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Nr. 13

 

Der Zielstern

 

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt

 

Cover

Klappentext

Einleitung

Zeittafel

Kapitel 1-10

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

Kapitel 11-20

11.

12.

13.

14.

15.

16.

17.

18.

19.

20.

Kapitel 21-30

21.

22.

23.

24.

25.

26.

27.

28.

29.

30.

Kapitel 31-45

31.

32.

33.

34.

35.

36.

37.

38.

39.

40.

41.

42.

43.

44.

45.

PERRY RHODAN-Terminologie

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

Fast sechzig Jahre sind vergangen, seit die Terraner den ersten Kontakt mit den Wesen aus dem Roten Universum hatten. Diese Zeit nutzten die Wissenschaftler, die geheimnisvollen Lineartriebwerke dieser Wesen zu erforschen und nachzubauen. Perry Rhodans neues Raumschiff, die FANTASY, wird mit diesem Triebwerk ausgerüstet und geht auf große Fahrt ins Zentrum der Milchstraße.

 

Doch die Terraner erreichen den Zielstern nicht. Statt dessen geraten Perry Rhodan und seine Begleiter in den Einflussbereich einer gewaltigen blauschimmernden Energieglocke, unter der ein ganzes Sonnensystem verborgen liegt – das Blaue System, die Heimat der menschenähnlichen Akonen. Bei diesen handelt es sich um die mit überragenden Fähigkeiten ausgerüsteten Vorfahren der Arkoniden.

 

Perry Rhodan verliert sein neues Schiff, die Erde wird auf einmal von der Plasmaseuche bedroht, und eine mysteriöse Geisterflotte aus der Vergangenheit greift an. Kann die Menschheit gegen die Schläge aus dem Blauen System bestehen?

Einleitung

 

 

Dass revolutionäre technische Entwicklungen geschichtliche Bedeutung für die Entwicklung einer Zivilisation haben können, ist nicht allein die Grundaussage des vorliegenden PERRY-RHODAN-Buches – es ist historische Realität. So, wie die Entwicklung des neuen Lineartriebwerks Perry Rhodan und die Menschheit an die Grenzen ihrer kosmischen Ausdehnung stoßen lässt, so gravierend waren die Folgen der ersten industriellen Revolution auf dieser Welt. Die Erfindung der Dampfmaschine oder in neuerer Zeit die Verwendung von so genannten Chips in der Computertechnik sind Ereignisse, die die Lebensqualität eines jeden Menschen berühren. In unserer fiktiven Menschheitsgeschichte, bei der mit diesem Buch innerhalb der PERRY-RHODAN-Bibliothek eine neue Epoche beginnt, führt die Ausnutzung einer neuen Raumflugtechnik zum Kontakt mit einem Volk, das seine technische Entwicklung geradezu perfektioniert hat. Parallel dazu verlief seine ethische Entwicklung in weniger wünschenswerten Bahnen; die Fremden sind anmaßend, arrogant und aggressiv. Auch dies scheint (bei der Betrachtung unseres eigenen ethischen Stellenwerts) so ungewöhnlich nicht. Aber muss eine fortschreitende technische Entwicklung zwangsläufig mit einer Entfremdung von natürlichen Notwendigkeiten einhergehen? Führt Technik in jedem Fall zur Lösung von Konflikten durch Gewalt? Auch darauf versucht die in PERRY RHODAN entwickelte Geschichte in späteren Zyklen eine Antwort zu geben, indem sie von der Vergötzung zu einer Humanisierung der Technik überleitet. Ansätze, dass es dazu kommen könnte, gibt es auch in der Realität mehr als genug. So ist das diesem Buch zugrunde liegende Thema nicht ohne Diskussionsstoff – wenn es nicht vorzugsweise ausschließlich zur Unterhaltung genutzt wird. Die für dieses Buch ausgewählten Originalromane sind (ohne Berücksichtigung der vorgenommenen Änderungen): Der Zielstern von K. H. Scheer; Der Weltraum-Tramp von Clark Darlton; Das Plasma-Ungeheuer von Kurt Brand; Nur ein Greenhorn von William Voltz; Die Geisterflotte von Clark Darlton und Das Blaue System von K. H. Scheer. Kürzungen und Änderungen wurden nur soweit vorgenommen, wie sie der Komplexität und logischen Geschlossenheit eines Buches wegen unumgänglich sind. Dabei wurden wie immer Authentizität und Atmosphäre der Originalromane vorrangig gesehen. Für ihre Unterstützung bei dieser nicht einfachen Aufgabe bedanke ich mich bei Christa Schurm, Franz Dolenc und G. M. Schelwokat.

