my_cover_image

images

Inhalt

Altmark

Backstein

Börde

Energie

Eulenspiegel

Film

FKK

Harz

Hochzeit

Irrtümer

Jagd

Kaffee

Karneval

Luther

Mansfelder Land

Meteorologie

Militär

Nahverkehr

Originale

Post

Rads port

Saalekreis

Schätze

Schulen

Schwimmen

Seilbahnen

Seltsame Gesetze

Spielzeug

Sterne

Superhirne

Theater

Trachten

Unstrut-Region

Unternehmer

Wappen

Weihnachten

Zirkus & Rummel

Zucker

Altmark

Aus Sachsen-Anhalts nördlichstem Landstrich stammt mit dem „Garley“–Bier die älteste Produktmarke der Welt. Zudem gibt es in der Altmark die weltweit höchste Konzentration von Hansestädten.

images

images

Die Altmark wird schon seit alters her als „alt“ bezeichnet.

Bereits vor rund 700 Jahren war der geografische Begriff gebräuchlich. Als „Antiqua Marchia“ bezeichnete man aber ursprünglich nur die direkte Umgebung von Stendal. Erst um 1320 kamen dann weitere Gebiete und Orte hinzu. Seitdem gehören auch Tangermünde, Salzwedel, Gardelegen und Osterburg zur Altmark.

images

Brandenburg und das Land Preußen verdanken der Altmark eine Menge.

Der aus der Altmark stammende Reichskanzler Otto von Bismarck sah in seiner Heimat die Wiege Brandenburgs und Preußens. Nicht ganz zu Unrecht: Von der linkselbischen Altmark aus wurde Brandenburg besiedelt und am 3. Oktober 1157 titulierte sich Albrecht der Bär im altmärkischen Werben erstmals selbst als „Markgraf in Brandenburg“.

images

Zu welchem Land die Altmark gehörte, änderte sich in der Geschichte öfter.

Dass die Altmark heute Teil Sachsen-Anhalts ist und nicht des historisch eigentlich näher liegenden Brandenburgs, ist eine Folge des Wiener Kongresses von 1815. Nach dem Ende der napoleonischen Kriege wurden die Grenzen in Europa neu gezogen. Die Altmark ordnete man der preußischen Provinz Sachsen zu und trennte sie so vom „Mutterland“ Mark Brandenburg. Nach der Wende in der DDR gab es 1990 den Plan, die Altmark mit der Brandenburg „wiederzuvereinen“: in einem gemeinsamen Nordost-Staat, der die heutigen Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern, Berlin und Brandenburg umfassen sollte.

images

Unter der Altmark schlummert ein gewaltiger Schatz.

In der Region befindet sich eine der größten Erdgaslagerstätten Europas. Auf einer Fläche von etwa 2.000 Quadratkilometern wurden seit 1968 rund 210 Milliarden Kubikmeter Gas abgepumpt. Auch heute gibt es noch jede Menge fördernswerte Vorkommen. Kein Wunder also, dass in der Altmark auch das tiefste Loch des Bundeslandes ist. Die Bohrung mit dem romantischen Namen „Wittenberge 7Eh/75“ liegt südlich der Elbe bei Wittenberge und damit auf dem Hoheitsgebiet Sachsen-Anhalts. Exakt 5.242 Meter und 50 Zentimeter geht es dort hinab.

images

images

Von wegen gewöhnlich: Aus Chlorella vulgaris wird in Klötze etwas Besonderes.

