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Nr. 70

 

Die letzten Tage von Atlantis

 

Arkon-Raumer TOSOMA im Endkampf: Die Besatzung verhaftet ihren Admiral! – Das vierte Atlan-Abenteuer!

 

von K. H. SCHEER

 

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Atlan, der uralte, doch körperlich und geistig jung und unverbraucht gebliebene Arkonide, war dabei.

Er war dabei, als das unter Perry Rhodans Kommando stehende Superschlachtschiff DRUSUS nach langer und verzweifelter Suche endlich auf Wanderer landete, dem künstlichen Planeten, der zugleich die »Quelle« der Unsterblichkeit enthält.

Auch ohne das Eingreifen der mysteriösen Gemeinschaftsintelligenz – Er oder Es genannt – gelang es den Terranern, die lebensspendende Zelldusche in Betrieb zu nehmen.

Perry Rhodan hatte den Vortritt bei der lebensverlängernden Prozedur!

Ihm folgte Reginald Bull, Rhodans ältester Freund und Gefährte – doch tritt nun ein Effekt auf, der Gucky um Bullys Leben zittern lässt und der Atlan zu einer zehntausendjährigen Rückblende auf DIE LETZTEN TAGE VON ATLANTIS förmlich zwingt ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Perry Rhodan – Erster Administrator des Solaren Imperiums.

Reginald Bull – Er will sich töten, bevor er das Stadium eines lallenden Babys erreicht.

Gucky – Der Mausbiber zittert um das Leben seines Freundes.

Homunk – Ein Wunderwerk der Robotik.

Atlan – Man verhaftet ihn, um ihn zu retten.

Tarts, Inkar, Ursaf und Cunór – Die Männer sind seit Jahrtausenden tot, aber das photographische Gedächtnis Atlans erweckt sie zu neuem Leben.

1.

 

Es war eine Welt ohne Horizont; ein mit unvorstellbaren Mitteln der Technik erbauter Himmelskörper.

Hochintelligente Lebewesen hatten etwas konstruiert und montiert, was mir in den ersten Augenblicken meines Hierseins Worte der Bewunderung abgenötigt hatte.

Weit über mir, nahe des kaum erkennbaren Schutzschirmes, glitt der strahlende Glutball einer künstlich erzeugten Atomsonne auf seiner vorgezeichneten Bahn entlang. Auf Wanderer, wie Perry Rhodan diesen künstlichen Planeten genannt hatte, herrschte die technisch-wissenschaftliche Perfektion. Ich hatte mich in den Räumen der verschiedenartigen Schaltzentralen umgesehen. Das Wissen und Können meines ehrwürdigen Volkes erschien mir danach minderwertig und längst überholt.

Ein offenbar uraltes galaktisches Volk hatte in dieser Kunstwelt all das verewigt, was wir, die Arkoniden, eines Tages noch zu entdecken hofften.

Bei dem Gedanken an Arkon, meine ferne Heimat, überwältigte mich wieder die Wehmut, jedoch stellte ich bei genügender Selbstbeobachtung fest, dass meine Sehnsucht nach den drei Planeten nicht mehr so brennend war.

Knapp einen Kilometer von meinem Standort entfernt, ragte der gigantische Stahlrumpf eines Raumschiffes in den blauen, von einer mächtigen Energieglocke umschlossenen Himmel der synthetischen Welt. Es war die DRUSUS; ein Superschlachtschiff, das nach den Plänen meines Volkes entworfen, jedoch auf der Erde erbaut worden war.

Nichts hatte mich von dem Aufstieg der ehemals so barbarischen Menschenrasse mehr überzeugen können, als dieser letzte und moderne Flottenneubau der Terraner. Fünfzehnhundert Meter durchmaß die Kugelhülle ohne den ausladenden Ringwulst in Höhe der Äquatorebene. Wahrscheinlich waren es dieses Raumschiff und andere Vertreter seiner Art, die mein Verlangen nach einer endlichen Heimkehr weniger drängend hatten werden lassen. Mein langes Dasein auf dem Planeten der Menschen hatte die Eindrücke verwischt. Die Erinnerungen an Arkon waren weniger gegenständlich geworden.

