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Eva Hochrath

Paralelwelt 520 - Band 3 - Die Jäger



Titelvorspann

Eva Hochrath

 

Parallelwelt 520

Der Flügelschlag des Schmetterlings

 

 

3. Die Jäger

 

 

Impressum


Eva Hochrath – Die Jäger

Parallelwelt 520 – Band 3

1. eBook-Auflage – November 2016

© vss-verlag, Frankfurt

vssinternet@googlemail.com

Titelbild: Agentur Pjuta (www.pjuta.de) unter Verwendung eines Fotos von Pixabay

Lektorat: Armin Bappert

 

 

 

01 Panik

Reafer sperrte ihre Wohnungstür auf und machte Licht. Rhyan folgte ihr durch den Korridor in ein Zimmer. Auch dort schaltete sie das Licht ein.

Sie blickten in Waffenmündungen!

Drei Männer hatten es sich im Wohnzimmer bequem gemacht. Sie sahen 'strange' aus: kurzgeschorene Köpfe, um die dreißig, graue Overalls aus fremdartigem Material, leere, ausdruckslose Gesichter. Die Waffen, registrierte Rhyan, waren Strahler. Ihm unbekannte, aber augenscheinlich modernste Typen!

Kein Wort fiel. Knappe Geste mit Kopf und Waffe.

Rhyan und Reafer nahmen augenblicklich die Hände hoch. Total überrumpelt standen sie da. Es war völlig still im Raum. Nur ihr eigenes Blut hörten sie in den Schläfen dröhnen wie Orgel-Akkorde!

Rhyan hatte so was wie diese Kerle noch nie im Leben gesehen. Aber etwas schnürte ihm die Kehle zu und krampfte seine Brust zusammen. — Da war ein Gefühl von unheimlicher Bedrohung im Raum, und von richtig tödlicher Gefahr!

Also hatte diese "Exxer Shaw" ihm doch eine Falle gestellt! Aber ein Blick auf sie ließ ihn wieder zweifeln. Auch sie hatte die Hände erhoben. Ihr Gesicht war kreideweiß und ihre Augen ganz dunkel, mit riesigen Pupillen. Sie hatte Angst, ganz fürchterliche! — Nein: Die Typen hier hatte nicht sie bestellt!

Jetzt federte einer aus dem Sessel hoch. Er war groß und massig. Der konnte zuschlagen, das sah man auf einen Blick! Und als Rhyans Augen unwillkürlich die Faust des Mannes betrachteten, stellte er mit Schaudern fest, dass dessen Handschuh an den Fingergelenken und Knöcheln mit Metallstücken besetzt war!

Rhyan erhaschte Reafers Blick. Unter einem Lidschlag huschten ihre Augen zum Lichtschalter...

Rhyan stand in Reichweite. Er kapierte.

Aber die 'Grauen' auch! "Dass würrda irch lieberr lassen!" sagte einer. Seine Stimme klang so kalt und irgendwie verfremdet, als käme sie von einem Computer, und er sprach einen merkwürdigen, abgehackt und rau klingenden, Dialekt. Rhyan wurde es immer grausiger! Auch ihm quoll Angst, eine bisher nie gekannte, bis in die letzten Winkel und Ecken des Bewusstseins!

Er zuckte zurück. Ein entschuldigender Blick auf "Exxer". Oh Gott! Sie war ja total von der Rolle vor Angst! Ihr Blick schnitt Rhyan alles mittendurch!

Verdammt! Zur Hölle mit der eigenen Angst! Blitzschneller Entschluss. Es passierte alles in Sekunden: ein Schlag auf den Lichtschalter, ein Hechtsprung, um den augenblicklich aufblitzenden Waffen zu entgehen...

Mörderische Schlägerei im Dämmerlicht des Korridors! Diese 'Grauen' waren kein Vergleich zu den miesen kleinen Garagengangstern! Rhyan hatte ganz schnell heraus, dass sie beide null Chance hatten!

