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Michael Draksal, Jahrgang 1973, ist Sportwissenschaftler mit eigener Beratungspraxis in Leipzig.

Seit 1996 berät er Sportler und deren Angehörige sowie Trainer vom Nachwuchs- bis in den Profibereich. Tätigkeitsschwerpunkte: Trainingslehre, Sportpsychologie, Laufbahnberatung.

 

Sein Motto: Alles gelingt dem, der zu warten versteht.

 

Mehr Infos unter: www.wettkampfvorbereitung.de

 

«Ich weiß, wie man Spitzensportler auf Wettkämpfe vorbereitet. Das gleiche Prinzip gilt auch für die Schule: Lernen ist Training und die Prüfung ist wie ein Wettkampf, auf den man sich genauso professionell einstellen kann wie ein Sportler.» (M. Draksal)

Michael Draksal

Mehr Konzentration in der Schule

Besser lernen – weniger Prüfungsstress

Das große Handbuch für Schüler, Lehrer und interessierte Eltern
Empfohlen ab Klasse 9

 

 

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Draksal, Michael (2007). Mehr Konzentration in der Schule.

3., überarbeitete und erweiterte Auflage.

Leipzig: Draksal Fachverlag. ISBN 978-3-86243-150-2

 

 

Gesamtherstellung

Draksal Fachverlag

Postfach 10 04 51

D-04004 Leipzig

Deutschland

 

Grafik und Layout

Katja Krüger

 

E-Book-Konvertierung

Satzweiss.com Print Web Software GmbH

 

 

Bildnachweis

 

fotolia

 

Coverfoto (Schüler lernen)

Rückseite Cover (Papier und Kugelschreiber © eyewave),

 

Kapitel 1 – Lernen, was ist das eigentlich

Studenten lernen im Seminar © Robert Kneschke

 

photoalto

 

Kapitel 1 – Das Gehirn – ein Überblick

Male swimmers in water © Téo Lannié

 

Kapitel 1 – Keine Lust zum Lernen

Male runner at start of race © Téo Lannié

 

Kapitel 1 – Umfeldmanagement

Male pole vaulter falling © Téo Lannié

 

Kapitel 2 – Konzentrationstraining

Talent © Eric Audras

 

Kapitel 3 – Eigene Verfahren

Female runner at start of race © Téo Lannié

 

istockphoto

 

Kapitel 3 – Teste dich

Studenten melden sich © skynesher

 

Sonstige Fotos im Buch

 

© Draksal Fachverlag GmbH

 

 

 

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Wenn die Rede von Schülern und Lehrern ist, sind damit immer beide Geschlechter gemeint. Aus Gründen der Vereinfachung wird nur die männliche Schreibweise verwendet.

 

© 2007 Draksal Fachverlag

Einleitung

Die Sportwissenschaft ist mittlerweile schon so weit fortgeschritten, dass man ziemlich genau sagen kann, wie Bewegungsabläufe trainiert werden müssen, damit sie im Wettkampf optimal abgerufen werden können. Ich möchte hier nicht zu tief in die Theorie einsteigen, denn dies hier ist ein Praxisbuch und keine wissenschaftliche Abhandlung. Nur so viel: Derzeit laufen umfangreiche Studien mit einem unglaublichen technischen Aufwand, z. B. die Simulation von Spielentscheidungen mithilfe von neuronalen Netzen, EEG-Studien, die die Gehirnaktivität während der Bewegung erfassen, Höhenkammer-Studien und vieles mehr.

Das Lernen einer sportlichen Technik wie z. B. Doppelschraube oder Kraul-Schwimmtechnik ist von den mentalen Anforderungen her – also was die Denkleistung angeht – vergleichbar mit dem Lernen von Englisch-Vokabeln oder mathematischen Formeln. Deshalb kannst du von diesem Wissen aus der Sportwissenschaft profitieren, indem du dein Lernen sportlich siehst und die Prinzipien anwendest, nach denen auch Leistungssportler trainieren: Die Klassenarbeit ist dann der Wettkampf, wo du genau das zeigen sollst, was du dir antrainiert hast.