 

Heusenstamm, Dezember 1981

William Voltz

Zeittafel

 

 

Die Geschichte des Solaren Imperiums in Stichworten:

 

1971 – Die STARDUST erreicht den Mond, und Perry Rhodan entdeckt den gestrandeten Forschungskreuzer der Arkoniden.

1972 – Aufbau der Dritten Macht und Einigung der Menschheit.

1976 – Perry Rhodan löst das galaktische Rätsel und entdeckt den Planeten Wanderer, wo seine Freunde und er von dem Geisteswesen ES die relative Unsterblichkeit erhalten.

1984 – Rhodans erster Kontakt mit dem Robotregenten von Arkon im Kugelsternhaufen M 13. Der Robotregent versucht die Menschheit zu unterwerfen.

2040 – Das Solare Imperium ist entstanden. Nach 10.000 Jahren taucht der Arkonide Atlan aus seiner Unterwasserkuppel im Atlantik auf und wird Perry Rhodans Freund.

Die Druuf dringen aus ihrer Zeitebene in unser Universum vor. Menschen gelangen in das Druufuniversum, um dort der unheimlichen Gefahr zu begegnen.

2043 – Rhodans Frau Thora stirbt auf dramatische Weise, und ihr gemeinsamer Sohn Thomas Cardif wird zum Gegenspieler seines Vaters.

2044 – Die Terraner stoßen nach Arkon vor und verhelfen Atlan zu seinem Erbe.

Zum ersten Mal taucht ein geheimnisvoller »Anti« auf, der den Kräften der terranischen Mutanten widerstehen kann. Rhodans Sohn tritt offen gegen seinen Vater auf.

1.

 

 

»Das würde ich an Ihrer Stelle nicht tun!«

Alfo Zartus fuhr zusammen. In verkrampfter Haltung blieb er stehen. Seine Hand umklammerte die Zahnprothese, als handle es sich um das Griffstück einer gefährlichen Waffe.

»Umdrehen, Hände über den Kopf erheben, und das Gebiss fallen lassen«, ordnete die gleiche, unpersönlich klingende Stimme an, die Zartus bei seiner Tätigkeit aufgeschreckt hatte.

Er lauschte den Worten nach und versuchte dabei, den Standort des Sprechers ausfindig zu machen.

Dicht vor Zartus glitt das breite Förderband der vollautomatischen Zubringerstation XVIII lärmend über die spiegelblanken Laufrollen. Die auf dem Band liegenden Aggregate waren Teilprodukte eines ferngesteuerten Waffenschwenkarms der geheimen Einbauserie LA-185-GEZO-III, bestimmt für die Außendrehkranzkuppeln von Schweren Kreuzern der Terraklasse.

Das Besondere an den Konstruktionen waren die neuartigen Feldgleitlager, mit denen die im absoluten Vakuum ständig auftretenden Schmierprobleme endgültig überwunden worden waren.

Alfo Zartus blickte sich wie gehetzt um. Es war niemand zu sehen. Der schmale, langgestreckte Gang bot keine Versteckmöglichkeit. Lediglich die stabilen Tragfüße des Laufrollengerüsts wären eventuell dazu geeignet gewesen, einem Mann Deckung zu bieten.

Zartus folgte seinem Instinkt. Mit einer raschen Handbewegung schob er die Oberkieferprothese in den Mund. Für einen Augenblick fühlte er den schmerzhaften Druck des Mikrofilmbehälters, der sich bei dem hastigen Einsetzen verschoben hatte.

Verzweifelt begann Zartus mit der Zunge zu arbeiten, bis die ausgehöhlte Saugplatte in die charakteristischen Linien seines Gaumens hineinglitt und dort Halt fand. Das Druckgefühl verschwand.

Aufatmend, in unbewusster Reaktion unsicher lächelnd, richtete sich der klein gewachsene Mann auf. Langsam hob er die Hände.

»Tüchtig«, sagte jemand spöttisch. »Wie Sie das können. Sie sollten im Zirkus auftreten.«

Zartus wusste, dass er verloren war, wenn man ihn in diesem Sektor der automatischen Bandstraße erwischte. Der irdische Mond hatte sich im Lauf der letzten 57 Jahre erheblich verändert, besser gesagt: er war verändert worden.