Ich blinzelte zu dem künstlichen Zentralgestirn hinauf und überlegte dabei, mit welchen technischen Tricks die Atomsonne auf ihrer Umlaufbahn gehalten wurde. Natürlich befand sie sich noch innerhalb des glockenförmigen Energiefeldes, das Wanderer gegen die Leere des Raumes abschirmte.

Schaudernd dachte ich an die letzten Tage zurück. Wanderer war von einer Überlappungsfront der anderen Zeitebene eingefangen worden. Die Beherrscher des fremden Raumes hatten die künstliche Welt nicht gutwillig entlassen, und so war es geschehen, dass das eigenartige Kollektivlebewesen all seine technischen Machtmittel eingesetzt hatte, die schließlich ein transitionsähnliches Hinausspringen aus der Druufebene bewirkt hatten.

Perry Rhodan und auch ich hatten anschließend vor dem Problem gestanden, die auf normaler Position nicht mehr auffindbare Welt dennoch zu entdecken. Dabei hatten wir physikalische Phänomene bewältigt, die folgerichtig zu verarbeiten mein Gehirn sich nunmehr sträubte.

Ich fühlte mich innerlich leer und ausgebrannt. Es war zuviel gewesen, was wir in dem durch und durch unstabilen Gebilde des Halbraumes zwischen den begreifbaren Dimensionen erlebt hatten. Nur ein Zufall, von uns weder rechtzeitig erkannt noch indirekt herbeigeführt, hatte die Auffüllung jenes Energiegehaltes bewirkt, der schließlich in schwer erfassbarer Realität zur Stabilisierung des Zwischenraumes beigetragen hatte.

Mir schwindelte, wenn ich an die mathematischen Probleme zurückdachte. Nachdem ich aus meinem bleischweren Erschöpfungsschlaf erwacht war, hatte Oberstleutnant Sikerman die im Einsteinuniversum wartende DRUSUS bereits gelandet.

Ich spähte nochmals zu dem Gebirge aus Arkonstahl und Panzerplastik hinüber. Das Superschlachtschiff war von meinem Standort aus nicht in voller Größe zu übersehen. Mir war, als stünde ich am Fuße eines Höhenzuges, dessen Gipfel in unerreichbarer Ferne lag. Dennoch flog dieses Monstrum von Raumschiff mit erstaunlicher Sicherheit.

Das leichte Pochen auf meiner Brust erinnerte mich an meinen eigroßen Zellaktivator, der den biologischen Alterungsprozess meines Körpers über die Jahrtausende hinweg verhindert hatte.

Seitdem ich wusste, dass auch Perry Rhodan und einige Männer aus seinem Stab eine biochemische Zellkonservierung erhalten hatten, war in mir brennende Neugierde erwacht. Ich erinnerte mich noch genau an jenen Tag, der mir das unbegreifliche Geschenk eines Unbekannten gebracht hatte.

Es lag lange zurück; fast zehntausend Jahre irdischer Zeitrechnung. Während meiner Wanderung durch die verschiedenartigen Entwicklungsepochen der Erde hatte ich es fast vergessen, über die Herkunft des Zellaktivators nachzudenken. Als ich jedoch mit Perry Rhodan zusammengetroffen war, hatte mich das Problem erneut beschäftigt.

Seltsame Parallelitäten im Ablauf der Geschehnisse hatten einwandfrei darauf hingewiesen, dass mein kleines Gerät nur von jenem eigenartigen Lebewesen stammen konnte, das auch Rhodan eine gewisse Unsterblichkeit verliehen hatte.

Wie relativ dieses »ewige Leben« aufgefasst werden musste, hatten wir erfahren, als wir wenige Tage zuvor verzweifelt bemüht waren, den Kunstplaneten Wanderer zu finden. Nur dort gab es das so genannte Physiotron, in dem ein menschlicher Körper die erforderliche Zellaktivierung erhalten konnte.