In der Altmarkgemeinde produziert eine weltweit einmalige Anlage Algen. Ab 1999 wurde auf einer 1,2 Hektar großen Fläche eine gigantische Fabrikationsstätte errichtet. Herzstück ist eine 500 Kilometer lange Glasröhre, in der rund 600.000 Liter Algen wachsen. Das Besondere an der Produktion in Klötze ist die patentierte Glasröhrentechnologie. Während Algen in Südostasien und den USA traditionell in offenen Teichen gezüchtet werden, gelingt der Anbau in Sachsen-Anhalt erstmals unter hervorragenden hygienischen Bedingungen. Bei „Chlorella vulgaris“ („Gewöhnliche Grünalge“) handelt es sich um eine vielseitig einsetzbare Mikroalge, die besonders reich an Chlorophyll und Proteinen ist. Gerade der hohe Eiweißgehalt macht die kleine Wasserpflanze zur großen Wunderpflanze. In den Augen ihrer Befürworter hat sie sogar das Zeug dazu, künftig ein wichtiges Nahrungsmittel zu sein. Bei zunehmender Überbevölkerung auf der Welt könnten Algen die Ernährung vieler Millionen Menschen sicherstellen-nicht nur wegen ihres hohen Energiegehaltes, sondern auch auf Grund ihres enorm schnellen Wachstums. Alle 16 bis 20 Stunden spalten sich Algenzellen in jeweils vier neue auf. Damit ist auf sehr wenig Anbaufläche sehr viel Ertrag möglich. Schon heute dienen die in Klötze geernteten Algen vorrangig zum Essen. In Pulverform werden sie unter anderem nach Frankreich und Malaysia exportiert. In Hilmsen, einem Nachbarort von Klötze, produziert eine Nudelmanufaktur Algennudeln. Sogar das beliebte Waffelbrot „Filinchen“ gibt es mittlerweile in einer altmärkischen Algen-Edition — mit zwei eingebackenen grünen Streifen. Zukunftsmusik ist hingegen noch der Einsatz der Algen bei der Produktion von Biosprit. Der umweltfreundliche Treibstoff ist nicht nur theoretisch aus Algen produzierbar. Apropos umweltfreundlich: Beim Wachsen verbraucht Chlorella vulgaris jede Menge Klimakiller-Gas CO2.

images

images

In der Altmark gibt es das größte Reitroutennetz Europas.

Für Pferde und Menschen, die auf deren Rücken das Glück suchen, ist die Altmark das Paradies auf Erden. Auf insgesamt 1.600 Kilometern Reitwegen kann man sich hier wie im weiten wilden Westen fühlen.

images

Sachsen-Anhalts kleinste Stadt liegt in der Altmark.

Sandau hat zwar nur 948 Einwohner, besitzt aber seit 1272 Stadtrecht. Und damit niemand glaubt, es handele sich bei dem kleinen Elbort um ein–jetzt kommt das böse Wort — „Dorf“, steht auf allen Ortsschildern „Stadt Sandau“. Seit Jahren liefert sich die Gemeinde übrigens ein Kopfan-Kopf-Rennen mit der Stadt Stößen im Burgenlandkreis. Dort leben manchmal noch weniger Menschen als in Sandau. Im Moment sind es aber exakt dreizehn Seelen mehr.

images

In Kalbe werkeln zwei international besonders erfolgreiche Handwerker.

Die Uhrmachermeister Dirk und Dieter Dornblüth produzieren in aufwendiger Handarbeit luxuriöse Armbanduhren. Die Geschichte der gemeinsamen Fabrikation begann 1999 — am 60. Geburtstag des Vaters. Der bekam vom Junior eine selbst entworfene und gebaute Uhr überreicht. Das Geschenk führte zu einem ganz besonderen Geständnis des Jubilars. Was bis zu diesem Zeitpunkt niemand wusste: Vater Dornblüth träumte schon seit exakt 40 Jahren davon, eine eigene Uhrenkollektion zu entwerfen und zu bauen, statt Uhren zu reparieren. Noch auf der Geburtstagsfeier fingen Vater und Sohn mit den Entwürfen für ihre Uhren an. Sie zeichneten sie einfach auf die Servietten der Festtafel. Aus der spontanen Beichte entwickelte sich eine erfolgreiche Geschäftsidee. Die Altmärker verkaufen ihre kostbaren Zeitmesser heute bis nach Japan und in die USA.

images

Backstein

Backsteinbauten prägen vor allem in den nördlichen Landesteilen das Bild vieler Städte und Dörfer. Auch im Landeswappen prangt deutlich sichtbar eine Backsteinmauer.

images

images

Das Wissen und die Technik des Ziegelbrennens brachten Mönche ins Land.

Die Tradition des Ziegeleihandwerks verdankt Sachsen-Anhalt italienischen Mönchen. Sie kamen zu Beginn des 12. Jahrhunderts aus der Lombardei in die Region — nicht um Backsteinhäuser zu bauen, sondern um ihren christlichen Glauben zu verbreiten.

images

Die ältesten Hundespuren Sachsen-Anhalts sind in Backstein verewigt.

Im Kloster Jerichow entdeckten Bauforscher vor nicht allzu langer Zeit einen rund 600 Jahre alten Backstein, auf dem zwei Hundetapsen prangen. Vermutlich ist ein neugieriger Vierbeiner bei der Herstellung unbemerkt in den feuchten Lehm getrampelt.

images

Gleich zwei Backsteinbauten des Landes gehören zu den ältesten nördlich der Alpen.