Genau betrachtet, war der Trabant zu einer einzigen, ineinander verschachtelten Raumschiffwerft nach arkonidischem Vorbild geworden. Die größte Bauleistung der Menschheit war erst wenige Monate zuvor vollendet worden. Seitdem liefen auf dem Mond die Fertigungsbänder, die von relativ wenigen Steuerstationen beherrscht wurden.

Zartus glaubte zu wissen, dass er von einem Fernsehauge entdeckt worden war. Aber dann konnte man kaum bemerkt haben, was er in seiner Zahnprothese verborgen hatte. Allerdings war nirgends eine Fernbildkamera zu sehen. Wieso aber war man so genau über seine Maßnahmen informiert?

Er blickte sich nochmals um. Er dachte an seine Aufgabe, die Mikrokamera unter der Bodenplatte seiner Armbanduhr und außerdem an den Lunaren Sicherheitsdienst, eine Nebenabteilung der Solaren Abwehr.

Wenn er mit Kamera und Film gefasst wurde, war seine Laufbahn als Planungsingenieur für robotgesteuerte Zubringerstraßen beendet.

Dann drohten Verhöre, Gerichtsverhandlung, Degradierung und Bestrafung.

Der Gedanke an das Kriegsgericht – denn er stand unter Kriegsrecht – ließ Alfo Zartus die klare Überlegung verlieren. Nochmals sah er sich um. Den warnenden Ruf überhörte er.

Mit einem halberstickten Schrei schwang er sich unter Aufbietung all seiner Kräfte auf das Förderband, wo er sofort zu Fall kam. Mit hoher Geschwindigkeit wurde er auf den schmalen Durchlass im Fels zugetragen.

Dahinter begann Montagehalle 136, in der die aus allen Richtungen ankommenden Teilprodukte zu einem Großaggregat zusammengebaut wurden.

»Sind Sie wahnsinnig geworden!«, hörte er die Stimme des unbekannten Sprechers. »Springen Sie ab – Sie sollen abspringen! Lebensgefahr! Mann, springen Sie doch!«

Zartus lachte gegen seinen Willen. Er krallte seine Fingernägel in den griffigen Rillenbelag des Kunststoffbands, quittierte das Holpern der Gleitrollen mit einem unterdrückten, schmerzhaften Stöhnen und versuchte überdies, darüber nachzudenken, wie er aus Halle 136 entkommen konnte.

Der Unbekannte rief immer noch, aber die Worte waren schon nicht mehr verständlich.

Alfo Zartus kam eben zu der Erkenntnis, die belastenden Unterlagen irgendwie vernichten zu müssen, als er von den stählernen Greifern einer robotgesteuerten Schwenkvorrichtung erfasst und nach oben gerissen wurde.

Zartus schrie in höchster Not. Plötzlich erkannte er, dass die Warnrufe des Unbekannten kein Trick gewesen waren.

Der kleine Mann wurde durch die Felsöffnung gezerrt und durch die Luft gewirbelt. Nur schemenhaft bemerkte er die aufgleitende Öffnung der Spritzisolationsmaschine, in der größere Halbfertigteile mit einem säure- und temperaturunempfindlichen Kunststoffbelag überzogen wurden.

Hinter den Stahltoren flammte es in heller Rotglut. Das Thermoplast wurde in flüssigem Zustand und unter 1256 Grad Celsius von zahlreichen Hochdruckdüsen aufgesprüht.

Der Robotgreifer war erbarmungslos. Er konnte nicht zwischen totem Material und einem menschlichen Körper unterscheiden.

 

Oberst Hildrun, Chef des Lunaren Sicherheitsdienstes im Sektor F-81, legte die Personalakten des Planungsingenieurs Alfo Zartus, geboren am 22. Juni 2062 in Lowman, Idaho, zur Seite.

Düster betrachtete er den vor seinem Schreibtisch stehenden Sergeanten von oben bis unten. Als sein Blick auf die Schockwaffe im offenen Gürtelhalfter des Wachmanns fiel, runzelte er seine Stirn noch stärker. Mit ausgestrecktem Zeigefinger deutete er auf den Strahler.

