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Nr. 28

 

Der kosmische Lockvogel

 

Kadett Tifflor unterwegs in geheimer Mission – so geheim, dass er selbst nichts davon weiß ...

 

von K. H. SCHEER

 

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Die Dritte Macht – jene glückliche Mischung aus arkonidischer Supertechnik und menschlichem Tatendrang – kann, nach irdischer Zeit gemessen, bereits auf ein zehnjähriges Bestehen zurückblicken.

In diesen zehn Jahren ist vieles geschehen: die Mondlandung der STARDUST I, die erfolgreiche Abwehr von Invasoren aus dem All, die Enträtselung der uralten Geheimnisse der Venus, der Kampf mit den echsenähnlichen Topsidern und die Entdeckung der Welt der Unsterblichkeit, um nur einige dramatische Höhepunkte aus der noch jungen Geschichte der von Perry Rhodan geleiteten Dritten Macht zu nennen.

Auch der Overhead, jener mit hypnotisch-suggestiven Kräften unglaublicher Potenz ausgestattete Mutant, konnte schließlich besiegt werden.

Der Kampf gegen den Overhead schien jedoch nicht unbemerkt geblieben zu sein – wie anders ließe sich sonst das plötzliche Auftreten von kosmischen Spionen erklären ...

Wer sind diese Spione? Woher kommen sie? Was beabsichtigen sie? – Um das zu erfahren, setzt Perry Rhodan den KOSMISCHEN LOCKVOGEL ein ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Perry Rhodan – Der Chef der Dritten Macht.

Julian Tifflor – Perry Rhodan benutzt ihn als »kosmischen Lockvogel«.

First Sergeant Rous – Er bildet die zukünftigen Kosmonauten der Erde aus.

Major Deringhouse – Er hat die Aufgabe, den »Lockvogel« an den Einsatzort zu bringen.

Humpry Hifield und Klaus Eberhardt – Zwei Kadetten der Weltraumakademie der Dritten Macht.

Mildred Orsons – Eine Studentin der Kosmo-Bakteriologie.

Orlgans – Ein galaktischer Händler, der die Erde entdeckt hat.

1.

 

»Taktische Schulung« sagten sie zu jenen tollkühnen, irrsinnig erscheinenden Manövern, die sogar erfahrenen Piloten des Raumjagd-Kommandos den Schweiß auf die Stirn trieben.

Sie forderten alles oder nichts. Sie waren in gewisser Art unbarmherzig, obwohl sie nach dem erfolgten Einsatz wunderbare Kameraden mit einem launischen Lachen auf den Lippen waren.

»Sie« – das waren die Ausbilder der Space-Academy; das waren jene Männer, die im Dienst der Dritten Macht bereits einmal das Sonnensystem verlassen hatten, um weit draußen im kosmischen Raum für die Menschheit zu kämpfen.

»Sie« kannten kaum weiche Gefühle, wenn es darum ging, die Nachwuchs-Kosmonauten der Dritten Macht zu ebensolchen Männern zu machen wie sie selbst welche waren.

Also hatte Kadett Julian Tifflor den lässig ausgesprochenen Befehl erhalten, im Zuge seiner Abschlussprüfung einen schnellen Raumzerstörer zu übernehmen.

Dazu war er »gehalten und angewiesen« worden, den scharfkantigen, hochragenden Gipfel eines Mondberges als »feindliche Schiffseinheit« anzusehen, der man jedoch infolge überhoher Eigenfahrt nicht mehr ausweichen könne.

Im Zuge dieses Befehls blieb es dem Prüfling Tifflor überlassen, entweder haarscharf an dem Felsbrocken vorbeizufliegen oder den trügerischen Gedanken zu hegen, das massive Hindernis könnte sich im letzten Augenblick durch ein Wunder in eine weiche Wolke verwandeln.

Julian Tifflor, sanft und nachgiebig von Gemüt, bis man ihn reizte, schien mit aller Unschuld seiner 20 Lebensjahre tatsächlich der Meinung zu sein, dieser rund 3000 Meter hohe Zackengipfel würde sich in eine Wolke verwandeln.

First Sergeant Rous, tausendfältig erfahrener Pilot des Raumjagd-Kommandos, geprüft im Wegasektor unter direkt haarsträubenden Bedingungen, stieß einen ersten Entsetzensschrei aus, als Kadett Julian Tifflor mit genau zehntausend Kilometer pro Sekunde auf den Berg zudonnerte.

