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Nr. 2912

 

Der letzte Galakt-Transferer

 

Im Sturm des Pulsars – sie jagen den Jäger

 

Robert Corvus

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

 

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1. Ankunft

2. Krieg

3. Opfer

4. Arzt

5. Kommandant

6. Planung

7. Bedenken

8. Kampfmittel

9. Schattenblumen

10. Rettung

11. Kontakt

12. Geschenk

13. Langer Streit

14. Gefangener

15. Namenlos

16. Terraner

17. Imperium

18. Plan

19. Fehler

20. Schacht

21. Idiotie

22. Hyperfunkraum

23. Kapitulation

24. Wanderer

25. Flucht

26. Hilfe

27. Zelle

Leseprobe PR NEO 150 – Rüdiger Schäfer – Sprung nach Andromeda

Vorwort

1. 1. November 2054

2. 12. November 2054

3. 18. November 2054

Gespannt darauf, wie es weitergeht?

Leserkontaktseite

Glossar

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

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Wir schreiben das Jahr 1551 NGZ, gut dreitausend Jahre vom 21. Jahrhundert alter Zeitrechnung entfernt. Nach großen Umwälzungen in der Milchstraße haben sich die Verhältnisse zwischen den unterschiedlichen Sternenreichen beruhigt; im Großen und Ganzen herrscht Frieden.

Vor allem die von Menschen bewohnten Planeten und Monde streben eine positive Zukunft an. Tausende von Welten haben sich zur Liga Freier Galaktiker zusammengeschlossen, in der auch Wesen mitwirken, die man in früheren Jahren als »nichtmenschlich« bezeichnet hätte.

Trotz aller Spannungen, die nach wie vor bestehen: Perry Rhodans Vision, die Galaxis in eine Sterneninsel ohne Kriege zu verwandeln, scheint sich langsam zu verwirklichen. Man knüpft sogar vermehrt Kontakte zu anderen Galaxien. Gegenwärtig befindet sich Rhodan selbst im Goldenen Reich der Thoogondu, die ebenfalls eine Beziehung zur Milchstraße aufbauen wollen.

Die Thoogondu waren einst ein erwähltes Volk von ES, ehe die Superintelligenz sie aus der Milchstraße verbannte. Nun herrschen sie in der fernen Galaxis Sevcooris und freuen sich über ES' Verschwinden. Geheimnisse umgeben die Thoogondu, über die wahrscheinlich die Terroristen der Galaxis, die Vanteneuer, mehr wissen. Ihre Zuflucht ist DER LETZTE GALAKT-TRANSFERER ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Perry Rhodan – Der Terraner muss abwägen, welche Mittel er gutheißen kann.

Penelope Assid – Die Xenosemiotikerin muss sich mit einer gar nicht so fremden Psyche befassen.

Gi Barr – Der Gäone kämpft mit allen infrage kommenden Mitteln.

1.

Ankunft

 

»Perry! Perry, wach auf! Wir müssen ...«

Donner übertönte den letzten Teil des Satzes, etwas schlug gegen das Schirmfeld von Perry Rhodans SERUN. Die transparente Anzeige auf der Innenseite des Helms meldete den Aufprall von 67 kleinen Objekten. Sie waren sehr heiß, vermutlich Tropfen glutflüssigen Metalls, Streueffekte eines Strahlertreffers.

Durch das Visier sah Rhodan eine massige, über ihn gebeugte Gestalt, ebenfalls in einen SERUN gekleidet. Die Anzüge mussten ihre Schirmfelder gekoppelt haben, sonst hätte der Mann nicht Rhodans Schulter greifen und daran rütteln können. Mit der anderen Hand zielte er auf etwas, das sich außerhalb des Sichtfelds befand, und schoss. Die Waffe war auf Thermostrahlmodus geschaltet, wie die Helmsensoren verrieten.

»Wir müssen raus aus dem Schussfeld!«, rief der Mann. »Hier sind wir leichte Ziele!«

Ein direkter Treffer bestätigte diese Analyse. Die verbundenen Schirme gleißten auf, als sie die Energie abstrahlten.