 

Ich bin Sportwissenschaftler und bereite Spitzensportler auf ihre Wettkämpfe vor. Wenn der Aufschlag, der im Training schon tausendmal geübt wurde, plötzlich im Wettkampf nicht mehr kommt, wenn man auf einen ganz bestimmten Angstgegner trifft, wenn es um eine wichtige Meisterschaft oder Qualifikation geht, von der sehr viel abhängt, wenn eine Serie von «unerklärlichen» Niederlagen auftritt, dann beginnen Sportler an ihrer Leistung zu zweifeln und erhoffen sich schnelle Hilfe durch ein paar Tricks. Mal abgesehen davon, dass diese Feuerwehreinsätze nicht gerade ideales Arbeiten für den Berater bedeuten: Besser ist es natürlich, schon vor einer Niederlage, Blockade oder dem Auftreten von Prüfungsangst mit dem Mentaltraining anzufangen, damit es gar nicht erst so weit kommt, – gerade wenn alles super läuft, kann man sehr schön an dieses Winning-Feeling andocken und es für die weitere Entwicklung nutzen.

In der Realität ist es aber nun einmal so, dass die Sportler bereits mehr oder weniger große Schwierigkeiten haben, ihre Leistung im Wettkampf abzurufen.

Also beginne ich mit der Beratung und in den allermeisten Fällen stellt sich heraus, dass diese Sportler einfach falsch trainiert haben. Der Aufschlag läuft gut auf dem gewohnten Heimplatz, wenn der Sportler mit seinem besten Kumpel nachmittags ein paar Stunden spielt. Im Wettkampf frühmorgens auf einem ungewohnten Platz sind plötzlich Zuschauer, Presse und Schiedsrichter anwesend, jeder Punkt zählt und der Gegner hat nur ein Ziel: mich zu schlagen.

Hey, kein Wunder, dass der Aufschlag dann nicht mehr kommt … es liegt doch im Wettkampf eine völlig andere Bedingung als im lockeren Training vor. Wettkampfmäßiges Training, eine neue realistische Zielsetzung, ein psychologisch orientiertes Warm-up und einige weitere Mentaltechniken helfen meist in solchen Fällen. Aber um es ganz deutlich zu sagen: Natürlich hat ein Buch auch seine Grenzen. Das eigentliche Lernen kann ich dir nicht abnehmen!

Du bekommst hier fundierte und erprobte Tools an die Hand, um deine Prüfungsvorbereitung erfolgreich anzugehen, damit das, was du gelernt hast, auch noch in der Prüfung sitzt. Das spart Zeit, weil du effektiver lernst, ist erfolgreicher, weil du richtig lernst und gibt dir Selbstvertrauen für die Prüfung, so dass du sie als Herausforderung und nicht als Bedrohung siehst. Die Voraussetzung ist, dass du dann aber auch tatsächlich anfängst, nach den hier vorgestellten Prinzipien zu lernen.

 

Ich sage nicht, dass es einfacher ist, sich richtig auf eine Prüfung vorzubereiten. Eines weiß ich aber genau: Wer sich falsch auf eine Prüfung vorbereitet, wird nur durch Zufall eine gute Note schreiben. In diesem Sinne, viel Erfolg für die nächsten Prüfungen!

 

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Michael Draksal, im Juni 2007

draksal@wettkampfvorbereitung.de

1. Lernen – was ist das eigentlich?

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Menschen sind perfekte Lernwesen. Wir lernen ständig, ohne es zu merken. Hierfür sind wir mit einem genialen Organ ausgestattet: dem Gehirn. 

In diesem Kapitel wird erklärt, wie das Gehirn Informationen abspeichert und wieder abruft. Wer versteht, wie sein Gehirn funktioniert, kann sein Lernen gehirngerecht und damit effektiver gestalten: Wer richtig lernt, spart Zeit und kann das Gelernte besser in der Prüfung zeigen.

1.1 Das Gehirn – ein Überblick

Das Gehirn ist so ziemlich das faszinierendste Organ, das wir haben: Eine graue Masse, knapp 1,5 kg schwer, bestehend aus ca. 300 Milliarden Nervenzellen – das sind mehr, als es Sterne in unserer Galaxie gibt – die miteinander Verbindungen bilden, die die unvorstellbar große Zahl von 100 Billionen (100.000.000.000.000) erreichen.