Das war der Augenblick, in dem sich Sergeant Rous an seine betont »humorvollen« Worte erinnerte, wonach ein »schlauer Bursche« einfach hindurchfliegen würde! Das war auch der Moment, in dem Rous alle möglichen Götter beschwor, »so« wäre es ja nun auch nicht gemeint gewesen; ganz bestimmt aber nicht mit einem derartigen Tempo.

In die Doppelkontrollen des Zerstörers einzugreifen, wäre mehr als sinnlos gewesen. Schließlich befand man sich in einem so genannten Abschlussboot, in dem einem Fluglehrer überhaupt keine Doppelkontrollen mehr zur Verfügung standen.

Außerdem kam der Berggipfel mit jeder verstreichenden Sekunde um zehntausend Kilometer näher, was – exakt gesagt! – bedeutete, dass Kadett Tifflor im Winkel von etwa 45 Grad auf die Mondoberfläche zuraste.

»Sind Sie wahnsin...!«

Mehr konnte Sergeant Rous nicht mehr brüllen, da das starr eingebaute Impulsgeschütz noch um einiges lauter war.

Rous spürte das wilde Schütteln der schnittigen, dreisitzigen Ausbildungsmaschine. Es war das harte Vibrieren einer ungeheuren Kraftentfaltung, die nun in der Form eines violetten, sonnenheißen Thermostrahls aus der Schirmfeldmündung der Kanone zuckte.

Julian Tifflor, normalerweise nur »Tiff« genannt, schoss mit Hilfe der Feintasterautomatik aus genau dreißigtausend Kilometer Entfernung. Das war ein für Raumgefechte durchaus gängiges Maß. Da der Thermoschuss fast lichtschnell war, hatte Tiff noch etwa drei Sekunden Zeit, um sich seine weiteren Maßnahmen zu überlegen.

Für Sergeant Rous wurden die wenigen Augenblicke zu Ewigkeiten. Die schwere Impulskanone röhrte im Dauerfeuer, und der Zerstörer wurde in keiner Weise langsamer.

Dann brüllte Rous nochmals; aber da war die Hauptsache schon vorbei. Im gravitationsmechanischen Abstoß-Schutzschirm des Zerstörers flammte vergaste Materie. Ehe man das schrille Kreischen der abgedrängten Partikel vernehmen konnte, sauste die Maschine bereits nach einer beängstigend scharfen Auffangkurve in den leeren Raum hinaus. Zurück blieb ein weißglühender, blasenwerfender Krater, der genau dort entstanden war, wo sich vorher ein zackiger Gipfel erhoben hatte.

Das tiefe Tosen der arkonidischen Energiewaffe verstummte. Nur das kraftvolle Donnern des Impulstriebwerks war noch zu hören.

Julian Tifflor hatte feine Schweißperlen auf der Stirn. Seine Stimme klang etwas kratzig, als er vorschriftsmäßig meldete: »Befehl ausgeführt, Sergeant. Die ›feindliche Schiffseinheit‹ musste vernichtet werden, da ein Ausweichen nicht mehr möglich war. Es wurde hindurchgeflogen.«

Rous wischte sich mit einer flüchtigen Handbewegung die Blässe aus den Wangen. Aus schmalen Augen musterte er das hagere, sonst aber weiche Gesicht des Kadetten, der sich eben erst aus seiner angespannten Verkrampfung löste. Es dauerte eine Weile, bis Tiff wieder seine verträumten Braunaugen zeigte. Augenblicke zuvor waren sie noch dunkel und kalt gewesen; irgendwie uferlos und unergründlich.

»Fassen Sie Ihre Befehle immer so wörtlich auf?«, erkundigte sich Rous mit gefährlicher Sanftmut.

Tiff schluckte. Plötzlich fühlte er sich wieder unsicher.

»Jawohl, Sergeant«, entgegnete er. Ein rascher Blick flog nach hinten, wo im Sitz des Orters Kadett Eberhardt hockte.

Eberhardts breites Gesicht glich einem verwaschenen Farbklecks.

»Junge!«, schnaufte er, »Junge! Ich sah mich schon als Gaswolke. Ich ...«

»Ihre Meinung ist uninteressant, Kadett Eberhardt«, fauchte Rous. »Okay, Sie übernehmen jetzt die Maschine. Wechseln Sie die Plätze.«

Tiff lächelte gequält. Ein echtes Grinsen, wie es unter den oftmals übermütigen Kadetten der SpA üblich war, brachte er nur sehr selten auf die Lippen.

Unbeholfen schälte er sich aus dem Pilotensitz und schob sich nach hinten. Klaus Eberhardt begann auf einmal erneut zu schwitzen. Jetzt war er also an der Reihe!

