläuterung der zentralen Annahmen, eine Beschreibung der typischen Methodik, eine Zusammenfassung der aktuellen empirischen Ergebnisse sowie eine kritische Würdigung des Konzepts.

Die Gesamtgliederung des Buches sieht vor, dass die Schlüsselbegriffe geordnet nach den psychologischen Grundkonzepten Motivation, Kognition, Emotion, Kommunikation und Verhalten aufgeführt werden. Ein kurzer Text zu Beginn jedes Grundkonzeptes gibt eine Übersicht zu den darunter gefassten Schlüsselbegriffen und setzt diese miteinander in Beziehung. Aufgenommen wurden neben genuin medienpsychologischen Theorien auch Annahmen aus anderen Teildisziplinen der Psychologie, soweit diese in der Medienpsychologie eine hohe Bedeutung erlangt haben (z. B. sozial-kognitive Lerntheorie, soziale Vergleichsprozesse). Ebenso werden kommunikationswissenschaftliche Konzepte aufgegriffen, sofern diese in der Medienpsychologie genutzt werden und nachhaltigen Einfluss nehmen (Agenda Setting, Kultivierungsthese, Two-Step-Flow of Communication).

Gegenüber der 2008 erschienenen Erstausgabe konnten umfangreiche Änderungen und Aktualisierungen vorgenommen werden. Während die grundsätzliche Gliederung und das Gros der Schlüsselbegriffe erhalten blieben, wurden zahlreiche Konzepte, die in den vergangenen zehn Jahren an Bedeutung gewonnen haben, neu aufgenommen. Im Einklang mit sowohl gesellschaftlichen Entwicklungen sowie dem Fokus medienpsychologischer Forschung wurden beispielsweise verstärkt Ansätze aus dem Bereich der Internetforschung und vor allem sogenannter »social media« berücksichtigt. Während in der Ausgabe von 2008 insgesamt 58 Schlüsselbegriffe thematisiert wurden, werden nun 61 Schlüsselbegriffe beschrieben, darunter mehr als 10 neue.

Wir hoffen, dass das Buch auf Grund dieses Aufbaus sowohl als klassisches Lehrbuch genutzt werden kann als auch als Nachschlagewerk dient. Ein Buch wie das vorliegende kann selbstverständlich nur durch die engagierte Mitarbeit zahlreicher Personen entstehen. Hier möchten wir in erster Linie den Autoren für die hervorragenden Beiträge danken. Besonderer Dank gilt den Autoren darüber hinaus für die Bereitschaft, die Rückmeldungen von zahlreichen Reviewern zu berücksichtigen und die Kapitel, soweit erforderlich, entsprechend zu überarbeiten. Jeder Beitrag wurde nicht nur von mindestens einem Herausgeber kommentiert, sondern auch von einem der übrigen Autoren sowie zwei Studierenden. Letztere wurden in den Reviewprozess miteinbezogen, um die Verständlichkeit der Kapitel für die Hauptzielgruppe der Studierenden sicherzustellen. Die mitwirkenden Studierenden wurden für die Ausgabe von 2008 an den Universitäten in Köln, Tübingen und im Saarland rekrutiert. Die neuen Kapitel der zweiten Auflage wurden von Studierenden der Universität Duisburg-Essen gelesen und kommentiert, denen wir herzlich für ihr Engagement danken. Für Formatierungsarbeiten und Korrekturen danken wir Katharina Alt und Raffael Kaminski. Darüber hinaus danken wir Dr. Ruprecht Poensgen, Ulrike Albrecht, Stefanie Reutter und dem Kohlhammer-Verlag für die Unterstützung und die Möglichkeit das vorliegende Lehrbuch und Nachschlagewerk verwirklichen zu können.

Nicole Krämer, Stephan Schwan, Dagmar Unz und Monika Suckfüll

im Juni 2016

 

 

 

 

 

Teil I   Motivation

Einführung Motivation

Dagmar Unz

Menschen nutzen Medien sehr selektiv. Sie sind selektiv in der Medienwahl, in der Aufmerksamkeit, in der Wahrnehmung und der Interpretation der Medienbotschaft. Dementsprechend sind die Entscheidungen zum Einschalten des Fernsehgerätes, die Programmauswahl, die Wahrnehmung und Verarbeitung der dargebotenen Informationen und die Entscheidung zur Beendigung des Medienkonsums komplexe psychologische Vorgänge. Die Beiträge des folgenden Buchabschnittes beschäftigen sich mit der Motivation von Rezipienten bzw. Nutzern, bestimmte Medien bzw. Programmangebote zu nutzen, sowie mit den Einflussfaktoren solcher Selektions- und Auswahlentscheidungen. So beeinflussen einerseits auf Seiten der Rezipienten beispielsweise Motive und Bedürfnisse, vorangegangene Erfahrungen und die angestrebte Stimmungslage solche Auswahlprozesse. Andererseits spielen auch mediale Faktoren, wie z. B. die Reichhaltigkeit des Mediums, die Art und Funktion der Kommunikationsaufgabe sowie soziale Faktoren, eine wichtige Rolle.

