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Nr. 2911

 

Riss im Lügennetz

 

Am Abgrund der Altvorderen – sie suchen Erkenntnis jenseits des Heroldischen Gewölles

 

Robert Corvus

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

 

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1. Vertrauen

2. Augenweide

3. Kaverne

4. Tochterliebe

5. Schuld

6. Befehl

7. Gewölle

8. Soldaten

9. Hangeln

10. Landung

11. Ortung

12. Abgrund

13. Spuren

14. Relikte

15. Leben

16. Forscher

17. Blockade

18. Schleier

19. Widerstand

20. Anbahnung

21. Gewaltschlag

22. Erstkontakt

23. Zeuge

24. Zuflucht

25. Verfolgung

26. Paratrans-Sender

27. Angriff

28. Gefecht

29. Vorstoß

30. Transmission

Leserkontaktseite

Glossar

Risszeichnung Space-Jet der REMUS-Klasse

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

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Wir schreiben das Jahr 1551 NGZ, gut dreitausend Jahre vom 21. Jahrhundert alter Zeitrechnung entfernt. Nach großen Umwälzungen in der Milchstraße haben sich die Verhältnisse zwischen den unterschiedlichen Sternenreichen beruhigt; im Großen und Ganzen herrscht Frieden.

Vor allem die von Menschen bewohnten Planeten und Monde streben eine positive Zukunft an. Tausende von Welten haben sich zur Liga Freier Galaktiker zusammengeschlossen, in der auch Wesen mitwirken, die man in früheren Jahren als »nichtmenschlich« bezeichnet hätte.

Trotz aller Spannungen, die nach wie vor bestehen: Perry Rhodans Vision, die Galaxis in eine Sterneninsel ohne Kriege zu verwandeln, scheint sich langsam zu verwirklichen. Man knüpft sogar vermehrt Kontakte zu anderen Galaxien. Gegenwärtig befindet sich Rhodan selbst im Goldenen Reich der Thoogondu, die ebenfalls eine Beziehung zur Milchstraße aufbauen wollen.

Die Thoogondu waren einst ein erwähltes Volk von ES, ehe die Superintelligenz sie aus der Milchstraße verbannte. Nun herrschen sie in der fernen Galaxis Sevcooris und freuen sich über ES' Verschwinden. Geheimnisse umgeben die Thoogondu, aber sie sind nicht fassbar. Auf seiner Reise ins Reich der Soprassiden bemerkt Perry Rhodan jedoch einen RISS IM LÜGENNETZ ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Perry Rhodan – Der Unsterbliche begibt sich auf die Suche nach Antworten und entdeckt Überraschendes.

Penelope Assid – Die Xenosemiotikerin wird durch das Gewölle geführt und erhält erstaunliche Einblicke.

Shuuli – Die junge Thoogondu begibt sich ins Feuer und erhält eine Aufgabe.

Ptaranor – Der Oberst wird auf eine Suche geschickt und entdeckt ein bekanntes Gesicht in seiner Begleitung.

1.

Vertrauen

 

Sind wir den Soprassiden in die Falle gegangen? Perry Rhodan spürte, wie sich seine Poren öffneten. Wir sind wehrlos.

Der Gedanke, sich im Inneren fester Materie aufzuhalten, hatte etwas Beunruhigendes. Was geschähe, wenn er plötzlich in den Einsteinraum zurückfiele – vielleicht, weil Dussudh den Griff um Rhodans Hand löste? Würden die Atome seines Körpers denselben Raum beanspruchen wie die des Gesteins? Selbst wenn sie dieses verdrängten, wäre Rhodan im Fels eingeschlossen.

Seine Sinne versuchten mit fragwürdigem Erfolg, die Umgebung zu erfassen. Der SERUN erwies sich als vollkommen nutzlos. Rhodan sah die Helmanzeigen nicht. Er sah noch nicht einmal das Visier, und er spürte den Anzug nicht. Vielleicht hätte er ihn ansprechen können, aber der Versuch kam ihm sinnlos vor. Er musste sich in einer verschobenen Daseinsebene befinden. Sensoren konnten nicht vermessen, was er dort erlebte.