Hildruns Stimme klang scharf: »Und das – was ist das? Hatten Sie etwa angenommen, wir hätten Ihnen eine Mausefalle oder sonst etwas mitgegeben? Warum haben Sie Zartus nicht mit einem Schockschuss betäubt? Er war doch nahe genug vor Ihnen, oder?«

Der junge Sergeant war blass. Steif stand er vor seinem Vorgesetzten. Die anwesenden Offiziere des Wachsektors F-81 sagten nichts. Der Fall war durchaus nicht so klar, wie ihn Hildrun zu sehen schien.

»Jawohl, Sir, das schon«, stammelte der Soldat des Sicherheitsdienstes. »Ich hatte meinen Deflektorschirm eingeschaltet, und Zartus konnte mich nicht sehen. Die Dienstvorschriften verbieten die Anwendung von Schockstrahlen, wenn es nicht unbedingt notwendig ist. Mir aber schien es nicht erforderlich zu sein. Der Spion war klein und schwach gebaut. Ich hätte ihn mühelos überwältigen können. Warum hätte ich den Mann verletzen sollen?«

Oberst Hildrun erhob sich. Polternd glitt der Schreibsessel nach hinten. Mit auf dem Rücken verschränkten Händen schritt der Kommandeur zum Getränkeautomat hinüber. »Ach, Sie wollten ihn nicht verletzen! Dafür haben Sie ihn in den sicheren Tod geschickt, nicht wahr?«

»Sir, ich hatte mit dem Sprung nicht gerechnet. Es geschah zu schnell. Als Zartus erst einmal auf dem Band lag, wollte ich nicht mehr schießen.«

»Warum nicht?«

»Weil die Förderanlage schneller läuft, als ich rennen kann, Sir. Hätte ich den Techniker betäubt, wäre es ihm unmöglich gewesen, im letzten Augenblick abzuspringen. Es war seine letzte Chance. Ich habe ihm zugerufen, dass hinter der Maueröffnung die Isolationsmaschine steht. Er hörte nicht auf mich. Was hätte ich tun sollen, Sir?«

Oberst Hildrun drehte sich um. »Können Sie beweisen, dass Sie ihm eine Warnung nachgerufen haben?«

Der Sergeant des Wachkommandos sah sich hilfesuchend um. Ein Leutnant der Überwachungstruppe meinte dazu: »Die Tonbandaufnahmen liegen vor, Sir. Wir haben die Fernüberwachung eingeschaltet, als Sergeant Rodzyn mit seinem Helmsender das Alarmzeichen gab. Er hat tatsächlich gerufen, sehr laut sogar.«

Wortlos stapfte Hildrun zu seinem Schreibtisch zurück. Den Becher setzte er so heftig ab, dass das Getränk überschwappte. »Ihr Glück, Rodzyn. Wieso kamen Sie überhaupt auf die Idee, dem Spion allein in den Transportraum zu folgen?«

»Ich hatte Zartus schon einige Zeit beobachtet, Sir. Ich wollte ihn auf frischer Tat ertappen, weshalb ich ihm auch im Schutz des Deflektorfelds nachging. Er machte wieder Aufnahmen mit seiner Uhrkamera. Ich stand dicht dabei und wartete ab. Anschließend nahm er den Mikrofilm heraus, löste seine Zahnprothese und versteckte die winzige Spule in einer genau passenden Öffnung der Gaumenplatte. Da sprach ich ihn an. Er war wie erstarrt, und außerdem wirkte er völlig hilflos. Mit dem Sprung auf das Transportband hatte ich einfach nicht gerechnet. Ich konnte ihn nicht mehr festhalten.«

Hildrun sah zu den Offizieren seines Stabes hinüber. Sergeant Rodzyn wartete atemlos.

»Schön, geben Sie Ihre Aussagen zu Protokoll. Sie sind vorerst vom Dienst beurlaubt. Sind Sie sich darüber klar, dass ich den Fall dem Abwehrchef melden muss?«

Rodzyn nickte unsicher. Augenblicke später verließ er das Chefzimmer. Im Vorraum suchte er sich eine Sitzgelegenheit und ließ sich erschöpft darauf niedersinken.

Vergeblich versuchte er, die schreckliche Szene aus seinem Gedächtnis zu verbannen. Das verzerrte Gesicht des kleinen Mannes tauchte immer wieder vor seinem geistigen Auge auf.