Der Uses-and-Gratifications-Ansatz nimmt an, dass sich Zuschauer in Erwartung der Befriedigung spezifischer Bedürfnisse für bestimmte Sendungen bzw. Medien bewusst entscheiden. TV-Nachrichten beispielsweise werden sowohl zum Zwecke des Informationsgewinns als auch aus Gründen der Unterhaltung, des Sozialkontakts und des Zeitvertreibs konsumiert. Während der Uses-and-Gratifications-Ansatz eher davon ausgeht, dass Rezipienten aktiv, zielgerichtet und bewusst Programme und Sendungen auswählen, geht der Selective-Exposure- Ansatz stärker von unbewussten Prozessen aus; Programmselektion erfolgt danach weniger durch gezieltes Auswählen als vielmehr nach einem Ausschluss- und Vermeidungsprinzip. Der klassische Selective-Exposure-Ansatz geht davon aus, dass Personen sich vor allem solchen Medieninhalten zuwenden, die ihren bereits bestehenden Einstellungen und Überzeugungen entsprechen. Die Mood-Management-Theorie greift die Überlegungen des Selective-Exposure-Ansatzes auf und fokussiert auf Stimmungen als relevante Aspekte des Auswahlprozesses. Menschen, so die Annahme, streben danach, einen positiven Gefühlszustand zu erreichen bzw. beizubehalten. Dementsprechend betreiben Medienrezipienten Stimmungsmanagement, indem sie Medienangebote so auswählen, dass sie eine positive Wirkung auf ihre Stimmung haben. Allerdings lässt sich mit diesen Annahmen nicht erklären, warum Menschen freiwillig traurige Filme oder ähnlich emotional belastende Medienangebote nutzen – und dies oft sogar als genussvoll erleben. Erklärungen für dieses sogenannte Sad-Film-Paradoxon greifen u. a. die Frage auf, welche Funktion das Erleben negativer Gefühle wie Trauer während der Medienrezeption für das psychische Wohlbefinden haben kann.

Versucht die herkömmliche Psychologie solche mentalen Prozesse im Rahmen akut wirksamer psychischer Mechanismen zu verstehen, fokussiert die Evolutionspsychologie auf die Phylogenese der mentalen Architektur. Evolutionspsychologische Erklärungsansätze gehen davon aus, dass eine Vielzahl vor allem unbewusst arbeitender mentaler Mechanismen als Anpassung während der Geschichte der Menschwerdung entstanden ist und bis heute Selektion, Rezeption und Wirkeffekte der Medien prägt. Vor allem vermeintlich irrationales Rezipientenverhalten kann in einem evolutionären Erklärungsrahmen verständlich werden.

Eine zweite Gruppe von Theorien, die im folgenden Buchabschnitt behandelt werden, betrifft weniger Massenmedien, sondern eher Individualmedien. Diese Theoriengruppe beschäftigt sich mit der Wahl von Kommunikationsmedien und fragt in erster Linie danach, von welchen medialen, personalen und situativen Faktoren die Wahl von Medien zur Individualkommunikation abhängt. Das Media-Richness- Modell geht davon aus, dass unterschiedliche Medien für unterschiedliche Aufgaben unterschiedlich gut geeignet sind: Aufgaben mit hoher Komplexität benötigen eher reichhaltige Medien (z. B. Videokonferenz), Aufgaben mit niedriger Komplexität eher wenig reichhaltige Medien (Briefpost, E-Mail etc.). Im Gegensatz zu den eher objektiven Aufgaben- und Mediencharakteristika, um die es im Media-Richness-Ansatz geht, betont das Modell des sozialen Einflusses die Rolle persönlicher Erfahrungen, der individuellen Informationsverarbeitung und des sozialen Umfelds bei der Medienwahl.

Traditionelle Medien

 

 

 

Uses-and-Gratifications-Ansatz

Lisa Aelker

Worum geht es?

Der Uses-and-Gratifications-Ansatz versucht zu beschreiben und zu erklären, wie und warum Menschen sich bestimmten Medienangeboten zuwenden und diese für ihre Zwecke nutzen. Dabei richtet sich der Fokus auf Gratifikationen (d. h. Bedürfnisbefriedigungen), die aus Sicht der Rezipienten mit der Nutzung einzelner Angebote einhergehen und die somit als motivationstheoretische Aspekte zur Beschreibung und Erklärung von Mediennutzung und Medienwirkung herangezogen werden können.

Gratifikationsforschung wurde bereits Anfang der 1940er Jahre betrieben, insbesondere von einer Forschergruppe um Lazarsfeld (siehe zusammenfassend Lazarsfeld & Stanton, 1941, 1944, 1949), dem Leiter des 1939 gegründeten »Office of Radio Research«. Während sich ein großer Teil der damaligen Untersuchungen entsprechend mit der Nutzung von Radiosendungen beschäftigte (z. B. Herzog, 1940; Mendelsohn, 1964; Warner & Henry, 1948), wurden Bedürfnisse und Gratifikationen in den folgenden Jahren und Jahrzehnten in Bezug auf die Nutzung von Medien(-angeboten) verschiedenster Art untersucht. Bis heute hat sich die Gratifikationsforschung beständig weiterentwickelt und viele verschiedene Ansätze hervorgebracht. In den 1970er Jahren erlebte der Uses-and-Gratifications-Ansatz einen großen Aufschwung und wurde in der Massenkommunikationsforschung als Paradigmenwechsel gefeiert (vgl. Jäckel, 2005). Durch seine publikumszentrierte Perspektive (vgl. Renckstorf, 1989) wandte er sich gegen das lange Zeit vorherrschende Stimulus-Response-Paradigma und das damit einhergehende Postulat der »starken Medien«. Seine Anhänger widersprachen der Annahme, Rezipienten seien Medieneffekten unmittelbar ausgeliefert. Die Frage »What do media do to people?« wurde umgewandelt in die Frage »What do people do with the media?« (Katz, 1959, S. 2).