Er fühlte sich nackt, weil er keine Kleidung auf der Haut spürte. Die Hand des kleinen Soprassiden, die seine Rechte gefasst hielt, fühlte er jedoch. Er war Dussudhs Weggast, der Mutant führte ihn durch das Gestein. In gewisser Weise entstofflichte er sich und seinen Begleiter, überwand die Felswand und würde hoffentlich dafür sorgen, dass sie auf der anderen Seite wieder feste Gestalt annähmen.

Eine Art Teleportation, aber nicht zeitverlustfrei, und Perry Rhodan hatte das Gefühl, während des Transfers zu gehen. Eine Semiteleportation. Ob er wohl in den Dimensionen von Länge, Höhe und Breite tatsächlich die Strecke zurücklegte, die er mit seinen Schritten abmaß?

Wenn das Gestein der Wand, vor der Rhodan gerade noch gestanden hatte, keinen Widerstand mehr bildete, wieso sanken er und der Soprasside dann nicht immer tiefer in den Boden ein?

Vielleicht tun wir das ja. Rhodan hatte keine Möglichkeit, das zu überprüfen. Er spürte die Hand des Soprassiden, dieses vierbeinigen Wesens, das einer Mischung aus Mensch und Spinne ähnelte. Zugleich hatte er das Gefühl, in eine bestimmte Richtung gezogen zu werden, nicht nur an der Hand, sondern als wäre er ein Fisch in einem Netz, das jemand einholte. Dazu passte der Widerstand, gegen den er sich zu bewegen glaubte. Als handelte es sich bei dem Felsen um eine Flüssigkeit, durch die er schritt.

Rhodans Sehnerven übermittelten den Eindruck von Wirbeln. Anfangs waren sie nur grau und schwarz, nun mischten sich immer mehr Rottöne hinein. Strudel, Wellen ... Alles Einbildung.

Oder?

Da ich mich durch massiven Fels bewege, müsste sich die Materie direkt vor meinen Augäpfeln befinden. Ohne einen Minimalabstand dürfte ich nichts sehen. Aber er sah sogar, wenn er die Lider geschlossen hielt.

Dussudh bewegte ab und zu die Finger, machte jedoch keine Anstalten, loszulassen. Beständig zog er Rhodan weiter durch den Fels.

Sie haben keinen Grund, uns zu schaden. Wir haben ihnen geholfen, so gut wir konnten.

Das Zeitgefühl verwischte. Rhodan wusste nicht, ob er sich seit einer Minute oder einer Stunde mit Dussudh durch den Fels bewegte.

Sollte er die Schritte zählen?

Aber wozu? Er hatte keine Handlungsoptionen. Er musste dem soprassidischen Mutanten vertrauen.

Ob sein Atem wirklich Sauerstoff in die Lungen holte? Woher sollte er in einer teilentstofflichten Dimension wohl kommen?

Rhodan vermutete, dass es sich um eine Instinkthandlung seines Körpers handelte.

Allmählich verloren die Strudel und Wellen ihre gebogenen Formen. Sie bewegten sich noch immer, wurden aber kantiger, und sie drückten in einer einheitlichen Tendenz aufwärts. Das fand eine Entsprechung in Rhodans Körper: Ihm war es angenehm, den Kopf zu beugen und die Schultern nach vorne zu ziehen, als wollte er einen Buckel machen, wie die Thoogondu es oft taten. Als strebte er danach, seine Schulterblätter möglichst weit nach oben zu drücken.

Wie ein Berg, der in die Höhe wächst.

Kam diese Assoziation zufällig? Oder fühlte er sich in den Fels ein?

Nun hörte er ein Knistern, ein entferntes Knacken ... Wie von harten Brocken, die gegeneinander rieben, rissen, zerbrachen. Gestein, das aufwärts drängte, wie Pflanzen dem Licht entgegenstrebten, miteinander ringend ...

Ob Rhodans Mentalstabilisierung ihn davor bewahrte, sich in diesen Eindrücken zu verlieren?

Ich bin in der Galaxis Sevcooris, rekapitulierte er für sich. Die Thoogondu haben uns gerufen. Ihr Goldenes Reich berät schwächere Zivilisationen, unter anderem die Soprassiden, die weniger als ein Dutzend Planeten besiedelt haben.