Rhodan lag auf dem Rücken, und der Mann, der ihn schützte, war Báron Danhuser, der Raumlandesoldat im Team. Danhuser war jemand, mit dem man sich lieber nicht anlegte. Er stammte von Oxtorne, einer Extremwelt, an die seine Konstitution angepasst war. Die Muskeln seines kantigen Körpers waren auf 4,8-fache Erdschwerkraft ausgelegt, die Robustheit seines Skeletts hielt dem Vergleich mit Stahlplast stand, und die Haut konnte sogar Thermostrahlern widerstehen. Theoretisch zumindest.

Rhodan verspürte kein Verlangen, herauszufinden, was wirklich geschah, wenn die Schirme zusammenbrachen. Er rollte über die Seite in eine kniende Position und zog mit einer fließenden Bewegung seine Waffe. »Lage?«

»Heißer Empfang!«

Etwas explodierte in einem Lichtblitz. Das Helmvisier kompensierte zwar viel, dennoch überstrahlte der Rest die Umgebung, sodass sich Rhodan erst orientieren konnte, als er verdämmerte.

Er kniete auf einer runden Plattform, deren Rand nach innen gebogene Säulen zu drei Vierteln einfassten. Das musste die Gegenstation des Transmitters sein, den sie auf Porass benutzt hatten.

Demnach waren sie auf dem letzten intergalaktisch flugfähigen Raumschiff angekommen, das den Vanteneuern geblieben war. Dafür sprach auch, dass sich die Plattform in einem weiten Saal befand. In der hohen Decke gaben Bänder aus hellblauem und grauem Kunststoff Licht ab. Mit ihren Windungen ähnelten sie Flüssen, folgten aber nicht den Vertiefungen im vielfach gewölbten Untergrund.

In manchen Bereichen glich dieser erstarrten Wellen, an anderen Stellen taten sich weite Öffnungen zwischen geschwungenen Rippen auf. Die Umgebung machte einen hochtechnischen, beinahe sterilen Eindruck, wobei die Architekten sowohl gerade Linien als auch durchgängige Wände vermieden hatten. Rhodans SERUN maß Sichtlinien bis zu einhundert Metern, selbst wenn man in den meisten Richtungen bereits nach einem Viertel dieser Distanz auf ein Hindernis traf.

Die unverbundenen, aber zahlreich aufragenden Wandelemente, die nur selten die Decke erreichten, ähnelten einer Mischung aus Wald und Labyrinth. Damit boten sie gute Deckung für die Gegner, in deren Feuer sich die Neuankömmlinge wiederfanden.

Einer der Thoogondu nutzte diesen Vorteil jedoch nicht. Er stand vorgebeugt, als wollte er sein Strahlengewehr umarmen. Das helle, von blauen Adern durchzogene Gesicht lag beinahe auf dem Lauf, der auf Danhuser zeigte.

Rhodan kam dem Schuss zuvor, indem er selbst feuerte.

Die Luft flirrte über dem Thermostrahl. Rhodan erwartete, das Leuchten eines Individualschirms zu sehen, aber die Energie durchdrang den Thoogondu widerstandslos, traf die Wand hinter ihm und schuf einen rot glühenden Fleck auf dem grauen Material.

»Holoprojektionen!«, rief Danhuser. »Die meisten von ihnen.«

Die Sensordaten des SERUNS zeigten dort, wo Rhodan den Thoogondu sah, Masse und Wärmeabstrahlung. Es handelte sich um mehr als ein rein optisches Trugbild.

Irgendwo steckte auch ein echter Gegner. Ein Roboter, der aus zwei übereinanderliegenden Scheiben bestand, explodierte. Die Wucht warf ihn aus der Flugbahn, die Trümmer prallten auf das Podest.

Rhodan erinnerte sich an die Gestalt, die im letzten Moment in den Abstrahlbereich des Paratrans-Senders gesprungen war. »Ein Gäone?«

»Das nehme ich an«, bestätigte Danhuser. »Habe ihn aber auch noch nicht klar zu Gesicht bekommen.«

Es war wohl nur der oxtornischen Physis zu verdanken, dass Danhuser überhaupt schon wach war, schließlich hatte der Transport trotz des Zellaktivators sogar Rhodan das Bewusstsein genommen.

Penelope Assid und Dean Tunbridge, die beiden anderen Terraner im Team, lagen reglos auf dem Boden. Auch ihre SERUNS befanden sich im Schutzmodus, die Helme waren geschlossen. Um sie zeichneten schwarze Brandspuren den Kunststoff, an einigen Stellen war dieser aufgeschäumt und sofort wieder erstarrt. Penelopes lange, schlanke Gestalt steckte in einem lilafarbenen staubbedeckten SERUN-SR. Tunbridge wirkte trotz seines durchtrainierten Körpers gedrungener, weil er ungewöhnlich klein war.