»Es war ein Unfall, Rodzyn«, sagte ein vorübergehender Offizier. »Gehen Sie in Ihr Quartier und bereiten Sie sich auf das Protokoll vor. Sie sehen erbärmlich aus.«

»Ich komme mir auch erbärmlich vor, Sir«, entgegnete der S-Mann mit trockenen Lippen. »Wie soll das nun weitergehen? Ich konnte doch nichts dafür.«

»Das wissen wir. Wenn Sie Pech haben, zieht die Geschichte weite Kreise. Es existiert eine Vorschrift, wonach solche Fälle dem Administrator persönlich zu melden sind. Sie wissen doch, dass er die Mondwerften wie seinen Augapfel hütet.«

Sergeant Rodzyn hielt den Atem an. »Sie – Sie meinen Perry Rhodan, Sir?«

»Kennen Sie einen anderen Administrator? Wenn Sie vor ihm erscheinen müssen, dann schildern Sie den Fall in aller Offenheit. Ein Vergehen kann man Ihnen kaum zur Last legen. Es war ein Unfall, wie gesagt. Gehen Sie nun, und legen Sie endlich den Kampfanzug ab.«

Der Offizier tippte mit zwei Fingern an die Schirmmütze und verließ den kleinen Raum. Er lag einige hundert Meter tief unter der Oberfläche des Mondes. Ganz in der Nähe lärmte die für diesen Fabrikationssektor bestimmte Kraftstation.

2.

 

 

Brazo Alkher starrte mit fiebrig glänzenden Augen auf den unscheinbar wirkenden Einwurfschlitz der Kontrollautomatik.

Das Gerät zur Überprüfung der auf schmalen Kunststofffolien verankerten Individualdaten wirkte in seiner Massigkeit beängstigend. Brazo Alkher, Leutnant der Solaren Flotte, durch einen geheimnisvollen Befehl abkommandiert zur Lunabasis, fühlte sich seit einigen Stunden wie in einem Irrenhaus.

Nach seiner Landung auf dem Mond war er elfmal von Soldaten des Sicherheitsdienstes nach dem Woher und Wohin befragt worden.

Man hatte sich nach seinem Werdegang erkundigt, sich für Eltern und Großeltern interessiert und anschließend zu wissen verlangt, was er, Brazo, künftig zu tun gedenke.

Brazo war somit von einem Erregungszustand in den anderen versetzt worden, wie er bei sich selbst dachte.

Bei der Gelegenheit hatte er zum ersten Mal die Chance erhalten, die gewaltigste Flottenbasis der Menschheit zu bewundern. Er wusste, dass der Mond im Lauf der letzten 57 Jahren zu einem Himmelskörper der Raumschiffwerften und Waffenfabriken geworden war. Praktisch gesehen, war der Erdtrabant nach und nach ausgehöhlt worden. Auf der Oberfläche selbst war kaum etwas von jener Mammutindustrie zu bemerken, die man mit modernsten Mitteln und unter riesigen Kosten unter der toten Kruste errichtet hatte.

Nur die großen Raumhäfen lagen oben – und die Panzerkuppeln der kosmischen Abwehrfestungen.

Es hatte dreizehn Stunden gedauert, bis Brazo endlich an seinem Ziel angekommen war, doch dann hatte sich ein neues Hindernis in seinen Weg gestellt.

Brazo Alkher, ein hochgewachsener, schlaksiger Mann von dreiundzwanzig Jahren, umkrampfte seine wenigen Gepäckstücke noch fester, als sich eine silbrig glänzende Haube auf seinen Schädel niedersenkte.

Geduldig ertrug er die Tortur der Hirnschwingungsmessung, die ein wesentlicher Bestandteil der Robotüberprüfung war. Wenn den menschlichen Wächtern etwas entgangen sein sollte, der Robot würde es herausfinden.

»Gepäck absetzen«, knurrte es aus einem Lautsprecher.

Brazo blieb in steifer Haltung stehen. Verwirrt öffnete er beide Hände, und die Tragetaschen fielen polternd zu Boden.

Alkher lief rot an. Verlegen schaute er sich um.

»Entschuldigen Sie bitte«, meinte er hastig. Unsicher lächelte er die seelenlose Maschine an, die auf seine Worte aber nicht reagierte.

Er atmete tief auf, als der Robot Grünwert zeigte und der ID-Streifen aus einem anderen Schlitz hervorglitt.

»Eintritt genehmigt, Sir«, klang es aus dem Lautsprecher. »Sie werden erwartet.«

»Vielen Dank«, flüsterte Brazo.