Ich befinde mich auf der Soprassiden-Hauptwelt Porass. Die Thoogondu haben den Soprassiden den Frieden gebracht, aber erst nach einem fürchterlichen Krieg, an dessen Ende sie am Abgrund der Vernichtung standen. Der Kontinent Dundozo war eine Strahlenwüste, nun steht hier das Mordmal, um daran zu erinnern. Und gerade, als wir uns hier umgesehen haben, kam es nach Jahrhunderten friedlicher Blüte zu einem neuen Atomschlag, ausgehend von den Orbitalbatterien.

Wir haben so viele gerettet, wie wir konnten. Und wir sind auf die Mutanten gestoßen, Nachfahren der Opfer von Dundozo, wie Dussudh. Sie behaupten, uns etwas zeigen zu können, das unsere Sichtweise auf das Gondunat verändern würde.

Nicht zum Besseren, vermutete Rhodan, obwohl die Raumschiffe des Goldenen Reiches alles daransetzten, so viele Raketen wie möglich unschädlich zu machen, und die Explosionen eindämmten. Aber er war selbst misstrauisch, was die Thoogondu anging, und hatte deswegen zugestimmt, diese Beweise in Augenschein zu nehmen.

Immerhin hatten die Thoogondu nicht gezögert, eine Sonne, die von bewohnten Planeten umkreist wurde, zur Explosion zu bringen, damit diese Rhodan wie ein Leuchtfeuer nach Sevcooris führte. Wobei simple Koordinaten es ebenso getan hätten.

Und was sollte er davon halten, dass die Thoogondu einst von ES zuerst als auserwähltes Volk behandelt und dann der Milchstraße verwiesen worden waren? Was steckte dahinter? Und wohin würde es führen, nun, da ES seine Mächtigkeitsballung hatte verlassen müssen?

Perry Rhodan roch Steinstaub, aber der Niesreflex, der sich hätte einstellen müssen, wenn wirklich Körner in seine Nase gekommen wären, blieb aus.

Dussudh verharrte, dann zog er in eine andere Richtung.

Ich vertraue ihm. Rhodan folgte.

2.

Augenweide

 

Shuuli starrte auf das elegant geschwungene Glas. Sie wagte nicht, woanders hinzusehen und beobachtete, wie der Servoroboter die silbrigen Kristalle in die rote Flüssigkeit rieseln ließ. Die Maschine war speziell für die Zubereitung von Luooma konstruiert. Man hatte gar nicht erst versucht, ihr das Aussehen eines Thoogondu zu geben. Ihre Basis bildete ein Ellipsoid, das ein Prallfeld generierte, auf dem der Robot hinter der Theke schwebte. Drei mehrgelenkige Arme teilten sich in farblich fein abgestimmte Segmente: gelb, orangefarben, rot und infrarot. Die Aktoren an ihren Enden glänzten silbern. Dieses Gerät war ein Kunstwerk.

Eine Gruppe anderer Thoogondu drängte sich aneinander und rückte instinktiv so dicht heran, dass die Frau ganz links auch zu Shuuli Körperkontakt herstellte. Schließlich stand niemand gerne allein.

Der Robotarm, der die Kristalle in das Glas geschüttet hatte, klappte zurück. Ein anderer schwenkte herüber und tauchte mit dem Quirl in die Flüssigkeit. Eine Scheibe weiter oben am letzten Segment verschloss die Öffnung des Trinkgefäßes. Der Aufsatz wirbelte, augenblicklich schäumte das Luooma auf. Die rosafarbenen Blasen füllten das Glas bis zur Abdeckung.

Der Servoroboter schien zufrieden, er zog seinen Arm zurück, hielt ihn über die Basis, wo sich ein Reinigungsgebläse seiner annahm, und schob das Glas zu Shuuli.

Es sah so filigran aus, dass sie es sehr behutsam mit den vier Fingern und zwei Daumen ihrer rechten Hand anfasste.

»Danke«, brachte sie mit Mühe hervor. In der Aufregung fiel ihr das Sprechen schwer, zumal sie sich davor fürchtete, dass ihre zittrige Stimme verraten könnte, dass sie das erste Mal auf einem solchen Ball war.