Eine Granate detonierte zwischen den beiden. Die Schirme leuchteten gelb auf.

»Wir müssen unsere Leute in Sicherheit bringen!«, rief Rhodan. »Auch die Soprassiden!«

»Die haben es schlecht getroffen.«

Rhodan begriff sofort, was Danhuser meinte. Die Ausrüstung ihrer beiden arachnohumanoiden Gefährten lag technisch hinter den SERUNS zurück. Obwohl sie sich einige Meter von der Explosion entfernt befanden, waren sie stark betroffen. Ihre ponchoartige Kleidung brannte.

Rhodan eilte zu ihnen. Er aktivierte ein Isolationsfeld, um den Flammen den Sauerstoff zu entziehen. Aus der Nähe sah er, dass ein Riss in Osspraths Panzer klaffte. Eine hellgelbe Flüssigkeit sickerte aus der Wunde. Exoskelette hielten viele Verletzungen ab, aber wenn sie einmal durchbrochen waren, konnte es schnell kritisch werden, weil die innere Struktur oft wenig widerstandsfähig war.

Eine weitere Granate explodierte, diesmal ein direkter Treffer auf Penelopes Schirm. Ein Teil der Energie wurde abgestrahlt, der Rest reflektiert.

Rhodan warf sich vor den verletzten Ossprath. Sein eigener Individualschirm flammte auf.

Träge regte sich der Soprasside. Der Oberkörper beugte sich zurück, die vier Arme zuckten, aber die beiden Doppelaugen blieben geschlossen. Die gelbliche Körperflüssigkeit bildete eine Lache unter dem Körper.

Rhodan erweiterte den Schirm um Ossprath herum und drückte die letzten Flammen an seiner Kleidung aus. Sie waren nicht heiß genug, um dem SERUN gefährlich zu werden. Er desaktivierte das Isolationsfeld, damit der soprassidische Raumfahrer nicht erstickte. Die letzten Brände schienen nicht mehr lebensbedrohlich. Trotzdem musste er dringend in eine Krankenstation.

Danhuser trug Tunbridge und Penelope zugleich zum Rand der Plattform. Mit den beiden unter den Armen sprang er über den vom Beschuss aufgerissenen Boden. Sein Schirm leuchtete auf, die Luft flimmerte.

»SERUN! Strahlenkanal erfassen und Ursprung berechnen!«, befahl Rhodan.

Die Anzugpositronik blendete eine goldene Linie auf dem Visier ein. Sie ging von Danhuser aus und fächerte mit zunehmender Entfernung von ihm auf, weil die Unsicherheit der Daten einen Wahrscheinlichkeitstrichter schuf.

Die Markierung verlief unter zwei schwebenden Robotern hindurch und neben einem Vanteneuer her, der offenbar ebenfalls noch bewusstlos war. An der aus Metallringen bestehenden Kleidung des krebsroten Wesens, das statt eines Kopfes ein halbkugelförmiges Sinnesorgan besaß, das ohne Hals aus dem Rumpf wuchs, erkannte Rhodan Ea-Eaveud. Jener hatte sie an diesen Ort geführt.

Holos von Thoogondu erschienen aus dem Nichts und verschwanden spurlos wieder. Die Phantome aus Licht rissen Waffen in Anschlag, schrien und taten alles, um die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Einige der Diskusroboter feuerten auf sie, trafen aber nur die Einrichtung des Raumschiffs. Die Detonationen schufen größeres Chaos als die Simulationen.

Offenbar schützten die beiden Roboter Ea-Eaveud, ein Schutzschirm hüllte ihn ein, als ein Thermostrahl auftraf.

»Neue Strahlenbahn in Berechnung einbeziehen!«, befahl Rhodan. »Annahme: nur ein Angreifer.«

Die Positronik des SERUNS erfasste die durch den Schuss erhitzte Luft und extrapolierte den Strahlenkanal. Sein Ursprung lag zehn Meter versetzt von jenem des ersten Angriffs, aber das mochte ein Stellungswechsel des Gäonen erklären.