Lange galt die Klosterkirche in Jerichow als der älteste Backsteinbau nördlich der Alpen. Mit der Errichtung der beeindruckenden Anlage, die an der Straße der Romanik liegt, begann der Prämonstratenser-Orden 1148. Allerdings muss sich Jerichow mittlerweile die Alters-Ehre mit der Stiftskirche St. Nikolaus in Beuster teilen. Durch eine Analyse der verwendeten Holzbalken stellten Bauforscher fest, dass diese Kirche zur selben Zeit entstand. Das verwunderte die Fachleute, denn die erste urkundliche Erwähnung von St. Nikolaus in Beuster erfolgte erst rund einhundert Jahre später, nämlich 1246. Und noch einen Backsteinbau-Altersrekord kann Sachsen-Anhalt für sich verbuchen. Die Burg Anhalt im Selketal, Namenspatronin eines ganzen Landesteils, gilt als erster profaner Backsteinbau Mitteldeutschlands. Profan hat in diesem Fall nichts mit Banalität zu tun, sondern bedeutet lediglich, dass die Burg keine kirchliche Stätte ist. Auftraggeber war Albrecht der Bär, der sie ab 1147 auf den Überresten einer älteren Festung errichten ließ. Viel ist von der einstigen Pracht nicht übrig. Die Burg, die in Größe und Ausstrahlungskraft der Wartburg geglichen haben soll, ist nur noch eine Ruine.

images

images

Friedrich Eduard Hoffmann aus Gröningen erfand den Ringbrennofen.

Aus Gröningen, einem kleinen Ort bei Halberstadt, stammt der wahre Herr der Ringe: Friedrich Eduard Hoffmann (1818–1900) hatte 1858 eine bahnbrechende Idee, die die Ziegelherstellung für immer revolutionierte. Traditionell vollzog sie sich in einem ziemlich ineffektiven, häppchenweisen Prozess. Die Rohziegel kamen in die Brennkammer eines Ofens, der dann angeheizt wurde. Nach dem Brennvorgang ließ man das Feuer ausgehen und entnahm die fertigen Steine. Für diese Brennart benötigte man neben einer Menge Zeit auch eine gehörige Portion Holz und Torf. Erst nach rund 4.000 Jahren Ziegelgeschichte kam der Bauingenieur Hoffmann auf eine geniale Idee: Statt nur in Etappen, könnte man auch kontinuierlich brennen — wie an einem Fließband. Seine technologische Lösung war einfach, aber effektiv. Um den eigentlichen Ofen platzierte Hoffmann ringförmig einzeln beschickbare Brennkammern. Damit konnte nun ohne Unterbrechung Tag und Nacht gebrannt werden. Das sparte jede Menge Zeit und Energie und steigerte die Produktionsmenge enorm. Allein das Brennmaterial reduzierte sich um die Hälfte. Trotz zahlreicher konservativer Kritik an Hoffmanns Ringofen (Motto: „Wir haben das doch immer anders gemacht!“), setzte sich sein System rasant durch. Nur zehn Jahre nach der Erfindung produzierten weltweit 377 Anlagen Hoffmannscher Bauart.

images

images

images

Die größten Dachziegel der Welt kommen aus Sachsen-Anhalt.

In Groß Ammensleben im Landkreis Börde entsteht-ganz traditionell aus heimischem Ton-der Großflächenziegel „DS 5“. Er ist etwa dreimal so groß wie Otto-Normalziegel und verspricht Bauherren eine deutliche Kostenersparnis, da das Eindecken eines Daches mit ihm sehr viel schneller geht. Auch die Herstellung der Maxi-Dachsteine ist vorbildlich. In einer der modernsten Ziegelfabriken Europas werden sie besonders umweltfreundlich produziert. Weil die Produktion nachhaltig und sparsam mit den Ressourcen Wasser, Luft und Energie umgeht, darf sich die Firma mit dem vom Land verliehenen Prädikat „besonders umweltverträgliche Produktion“ schmücken.

images

images

Zwei historische Ziegeleien zeugen vom Handwerk der Backstein–Herstellung.

Einen echten Superlativ bietet die Alte Ziegelei in Westeregeln. Dort können Besucher den längsten erhaltenen Ringofen Europas besichtigen. 1894 gebaut und 1936 erweitert, umfasst er 28 Einzelbrennkammern. Sie sind in einem ovalen Ring Hoffmanscher Bauart angeordnet und kommen zusammen auf eine Länge von 122 Metern. Das ist Platz genug für 250.000 Ziegelsteine. Bis 1991 wurden in Westeregeln jährlich über 3 Millionen Ziegel produziert. Heute engagiert sich ein Verein dafür, dass das technische Denkmal erhalten bleibt. Auch in Hundisburg gibt es eine historische Museumsziegelei. Anfassen ist dort ausdrücklich erlaubt. Die Hundisburger fertigen noch in Handarbeit Backsteine. Die werden vor allem bei denkmalgerechten Rekonstruktionen gebraucht.

images

Börde

Genau festgelegte Grenzen hat die Magdeburger Börde nicht. Trotzdem ist die zentral gelegene Region ein ganz eigener Kulturraum, der dem Zuckerrübenanbau viel verdankt.

images

images

Warum die Magdeburger Börde eigentlich „Börde“ heißt, ist bis heute unklar.