Für Reafer war das ohnehin klar. "WEG HIER!!!" schrie sie. Sie stürzte durch den Korridor und schnappte eine Tasche. Rhyan warf sich hinterher, mit einem Tritt nach hinten. Bevor er Reafer weiter folgte, packte er das erstbeste Möbelstück - es war der Garderobenschrank - und ließ es polternd vor die 'Grauen' krachen. Dann war auch er draußen. Die Wohnungstür knallte ins Schloss.

Rhyan raste hinter Reafer her, die in wilder Panik die Treppen runterdonnerte. Hinter sich hörte er schon wieder die 'Grauen'. Das ging schief!

"Ey!! Warte!!" Er holte Reafer ein und hielt sie am Arm fest.

Sie riss sich ungestüm los, irre Angst in den Augen. "Lass mich weg!" zischte sie ihn an. "Und hau ab, Mann!! So schnell du kannst!!"

Batsch! Rhyans Faust krachte ihr gegen die Schläfe. Lautlos knickte sie ein. Rhyan schulterte sie und schnappte ihre Tasche. Sekunden später war er mit ihr verschwunden

02 Wegkreuz

Reafer kam wieder zu sich, als eiskalt etwas in ihr Gesicht klatschte. Sie saß zusammengesunken in einem Sessel, keine Ahnung, wo. Direkt vor ihrer Nase... Rhyan Sadarkas Gesicht! Er beäugte sie aufmerksam und besorgt.

Reafer fühlte sich benommen. Sie musste erst realisieren, was passiert war. — Das waren "Wæthans" gewesen… Richtige "Wæthans"!!!

Und Rhyan?! — Er hatte sie niedergeschlagen!! Wut stieg in ihr hoch. Wie konnte er es wagen!! Sie holte zum Schlag aus.

Aber Rhyan reagierte schnell genug und hielt ihr den Arm fest. Er wusste sogar, warum sie auf ihn losging. "Nu mal ganz friedlich! Ich musste dir doch eine runterhauen! — Dickschädel!"

Reafer schluckte. In ihrem Gesicht jagten sich die Ausdrücke von Wut, Verwirrung und Angst — unsagbare, alles auffressende Angst! Schließlich stieß sie heiser hervor: "Was soll der Scheiß, Mann!! Warum bist du nicht abgehauen, wie ich's dir gesagt habe?!! — Bist du so blöd, dass du nicht kapierst, dass du dich hier raushalten musst?!! — Wo bin ich hier überhaupt?!"

"Na, in meiner Bude!"

"Du bist ja wohl total bescheuert!!!"

"'Blöd'! 'Bescheuert'! Bist ja wieder gut in Form! — Fragt sich bloß, was d u bist! So pomadig über die Treppe eiern! Da hätten deine komischen 'Kumpels' dich doch gleich wieder gehabt!! — Dass wir nu' gerade hier sind, das müssen sie dagegen erstmal rauskriegen!"

Da hatte er Recht! Reafer versuchte ein mickeriges Lächeln. Dann stupste sie ihn an. "Hast 'ne gute Reaktion! Sorry! Und Danke!"

"Hmpfh!"

"Aber bleiben können wir hier nicht!"

"Sicher nich! Aber wenigstens erstmal verpusten! — Und du könnt'st mir mal erzählen, was du da für gediegene 'Kameraden' hast! Mein lieber Schwan! Das waren ja schon halbe Aliens!"

Sie winkte ab. Schüttelte den Kopf. "Halt dich da raus, Rhyan Sadarka!"

"Ker'! Mach halblang! Ich häng ja schon mit drin! — Oder glaubste, die Knilche, die halten mich für 'n harmlosen Nachbarn, der sich mal 'ne Tasse Zucker ausleihen wollte?!! Und um den man sich nich mehr weiter zu kümmern braucht?!! — Ich jedenfalls kann mächtig drauf verzichten, die nochmal wiederzusehen! — Also, was iss jetzt?! Wenn ich nich ganz verkehrt lieg', denn sind das ja wohl Bullen, was?! Oder was ähnliches... Was haste denn angestellt?"