Tifflor schaute blinzelnd auf Rous' Finger, die mit gewohnter, nervenzermürbender Umständlichkeit zum »schlauen Buch« griffen. Es war zwar nur ein ganz gewöhnlicher Taschenkalender, aber was darin eingetragen wurde, bedeutete für die Prüflinge der SpA Sein oder Nichtsein.

Sergeant Rous sagte nichts mehr. Dass er innerlich von widerstreitenden Gefühlen nahezu zerrissen wurde, ahnten weder Tifflor noch Eberhardt.

So ein Höllenbraten, dachte Rous bei sich. So ein Höllenbraten.

Augenblicke später versank Tifflor in ein Meer aus Ehrfurcht, Respekt und grenzenloser Hochachtung.

Sergeant Rous, der fähige, todesmutige Raumjagdpilot, erstarrte zur Salzsäule, und Eberhardt stieß ein schrilles Quietschen aus.

Das Telekom hatte angesprochen. Auf dem Bildschirm des überlichtschnell arbeitenden Funksprechgerätes war das schmale, kantige Gesicht eines Mannes erschienen.

»Rous, sind Sie das?«, dröhnte es überlaut durch die enge Kabine.

Der Sergeant gewann die Sprache wieder. Das war der Chef persönlich! Was hatte Perry Rhodan bewogen, den kleinen Zerstörer anzurufen?

Rous gab seine Meldung ab. Der auf dem Bildschirm erkennbare Mann nickte kurz.

»Danke, ich weiß. Landen Sie sofort und melden Sie sich bei mir. Kadett Julian Tifflor ist bei Ihnen?«

Diesmal begann Rous seine Unterlippe zu zerbeißen. Ein Blick voll von schrecklichsten Drohungen flog zu dem Kadetten hinüber. Rous bestätigte die Frage.

»Kadett Tifflor hat sich um elf Uhr Standardzeit bei mir zu melden. Sie erscheinen einige Minuten zuvor, Sergeant. Alles klar?«

Das war typisch für Rhodan, für den Mann, der im Laufe von nur elf Jahren den Planeten Erde zu einem galaktischen Machtinstrument ersten Ranges gemacht hatte.

»Jawohl, Sir«, stammelte Rous außer sich. Seine Augen quollen etwas hervor.

»Verzeihung, Sir – sagten Sie, Kadett Tifflor sollte bei Ihnen erscheinen? Im Palast?«

Perry Rhodans Augen verengten sich unmerklich. Er schien etwas erheitert zu sein.

»Allerdings im Palast. Sie können auch Amtssitz dazu sagen. Übrigens war Ihr Prüfungsmanöver etwas riskant. Wer hat die Maschine geflogen?«

»Dieser Tifflor, Sir«, flüsterte Rous mit trockenen Lippen.

»Oh, so war das. Sehr schön, Ende.«

Die Bildfläche erlosch. Zurück blieb nur das Rauschen im Lautsprecher.

Sergeant Rous drehte sich sehr langsam in seinem Sitz um. Seine dunklen Augen waren wie bröckeliges Eis. Er hatte jeden Humor verloren.

»Tifflor, was haben Sie ausgefressen? Schnell, reden Sie! Reden Sie ganz schnell! Wie kommt der Chef dazu, einen kleinen Kadetten in den Regierungssitz zu befehlen? Was ist los?«

Tiff fühlte seine Augen feucht und die Handflächen trocken werden.

»Keine Ahnung, Sergeant, wirklich nicht.«

»Wir werden sehen, mein Lieber. Gnade Ihnen Gott, wenn Sie mir durch irgendeinen Blödsinn meine Prüfungsgruppe sauer gemacht haben. Dann sind Sie einmal auf der SpA gewesen. Eberhardt, fliegen Sie den Gobihafen an. Beeilung!«

Ein blitzendes Etwas raste mit unverminderter Fahrt auf die deutlich erkennbare Sichel des Planeten Erde zu. Für den lichtschnellen Zerstörer war der Ausflug zum Mond ein besserer Hupfer. Es war eine Augenblicksangelegenheit, nicht mehr.

Kadett Julian Tifflor, genannt Tiff, fühlte sein Herz im Halse schlagen. Er dachte nur noch darüber nach, warum, um alles in der Welt, ihn der Chef persönlich zu sehen wünschte. So etwas war noch nie dagewesen. Was würden die Schüler der Space-Academy, der SpA, dazu sagen?

Schaudernd dachte er an Hohn und Mitleid. Ganz klar, dass da etwas nicht stimmen konnte. Umsonst wurde ein Nachwuchs-Kosmonaut nicht in das Allerheiligste beordert. Tifflor sah düstre Wolken am Horizont seiner Vorstellungen aufziehen.