Darstellung der Annahmen

Katz, Blumler und Gurevitch (1974) fassten die Grundlagen des Uses-and-Gratifications-Ansatzes folgendermaßen zusammen:

•  Es wird davon ausgegangen, dass der Mensch bei der Nutzung von Massenmedien als aktives, zielorientiertes Subjekt handelt, und zwar auf Grund von individuellen Bedürfnissen und Erwartungen an die einzelnen Medienangebote.

•  Damit wird der Mensch zu einer Schlüsselfigur im Wirkungsprozess, da er darüber entscheidet, welchen Medien und Inhalten er sich überhaupt aussetzt. Von unmittelbaren Medieneffekten auf Einstellungen und Verhalten kann vor dem Hintergrund dieser Perspektive nicht ausgegangen werden.

•  Medien sind nicht die einzige Quelle, die der Mensch in seiner Umwelt nutzen kann, um seine Bedürfnisse zu befriedigen. Sie stellen nur eine von vielen konkurrierenden Möglichkeiten dar.

•  Der Mensch ist sich seiner Bedürfnisse und Ziele bewusst und daher auch in der Lage, diese zu artikulieren.

•  Mediennutzung wird aus Sicht der Rezipienten und in deren eigenen Kategorien erhoben und verstanden, »also so, wie sie ihre Nutzung der Massenmedien selbst verstehen« (Schenk, 2002, S. 631).

Mediennutzungs- und -auswahlverhalten zeigt sich diesem Ansatz zufolge also auf Grund von Motiven, die wiederum aus einer bestimmten Bedürfnislage und antizipierten Erwartungen der Rezipienten resultieren. Werden die Erwartungen an ein bestimmtes Medienangebot tatsächlich erfüllt, so steigt die Wahrscheinlichkeit, dass dasselbe Auswahlverhalten bei ähnlicher Bedürfnislage erneut gezeigt wird (Rosengren, Wenner & Palmgreen, 1985). Diesen Annahmen entsprechend beschäftigt sich die Uses-and-Gratifications-Forschung mit »(1) the social and psychological origins of (2) needs, which generate (3) expectations of (4) the mass media or other sources, which lead to (5) differential patterns of media exposure (or engagement in other activities), resulting in (6) need gratifications and (7) other consequences, perhaps mostly unintended ones« (Katz et al., 1974, S. 20).

Eine wichtige Erweiterung des Ansatzes stammt von Palmgreen und Rayburn (1982, 1985; Rayburn & Palmgreen, 1984). Sie unterscheiden erstmals zwischen gesuchten Gratifikationen (gratifications sought) und erhaltenen Gratifikationen (gratifications obtained). Damit konkretisieren sie die Annahmen zur Entstehung von Mediennutzungsmotiven in der Hinsicht, dass nicht mehr nur die Suche nach Bedürfnisbefriedigung in den Blick genommen und stillschweigend vorausgesetzt wird, dass die Menschen dabei auf ein befriedigendes Angebot stoßen. Stattdessen werden nun auch die (Miss-)Erfolge der Suche, also (nicht) gefundene Gratifikationen, zur Erklärung von zukünftiger Mediennutzung hinzugezogen. Bestehende Erwartungen an ein Medienangebot werden nach Ansicht der Autoren durch eine Übereinstimmung von gesuchten und erhaltenen Gratifikationen verstärkt, was wiederum zur Folge hat, dass sich die Wahrscheinlichkeit derselben Medienwahl bei ähnlicher Bedürfnislage erhöht.

Um ihr Verständnis von gesuchten Gratifikationen zu erläutern, greifen Palmgreen und Rayburn (1982, 1985; Rayburn & Palmgreen, 1984) auf Erwartungs-Wert-Modelle, wie zum Beispiel die Theorie des geplanten Verhaltens von Fishbein und Aizen (1975; vgl. auch Atkinson, 1957; Rotter, 1954; Tolman, 1932; Vroom, 1964), zurück. In Anlehnung daran sind gesuchte Gratifikationen als eine Funktion von erwarteten Effekten eines Medienangebotes einerseits und einer affektiven Bewertung dieser Effekte andererseits zu verstehen. Die subjektive Bedeutung eines erwarteten Medieneffektes wird also in die theoretischen Überlegungen zur Mediennutzung mit einbezogen.

Während dieses »expectancy-value model of gratifications sought and gratifications obtained« (Palmgreen & Rayburn, 1985; Rayburn & Palmgreen, 1984) die Beziehung zwischen Bedürfnissen, Erwartungen und der Selektion von Medienangeboten näher beschreiben und erklären soll, gehen Palmgreen, Wenner und Rosengren (1985) einen Schritt über diesen Rahmen hinaus und integrieren es in ein »General Media Gratifications Model« (image Abb. 1.1), »an attempt to locate gratification processes within an overall societal perspective« (Palmgreen et al., 1985, S. 16). Neben der (sozialen) Situation werden hier auch individuelle Einstellungen und Eigenschaften sowie die jeweilige (mehr oder weniger habituelle) Art der Nutzung als weitere Einflussfaktoren betrachtet. An der Elaboriertheit dieses Modells wird deutlich, wie umfangreich Gegenstandsbereich und Erklärungsanspruch des Uses-and-Gratifications-Ansatzes zu diesem Zeitpunkt bereits sind (vgl. Vorderer, 1992).