In Rhodans Fall hielt die Zelldusche, wie der komplizierte Vorgang einfach genannt wurde, etwa 62 Jahre lang an. Nach Ablauf dieser Zeit waren die derart Behandelten gezwungen, das Physiotron erneut aufzusuchen, wenn sie nicht einen sofortigen Alterungsprozess erleben wollten.

Rhodan hatte es im letzten Augenblick geschafft. Er und Reginald Bull hatten die Aufladungskammer betreten, in deren Entstofflichungsfeld etwas geschah, was ich mit dem besten Willen nicht definieren konnte. Jedenfalls war es kein schöpfungsgebundener Vorgang, sondern ausschließlich das Produkt einer als vollendet anzusehenden biochemischen Technik, die das Geheimnis des Lebens bis an die Grenze des Möglichen ausgeschöpft hatte.

Seltsam war dabei nur die unleugbare Tatsache, dass ich niemals gezwungen worden war, in regelmäßigen Intervallen auf dem synthetischen Planeten zu erscheinen, um eine Zelldusche zu erhalten. Trotzdem war ich nicht gealtert, sondern auf jener Daseinsstufe verblieben, die ich bei der Übergabe des kleinen Gerätes erreicht hatte.

Naturgemäß suchte ich nach einer Erklärung. Ich war hierher gekommen, in der Erwartung, von dem Beherrscher des Planeten Wanderer nähere Auskünfte zu erhalten. Dabei interessierte mich das rein technische Problem erst in zweiter Hinsicht. Wichtiger erschien mir das Warum!

Weshalb hatte mir das Geistwesen etwas überreicht, was mich für immer jung und elastisch erhielt? Als ich Es danach fragen wollte, war Es zu beschäftigt gewesen. Es war darum gegangen, Wanderer aus dem »Halbraum« zu befreien.

Nachdem uns das gelungen war, ließ Es oder Er nichts mehr von sich hören. Das Kollektivwesen schwieg, als wäre es niemals daran interessiert gewesen, mit Menschen und Arkoniden zu spielen.

Das Pochen auf meiner Brust verstärkte sich. Ein Strom belebender Impulse schien meinen Körper zu durchrieseln. Es gab nur eine logisch klingende Erklärung:

Der Aktivator musste eine Abart des großen Physiotrons sein. Auf meine Individualschwingungen abgestimmt, begann er immer dann zu arbeiten, wenn Zellkernteilung und Stoffwechsel labil wurden. Da ich dabei niemals entmaterialisiert wurde, wie es in der großen Dusche geschah, konnte es sich nur um sorgsam gesteuerte Reizimpulse handeln, die meinen natürlichen Lebensablauf lenkten und wunschgemäß korrigierten. Eine andere Erklärung hatte ich nicht gefunden.

Ich blickte auf die vollautomatische Spezialuhr an meinem Handgelenk. Made on Terra war auf der Außenseite des wasserdicht schließenden Deckels eingraviert worden.

»Made on Terra« – wie das klang! Alles, was ich am Leibe trug, war auf der Erde hergestellt worden; sogar die arkonidischen Admirals-Schulterstücke und das Symbol meiner ehrwürdigen Familie waren in irdischen Fabriken von menschlichen Händen erzeugt worden.

Mein langer Irrweg durch die Frühgeschichte der Menschheit war damit beendet. Rhodan, den ich zwei Jahre zuvor als Feind angesehen hatte, war ein Freund geworden. Nun kam es nur noch darauf an, diese Bindung zu festigen und ihm zu beweisen, dass ich meine Fluchtpläne aufgegeben hatte. Ich wusste nun, dass unser altes Arkonidenreich von einem Robotgehirn beherrscht wurde. Naturgemäß war sich Rhodan darüber klar, dass ich in letzter Konsequenz mehr an mein eigenes Volk dachte als an das seine, was aber in unserem Verhältnis keine Missstimmung hervorrufen konnte.