 

*

 

Der hochgewachsene Mann schaltete das Telekom ab. Sinnend blickte Perry Rhodan, Erster Ministerpräsident der Dritten Macht, auf die verlöschende Schirmfläche.

»Der Junge wird jetzt dem Zusammenbruch nahe sein«, grollte eine tiefe Stimme. »Das hättest du ihm auch bei anderer Gelegenheit und anderenorts beibringen können.«

Rhodan hob den Kopf. Reginald Bull, erprobter Gefährte in zahllosen Einsätzen und Verteidigungsminister der Dritten Macht, wirkte in dem riesigen Raum sehr unauffällig und unscheinbar.

Seine Lippen waren verkniffen. Unwillig sah er auf den sitzenden Chef nieder. Bull gehörte zu jenen Männern, die im Beisein der Kadetten unbarmherzig erschienen. Wenn er jedoch von ihnen sprach, dann zeigte er gewissermaßen ein goldenes Herz.

Rhodan lächelte unmerklich. Es stand fest, dass er den untersetzten, breitschultrigen Mann wieder einmal durchschaut hatte.

»Tifflor hat keine Nerven«, murmelte Rhodan abwesend. »Wir kennen ihn aus den Einsätzen gegen den so genannten ›Overhead‹. Tifflor handelte wie ein kluger Taktiker. Ich werde ihn einsetzen müssen – sehr hart sogar.«

Reginald Bull, unter Freunden Bully genannt, sog geräuschvoll die Luft ein. Sein breites Gesicht verkantete noch mehr.

»Okay, einverstanden, aber nur dann, wenn du ihn informierst.«

Rhodans Stirn runzelte sich. Sehr bedächtig erhob er sich hinter dem riesenhaften Tisch, der mehr einem komplizierten Schaltorgan als einem Schreibmöbel glich. Als er neben Bull stand, begegneten sich die Blicke der Männer.

»Machen wir uns nichts vor«, betonte Rhodan. »Der Junge darf erst dann alles erfahren, wenn sein Einsatz abgeschlossen ist.«

»Du reißt ihn mitten aus der Abschlussprüfung heraus.«

»Wenn er die Aufgabe erfüllt, werde ich sehr gerne sein Diplom unterschreiben.«

Bulls Schultern sanken nach unten. Leer blickte er auf die zahllosen Bildschirme des Arbeitsraumes. Hier war das Nervenzentrum der Dritten Macht.

Stockend meinte er: »Es gefällt dir wohl nicht besonders gut, dass drei Einheiten unserer Raumflotte spurlos verschwunden sind, wie?«

Rhodan zeigte sein berühmt-berüchtigtes Lächeln. Es war zu sanft, um überzeugend wirken zu können.

»Erraten! Jemand, den wir nicht kennen, beginnt sich für uns zu interessieren. Es ist das eingetreten, was zu verhindern ich seit Jahren versucht habe – nämlich die Entdeckung der Erde und des Solarsystems durch unbekannte Intelligenzen. Nein, keine Einwände, bitte. Um die Individualverformer handelt es sich erwiesenermaßen nicht.«

Bully dachte an jene eigenartigen Lebewesen, die man schon kurz nach dem Aufbau der Dritten Macht hatte zurückschlagen müssen. Diesmal sah es ernster aus.

Das große Beiboot K-1 aus der GOOD-HOPE-Klasse war verschollen, desgleichen zwei nagelneue Raumjagd-Zerstörer der Nullserie. Für Rhodan genügten diese Tatsachen vollständig, um ihn zur schlagartigen Aktivität erwachen zu lassen.

Unbekannte waren blitzschnell aufgetaucht, um danach wieder zu verschwinden. Es stand außer Frage, dass sie über Terra und damit über die Menschheit informiert sein mussten.

Rhodans Funkabhördienst hatte rätselhafte Kurzimpulse auf überlichtschneller Basis aufgefangen. Die Entschlüsselung hatte keinen Sinn ergeben. Es handelte sich um verschachtelte Symbolgruppen, die offenbar willkürlich für verschiedenartige Begriffe zusammengestellt worden waren.

Also stand es für Rhodan fest, dass es auf der Erde fremde Agenten gab. Trotz des Einsatzes der fähigen Mutanten aus dem Spezialkorps war es nicht gelungen, einen einzigen dieser Spione auf telepathischem Wege zu orten. Es war wie verhext. Es schien, als hätten sich wesenlose Schatten über die Erde gebreitet; Schatten, die man weder sehen noch ergreifen, bestenfalls erahnen konnte.