Zwei Erklärungen haben sich Experten zurechtgelegt. Welche von beiden die historische Tatsache besser trifft, ist nur schwer zu entscheiden. Variante Nummer eins leitet den Begriff „Börde“ von „Bürde“ ab und glaubt darin die frühere Einteilung in Gerichts– oder Finanzbezirke zu erkennen. Variante zwei bezieht „Börde“ hingegen auf das plattdeutsche Verb „bören“. Das bezeichnet die bäuerliche Arbeit auf dem Feld. Was bekanntlich genauso eine Bürde sein kann wie Steuern zu zahlen.

images

In der Börde wurde ursprünglich platt gesprochen.

Noch bis zur Jahrhundertwende war Niederdeutsch in der Magdeburger Börde vorherrschend. Ab 1900 wurde der Dialekt im Alltag weitgehend verdrängt. Die Ursachen sind vielfältig. Anfänglich lag es vor allem an der Verstädterung des Lebens. Platt zu sprechen war nicht mehr schicklich. Beschleunigt wurde das Verschwinden durch elektronische Medien wie Radio und Fernsehen und die Ansiedlung von Flüchtlingen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten nach dem Zweiten Weltkrieg.

images

In der Magdeburger Börde liegen die fruchtbarsten Böden der Bundesrepublik.

„Schuld“ an der Hinterlassenschaft ist die Eiszeit. Nachdem die skandinavischen Eismassen die Gegend flach gehobelt und sich anschließend wieder verzogen hatten, wehte der Wind über einen langen Zeitraum die fruchtbare Erde heran. In Eickendorf gaben sich die Luftströme besonders viel Mühe, denn dort sammelten sie den fruchtbarsten Boden an. Das stellten zumindest Untersuchungen in den 1930er Jahren fest. Fortan musste sich jeder andere deutsche Acker an ihm messen lassen. Für die Eickendorfer Scholle setzte man die Bodenwertzahl 100 fest-als unbe stechlicher Vergleichsmaßstab und Grundlage für die Besteuerung. Allerdings gibt es einen kleinen Wermutstrop fen für die Landwirtschaft: Die Mag deburger Börde liegt im Regenschatten des Harzes. Sie ist eine der trockensten Gegenden Deutschlands.

images

Schwaneberg und Altenweddingen waren das Zentrum des Mais-Booms.

„Genossen! Mais, das ist die Wurst am Stengel!“ Mit dieser merkwürdigen Definition schockte der sowjetische Staatschef Nikita Chrustschow 1957 den ein oder anderen Vegetarier. Gesprochen wurden die weisen Worte überraschend, aber nicht zufällig, bei einem Besuch des Genossen im Volkseigenen Gut Schwaneberg/Altenweddingen. Das galt unter seinem Leiter Otto Strube als „Akadamie des Maisanbaus“ in der DDR. Zusammen mit sowjetischen Wissenschaftlern verschrieben sich Strube und seine Mitarbeiter ganz dem Anbau der energiereichen Pflanze. Man lieferte sich sogar mit der Kolchose aus Chrustschows Heimatdorf Kalinowka einen Wettstreit um die beste Züchtung. Die „Stengelwurst“-Worte lösten in der DDR eine wahre Mais-Euphorie aus. Überall wurden Maiskonferenzen abgehalten und auf Demonstrationen übermenschlich große Pappmaschee-Maiskolben mitgeschleppt. Sogar ein Maislied gab es: „Der Mais, wie jeder weiß, das ist ein strammer Bengel, das ist die Wurst am Stengel, und wer den besten Mais anbaut, das ist ein kluger Mann, weil er in die Zukunft schaut, und die fängt gerade an.“

images

In Hessen bei Osterwieck wird schon lange am selben Ort gebechert.