Rhodan stellte seine Waffe auf Fächerwirkung und schoss grob in die Richtung. Dadurch erfasste er auch einen der Roboter, aber der Strahl war zu schwach, um den Schirm der Maschine zu durchdringen. Er erhitzte allerdings Säulen und Wandelemente ... abgesehen von einem etwa menschengroßen Flecken. Dort musste sich der unsichtbare Gegner befinden, sein Kampfanzug fing die Energie ab!

Rhodan fokussierte den Strahl und schnitt gezielter durch das Gebiet.

Er glaubte, dass er traf, aber eine seltsame Wahrnehmung benebelte seine Aufmerksamkeit. Es schien, als schrumpfte er. Alles zog sich in die Länge, das wellenförmige, etwa fünf Meter breite Wandelement, vor dem er den Gegner vermutete, schien sich zu entfernen und gleichzeitig zu verbreitern. Ihm wurde schwindelig. Das Licht wechselte ins Grünliche.

Noch immer kniete Rhodan neben Ossprath. Er stützte sich mit einer Hand auf und stellte den Beschuss ein. Unter den gegebenen Umständen war das Risiko zu hoch, einen Gefährten zu treffen.

Die Umgebung normalisierte sich, dehnte sich dann aber wieder, als wäre sie elastisch. Rhodans Arm schien sich zu verlängern, die Hand wirkte wie mehrere Meter entfernt.

Ein Schwindelgefühl überkam ihn. Er sah sich um. Die Decke, die gebogenen Säulen, der Boden, die Wandelemente, sogar die Diskusroboter – alles erschien wie hinter einer bewegten Wasserwand, die den Blick verzerrte.

Doch es währte nur kurz. Wie bei einer Zeichnung auf einer elastischen Membran, die sich nach der Ausdehnung wieder zusammenzog, kehrten auch die Elemente der Umgebung an ihren Platz zurück. Nur die Holografien von Thoogondu blieben verschwunden.

An den Einschussstellen der Thermostrahlen knackte das abkühlende Hartplastik, eine beschädigte Säule gab nach und brach ein. Aber es gab keine weiteren Schüsse.

Vorsichtig richtete sich Rhodan auf. »Alles in Ordnung, Báron?«

»Sieht aus, als hätten wir es überstanden«, funkte Danhuser. »Dean kommt allmählich zu sich. Pen und er sind unverletzt.«

»Das ist gut, aber es gilt nicht für alle.« Er sah auf Osspraths Wunde. Auch eines von Loloccuns vier Beinen war in Mitleidenschaft gezogen, es knickte unterhalb des oberen Knies ab. »Unsere soprassidischen Freunde brauchen dringend medizinische Versorgung.«

2.

Krieg

 

Ungeachtet der geänderten Lage blieb Gi Barrs Missionsziel bestehen. Er musste lediglich sein Vorgehen anpassen.

Der Gäone trug den beschädigten Roboter unter dem linken Arm, die Muskelverstärker seines Kampfanzugs halfen ihm dabei. Trotzdem drohte ihm die sperrige Konstruktion zu entgleiten. Sie bestand aus zwei Scheiben, verbunden durch einen sich in der Mitte stark verengenden Zylinder.

Es war ein besonders kleines Gerät – an der Transmitterplattform hatte sich Barr auch welchen mit bis zu vier Scheiben und einem Durchmesser von zwei Metern gegenübergesehen –, aber den Zweck, den er der Maschine zugedacht hatte, konnte sie dennoch erfüllen. Es musste ihm nur gelingen, sie zu reparieren und umzuprogrammieren. Der Generator für das Abstrahlfeld zwischen den Scheiben war zerstört, aber das spielte keine Rolle. Barr benötigte keine erhöhte Feuerkraft, sondern einen Kundschafter, der ihm einen Überblick verschaffte.

Im Kern bestand die Aufgabe der Soldaten darin, den Willen ihrer Regierung mit Gewalt durchzusetzen. Im Militärwesen ging es um Kontrolle. Also musste Barr seine Desorientierung beseitigen und die Initiative zurückgewinnen. Er musste herausfinden, wohin der Transmitter ihn versetzt hatte.

So unwahrscheinlich es erschien, sprach alles dafür, dass er sich in einer Großstruktur der Terroristen aufhielt. Entweder in einem riesigen Gebäude oder, was die Architektur nahelegte, einem Großraumschiff. Diese Erkenntnis allein war bereits eine Sensation, für die sich Barrs Vorgesetzte zweifellos interessieren würden.