Kein Computer der Welt kann unserem Gehirn das Wasser reichen: Allein das Auge führt dem Hirn 50 Milliarden Bit Informationen pro Sekunde zu, die sofort verarbeitet, gefiltert, weiter verarbeitet, kategorisiert und wenn mit Aufmerksamkeit bedacht auch gespeichert werden. Gleichzeitig werden rund eine Million akustische Reize pro Sekunde verarbeitet, und nicht zu vergessen, sämtliche Körperfunktionen gleichzeitig gesteuert wie Atmen, Verdauen, Blinzeln, Bewegen … im Grunde unglaublich, wenn man sich das einmal klarmacht.

Doch das scheinbare Chaos ist hochorganisiert: Das Gehirn ist in zwei Hälften unterteilt, die parallel arbeiten, aber auf zwei ganz unterschiedliche Arten:

Die rechte Hirnhälfte (auch «weibliche» Hemisphäre genannt) organisiert eingehende Informationen nach deren Gesamteindruck, sozusagen aus dem Bauch heraus. Intuition, Gefühl und ganzheitliches Vorgehen sind die treffenden Schlagworte. Die linke Hirnhälfte («männliche» Hemisphäre) arbeitet streng nach den Gesetzen der Logik und des Verstandes. Detailanalyse, Aufspüren von Gesetzmäßigkeiten und Schritt-für-Schritt-Vorgehen sind typisch für diese Seite. Beide Hirnhälften sind über den Balken miteinander verbunden und tauschen ihre Informationen untereinander aus.

 

 

MERKE

Eine Information ist also stets eine Mischung aus Verstand und Gefühl, was uns vom Computer unterscheidet, der keine Wertung seiner gespeicherten Informationen vornimmt.

 

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Das ist wichtig zu wissen, denn es bedeutet, dass Informationen, die wir langweilig oder unwichtig finden, schneller wieder vergessen werden. Wenn man sich auf eine Prüfung vorbereitet, ist also alles hochinteressant, spannend, supertoll, ja geradezu überlebenswichtig.

So eine gespielte Freude über die Lerninhalte wirkt sich äußerst positiv auf die Behaltensleistung aus!

1.2 Unser Gedächtnis bringt den Lernerfolg

Ohne die Fähigkeit, Informationen zu speichern, wäre alles neu. Es wäre überhaupt kein Leben möglich … Überlege einmal, dein ganzes Verhalten ist doch erlernt. So ist das beim Menschen: Wir kommen «unfertig» zur Welt – haben allerdings die Fähigkeit, Dinge zu lernen.

Genau das zeichnet uns Menschen aus. Menschen sind perfekte Lernwesen. Im Alter von 18 Monaten bis zum 6. Lebensjahr lernt ein Kind etwa 20.000 Wörter, also etwa zwei neue Wörter in jeder Stunde, die es wach ist.

Grundlage für jeden Lernerfolg ist das Gedächtnis, wobei man nicht sagen kann, dass es «das Gedächtnis» gibt, sondern es sind verschiedene Gedächtnissysteme mit unterschiedlichen Aufgaben und Funktionen, die alle parallel arbeiten.  

Ultrakurzzeitgedächtnis:

Erfasst die Sinneseindrücke, die wir wahrnehmen, z. B. ein Geräusch oder die Buchstaben auf dem Blatt.

Kapazität: unglaublich groß (nahezu unendlich)

Behaltensdauer: sehr kurz (weniger als 1 Sekunde)

Kurzzeitgedächtnis:

Auch Arbeitsgedächtnis genannt, hier werden Informationen verarbeitet (= der Ort des Denkens).

Kapazität: gering (etwa 7 Dinge gleichzeitig)

Behaltensdauer: normalerweise etwa 30 s, kann man aber durch Aufmerksamkeit steigern, z. B. indem man eine Telefonnummer in Gedanken ständig wiederholt

Langzeitgedächtnis:

Hier werden Erfahrungen und Wissen abgespeichert.