Die Frau neben ihr schien es dennoch zu bemerken. Sie bedachte sie mit einem abschätzigen Blick vom Ansatz des Knochenpanzers über ihrem Gesicht über die Kette aus wärmeaktiven Edelsteinen und das sorgsam in Falten gelegte tiefrote Kleid bis zu den Spangenschuhen, die Shuuli vor einer Stunde noch elegant gefunden hatte. Mittlerweile überlegte sie, ob sie wohl besser die schwarzen Sandalen angezogen hätte, deren Schnürung bis zu den Knien reichte.

Die Dame schien etwas Ähnliches zu denken. Belustigt zog sie Kopf und Oberkörper zurück, drehte sich zu ihren Freundinnen und tuschelte mit ihnen.

Shuuli legte auch die zweite Hand ans Glas und sah die silbrigen Funken an, die im Getränk wirbelten. Der Schaum fiel allmählich in sich zusammen.

Sie atmete ein, setzte das Luooma an und nahm einen tiefen Zug. Fruchtig-süß spülte die Flüssigkeit durch den Mund und hinterließ angenehme Wärme im Hals.

Sie behielt das halb geleerte Glas in den Händen und drehte sich von der Theke fort. Ich muss es wagen.

Ihr Herz klopfte schneller, heftiger.

Der Festsaal war nur mäßig gefüllt, der Ball der Augenfreuden war offenbar weniger beliebt als die Partys mit vielen wummernden Tanzböden. Dennoch hatte Shuuli genau an diesen Ort gewollt, weil sie hoffte, dass man sie hier eher bemerken würde.

Um ihr Ziel zu erreichen, hatte sie endlose Gespräche mit Hofdamen geführt, die an nichts außer ihrer eigenen Eitelkeit interessiert waren. Um eben dieser zu schmeicheln, hatte sie den Großteil ihrer Ersparnisse in Gastgeschenke gesteckt. Sie hatte sich am Tratsch beteiligt, der wohl wichtigsten Währung in gehobenen Kreisen.

Inzwischen wusste sie alles über Mode, von den Farben, die man auflegte, über Parfum, Schuhe, Kleider. Sie wusste, welche Gesänge derzeit jeder mochte und mit welchen man sich als Exzentrikerin interessant machen konnte. Sie wusste, wie die Künstler hießen, von denen die Bilder stammten, die den Saal zierten.

Am besten gefiel ihr die Darstellung eines Pulsars. Sevaalas Gemälde war mit Heizelementen ausgestattet, die ein An- und Abschwellen nachbildeten, das sich langsam in die umgebende Materiewolke ausdehnte und wieder aus ihr wich.

Aber es kam nicht darauf an, was Shuuli gefiel. Entscheidend war allein, ob sie demjenigen gefiel, mit dem sie sich nun endlich in einem Raum aufhielt: Puoshoor, dem Ghuogondu, dem Sohn des Garanten des Goldenen Reiches.

Ich hätte die Sandalen anziehen sollen. Sie rollte sich ein Stück weit ein, indem sie ihren Rücken beugte. Aber dafür ist es jetzt zu spät. Skeptisch äugte sie in das Glas mit der roten Flüssigkeit. Sollte sie sich noch mehr Mut antrinken?

Eine Frau, die orientierungslos durch die Gegend taumelt, wird ihn kaum bezaubern, dachte sie selbstironisch. Ich bin die Tochter eines Offiziers. Also, herhören, Shuuli: Ich erteile mir jetzt selbst einen Befehl! Vorwärts, Marsch!

Sie löste sich von der Theke und setzte sich in Bewegung.

Puoshoor stand vor dem Aussichtsfenster, das eine komplette Wand des Saals einnahm. Dahinter war der Globus des Planeten Porass zu sehen, den die DAAIDEM umkreiste. Wolkenfelder bildeten weiße Teppiche wie aus gezupfter Wolle. Vereinzelt stießen Berggipfel hindurch. Auf den Kontinenten fiel der großflächige Pflanzenbewuchs auf.

»... stimmt mich wehmütig.«

Die Höflinge, zumeist junge Frauen, standen in drei Gruppen um den Ghuogondu herum und hingen ihm an den Lippen.