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Abb. 1.1: A General Media Gratifications Model (nach Palmgreen, Wenner & Rosengren, 1985)

Typische Methodik und zentrale empirische Befunde

Entsprechend umfangreich ist auch die Forschungsarbeit, die im Rahmen des Uses-and-Gratifications-Paradigmas über Jahrzehnte hinweg geleistet wurde. Rubin (2002) fasst insgesamt sechs Forschungsbereiche zusammen:

1.    die Typologisierung von Mediennutzungsmotiven,

2.    den intermedialen Vergleich von Motiven,

3.    die Erforschung der unterschiedlichen sozialen und psychologischen Umstände der Mediennutzung,

4.    die Bestimmung und Verbesserung der Gütekriterien von Motiv-Erhebungen,

5.    die Untersuchung des Zusammenhangs zwischen erwarteten und erhaltenen Gratifikationen und

6.    den Zusammenhang zwischen Mediennutzung und Medienwirkungen.

Die anfängliche Gratifikationsforschung hat sich vorwiegend der Typologisierung von Mediennutzungsmotiven gewidmet und rein deskriptiv gearbeitet (vgl. Ruggiero, 2000). Es wurde versucht, Motive zu identifizieren und zu katalogisieren. Die dabei am häufigsten verwandte Methode ist der Selbstbericht (Self-Report) von Seiten der Rezipienten (vgl. Becker, 1979), was auf die Annahme zurückzuführen ist, jeder Mensch sei sich seiner Bedürfnisse jederzeit bewusst und in der Lage, diesbezüglich valide Aussagen zu machen. Mit Hilfe von offenen oder geschlossenen Fragen wurde somit in vielen Studien direkt nach den Gründen für die Mediennutzung gefragt. Folgende Motive ließen sich dabei immer wieder identifizieren (Schramm & Hasebrink, 2004):

1.    das Bedürfnis nach Information (Orientierung, Ratsuche, Lernen etc.),

2.    das Bedürfnis nach Unterhaltung (Eskapismus, Entspannung, sexuelle Stimulation etc.),

3.    das Bedürfnis nach persönlicher Identität (Suche nach Verhaltensmodellen, Bestärkung persönlicher Werte etc.) und

4.    das Bedürfnis nach Integration und sozialer Interaktion (Geselligkeitsersatz, Rollenmodell, Gesprächsstoff etc.).

Im Laufe der Zeit ging die Forschung dann aber mehr und mehr über die reine Beschreibung und Kategorisierung von Nutzungsmotiven hinaus und man machte sich stärker auf die Suche nach Erklärungen für und Effekten von Mediennutzungsverhalten. Zudem wurden die Ideen des Uses-and-Gratifications-Ansatzes von einigen Autoren mit anderen Theorien kombiniert (z. B. Joo & Sang, 2013; Shin, 2011) und so weiterentwickelt und für verschiedene Anwendungsbereiche nutzbar gemacht (für weitere Beispiele siehe auch Rubin, 2009). In den vergangenen Jahren erfuhr der Ansatz dann eine Wiederbelebung (West & Turner, 2014), indem vor allem die Gratifikationen neuer Medien in den Blick genommen wurden. So findet sich mittlerweile eine ganze Reihe an Studien zum Beispiel zu den Nutzungsmotiven von Smartphones (Joo & Sang, 2013), SMS (Grellhesl & Punyanunt-Carter, 2012), Online Games (Wu, Wang & Tsai, 2010), Ebooks (Shin, 2011) sowie von Sozialen Netzwerken (Whiting & Williams, 2013) wie Twitter (Chen, 2011), Facebook (Park, Kee & Valenzuela, 2009) und MySpace (Bonds-Raacke & Raacke, 2010).

Kritik

Palmgreen et al. (1985) liefern einen Überblick über bis dato verfügbare Forschungsergebnisse und verwenden diese als Basis für ihr General Media Gratifications Model (image Abb. 1.1). Sie merken jedoch an, dass die vorliegenden Studien immer nur einzelne Elemente des Modells in den Blick nehmen und bivariate Zusammenhänge analysieren, die Komplexität des Gegenstandes aber multivariate Verfahren erfordere. »The process may be likened to examining an elephant through a magnifying glass: One may learn much about various parts of the anatomy, but it may be difficult to discern the nature of the beast« (Palmgreen et al., 1985, S. 36).

Des Weiteren wurde an den vorhandenen Studien die vorherrschende Methode der Befragung und die dahinter stehende Charakterisierung des Auswahlverhaltens als »bewusst« kritisiert (vgl. Vorderer, 1992). Die methodischen Bedenken richten sich dabei vor allem auf eine mögliche Rationalisierung des eigenen Verhaltens durch den Probanden und eine damit einhergehende Verzerrung des Self-Reports in Richtung einer sozialen Erwünschtheit (vgl. Schenk, 2002). Palmgreen hat im Jahre 1984 vorgeschlagen »die Arbeitshypothese, wonach sich die Rezipienten ihrer »Medienmotivationen« vollständig bewusst seien, erneut zu überprüfen« (zitiert nach Vorderer, 1992, S. 22).