Kapazität: nahezu unendlich

Behaltensdauer: lebenslang

 

 

Diese Dreiteilung ist immer noch sehr allgemein. Ich möchte hier nicht zu tief in die aktuelle wissenschaftliche Diskussion zum Gedächtnis einsteigen, nur so viel: «Gedächtnis» ist ein aktiver Prozess. Das Speichern funktioniert völlig anders als bei einem Computer. Bei einem Computer werden die Informationen auf der Festplatte abgelegt. Beim biologischen System Mensch werden Informationen dagegen in das gesamte neuronale Netzwerk integriert.

Und dieses Einordnen von Informationen passiert eben in beide Richtungen: Nicht nur von den Sinnen ins Gehirn, sondern auch von der bereits bestehenden Struktur ausgehend auf die Wahrnehmung! Praktisch ausgedrückt heißt das, dass wir Dinge, zu denen wir keinen Bezug haben, gar nicht richtig wahrnehmen – oder im anderen Fall: Wenn ich schon bestimmte Gedächtnisstrukturen gebildet habe, kann ich Dinge, die zwar neu sind, aber die zu den mir bekannten Kategorien passen, blitzschnell lernen.

Dieses Prinzip des aktiven Wechselspiels zwischen Wahrnehmung und Gedächtnis äußert sich im Potenzgesetz des Lernens: Je mehr du schon weißt, desto mehr und schneller kannst du neu lernen.  

Dazu ein anschauliches Beispiel:

 

 

ÜBUNG 1

 

Versuche folgende Buchstaben in 10 Sekunden zu lernen.

Nedeleg laouen na bloavezh mat

Deck die Buchstabenreihe ab und wiederhole sie nun. Die Buchstaben heißen:

 

 

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Vermutlich wirst du wie die meisten mit dieser Aufgabe große Schwierigkeiten gehabt haben. Es sei denn, du sprichst Bretonisch (ein «Herr der Ringe»-Fan hat vielleicht davon gehört). «Nedeleg laouen na bloavezh mat» heißt auf Bretonisch «Frohe Weihnachten und ein gutes Neujahr». Wenn du also Bretonisch schon gelernt hast, kannst du diese neue Buchstabenkombination schnell und problemlos dazulernen. So ist es übrigens auch im Sport: Wer über gute koordinative Grundlagen verfügt, kann neue Bewegungen viel schneller lernen, als jemand, der bislang wenig Koordination trainiert hat. Das Erfolgsgeheimnis heißt also nicht, Vokabeln zu pauken oder Gedichte auswendig zu lernen, sondern du musst die allgemeinen Gedächtniskategorien bilden, damit die eigentlichen Lerninhalte dann schnell und problemlos in deine bestehende Gedächtnisstruktur integriert werden können.

 

Das hört sich jetzt vielleicht etwas theoretisch an. Ich möchte dir zwei Beispiele geben, die verdeutlichen, was das für dein Lernen bedeutet.

 

 

Beispiel 1

Ein Kind fasst auf eine heiße Herdplatte und verbrennt sich. Es hat sofort gelernt: Fasse niemals auf eine heiße Herdplatte. Das Lernen erfolgte spontan und ohne den Lerninhalt mehrmals wiederholen zu müssen. Ein einziger Lerndurchgang reichte und es ist für immer gelernt.
Erklärung: Wir haben eine Kategorie in unserem Kopf bereits «vorinstalliert», und zwar die Kategorie «Verhalten, das die Überlebenschancen vergrößert» (eine sehr wichtige Kategorie!). Alles Verhalten, das die Überlebenschancen vergrößert, wird in diese Kategorie aufgenommen. Dazu kommt noch die bereits erwähnte emotionale Beteiligung (in diesem Fall über die Emotion «Schmerz»), und das Gelernte wird nie mehr vergessen.

 

 

Beispiel 2

Zwei Personengruppen sollen kleine Säcke in Eimer werfen. Die eine Gruppe übt mit immer gleich schweren Säcken aus stets der gleichen Position («Einschleif-Gruppe»). Die zweite Gruppe wirft mit ganz verschieden schweren Säcken aus immer unterschiedlichen Positionen in die Eimer («Vielseitigkeits-Gruppe»). Nach 20 Minuten Übung wird eine Pause von 10 Minuten eingelegt. Dann folgt der Test: Welche Gruppe schafft wohl mehr Treffer? Was meinst du: Die Sportler aus der Einschleif-Gruppe, die schon die ganze Zeit aus dieser Position mit den Test-Säcken geworfen haben? Oder die Sportler, die noch nie aus der Test-Position geworfen haben und die auch noch nie mit dem Gewicht der Säcke, die jetzt im Test verwendet werden, geübt haben?
Antwort: Die Vielseitigkeits-Gruppe ist eindeutig der Einschleif-Gruppe überlegen! Wie kann das sein?