Sich hastig nach seinem Gepäck bückend, stieß er mit dem Schädel an einen rotmarkierten Hebel. In dem Gerät begann es zu klingen, und Brazo hielt die Luft an.

Endlich entschloss er sich, die runde Metallplattform mittels einiger wildverwegener Sätze zu verlassen.

Brazo Alkher, auf der Raumakademie bekannt gewesen als Pechvogel mit zwei linken Händen und Füßen, hatte seinem knochigen Körper etwas zuviel zugemutet. Dem Zug der Schwerkraft folgend, fiel er mit gespreizten Armen und umherschlagenden Füßen zu Boden, wobei sein helmbedeckter Schädel versehentlich mit dem Schienbein eines im Wege stehenden Mannes kollidierte.

Brazo, normalerweise so sanftmütig wie ein alternder Bernhardiner, stieß einige schauerliche Flüche aus. Es dauerte eine Weile, bis seine umhertastenden Hände sowohl den verrutschten Helm als auch die verknoteten Riemen der Taschen in Ordnung gebracht hatten.

Schnaufend richtete er sich auf. Er erlitt die nächste seelische Erschütterung, als er dicht über sich das grinsende, ölverschmierte Gesicht eines hochgewachsenen Mannes in der schmucklosen Kombination des Wartungspersonals bemerkte.

Der Mann trug eine zerknautschte, völlig unkenntlich gewordene Schirmmütze auf den dunkelblonden Haaren. Rangabzeichen waren auch keine zu sehen, weshalb Brazo – trotz seines begreiflichen Zornes noch immer höflich bleibend – rief: »Konnten Sie nicht zur Seite springen – Sie steifkreuziger Ölpeilstab, Sie! Himmel, wie sehen Sie überhaupt aus?«

Verwundert über sich selbst stierte Brazo nach oben. Schließlich meinte er verlegen: »Entschuldigen Sie, Freund, es war nicht so gemeint. Natürlich bin ich schuld. Würden Sie mir einmal helfen?«

»Sicher.« Der hochgewachsene, schlanke Mann mit den grauen Augen nickte. »Sie haben Sätze gemacht wie ein dreibeiniger Pavian.«

»Gibt es so etwas?«, wunderte sich Brazo.

Der Fremde lachte schallend. Sanft klopfte er Brazos beschmutzte Uniform ab. »Immer korrekt, Herr Leutnant, nicht wahr? Darf man fragen, wohin Sie wollen?«

Alkher begann sofort mit der verzweifelten Suche nach den Papieren, die man ihm überall aufgedrängt hatte. Der Hagere wartete geduldig, bis der immer nervöser werdende Leutnant den Marschbefehl in der Knietasche seiner Kombi entdeckt hatte.

Brazo wusste nicht, ob er bei dem schallenden Gelächter die Fassung verlieren oder geduldig bleiben sollte. Er entschloss sich zum letzteren. Außerdem war sein sachverständiger Blick mittlerweile von der schimmernden Kugelwandung eines offenbar nagelneuen Schweren Kreuzers der Terraklasse gefesselt worden.

Das zweihundert Meter große Raumschiff stand in einer riesigen Halle. Überall waren bewaffnete Posten und Kampfroboter zu sehen. Brazo wusste bereits, dass er sich in den geheimnisvollsten Bezirken der neuen Mondwerften befand. Was hier geschah, wussten nur wenige Eingeweihte.

Es dauerte nur einige Augenblicke, bis Brazo festgestellt hatte, dass der äquatoriale Ringwulst des 200-Meter-Kreuzers ungewöhnlich geformt war.

Der Triebwerksring war größer als bei den bekannten Einheiten und am Rand aufgewölbt. Das war aber auch alles, was auf den ersten Blick befremdend erschien.

Der grauäugige Mann hatte zu lachen aufgehört. Aufmerksam musterte er den jungen Leutnant, dessen Papiere er flüchtig durchgeblättert hatte. Brazos weiches, verträumtes Jungengesicht hatte sich gespannt. Es wirkte plötzlich härter, entschlossener und männlicher.

Der Techniker lächelte unmerklich. Wortlos bückte er sich und nahm die großen Tragetaschen auf.