Durch die Tarnfunktion seines Anzugs unsichtbar, durchquerte Barr Hallen und Gänge. Die Konstrukteure hatten offenbar ein gestörtes Verhältnis zu geraden Linien oder überhaupt zu Zweckmäßigkeit. Boden und Decke waren gewellt, die Wände gebogen, und überall taten sich Öffnungen auf. Einige lagen so hoch, dass sie nicht als Durchgänge dienen konnten. Sie förderten allerdings den ständigen Luftzug, der mehrfach Richtung und Stärke wechselte.

Barr hielt inne.

»Yester!«, wandte er sich an die Neurotronik seiner Rüstung. Er hatte ein Schallisolationsfeld um sich gelegt, sodass er seine Stimme nicht zu dämpfen brauchte. »Analysier die Luft nach organischen Komponenten! Samen, Zerfallsprodukte, Sporen ... alles, was darauf hindeuten könnte, dass wir uns in der Atmosphäre eines Planeten befinden.«

»Wahrscheinlichkeit unter sieben Prozent«, meldete sich die ruhige Stimme direkt in seinem Ohr. »Die Biospuren lassen sich beinahe alle auf Vanteneuer oder Elemente zurückführen, die für ihre Ernährung nützlich sind.«

Vanteneuer ... Barr bevorzugte die Bezeichnung Terroristen. Natürlich war ihm klar, dass jedes Volk vielfältige Individuen hervorbrachte. Aber wenn man die Spuren aller Anschläge im Gondunat weit genug zurückverfolgte, traf man so oft auf einen Vanteneuer, dass man ihnen weder das Talent für solche Aktionen noch eine Neigung zu diesen Taten absprechen konnte.

Meist operierten sie in kleinen Gruppen, aber an diesem Ort wimmelte es von ihnen. Barr musste darauf achten, mit keinem der eineinhalb Meter großen Wesen zusammenzustoßen. Ihr Körper war vage humanoid, wenn man vom fehlenden Kopf absah. An seiner Stelle saß ein übergroßes Facettenauge zwischen den Schultern. Nahrung nahmen sie über eine horizontale Öffnung unterhalb des Auges auf, darunter befand sich eine ovale Membran, mit der sie atmeten und sprachen.

Die Kleidung ließ diese Organe ebenso frei wie die beiden Hörlamellen neben der Membran, weswegen die meisten tief ausgeschnittene Tuniken trugen, oftmals in Weiß oder Rosa. Der locker wehende Stoff harmonierte mit der roten Haut. Das Klima schien für sie angenehm zu sein, sie ließen die Arme und Beine oft unbedeckt.

Das Feuergefecht im Transmitterraum sprach sich schnell herum – im Wortsinne. Die Vanteneuer fanden sich zu wechselnden Gruppen zusammen und spekulierten aufgeregt über technische Fehlfunktionen, eine Invasion oder eine Sterneneruption. Seit seiner Transmission war Barr mehreren Hundert Terroristen begegnet.

Während die Roboter – sie schwebten überall, vermutlich auf der Suche nach Barr – mit Antigravmodulen ausgerüstet waren, benutzten die Bewohner Transportbänder, die nicht nur weite Distanzen über die Bodenwellen überwanden, sondern auch steil auf- oder abwärts führten. Die Schwerkraft zog dabei immer zum Band hin, sodass die Vanteneuer sicher darauf standen, sogar wenn sie aus Barrs Perspektive zuweilen waagerecht in der Luft lagen.

Er selbst benutzte diese Bänder vorläufig nicht; zu groß war die Gefahr, sich durch einen Belastungssensor zu verraten. Die Antigravfunktion seines Anzugs setzte er ebenfalls nur sparsam ein. Er wollte die Energievorräte schonen; zudem war die Abschirmung nach dem Gefecht möglicherweise nicht mehr lückenlos, sodass die immer zahlreicheren Roboter die 5-D-Emission hätten messen können.

Also bewegte er sich zu Fuß zwischen den überall aufragenden Wandelementen, wobei er weitgehend eine Richtung beibehielt. Auf diese Weise musste er irgendwann den Rand des Komplexes erreichen, in dem er sich aufhielt, und so weitere Informationen über seine Lage gewinnen.