Nicht nur die Voraussetzung einer »bewussten Nutzung«, sondern auch die einer »aktiven Nutzung« bescherte dem Ansatz kritische Einwände (vgl. Vorderer, 1992). Neben der Tatsache, dass unter den Forschern kein einheitliches Verständnis von einem »aktiven Publikum« vorzufinden ist (vgl. Blumler, 1979), werden durch die Konzentration auf das Individuum weitere Faktoren ausgeblendet, die den Auswahlprozess beeinflussen, wie zum Beispiel gesellschaftliche oder das Angebot betreffende Aspekte (vgl. Elliott, 1974; Schenk, 2002; Sundar & Limperos, 2013). In Bezug auf die Missachtung der Medienseite gibt Schönbach (1984) zum Beispiel zu bedenken, dass die (Suche nach) Bedürfnisbefriedigung häufig viel mehr von den (verfügbaren) Stimuli abhängt als von einem mehr oder weniger aktiven Rezipienten. So geben auch Sundar und Limperos (2013) zu bedenken: »the gratifications that we derive from media need not necessarily be driven by innate needs, but could be triggered by features we experience while using particular media« (S. 510; Hervorhebung im Original). Neben externen Faktoren, die aus der Beschreibung und Erklärung von Auswahlprozessen ausgeklammert werden, ist es laut Vorderer (1992) zudem problematisch, nicht aktive oder nicht bewusste Auswahlprozesse, wie sie zum Beispiel vom Selective-Exposure-Ansatz (Zillmann & Bryant, 1985; vgl. Beitrag zum Selective-Exposure-Ansatz in diesem Band) postuliert werden, aus allen Überlegungen und Untersuchungen auszuschließen.

Einer der wichtigsten Angriffspunkte, der bezüglich des Uses-and-Gratifications-Ansatzes häufig diskutiert wurde, stellt dessen Theorieschwäche dar (vgl. Elliott, 1974; Swanson, 1977; Vorderer, 1992). Sie mündet in einer gewissen theoretischen Beliebigkeit, die es erlaubt, jedes Mediennutzungsverhalten mit jeder Art von Bedürfnis zu kombinieren und zu erklären. Es fehlt der Rückbezug auf eine Theorie menschlicher Bedürfnisse, welche die Zusammenhänge näher beleuchtet und konkretere Vorhersagen zulässt. Der Bedarf an präziseren Aussagen zur Auswahl einzelner Medien(-angebote) wird nicht zuletzt verstärkt durch das Auftreten immer neuer Massenkommunikationsmedien: »As new communication technologies rapidly materialize, the range of possible topics for U&G research also multiplies« (Ruggiero, 2000, S. 28). Obwohl bis dato eine ganze Reihe sogenannter neuer Medien im Lichte des Uses-and-Gratification-Ansatzes untersucht worden sind (s. o.), fehlt es nach wie vor an Konkretisierungen, das heißt an spezifischen Aussagen zur Nutzungsmotivation neuer Medien (Rubin, 2009). Dies mag unter anderem daran liegen, dass auch in neueren Studien immer wieder dieselben abgewandelten Messinstrumente eingesetzt werden und so für neue Medien dieselben Gratifikationen wie bereits für traditionelle Medien untersucht werden (Sundar & Limperos, 2013). Gleichzeitig besteht aber auch die Gefahr, dass mit jedem neuen Medium neue, exklusive Gratifikationen zum Vorschein kommen: »while it is certainly true that different media have different motivations for use, generating typologies with little attempt to integrate them at a broader level may do little to forward uses and gratifications as a meaningful approach« (Krcmar & Strizhakova, 2009, S. 56).

Trotz der vielfältigen Einwände und Desiderata darf der Verdienst des Uses-and-Gratifications-Ansatz allerdings nicht unterschätzt werden. Durch ihn wurde der Blick auf den Rezipienten gelenkt und geschärft – weg von einer stimulusfixierten Black-Box-Forschung hin zu einer umfassenderen Betrachtung der Einflussvariablen im Mediennutzungs- und -wirkungsprozess.

Literatur

 

Atkinson, J. W. (1957). Motivational determinants of risk-taking behavior. Psychological Review, 64, 359–372.

Becker, L. B. (1979). Measurement of Gratifications. Communication Research, 6(1), 54–73.

Blumler, J. G. (1979). The Role of Theory in Uses and Gratifications Studies. Communication Research, 6(1), 9–36.

Bonds-Raacke, J. & Raacke, J. (2010). MySpace and Facebook: Identifying dimensions of uses and gratifications for friend networking sites. Individual Differences Research, 8(1), 27–33.

Chen, G. M. (2011). Tweet this: A uses and gratifications perspective on how active twitter use gratifies a need to connect with others. Computers In Human Behavior, 27(2), 755–762.

Elliott, P. (1974). Uses and Gratifications Research: A Critique and a sociological alternative. In J. G. Blumler & E. Katz (Eds.), The Uses of Mass Communication (pp. 249–268). Beverly Hills: Sage.

Fishbein, M. & Ajzen, I. (1975). Belief, Attitude, Intention and Behavior: An Introduction to Theory and Research. Reading, MA: Addison-Wesley.