Sie sah ihn an. Überlegte. Wenn sie bloß wüsste, wo sie ihn hinstecken sollte! Mit seinen ganzen mysteriösen Merkwürdigkeiten! Er unterschied sich so fundamental von allen anderen Leuten, die sie außerhalb Saxxans bis jetzt getroffen hatte! Sein Aussehen… sein Benehmen… seine spektakulären technischen Gadgets wie dieses Auto... Irgendwie erinnerte er sie sogar ein bisschen an... Saxxan! Trotz seines unmöglichen Dialektes! — Und überhaupt... War das wirklich Zufall... Über einen Monat hatten die Jäger sich nicht gerührt... Und ausgerechnet heute waren sie wieder da! — Am selben Tag, an dem sie mit Rhyan Sadarka in Kontakt gekommen war!

Es zündete bei Reafer! Sie handelte augenblicklich.

Plötzlich starrte Rhyan in eine Waffe. Strahler! Reafer war aufgesprungen. "So, Freundchen! Mal 'ne neue Masche, was?! Glückwunsch! Wär' beinahe drauf reingefallen!"

Rhyan schluckte. Jetzt glaubte die in ihrer Hysterie doch glatt auch noch, dass er zu diesen grauen Bekloppten gehörte! Auch er sprang auf. "Meine Fresse!! Spinnst du?!!! Steck bloß sofort das Ding da weg!! — Wer immer da so scharf auf dich iss... ich gehör' bestimmt nich dazu!!!"

"Ach, nein?! Und wie soll ich dir das glauben?!"

"Das iss dein Problem! — Aber anstatt mir mit dem Mistding da so hysterisch vor der Nase 'rumzufuchteln, solltest du lieber mit-überlegen, was wir jetzt machen!"

Reafer wurde wieder unsicher. Warum, wenn er zu den "Wæthans" gehörte, hätte er in ihrer Wohnung die Show mit der Klopperei abziehen, und dann noch einmal extra mit ihr abhauen sollen, n a c h d e m sie sie ohnehin erwischt hatten?! Das ergab eigentlich keinen Sinn! Verdammte Zwickmühle!

Und dann passierte es, zum ersten Mal: ein Lidschlag lang unkonzentriert... Die Gelegenheit packte Rhyan sofort und schlug ihr die Waffe aus der Hand. In hohem Bogen flog der "Stræl" durchs Zimmer. Beide hechteten augenblicklich hinterher. Rhyan war der schnellere und hatte die längeren Arme. Er erwischte das Ding.

Und was tat er — den Reafer eben noch für einen 'Undercover'-"Wæthan" gehalten hatte? — Inspizierte neugierig die Waffe, sicherte sie, fachkundig und routiniert... und steckte sie ein.

"Hmpfh!" machte er dann. Und Reafer wusste, was das hieß: 'Blödes Schaf!'.

Sie griente ihn schief und kleinlaut an und wünschte sich, er würde sie in den Arm nehmen.

Genau das machte er.

"So! Und jetzt lass' endlich deine Story ab!" forderte er. "Was sind das für komische Eisenbeißer?!"

Reafer antwortete nicht sofort. In ihrem Hirn und Gesicht arbeitete es. Endlich rang sie sich zu einer Antwort durch und knurrte: "Es sind... Landsleute von mir."

"Hmpfh! 'Feine' Landsleute, muss ich schon sagen! — Und wo gehört ihr alle hin? Amerikaner seid ihr ja wohl nich... So plemplem wie ihr sind selbst die nich!"

Kopfschütteln. Abwinken.

"Na gut! Denn behalt's eben für dich! Aber was haben die gegen dich? Deine... 'Landsleute'?"

Reafer zuckte die Achseln, sah ihn vage an. "Die? — Persönlich gar nix!" erklärte sie galgenhumorig, und großartig fügte sie hinzu: "Das sind so... menschliche 'Jagdmaschinen'... die bloß ihren Job machen!"

Das war dem sachlich-praktischen Rhyan zu viel Großartigkeit und zu wenig Information. "Hör bloß auf, solche Kalendersprüche zu dreschen! — W a r u m , konkret, sind die hinter dir her? W a s haste ausgefressen?!"