»Das Goldene Reich kann die Primitiven unserer Galaxis nur in begrenztem Maß vor der eigenen Torheit bewahren.«

»Und doch vermag man auch im größten Schrecknis noch Schönheit zu finden«, sagte eine Frau, die vor der Aussichtswand ein Gemälde in einem Holoprojektor anfertigte. Es war keine naturalistische Darstellung, und doch erkannte Shuuli sofort, dass sie die Stimmung des Planeten einfing.

Die Dame heizte vier scheibenförmige Bereiche auf. Sie entsprachen klar umgrenzten Arealen aus Staub und Nebel auf dem Kontinent, der nun wieder in Sicht kam.

Ich muss aktiv werden, ermahnte sich Shuuli. Wenn ich nur stumm zwischen den anderen herumstehe, bleibe ich unbemerkt, und meine ganze Mühe wäre vergebens.

»Sind das Prallfelder?«, rief sie viel lauter als beabsichtigt. Sie bot all ihren Willen auf, um sich nicht einzurollen, sondern den Ghuogondu offen anzuschauen.

Puoshoor sah so gut aus!

Sein Gesicht war ein wenig dunkler als bei gewöhnlichen Thoogondu, die Adern schufen Muster auf den Wangen, die an Ferlada-Blätter erinnerten. Er war etwas kleiner als Shuuli, aber nicht so sehr, dass er zu ihr hätte aufsehen müssen. Der Schneider hatte die vielfarbigen Bahnen, aus denen sein Gewand bestand, bestens aufeinander abgestimmt. Sicher fielen sie auch nur scheinbar zufällig, mit genügend Asymmetrie, um ihren Faltenwurf interessant zu gestalten, aber ausreichend Ordnung, um einen derangierten Eindruck zu vermeiden. Schlitze über Brust und Armen gewährten dezente Einblicke.

»Wen haben wir denn da?«, fragte er mit undeutbarem Tonfall.

»Shuuli.« Respektvoll richtete sie sich auf. »Ptaranors Tochter.«

Alle sahen sie an. In Gedanken legte sie sich die Erklärung dafür zurecht, was sie in der Gesellschaft des Ghuogondus zu suchen hatte. Die Namen ihrer Fürsprecher, ihre Empfehlungen ...

Nachdenklich kippte Puoshoor den Kopf schräg. »Ptaranor? Sollte ich ihn kennen?«

Die Malerin löste sich von ihrer Arbeit. »Ein Soldat, wenn ich mich nicht irre.«

»Oberst der Raumlandetruppen!«, rief Shuuli wiederum viel zu laut.

Sie drehte das Luooma in ihren Fingern. Ob das Getränk ihren Stolz befeuerte?

Die Scham über ihr keckes Auftreten vermochte es nicht gänzlich zu überdecken.

»Ein Soldat also.« Puoshoor betrachtete sie nachdenklich. Seine Augen waren schwarz wie Onyx. »Nun«, meinte er gedehnt, »Schönheit hat ihr eigenes Recht, nicht wahr?«

Einige Höflinge lachten leise, aber Shuuli glaubte, auch Ärger herauszuhören.

Der Ghuogondu streckte ihr die Hand entgegen. »Komm her, mein Vögelchen.«

Shuuli fürchtete, die Platten ihres Knochenpanzers müssten unter den Schlägen ihres Herzens erzittern. Sie legte ihre Hand auf seine und folgte seiner Führung, um sich zwischen ihn und die Malerin vor das Fenster zu stellen.

»Wir wurden uns bisher nicht vorgestellt«, bemerkte die Dame eisig. Ihr gelb-weißes, mit einer Goldborte verziertes Kleid war vielfach kunstvoller als das von Shuuli.

»Ich bin Poorda.«

Puoshoors Favoritin, durchzuckte es Shuuli. »Ich bin sehr erfreut, die Bekanntschaft einer solchen Künstlerin zu machen.«

Zustimmend hob Poorda die beiden rechten Daumen.