Barr war allein, aber er war dennoch eine militärische Einheit. Ein Oberstleutnant in der Garde des Garanten war ausgebildet, um isoliert im Feindgebiet zu operieren.

Es brachte sogar Vorteile, ohne Unterstützung zu agieren: Er musste auf niemanden Rücksicht nehmen und sich im Feindgebiet keine Bedenken bezüglich Kollateralschadens machen. An einem Ort wie diesem gab es keine schützenswerten Bürger des Gondunats, geschweige denn eine Schutzperson, die Barrs Fürsorge anvertraut gewesen wäre.

Also war Gi Barr eine Ein-Personen-Einheit im Krieg. So weit war seine Situation klar.

Seine Ausrüstung war beinahe vollständig, nur drei Holobasen hatte er im Gefecht verloren. Die Geräte hatten für Ablenkung durch Darstellungen von angreifenden Thoogondu gesorgt und waren im Feindfeuer zerschmolzen. Aber die anderen waren unbeschädigt zu ihm zurückgekehrt. Er war unverletzt, das Pedgondit seiner Rüstung hatte lediglich ein paar Kratzer abbekommen.

Sorgen machte er sich nur wegen des seltsamen Verzerrungsphänomens, das ihn unvorbereitet getroffen hatte. Scheinbar hatten sich die Raumdimensionen gedehnt und wieder zusammengezogen. Nun, da keine unmittelbare Gefahr drohte, befragte er Yester danach.

»Ich errechne eine Wahrscheinlichkeit von 98 Prozent für einen hyperenergetischen Effekt«, meldete die Neurotronik.

»Wo hatte er seinen Ursprung?«

»Unbekannt.«

»Könnte das eine Waffe sein, die Rhodan genutzt hat?«

»Unbekannt.«

Barr sah sich um. Derzeit befanden sich zwar einige Vanteneuer, aber keine Roboter in der Nähe. Er aktivierte seinen Antigrav, um zur Spitze einer gebogenen Säule hinaufzuschweben und sich dort niederzulassen. Den beschädigten Roboter legte er auf den Knien ab.

»Zeig mir die Aufzeichnung von Rhodan während dieses Effekts!«

Das Bild erschien auf seinem Visier. Rhodan hockte vor einem Soprassiden, er stützte sich auf dem Boden ab. Er schien zu zerfließen, als befände er sich hinter einer bewegten Flüssigkeit. Aber das galt für die gesamte Umgebung, Barr erkannte auch bei verlangsamtem Abspielen nicht, dass der Effekt an einem bestimmten Punkt seinen Ursprung genommen hätte. Immerhin konnte er eine Fehlfunktion seiner Sensoren ausschließen, denn seine Gegner zeigten dieselbe Verwirrung, die sich auch seiner bemächtigt hatte.

Barr schwebte wieder hinab und setzte seinen Weg fort.

Er wusste von keinem Vorfall, bei dem die Vanteneuer eine ähnliche Waffe eingesetzt hätten. Das sprach dafür, dass sie dem Arsenal der Besucher aus einer anderen Galaxis entstammte. Aber welchen Zweck verfolgten sie damit? Offenbar schadeten sie sich selbst ebenso wie ihrem Gegner.

Barr stellte diese Überlegung zurück, als er ein Aussichtsdeck erreichte. Ein Dutzend Vanteneuer schwatzte in dem nierenförmigen Saal, eine gebogene und oben nach innen gewölbte Wand war transparent.

»Oder handelt es sich um eine Projektion?«, fragte er die Neurotronik.

»Möglich«, antwortete Yester. »Ich empfehle eine haptische Analyse.«

Barr drückte die Fingerspitzen gegen das glatte Material, hinter dem die Sterne eher zu erahnen als zu sehen waren. Ein wirbelnder, teils ionisierter Nebel verschleierte sie.

»Transplast«, urteilte Yester anhand der mikroskopischen Probe, die Barrs Handschuh entnommen hatte.

»Also vermutlich ein Fenster«, murmelte er. »Kannst du durch die Sternenkonstellation unseren Aufenthaltsort bestimmen?«

Die Neurotronik brauchte fünf Sekunden für ihre Antwort. »Keines der häufiger besuchten Systeme. Für eine genauere Analyse brauche ich eine größere Datenbasis. Ich schlage vor, Katalogdaten per Hyperfunk abzurufen.«

»Negativ«, beschied Barr. Wenn er einen ungerichteten Hyperfunkspruch absetzte, konnte er ebenso gut seine Tarnvorrichtung desaktivieren.