»Gehen wir, Sir. Sie werden erwartet.«

Brazo Alkher nickte geistesabwesend. Sekunden später wunderte er sich über den vorbildlichen Gruß der anwesenden Soldaten und Techniker. Als sogar die Wachroboter zu salutieren begannen und scharfe »Achtung-Rufe« den Lärm der Ausrüstungsstation durchdrangen, wurde ihm schon wieder unheimlich.

Er blieb stehen, drehte den Kopf und flüsterte seinem freundlichen Begleiter hastig zu: »Mensch, sagen Sie mal – wird hier jeder kleine Leutnant mit solchen Ehren empfangen? Die Leute sind ja aus dem Häuschen.«

»Die verstellen sich nur«, sagte der Hochgewachsene gemütlich.

Brazo lachte unsicher. Ein vorübergehender Oberst der Flotte legte die Hand an den Mützenschirm und drückte die Brust heraus.

Brazo war dem Weinen nahe.

»Der hat mich aber vernichtend angesehen«, sagte er zu seinem Begleiter. »Wollen Sie mir nicht endlich verraten, was das für ein Irrenhaus ist? Mann, Sie sehen aber wirklich scheußlich aus. Warum waschen Sie sich nicht das Gesicht? Also wenn Sie unter meinem Kommando stünden, dann würde ich Ihnen etwas erzählen.«

Kopfschüttelnd sah er den gleichgroßen Fremden an, und schließlich hob Brazo die Hand, um mit dem ausgestreckten Zeigefinger an den Wangen des Blonden herumzukratzen.

»Fast meterdick«, sagte er vorwurfsvoll. »Muss das sein, Sie Ferkel?«

Der Gepäckträger salutierte: »Nein, Sir!«

Ein furchtbares Brüllen ließ Brazo Alkher erst in die Knie sinken und dann entsetzt herumfahren. Die grausigen Töne drangen fraglos aus der offenstehenden Luftschleuse des seltsamen Schweren Kreuzers hervor.

Die Töne endeten in einem tiefen Röhren, das wie das Gurgeln eines ertrinkenden Sauriers klang.

»Guter Gott, was war das?«, ächzte Brazo.

»Der Kommandant hat gesungen«, wurde er belehrt. »Haben Sie noch nie einen Epsalgeborenen singen hören?«

Brazo gab auf. Er fühlte sich wie gerädert. Hier schien niemand mehr normal zu sein; weder der Sicherheitsdienst noch die Roboter noch der Kommandant.

Hilflos wankte er neben seinem Gepäckträger her, bis die hünenhafte, fettleibige Gestalt eines kahlköpfigen Mannes in seinem Blickfeld auftauchte.

Der bedrohlich schnaufende Zivilist besaß blaugeäderte Hängebacken und einen so stechenden Blick, dass Brazo ein neues Unheil befürchtete. Der Koloss kümmerte sich jedoch nicht um ihn.

»Ach, sieht man Sie auch einmal«, sagte er mit seiner Stimme, die kaum weniger lautstark war als die des so genannten Epsalgeborenen.

Ausgesprochen höhnisch blickend, die mächtigen Arme in die fettgepolsterten Hüften gestemmt, blieb der Kahlköpfige vor dem Ölverschmierten stehen.

»Guten Tag, Professor«, sagte der Blonde. Bedächtig nahm er die Mütze ab und fuhr sich mit fünf Fingern durch die verschwitzen Haare.

Brazo wurde blass. Nachdem die Kopfbedeckung entfernt war, dauerte es nur noch Sekunden, bis er in seinem Gepäckträger Perry Rhodan, den Ersten Administrator des Solaren Imperiums und seinen höchsten Vorgesetzten, erkannte.

Vor Brazos weit aufgerissenen Augen begannen Feuerräder zu kreisen. Dazu fühlte er seine Beine jämmerlich schwach werden.

So geschah es, dass er nach einem geröchelten »Verzeihung, Sir!« in die Arme des sprachlosen Hyperphysikers Professor Dr. Arno Kalup sank; in die Arme eines als cholerisch bekannten Wissenschaftlers, dessen Name mit der umwälzenden Entwicklung des so genannten Hyperlineartriebwerks unlösbar verbunden war.

Wenn die Testpiloten und Spezialisten des »Linearkommandos« von dem neuartigen Kompensationskonverter zur Errichtung eines aus sechsdimensional übergeordneten Feldlinien bestehenden Kompensatorfelds sprachen, dann gab sich niemand mehr die Mühe, die zungenbrecherischen Begriffe exakt auszusprechen.