 

 

Das Gehirn hat nicht die Parameter für den Wurf aus einer bestimmten Position mit einem speziellen Gewicht abgespeichert (denn dann wäre ja die Einschleif-Gruppe der anderen Gruppe überlegen), sondern das Gehirn verallgemeinert jede Wurf-Information zu einer Kategorie («Sackwurf in Eimer»). Die Vielseitigkeits-Gruppe hat für die Bildung dieser Kategorie viel mehr Informationen erhalten als die Einschleif-Gruppe.

 

Dies führte dazu, dass die Sportler mit der besseren Kategorie dann auch die besseren Werfer im Test waren. Dieses Ergebnis ist bahnbrechend und hochinteressant! Bitte lies diesen Abschnitt noch einmal, wenn du noch nicht wirklich verstanden hast, wie das Experiment genau aussah, denn daraus ergeben sich wichtige Konsequenzen!

 

Fassen wir diese beiden Beispiele zusammen:

 

1. Lernen muss nicht mühsam sein oder lange dauern – wir können spontan etwas lernen, das wir unser ganzes Leben lang nicht mehr vergessen!

 

Voraussetzung: hohe emotionale Beteiligung, z. B. Begeisterung, Freude, «Das ist es!», «Das ist überlebenswichtig!»

 

 

2. Ändere ständig die Informationen, die gelernt werden sollen, damit das Gehirn möglichst viele Hilfen für seine Kategorienbildung erhält!

 

Beispiele:

verschiedene Lehrbücher benutzen, nicht nur die Aufgaben rechnen, sondern die Lösungswege verstehen,

Aufgaben aus einer anderen Sprache zum Thema nehmen (z. B. englisches Mathebuch), mit verschiedenen Lernpartnern üben,

nicht nur schriftlich, sondern auch mündlich üben,

selbst Nachhilfe geben,

die wichtigsten Punkte auf Kassette sprechen und abends vor dem Einschlafen hören.

 

Meine persönliche Meinung dazu ist, dass das Gedächtnis ein absolut fesselndes Thema ist! Es gibt sogar Gedächtnismeisterschaften: Der Weltrekord im Auswendiglernen von Ziffern liegt bei 324 verschiedenen Ziffern in 5 Minuten! Wir werden später noch genauer in diese Methoden für ein Super-Gedächtnis einsteigen. Wichtig ist mir an dieser Stelle, dass du die Arbeitsweise deines Gedächtnisses verstehst und dir klarmachst, dass du umso schneller und besser lernst, je mehr du schon weißt. 

1.3 Lernen für die Prüfung

Jetzt höre ich immer den Einwand, dass das ja zu Hause alles supergut klappt, aber in der Prüfung wird man dann nervös und kann sich plötzlich an gar nichts mehr erinnern. So etwas ist häufig zu beobachten und liegt in den allermeisten Fällen einfach an der falschen Lernmethode. Hierzu ein eindrucksvolles Experiment.

Es wurden zwei Gruppen gebildet, die Vokabeln lernen sollten. Die eine Gruppe lernte an Land, die zweite Gruppe im Taucheranzug unter Wasser. Nach der Lernphase wurde getestet. Dafür wurde jede Gruppe in zwei Teilgruppen aufgeteilt, und zwar sollte die eine Hälfte jeder Gruppe den Test an Land durchführen, die andere Hälfte sollte den Test im Taucheranzug unter Wasser durchführen.

Ergebnisse:

Die Personen, die an Land gelernt hatten, waren auch beim Test an Land super.

Die Personen, die unter Wasser gelernt hatten, waren auch beim Test unter Wasser super.

Die Personen, die an Land gelernt hatten und nun unter Wasser getestet wurden, versagten völlig ...