»Neue Ver...«

Wieder spülte der seltsame Effekt über Barr hinweg. Seine ausgestreckte Hand schien sich zu verbreitern, ein leichtes Schwindelgefühl ergriff ihn. Eine halbe Sekunde, dann war es vorüber.

»...rung.«

Er sah sich um. Die Vanteneuer wirkten zwar gestört, sie unterbrachen ihre Gespräche für kurze Zeit, aber überrascht oder gar eingeschüchtert erschienen sie nicht. Eher belästigt. Sie wandten sich wieder ihren Spekulationen über den Vorfall im Transmitterraum zu.

»Das ist keine Waffe«, murmelte Barr. »Hast du verlässliche Messwerte?«

»Ich hatte keine Anweisung, welche zu sammeln.«

»Jetzt hast du sie. Lass deine Sensoren für hyperenergetische Phänomene aktiv.«

»Hier gibt es einen hyperenergetischen Trägerimpuls.«

»Auch in diesem Moment?«, rief Barr überrascht.

»Ja, eine hyperenergetische Fluktuation. Korrektur: mehrere sich überlagernde Effekte.«

Barr sah sich um, entdeckte aber kein Aggregat, das er mit 5-D-Emissionen in Verbindung gebracht hätte. »Ein Funkspruch, den du auffängst?«

»Negativ. Ich habe zu wenige Daten, um den Zweck der Schwingungen zu bestimmen.«

»In Ordnung.« Barr ermahnte sich, den Fokus zu behalten. Er war kein Forscher, sondern ein Soldat, und er hatte eine Mission zu erfüllen. Dazu musste er sich zunächst selbst orientieren, seine Optionen erkunden.

Und er musste den Feind desorientieren. Er suchte sich einen ungestörten Bereich zwischen einigen eng beieinanderstehenden Säulenelementen und machte sich daran, den beschädigten Kampfroboter umzuprogrammieren.

3.

Opfer

 

»Eine hyperenergetische Störfront?«, fragte Perry Rhodan.

»Wir haben das Phänomen so weit gedämpft, dass es harmlos ist«, bestätigte Ea-Eaveud. »Die Nähe zum Pulsar gleicht die Fluktuationen im Hyperboral-Antrieb weitgehend aus.«

»Andere Leute gewöhnen sich an ein Piepen im Ohr«, kommentierte Dean Tunbridge trocken, »und die Bewohner der AN-ANAVEUD finden eben nichts Besonderes mehr an gelegentlichen Verwerfungen der Raumdimensionen.«

Verblüfft schüttelte Rhodan den Kopf. Erstaunlich, womit sich Intelligenzwesen abfinden.

Er stand gemeinsam mit Tunbridge, Danhuser und Ea-Eaveud auf einem Transportband, das sie gerade senkrecht nach oben auf das nächste Deck brachte. Wegen der Schwerkraft, die zum Band hin wirkte, vermittelte der Gleichgewichtssinn allerdings den Eindruck, die Halle mit den gebogenen Streben wäre um neunzig Grad gekippt, und die gut fünfzig Vanteneuer stünden in Gruppen an der Wand. Letztlich war diese Interpretation nicht weniger falsch als jede andere, da sie sich an Bord eines Raumschiffs im Weltraum aufhielten.

Die AN-ANAVEUD kreiste in einem engen Orbit um den Pulsar Oto-Otonnu, innerhalb der Gaswolke aus Sternenmaterial, das dieser abgestoßen hatte, als er zum Neutronenstern geworden war.

Danhuser legte die riesigen Hände an den Instrumentengürtel und pfiff leise vor sich hin. Das tat der Oxtorner oft, wenn er nachdachte. Seine Bassstimme bildete einen Kontrast zu diesen hohen Tönen. »Wenn ich es recht verstehe, ist es pures Glück, dass sich das Schiff hier befand, als die Triebwerke zündeten?«

»So ist es.« Ea-Eaveud stand ganz vorne, sodass er als Erster über die enge Wölbung des Transportbandes geführt wurde, als sie das höhere Deck erreichten.