»Wie du richtig erkannt hast, meine Liebe«, Puoshoor tätschelte ihre Hand, »handelt es sich bei diesen Gebilden um eingegrenzte Atomexplosionen. Leider konnten wir nicht alle Nukleartorpedos abfangen. Aber unsere Beiboote bemühen sich, den Schaden mittels ihrer Fesselfelder so weit wie möglich zu begrenzen.«

Ich muss ihm zeigen, dass ich kein Dummchen bin. »Überfliegen wir gerade Dundozo?«

Überrascht sah er sie an. »Du kennst die Kontinente dieser Welt?«

»Ich dachte mir, dass er es sein muss. Man sieht keine Städte.« Ein planetarer Krieg hatte Dundozo verheert, bevor die Thoogondu den Frieden gebracht hatten.

Amüsiert zog Poorda den Kopf zurück. »Soprassidische Siedlungen erkennt man aus dem All kaum. Die Planetarier errichten keine Gebäude, sondern graben Löcher in den Boden.«

»Lhezz kann man dennoch bemerken«, wandte Puoshoor ein. »Es ist so großflächig, dass man die Verdunkelung und die fehlende Bewaldung sieht.«

Das verärgerte Knirschen von Poordas Knochenplatten entging Shuuli nicht. Ich sollte mir keine so mächtige Feindin machen.

Sie verbat sich den Traum, selbst zur Favoritin des Ghuogondus aufzusteigen. Schon ein Leben am Hof, in seinem Umfeld, wo er sie ab und zu befruchtete, wäre herrlich. All die schönen Kleider ... sicher würde er ihr Schmuck schenken ... Man würde sie mit Neid betrachten. Eine Existenz ohne Sorgen.

»Ist Lhezz die Hauptstadt?«, fragte sie möglichst naiv.

»So ist es, mein Vögelchen.«

Ob er jede neue Bekanntschaft mit Kosenamen bedachte?

Puoshoor sah wieder auf den Planeten. »Die besiedelten Kontinente haben wir natürlich besonders geschützt. Es ist sehr traurig, dass wir dennoch nicht jeden Schaden verhindern konnten! Die Atmosphäre dort unten besteht zu dreiundvierzig Prozent aus Sauerstoff. Und dann diese riesigen Wälder. Die Hitze hat explosionsartige Brände ausgelöst.«

»Das ist ja schrecklich!« Shuuli gab sich Mühe, betroffen zu klingen, aber sie konnte nur daran denken, wie nah sie ihrem Traum war. Jetzt nur keinen Fehler begehen!

Sie drückte sich ein wenig enger an den Ghuogondu.

Noch immer lag ihre Linke auf seiner Hand, in der Rechten hielt sie das halb leere Glas.

Eine aufmerksame Hofdame bemerkte wohl, dass es ihr lästig wurde. Sie huschte heran. »Darf ich dir das abnehmen?«

Dankbar gab sie ihr das Luooma. Sie merkte sich das Gesicht mit den sich mehrfach kreuzenden Adern. Die Höflichkeit dieser Dame war sicher ein Angebot für ein Bündnis, und Freundinnen konnte sie in diesem unbekannten Umfeld dringend gebrauchen. Keine kluge Thoogondu geht allein.

»Dieser Abend hat so wunderschön begonnen, doch jetzt bin ich betrübt«, gestand Puoshoor. »Irgendwo dort unten befindet sich Perry Rhodan, an dem meinem Vater so viel liegt. Ein Unsterblicher aus der Milchstraße, mit dem er ein wegweisendes Bündnis einzugehen wünscht. Ich bin voll der Sorge darüber, dass ihm etwas zugestoßen sein könnte.«

Selbstverständlich hatte Shuuli von dem Terraner gehört. Schließlich hatte der Gondu ihn persönlich empfangen, und auch an Bord der DAAIDEM war er mitgereist.

»Ich habe versucht, ihn anzufunken«, fuhr Puoshoor fort. »Das erwartet man von mir. Ich bin der Ghuogondu, ich muss die Interessen des Reiches wahren. Diese Bürde habe ich mir nicht ausgesucht. Sie lastet durch Geburt auf mir.«

»Nicht mehr lange«, tröstete Poorda.

Jeder wusste von Puoshoors verwegen vorgetragener Bedingung, nur dann als Ghuogondu zu fungieren, wenn diese Last nach einunddreißig Jahren an seine Zwillingsschwester Puorengir überginge. Drei weitere Jahre trennten ihn derzeit von seiner Freiheit.

»Hat man denn Perry Rhodans Leiche gefunden?«, erkundigte sich Shuuli.