Grellhesl, M. & Punyanunt-Carter, N. M. (2012). Using the uses and gratifications theory to understand gratifications sought through text messaging practices of male and female undergraduate students. Computers In Human Behavior, 28(6), 2175–2181.

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Selective Exposure

Stephan Winter

Worum geht es?

Ob beim Blick ins Zeitschriftenregal, beim »Zapping« durch verschiedene TV-Sender oder beim Surfen im Internet: Jederzeit stehen Mediennutzer vor einer (oft unerschöpflichen) Vielzahl an Inhalten, mit denen sie sich beschäftigen könnten, so dass allein die schiere Menge dazu führt, dass eine Auswahl getroffen werden muss. Selektion ist damit Grundvoraussetzung und fester Bestandteil jeglicher Form von Mediennutzung (Eilders, 1999). Die Beschäftigung mit der Frage, welche Inhalte von Rezipienten bevorzugt ausgewählt und welche eher vermieden werden, kann somit als zentral für die Analyse von Medienwirkungen gelten, da diese nur zustande kommen können, wenn Rezipienten den entsprechenden Botschaften tatsächlich ausgesetzt sind.

Der Grundstein für die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit medialem Selektionsverhalten wurde von Lazarsfeld, Berelson und Gaudet (1944) gelegt (»Exposure is always selective«, S. 164): In einer Befragung zur US-Präsidentschaftswahl fanden sie heraus, dass sich Personen vor allem den Wahlkampf-Informationen der von ihnen bereits bevorzugten Partei aussetzen. Unter dem Schlagwort Selective Exposure (selektive Zuwendung) werden seitdem die Kriterien, nach denen Mediennutzer mediale Angebote zur näheren Rezeption auswählen, untersucht.

Zillmann und Bryant (1985) beschreiben Selective Exposure zunächst allgemein als Prozess der Informationsauswahl, in dem Rezipienten aus der Vielzahl an verfügbaren Reizen bestimmten Stimuli Aufmerksamkeit widmen und diese näher betrachten. Wie Donsbach (1991) erläutert, finden Selektionshandlungen auf allen Ebenen der Mediennutzung statt – sowohl in der präkommunikativen Phase vor der eigentlichen Nutzung, z. B. beim Kauf einer bestimmten Zeitschrift, als auch in der kommunikativen Phase, wenn bestimmte Artikel zum genaueren Lesen ausgewählt werden. In einem breiteren Verständnis kann auch die selektive Erinnerung an bestimmte Inhalte nach der Mediennutzung als Auswahlhandlung aufgefasst werden. In der Selective-Exposure-Forschungstradition wird vor allem die Auswahl medialer Informationen (im Gegensatz zu rein unterhaltenden Inhalten, die von Rezipienten beispielsweise ausgewählt werden, um sich in eine bessere Stimmung zu versetzen, vgl. Beitrag zu Mood Management) betrachtet.

Darstellung der Annahmen

In ihrem einflussreichen Werk »Selective Exposure to Communication« heben Zillmann und Bryant (1985) hervor, dass die Auswahl medialer Inhalte sowohl von Prädispositionen des Nutzers (z. B. Einstellungen und Persönlichkeitseigenschaften) als auch von der spezifischen Nutzungssituation (z. B. aktuelle Stimmung oder Ziele der Informationssuche) abhängen kann. Diese Faktoren (und insbesondere deren Interaktionen mit Merkmalen der verfügbaren Inhalte) sorgen in der Regel dafür, dass sich die Aufmerksamkeit der Rezipienten nicht gleichmäßig auf alle Inhalte verteilt, sondern bestimmte Muster von Publikumspräferenzen zum Tragen kommen (Sears & Freedman, 1967). Im Gegensatz zum Uses-and-Gratifications-Ansatz (vgl. Beitrag in diesem Band) wird im Rahmen des Selective-Exposure-Paradigmas davon ausgegangen, dass sich Mediennutzer ihrer Selektionsentscheidungen nicht immer vollständig bewusst sind (vgl. Knobloch-Westerwick, 2015), sondern Inhalte auch spontan und ohne größeres Nachdenken zur näheren Rezeption auswählen.

Eine zentrale Annahme der klassischen Selective-Exposure-Forschung besteht darin, dass sich Personen Medieninhalten zuwenden, die ihren bereits bestehenden Einstellungen und Überzeugungen entsprechen. Jemand, der die Todesstrafe ablehnt, würde beispielsweise häufiger Inhalte zur Rezeption auswählen, in denen Exekutionen als unmenschlich beschrieben werden, und Artikel, in denen für die Todesstrafe argumentiert wird, vermeiden. Dieses Muster des einstellungskonsistenten Selective Exposure (Confirmation Bias) wurde bereits in der Pionierstudie von Lazarsfeld et al. (1944) beschrieben und später mit der Dissonanztheorie von Festinger (1957) in Verbindung gebracht: Aus der Grundannahme, dass Menschen nach einem Gleichgewicht in ihren Kognitionen streben, wurde abgeleitet, dass Informationen, die dem eigenen Weltbild entsprechen, bevorzugt werden (z. B. um bestehende Dissonanzen zu reduzieren) und widersprechende Informationen, die Dissonanzen auslösen könnten, weitgehend vermieden werden. Folgt man dieser Annahme, wäre der Einfluss der Medien stark begrenzt (Klapper, 1960): Wenn Informationen, die der eigenen Einstellung widersprechen, nicht rezipiert werden, wäre es kaum möglich, die Meinung der Bevölkerung entscheidend zu beeinflussen – stattdessen würden Massenmedien allenfalls zu einer Verstärkung bestehender Einstellungen führen.