Ich hatte etwa zehntausend Jahre lang auf Terra gelebt. Jetzt war die Zeit gekommen, den Ort meiner Geburt wieder aufzusuchen. Rhodan würde mir dabei behilflich sein, das war sicher. Also lag es an mir, dem Herrn des Solaren Imperiums nach bestem Wissen und Können unter die Arme zu greifen, vorausgesetzt, er benötigte meine Hilfe überhaupt noch! Ich konnte der terranischen Wissenschaft nicht mehr viel bieten, obwohl mich die frühen Vorfahren der heutigen Menschen einmal als göttliches Wesen verehrt hatten.

Ich lehnte mich mit dem Rücken gegen die fugenlose Mauer und sah zur fernen DRUSUS hinüber.

Sie waren groß und mächtig geworden, die kleinen Barbaren vom dritten Solarplaneten. Ich hatte ihr Erwachen miterlebt, ihre Ängste und Freuden, Verirrungen und ihr stilles Heldentum. Sie waren es wert, von einem klarsichtigen Mann auf den rechten Weg geführt zu werden.

Ein tiefes Donnern riss mich aus meinen rückschauenden Grübeleien. Irgendwo im riesenhaften Rumpf des Superschlachtschiffes hatte sich eine Waffenkuppel geöffnet.

Ich sah den gleißenden Energiestrahl gen Himmel rasen. Weit über mir traf die Glut gegen den überstarken Energieschirm des Kunstplaneten. Ehe die warme Druckwelle bei mir ankam, lag ich bereits deckungsuchend auf dem Boden und tastete nach meinem Mikro-Bildsprechgerät.

Ich drückte den Schalter nach unten und wartete auf das Grünzeichen. Als es aufleuchtete, erschien gleichzeitig Rhodans Gesicht auf dem nur briefmarkengroßen Bildschirm, ein Zeichen dafür, dass er vor den Aufnahmen saß.

»Eh, Barbar, was ist los?«, sprach ich in das Mikrophon.

Ich bemerkte, dass er flüchtig die Lippen verzog. Etwas schrill klang seine Antwort aus dem winzigen Lautsprecher: »Überhaupt nichts, Arkonide! Es war die einzige Möglichkeit, dich darauf aufmerksam zu machen, dass es hier auch noch andere Leute gibt.«

Ich war für einen Augenblick verblüfft! Also hatte dieser grauäugige Terraner ganz einfach ein schweres Energiegeschütz der DRUSUS losdonnern lassen, nur um mich darauf aufmerksam zu machen, dass ich mein MBG-Gerät abgeschaltet hatte.

»Das ist eine grobe Methode, um gute Freunde zu rufen«, sagte ich vorwurfsvoll.

Sein Lachen ließ den Mikrolautsprecher vibrieren.

»Ansichtssache«, entgegnete er gelassen. »Darf man fragen, wo du dich momentan aufhältst? Ich rufe seit fünfzehn Minuten.«

»Nahe der DRUSUS, hinter dem Hauptsteuerraum des Kraftwerkturmes. Ich habe mir die Umlenkschaltungen angesehen. Jemand ist auf die Idee gekommen, die Glockenfeldprojektoren mit den Auswertungsgehirnen der Strukturtaster zu koppeln. Ergebnis: wenn im Halbmesser von zehn Lichtjahren eine Phasenerschütterung stattfindet, schalten die Automaten das Feld hoch auf schätzungsweise zehn Milliarden kWh.«

»Wie bitte?«

Rhodans Gesicht erschien mir etwas fassungslos.

»Zehn Milliarden Kilowattstunden«, wiederholte ich. »Ein hübscher Stromverbrauch, was? Nein, nein, ich bin nicht verrückt geworden. Dieser Planet, der aussieht wie ein flacher Kuchenteller mit übergestülpter Käseglocke ist eine Welt der Superlative. Tut mir leid, wenn dein Urmenschenverstand nicht mehr mitmachen sollte.«

Wir grinsten uns gegenseitig an. Kleine Spitzfindigkeiten zwischen Rhodan und mir waren fast zur lieben Gewohnheit geworden. Ich konnte es einfach nicht lassen, ihn gelegentlich darauf hinzuweisen, dass seine Vorfahren während der arkonidischen Blütezeit noch in Höhlen gehaust hatten.