In der kleinen Gemeinde am äußersten Rand der Magdeburger Börde befindet sich die älteste Gaststätte Sachsen-Anhalts. Mindestens seit 1395 werden im Gasthaus „Zur Weinschenke“ Einkehrende bewirtet. Eine Urkunde aus jenem Jahr erwähnt eine bereits vorhandene Schenke. Seit 1847 befindet sich das Etablissement, das auch Übernachtungsmöglichkeiten anbietet, ununterbrochen im Besitz einer Familie. Mittlerweile in der fünften Generation. Sie fühlt sich immer noch dem Pachtvertrag von 1847 verpflichtet, der dringend vorschrieb, das den Gästen „gute Speise und unverfälschtes Getränk, gute Betten und möglichste Reinlichkeit in allen Stücken“ zu bieten sei.

images

images

Im Dorf Hornhausen bei Oschersleben sprudelten Wunderbrunnen.

Ein Kupferstich aus dem Jahr 1646 zeigt einen unglaublichen Menschenauflauf im kleinen Dorf Hornhausen. Tausende drängeln sich um kleine fahrbare Buden. Dicht gedrängt stehen sie an, um einen Schluck Wasser aus einem der zwanzig Brunnen des Ortes zu ergattern-und vielleicht sogar darin zu baden. Die Hornhauser Quellen gelten Zeitgenossen als Heil– und Wunderbrunnen. Bücher und Flugschriften künden in nah und fern von unglaublichen, durch sie bewirkte Heilungsgeschichten. So würde ein „alter Mann, der sonst wegen blöden Gesichts die Brille brauchen müsste, […] jetzo besser sehen als zuvor“ und eine „Magd, die nicht mehr hören könne, auch den Glockenklang nicht, […] nun alles besser höre als zuvor.“ Kein Wunder also, dass Hornhausen bald ein begehrtes Reiseziel von Blinden, Lahmen und Tauben ist. Auch adlige Prominenz aus ganz Europa sucht hier Hilfe.

images

Einem Tischler aus Wanzleben gebührt ewiger Dank.

Carl Zander (1847–1922) erfand 1883 in Wanzleben, der heimlichen Hauptstadt der Börde, den Ausziehtisch. Der innovative Tischlermeister taufte ihn „Coulissentisch“ und bekam dafür vom Kaiserlichen Patentamt ein Reichspatent verliehen. Bis heute müssten ihm Bewohner kleiner Stuben dankbar sein, doch Zanders Meisterwerk brachte ihm keinen andauernden Ruhm ein. Dabei war der Ausziehtisch nicht das einzige innovative Werk, dass dem Tischler in seiner Karriere gelang. Unter anderem erfand er noch eine spezielle Fußbank und einen selbsttätigen Riegel, der in Deutschland, den USA, England, Frankreich, Belgien und Österreich patentiert wurde.

images

Conrad Tack veränderte die Schuhproduktion und den Verkauf für immer.

In Burg wurde 1874 die erste Schuhfabrik Deutschlands eröffnet. Die Firma von Conrad Tack (1844–1919) entwickelte sich innerhalb kürzester Zeit zu einem Großunternehmen. Bis zu 4.000 Paar Schuhe konnten pro Tag hergestellt werden-im Vergleich zur bis dahin praktizierten Manufakturarbeit eine unglaubliche Steigerung. Die industrielle Fertigung bewirkte einen gewaltigen Umbruch auf dem Schuhmarkt, denn nun bekamen Kunden für weniger Geld hochwertigere Ware. Tack veränderte nicht nur den Herstellungsprozess nachhaltig, sondern auch den Vertrieb seiner Produkte. Als erster Schuhhersteller der Welt eröffnete er eigene Läden. Um 1900 gab es mehr als 110 „Tack“-Filialen in ganz Deutschland. Die Jahresproduktion in Burg: drei Millionen Paar Schuhe. Vorbildlich ging der Produzent auch mit seinen Mitarbeitern um. 1894 richtete er eine betriebliche Sozialversicherungskasse ein.

Energie

Neben dem Ruhrgebiet ist Sachsen-Anhalt schon immer eines der Energiezentren Deutschlands. Das liegt nicht nur an den umfangreichen Braunkohle-Vorkommen.

images

images

Dessau setzte sich früh an die Spitze des Energiegeschäftes.

1886 nahm in der Stadt das erste öffentliche Elektrizitätswerk Sachsen-Anhalts den Betrieb auf. Es ist zugleich das zweitälteste Deutschlands. Hinter der Errichtung stand die 1855 in der Stadt gegründete Deutsche Continental-Gas-Gesellschaft. Die DCGG war das größte und erfolgreichste Energieunternehmen seiner Zeit. Die Dessauer betrieben unter anderem die Gaswerke in Magdeburg, Potsdam und Warschau.

images

Zeitiger als anderswo brannte in Sachsen-Anhalts Dörfern elektrisches Licht.