Ein breiteres theoretisches Modell von Atkin (1973) sagt eine Auswahlhandlung voraus, wenn der erwartete Nutzen einer Information (Informational Utility) höher ist als die erwarteten Kosten bzw. der erwartete Aufwand. Unterschieden wird hierbei zwischen der konkreten Informationssuche, bei der eine spezifische Frage im Vordergrund steht, und dem Zustand einer generellen Empfänglichkeit für neue Informationen, ohne dass ein spezifisches Ziel vorliegt. Eine Information kann laut Atkin nützlich sein, wenn sie dem Empfänger dabei hilft, das Geschehen in seiner Umwelt zu interpretieren, bestehende Unsicherheiten zu reduzieren oder seine eigenen Überzeugungen zu verteidigen. Während der letzte Punkt mit den dissonanztheoretischen Überlegungen in Verbindung steht, kann aus Atkins Modell abgeleitet werden, dass Inhalte zu Ereignissen, die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit eintreten und für den Rezipienten relevant werden, aufgesucht werden (Knobloch, Patzig & Hastall, 2002) – auch wenn sie möglicherweise den bisherigen Einstellungen des Rezipienten widersprechen.

Typische Methodik

Mediales Selektionsverhalten kann durch Befragungen der Rezipienten, durch Auswahlszenarien oder durch Beobachtungen der Mediennutzung erfasst werden.

In Fragebögen wird typischerweise erhoben, wie oft Personen bestimmte Medienangebote konsumieren, und anschließend ermittelt, ob diese Muster mit ihren Einstellungen oder Persönlichkeitseigenschaften in Verbindung stehen. In einer repräsentativen Befragung untersuchten Gil de Zuñiga, Correa und Valenzuela (2012) beispielsweise den Zusammenhang zwischen Parteipräferenz und der Nutzung von US-Nachrichtensendern.

In sozialpsychologischen Studien zur Selektion nach Entscheidungen (z. B. nachdem Versuchspersonen aus einer Reihe von Optionen eine vorläufige Entscheidung für ein Produkt getroffen haben) stehen in einem Auswahlszenario oft Kurzzusammenfassungen von Texten zur Verfügung: Die Teilnehmenden kreuzen dabei diejenigen Artikel an, die sie gern ausführlicher lesen würden (vgl. Hart et al., 2009). Erkenntnisse aus diesen Szenarien lassen sich nicht immer ohne Weiteres auf Mediennutzung übertragen – einige Studien mit dieser Methodik setzen hingegen auch Medienprodukte als Stimuli ein. So zeigten Jonas, Graupmann, Fischer, Greitemeyer und Frey (2003) Kurzzusammenfassungen von Zeitungsartikeln, die sich entweder positiv oder negativ zur Politik von CDU und SPD positionierten. Die Art der Information (z. B. pro vs. contra) wird typischerweise als Within-Subject-Faktor variiert (d. h. jeder Versuchsperson stehen unterschiedliche Arten von Inhalten gleichzeitig zur Verfügung), während Eigenschaften der Person (z. B. ihre Einstellung zu einem spezifischen Thema oder ihre politische Richtung) vorher erfragt (oder seltener als Between-Subject-Faktor experimentell variiert) werden.

Stärker auf realistische Szenarien der Mediennutzung bezogen, setzte Donsbach (1991) in einer Untersuchung zum Leseverhalten in Tageszeitungen sogenannte Copy-Tests ein: Dabei wurden den Lesern nach der Rezeption Kopien aus Zeitungen vorgelegt, anschließend gaben die Teilnehmenden an, welche Texte sie davon gelesen hatten.

Neuere Untersuchungsmethoden, insbesondere in computergestützten Settings, ermöglichen bereits während der Rezeption eine Aufzeichnung der konkreten Mediennutzung, etwa per automatischer Erfassung des Klickverhaltens auf Online-Nachrichtenseiten (z. B. Knobloch-Westerwick & Meng, 2009). Da diese nicht von der möglicherweise verzerrten Erinnerung an eigene zurückliegende Auswahlentscheidungen betroffen sind, bieten solche non-reaktiven Messverfahren oder Beobachtungsstudien Vorteile gegenüber reinen Befragungen.