»Bist du zu Fuß gegangen?«, fragte er unvermittelt.

Der eigenartige Unterton in seiner Stimme machte mich stutzig. Ich nickte einfach. Rhodan musste es auf seinem großen Bildschirm sehen.

»Okay, ich schicke dir einen Gleiter aus der DRUSUS. Wenn du damit augenblicklich zur Physiotronhalle kommen könntest, wäre ich Euer Erhabenheit sehr verbunden.«

»Zur Dusche? Warum?«, fragte ich atemlos.

»Ich schicke den Gleiter«, lenkte er ab. »Bis gleich, Ende.«

Der Bildschirm meines Armbandgerätes wurde dunkel. Rhodan war verschwunden.

Ich blieb für einige Augenblicke flach auf dem Boden liegen und starrte blicklos zur DRUSUS hinüber. Perry hatte sich sehr eigentümlich verhalten. Es war etwas geschehen, ich ahnte es!

Nervosität begann mich zu quälen. Ich dachte an den Halbraum mit seinen verblüffenden Effekten und anschließend an Perry Rhodan, der während einer unstabilen Achsenverschiebung in den Zellduschkonverter gegangen war. Wir hatten keine Zeit mehr gehabt, länger zu warten. Fraglos wäre Rhodan jetzt schon ein hinfälliger und psychisch erschöpfter Greis gewesen, wenn wir die Zellaufladung nicht riskiert hätten.

Gespannt wartete ich auf die Landung des scheibenförmigen Antigravgleiters, dessen Pilot mir sicherlich nähere Auskünfte erteilen konnte. In der mächtigen Stahlhülle des Superschlachtschiffes rührte sich aber nichts. Bei der geringen Distanz hätte ich den hellen Lichtfleck nahe der Schleusen sehen müssen.

Ich richtete mich langsam auf und begann automatisch, den Staub von meiner terranischen Uniform zu klopfen. Erst Sekunden später fiel mir ein, dass es auf Wanderer keinen Staub gab; wenigstens nicht in den Bezirken der wenigen Städte, die Er nach Lust und Laune erbaut hatte. Es war kein technisches Problem, Staubpartikel elektrisch leitfähig zu machen. Waren sie es erst einmal, konnte man sie leicht mit gesteuerten Magnetfeldern absaugen.

Ich wartete noch einige Sekunden voller Ungeduld, bis ich plötzlich aus den Augenwinkeln eine irrlichternde Leuchterscheinung gewahrte. Knapp zehn Meter von mir entfernt war dicht über dem Boden ein kleiner Körper entstanden.

Dem paraphysikalischen Problem der Teleportation stand ich noch immer etwas fassungslos gegenüber. Die Prinzipien der Massentransportation durch die gesteuerten Kräfte des Geistes waren bereits der altarkonidischen Wissenschaft bekannt gewesen, nur war es uns niemals gelungen, ähnliche Dinge auszuführen.

Bei Rhodans Mutanten schien sich diese komplizierte, mathematisch überdimensionale Paramechanik zu einem Sport entwickelt zu haben. Ich hatte zwei menschliche und einen nichtmenschlichen Teleporter kennengelernt; aber alle schienen sie die Freude am so genannten »Springen« gemeinsam zu haben. Es war eine bequeme Art der Fortbewegung, oder der Versetzung, wenn man es verstand, die natürlichen Kräfte des Geistes folgerichtig einzusetzen. Ich würde dazu niemals fähig sein!

Betont gleichmütig schaute ich zu dem kleinen, nur ein Meter großen Geschöpf hinüber, das gleich mir nicht auf der Erde geboren worden war.