Rhodan schritt bedächtig zum nächsten Visifon hinüber. Nach der Schaltung erschien Dr. Haggard auf dem Bildschirm. Haggard fungierte als Chef der weltberühmt gewordenen »Gobi-Klinik«, in der generell nach arkonidischem Muster gearbeitet wurde.

»Unser Mann wird in zwei Stunden hier sein«, erklärte Rhodan knapp. »Ist Professor Kärner bereits abgeflogen?«

»Vor etwa drei Stunden. Ich folge in zehn Minuten. Wir werden es schaffen können.«

Rhodan winkte wortlos in die Aufnahmeoptik hinein. Dann unterbrach er die Verbindung.

»Du willst es also riskieren?«, erkundigte sich Bull gedehnt. »Eine harte Nuss, denke ich. Man sollte ihn vorher fragen, ob er auch damit einverstanden ist.«

»Wenn in seinem Gedächtniszentrum nur ein Funke der Ereignisse verankert ist, wird er mehr gefährdet sein als auf andere Weise. Wir werden ein kosmisches Spielchen spielen, alter Freund.«

Bull stülpte die Schirmmütze über den Schädel. Lautstark stampfte er auf das Panzerschott der Arbeits- und Schaltzentrale zu.

»Man wird ja nicht mehr um seine Meinung gefragt«, nörgelte er. »Okay, dann spiele das, was du ein Spielchen nennst. Ich halte es für eine verrückte Idee. Der Angriff ist noch immer die beste Verteidigung.«

»Und wo willst du angreifen, und was willst du angreifen?«, forschte Rhodan mit gemäßigter Stimme.

Bull verkniff die Lippen, ehe er mit einer Verwünschung verschwand.

Da lag das Problem verankert! Was sollte man angreifen, wenn es nichts Fassbares gab.

Man schrieb den 28. Juni 1982, als Perry Rhodan nach genauester Auswertung aller verfügbaren Daten einen Hebel ansetzte, mit dessen Wirkung wohl niemand außer Rhodan selbst gerechnet hatte.

Es war ein starker, mächtiger Hebel, der jedoch ebenso schnell zerbrechen konnte, wie er von Rhodan geschaffen worden war.

Der 28. Juni des Jahres 1982 war der Tag, an dem der Ministerpräsident der Dritten Macht mit harter Hand in den kosmischen Großraum langte. Es war die Stunde, die in der Geschichte der Menschheit als eine der wichtigsten bezeichnet wurde. Zur Zeit konnte aber noch niemand ahnen, dass es einmal eine Chronik geben würde. Noch war der Mensch klein und schwach, technisch und wissenschaftlich unterlegen. Dafür hatte er aber etwas aufzubieten, was nur ganz wenigen Intelligenzen zu eigen war: ungeheuren Tatendrang, Unverzagtheit, Mut und eine brennende Neugierde.

Rhodan rechnete damit und – er rechnete nicht falsch!

2.

 

Kadett Julian Tifflor sah auf die Uhr. Es dauerte eine Sekunde, bis er das haltlose Schwanken der Zeiger auf seine eigenen Augen zurückführte. Krampfhaft schluckend trat er vor den Wandschrankspiegel und warf einen letzten Blick auf die Uniform.

Natürlich hatte er vor dem Chef in Dienstkleidung zu erscheinen. Dazu zählten Handwaffe, Funkhelm und Kombinationsgürtel.

»Bisschen nervös, eh?«, fragte jemand. Tifflor fuhr zusammen. Seine braunen Augen schienen zu glühen.

Humpry Hifield, ein strohblonder Typ ohne Hemmungen und erkennbare Komplexe, lümmelte auf seinem Schaumstofflager herum.

Hump wusste sehr genau, was er gegenüber Tifflor aufzubieten hatte. Wenn Tiff als das mathematische Genie der SpA galt, so stand es fraglos fest, dass Humpry Hifield bei den letzten Boxmeisterschaften als Sieger hervorgegangen war. Für Humps Begriffe waren Kosmo-Mathe und Boxkunst ungefähr identisch. Es war Tiffs Pech, dass er ausgerechnet mit Hifield das gleiche Zimmer teilen musste.

»Ruhig, Junge, ruhig«, knurrte Kadett Eberhardt warnend. Er war der dritte Bewohner des Raumes. Schnaufend, an seinem engen Gürtel zerrend, trat er neben Tifflor, dessen momentaner Zorn sich sofort wieder verlor. Hilflos sah er den Mitschüler an.

»Wenn ich vor dem Chef stehe, werde ich bestimmt ohnmächtig«, bekannte er düster.