... genauso wie die Personen, die unter Wasser gelernt hatten und nun an Land getestet wurden.

Erklärung:

Wir lernen nicht nur die eigentlichen Inhalte, sondern auch stets die Bedingungen, die beim Lernen vorherrschen. Wenn wir die Inhalte nun unter anderen Bedingungen wiederholen sollen, haben wir damit ein Problem!

Konsequenzen für die Prüfungsvorbereitung:

Das, was in der Prüfung verlangt wird, darf nicht nur in Ruhe in deiner gewohnten Umgebung und im entspannten Zustand gelernt werden, sondern es kommt vor allem darauf an, die Lerninhalte unter Prüfungsbedingungen zu lernen. 

Was macht denn das Besondere einer Prüfungssituation im Unterschied zum Üben zu Hause aus?

 

zu Hause

Prüfung

gewohnter Ort («Wohlfühl-Atmosphäre»)

ungewohnter Ort (keine «Wohlfühl-Atmosphäre»)

gewohnte Geräusche

Störgeräusche (Lehrerwechsel, Pausenklingeln, Lehrer schenkt sich Kaffee ein, Rascheln, andere Schüler rennen auf dem Gang herum oder kommen einfach in den Raum)

nachmittags oder abends (oder sogar nachts …)

morgens oder vormittags

freie Zeiteinteilung ohne Zeitdruck (Beginn und Ende des Übens sind frei)

Beginn und Ende werden durch den Stundenplan vorgegeben (z. B. 6./7. Stunde … grrrr) und man steht unter Zeitdruck

alleine oder mit Freunden

Beobachtung durch den Lehrer und andere

keine Bewertung/Benotung meiner Leistung

Bewertung/Benotung meiner Leistung

viele Versuche, Hilfsmittel erlaubt

nur ein Versuch, ohne Hilfsmittel

unbeteiligtes Umfeld

viele Nachfragen von außen zum Ergebnis der Prüfung (z. B. von Eltern, Freunden)

 

Ein wichtiger (wenn nicht sogar der wichtigste) Erfolgsfaktor für deinen Prüfungserfolg ist also, dass es dir gelingt, prüfungsmäßig zu lernen. Es müssen die gleichen Bedingungen beim Lernen hergestellt werden, wie sie auch in der Prüfung vorliegen.

Wie schaffst du das?

1. «Professionelle» Einstellung!

Es liegen Welten zwischen ein paar Übungsaufgaben zur Vorbereitung auf eine Klassenarbeit und der professionellen Einstellung: Okay, ich bin ein professioneller Schüler und mein Job ist es, jetzt eine Prüfung optimal vorzubereiten. Verstehst du?

 

Allein diese professionelle Einstellung, nicht einfach nur so zum Spaß zu lernen, sondern deinem aktuellen Hauptberuf (Schüler) nachzugehen mit all dem Berufsstolz und der ganzen Professionalität, die mit so einer Einstellung einhergeht, bewirkt eine Konzentrationssteigerung, die den Erfolg in der Prüfung dann viel wahrscheinlicher werden lässt. Das Lernen zu Hause muss immer von der Einstellung her prüfungsmäßig durchgeführt werden!

2. Klare Zielstellung mit Zeitlimit! 

Wie in der Prüfung, so muss auch dein Lernen mit einer ganz klar definierten Zeitvorgabe absolviert werden, z. B. 45 Minuten. Such dir eine realistische Anzahl von Aufgaben heraus, die du in dieser Zeit gelöst haben willst, und dann zieh diese Lerneinheit konsequent durch, auch wenn du keinen Plan vom Thema hast und erst Lösungswege nachschlagen musst. Dann musst du eben schnell genug nachschlagen und die Inhalte sofort verstehen. Aber das Zeitlimit muss eingehalten werden, halt genauso wie in der Prüfung, wo du ja auch eine feste Zeitvorgabe hast, um ganz bestimmte Aufgaben zu lösen.

Hinweis: Wenn dich das zunächst überfordert, setze das Zeitlimit erstmal etwas großzügiger an. Aber verzichte nie ganz darauf, denn diese Methode gewöhnt dich an den Stressfaktor «Zeitdruck» (nicht den Stress vermeiden, sondern den Stress suchen). 

3. Lernduell