Zentrale empirische Befunde

Nach der Pionierstudie von Lazarsfeld et al. (1944) konnte die Bevorzugung einstellungskonsistenter Inhalte in verschiedenen Studien empirisch gestützt werden, es gab jedoch auch gegenteilige Befunde, so dass Freedman und Sears (1965) in einem ersten Überblicksartikel zu einer kritischen Einschätzung der Gültigkeit der dissonanztheoretischen Hypothese zum Confirmation Bias gelangten. Neuere Meta-Analysen kommen hingegen zu dem Schluss, dass es einen schwachen, aber signifikanten Zusammenhang zwischen persönlichen Überzeugungen und der Richtung der ausgewählten Informationen gibt (z. B. Hart et al., 2009), wobei in den betrachteten Studien vielfach die Situation der Informationsauswahl nach Entscheidungen und weniger typische Mediennutzung betrachtet wurde. Studien mit konkreten Medienstimuli, etwa die oben genannte Studie zum Selektionsverhalten von Tageszeitungslesern (Donsbach, 1991), entsprechen aber ebenfalls dem Muster, dass es eine (eher geringe, aber nachweisbare) Bevorzugung von konsonanten Informationen gibt. Ähnliches zeigte sich auch bei der Selektion von Online-Nachrichten (Knobloch-Westerwick & Meng, 2009). Ebenso wurden Zusammenhänge zwischen politischen Präferenzen und der Nutzung von Fernsehsendern, die eher dem konservativen oder dem linken Spektrum entsprechen, aufgezeigt (Gil de Zuñiga et al., 2012; Stroud, 2008). Neuere Untersuchungen beschäftigen sich vor allem mit Moderatoren des Confirmation Bias: So konnte beispielsweise gezeigt werden, dass die Tendenz zur Auswahl einstellungskonsistenter Medieninhalte höher ist, wenn Versuchspersonen unter Zeitdruck stehen oder erwarten, sich anschließend zu ihrer Meinung äußern zu müssen (Smith, Fabrigar, Powell & Estrada, 2007), oder wenn das spezifische Thema besonders stark mit ihrem Weltbild verbunden ist und eine hohe Wichtigkeit besitzt (Westerwick, Kleinman & Knobloch-Westerwick, 2013).

Im Sinne des Information-Utility-Ansatzes (Atkin, 1973) wurde der Geltungsbereich der dissonanztheoretischen Hypothese insofern eingeschränkt, als Situationen entdeckt wurden, in denen auch Inhalte aufgesucht werden, die nicht mit den eigenen Überzeugungen übereinstimmen: Dies war in der Studie von Donsbach (1991) insbesondere dann der Fall, wenn ein Artikel von der journalistischen Aufmachung her als wichtig gekennzeichnet wurde. Ebenso zeigte sich, dass Wähler, die eine Niederlage ihrer bevorzugten Partei bei der nächsten Wahl erwarten, auch offen für Informationen der gegnerischen Partei sind (Knobloch-Westerwick & Kleinman, 2011) und Personen, für die eine wissenschaftliche Debatte persönlich relevant ist, häufiger ausgewogene Nachrichten (sowohl mit Pro- als auch mit Contra-Informationen) auswählen (Winter & Krämer, 2012). Diese Befunde können dahingehend interpretiert werden, dass bei hoher Nützlichkeit oder hohem Nachrichtenwert (Eilders & Wirth, 1999) die Schranken der selektiven Auswahl überwunden werden. Im Gegensatz zu Klappers Annahme der wirkungsschwachen Medien (1960) würde dies bedeuten, dass Medien durchaus stärkere Effekte auf die Meinung der Bevölkerung ausüben könnten.

Unabhängig von der Einstellungskonsistenz oder Relevanz der Informationen befassen sich neuere Studien auch mit stärker selbstbezogenen Zielen, die Personen mit selektiver Zuwendung zu Informationen verfolgen können, etwa eine Verbesserung des Selbstwertgefühls. So konnte gezeigt werden, dass jüngere Leser Nachrichten, in denen Protagonisten der eigenen Altersgruppe positiv dargestellt werden, bevorzugen und negative Nachrichten über die eigene Altersgruppe vermeiden – darüber hinaus wählen Rezipienten im Sinne eines sozialen Vergleichs häufiger Nachrichten mit Protagonisten des eigenen Geschlechts (Knobloch-Westerwick & Hastall, 2006; 2010). Mit Bezug auf gesundheitsrelevante Verhaltensänderungen fanden Knobloch-Westerwick und Sarge (2015) am Beispiel von Texten zu gesunder Ernährung heraus, dass Artikel mit Fallbeispielen (betroffenen Personen) länger als Artikel mit statistischen Informationen gelesen werden. Darüber hinaus zeigten sich Effekte auf späteres Verhalten: Wer im Experiment entsprechende Texte gelesen hatte, gab in einer späteren Befragung häufiger an, im Alltag auf seine Ernährung geachtet zu haben.

Kritik

Kritisiert werden kann, dass die Faktoren, die das Auftreten eines Confirmation Bias verstärken oder abschwächen können, bislang nicht umfassend systematisiert worden sind. Zwar gibt es mittlerweile viele Belege für die Existenz einer solchen Präferenz, doch gibt es zum Teil unklare Befunde zu Moderatoren wie persönlicher Relevanz, Zeitdruck, Art der dargestellten Informationen, aktueller Stimmung und kognitiver Belastung (vgl. Smith, Fabrigar & Norris, 2008), die sich nur schwer mit einer übergreifenden Theorie verbinden lassen. Unklar ist außerdem, ob der zugrundeliegende Mechanismus tatsächlich auf Reduzierung bzw. Vermeidung von kognitiver Dissonanz beruht. Alternativerklärungen führen beispielsweise an, dass sich Rezipienten in ihrer Glaubwürdigkeitseinschätzung von ihrer eigenen Meinung beeinflussen lassen und demnach einstellungskonsistente Inhalte als glaubwürdiger einschätzen (Flanagin & Metzger, 2014) – eine Präferenz für konsistente Inhalte könnte demnach auch auf vorläufige Glaubwürdigkeitsbeurteilungen und weniger auf Dissonanz zurückzuführen sein.