»Gucky« hatte Rhodan die Riesenmaus mit dem löffelartigen Biberschwanz wegen ihrer großen, glänzenden Augen genannt. Das Intelligenzwesen stand auf zwei kurzen Beinchen, die in zierlichen Spezialstiefeln steckten.

Überdies trug Gucky wieder die zartgrüne Raumkombination des Solaren Imperiums. Auf der linken Schulter glänzten die Rangabzeichen eines Leutnants des Geheimen Mutantenkorps.

Der possierliche Bursche hatte es faustdick hinter den abstehenden Ohren. Seitdem ich ihn während meiner Flucht auf Venus kennengelernt hatte, verband uns eine etwas eigentümliche Freundschaft, die zumeist in hintergründigen Bemerkungen und spitzfindigen Streitgesprächen ihren Ausdruck fand.

»Hallo, Angeber!«, begrüßte ich den Kleinen. »Bist du etwa der von Perry versprochene ›Gleiter‹?«

Die lange Mauseschnauze öffnete sich. Ich blickte fasziniert auf Guckys einzigen, dafür aber um so größeren Nagezahn, den er bei jeder Gelegenheit zu zeigen pflegte.

Das schrille Gelächter des Nichtirdischen peinigte mein Gehör. Als es plötzlich verstummte, wurde ich aufmerksam. Seitdem ich Gucky auf der Venus ein Stück faulendes Holz an den Kopf geworfen hatte, wusste ich, dass er normalerweise länger und ausgiebiger zu lachen pflegte. Die Wesen seiner Rasse besaßen einen nahezu unersättlichen Hang zum Spiel. Das Lachen und Herumalbern gehörten dazu.

»Ich bin der Gleiter!«, behauptete der Mausbiber mit großartig wirkender Handbewegung. »Gib mir deine Hand, Spion!«

Ich runzelte die Brauen und blickte auf den behäbig näherwatschelnden Kleinen hinunter. Für ihn war ich immer noch ein Arkonidenspion.

Als er dicht unter mir stand, bückte ich mich und nahm ihn wortlos auf den Arm. Er war leicht, fast zu leicht für seine Größe. Wahrscheinlich besaßen die Intelligenzen des Planeten Tramp einen sehr feinen Knochenbau. Um so kräftiger war ihr Gehirn entwickelt.

Guckys große Augen hefteten sich auf mein Gesicht. Der Nagezahn war irgendwo im spitzen Mund verschwunden. Wir musterten uns einige Sekunden lang. Dabei fühlte ich, dass der Kleine vor innerer Unruhe bebte. Er versuchte nicht erst, mittels seiner telepathischen Gaben in meinen Bewusstseinsinhalt vorzudringen. Ich war seit vielen Jahren daran gewohnt, die Impulse meines Hirns durch einen Monoschirm unter Kontrolle zu halten.

»Was ist los?«, fragte ich. »Du erscheinst mir etwas eigenartig. Seit wann begnügst du dich damit, mich lediglich Spion zu nennen? Meistens kommen doch noch einige bösartige Kommentare hinzu. Also ...?«

Ich sah, dass sich seine zierlichen Hände verkrampften. Plötzlich umfassten sie meinen Arm.

»Weißt du, wie die Zelldusche funktioniert? Ich meine – kannst du die Effekte berechnen, oder die Maschine umbauen?«

Guckys Stimme klang schriller als sonst. Er hatte sehr hastig und überraschend ernsthaft gesprochen. Der Druck der kleinen Hände steigerte sich. Der Mausbiber war zutiefst erregt.

»Die technische Konzeption ist einigermaßen klar«, entgegnete ich vorsichtig. »Das Wissen über die Funktion eines Auflösungsfeldes bedeutet aber noch lange nicht, dass man auch die nachfolgenden biochemischen Prozesse begreift. Ich ...«

»Halte mich fest, wir springen zusammen«, unterbrach er mich. »Du musst zur Duschhalle. O, ich kann mich kaum konzentrieren.«