Die Maschine war einfach ein »Kalup«. Damit war fast alles gesagt.

Arno Kalup, der bedeutendste lebende Wissenschaftler der Menschheit, sah verblüfft auf das leichenblasse Gesicht des Leutnants nieder, bis er erbost schrie: »Na, na, was soll das? Benehmen Sie sich gefälligst!«

Unsanft ließ er Brazo Alkher zu Boden gleiten, wo dem jungen Mann noch übler wurde.

Rhodans Wink war von zwei nahestehenden Offizieren beobachtet worden. Sie bauten sich vor dem Administrator auf, der sie durchbohrend musterte. Man rühmte Rhodans Humor, doch diesmal schien er über sich selbst hinausgewachsen zu sein.

Die zwei Leutnants der Wache waren von unterschiedlichem Temperament und Körperwuchs, aber ihre Lippen zuckten gleichermaßen verdächtig. Der Kleinere von ihnen hatte feuchtschimmernde Augen.

Brazo richtete sich stöhnend auf, als Rhodan dozierend sagte: »Nehmen Sie Ihren Kollegen mit, meine Herren, und flößen Sie ihm ein möglichst scharfes Getränk ein. Dieser Jüngling ist – nach seinen Papieren zu urteilen – identisch mit dem verrückten Feuerleitoffizier Brazo Alkher, der es im Orionsektor fertigbrachte, mit den schwerbeschädigten Waffen des Leichten Kreuzers FORMOSA zwei Springerschiffe lahmzuschießen. Wie er das machte, ist mir rätselhaft, aber einen besseren Kanonier hat der Flottenstab augenblicklich nicht finden können. Der Erste Offizier soll die Vereidigungszeremonie vorbereiten. Wir starten in zwei Stunden.«

»Kommt man hier auch noch einmal zu Wort?«, fragte Professor Kalup gefährlich sanftmütig.

»Noch eine Sekunde«, beschwichtigte Rhodan, um anschließend einem Major des Sicherheitsdiensts zuzuhören.

»Sergeant Rodzyn ist in der Wachstation, Sir. Wollen Sie ihn noch sprechen?«

»Ich komme sofort. Dieser Unglücksvogel lief mir über den Weg.« Rhodan deutete auf Brazo, der mit wankenden Beinen zwischen den beiden Leutnants auf die Luftschleuse des Schweren Kreuzers zuschritt.

Rhodan schmunzelte. Mit dem Handrücken fuhr er sich über das Gesicht. »Sehe ich wirklich so furchtbar aus? Er nannte mich ein Ferkel.«

Kalup lachte schallend. Sein Gesicht lief blau an, und auf dem gewaltigen Kahlkopf zeichneten sich feine Schweißperlen ab.

»Der beste Witz der Woche«, sagte er hustend. »Schön, ich erwarte Sie im Schiff. Was ist mit diesem Sergeanten los?«

»Hoffentlich nichts. Er entdeckte einen Spion in der Nachbarhalle.«

Kalups Gesicht wurde kantig. »Ach! Nehmen Sie etwa an, der hätte es auf unser Forschungsschiff abgesehen?«

»Bestenfalls abgesehen gehabt. Der Mann ist tödlich verunglückt. Dennoch möchte ich erfahren, ob seine Tätigkeit in unmittelbarer Nähe der Linearstation nur rein zufällig war oder ob ein tieferer Sinn dahintersteckte. Ich hoffe, von dem Sergeanten des S-Dienstes nähere Auskünfte zu erhalten. Entschuldigen Sie mich bitte, Professor. Ich bin in einer halben Stunde zurück.«

»Fallen Sie nicht wieder in eine Ölwanne«, meinte der große Wissenschaftler spöttisch. »Sie sehen in der Tat wie ein Ferkel aus. Diesem Leutnant sollte man ob seiner offenherzigen Worte die Füße küssen.«

Perry Rhodan schritt lachend davon. Die Zeiger der Werftuhr ruckten um eine weitere Minute nach vorn. Es war 13.22 Uhr Standardzeit am 4. März 2102.

Kalups mächtiger Körper verschwand im Schatten unter der Kugelwandung des seltsamen Schiffes. Als er nach oben blickte, gewahrte er die verfärbten Schlünde der Impulsdüsen.

Kalup blieb für einen Augenblick stehen. Nachdenklich dachte er an seine Entwicklungsarbeiten an dem neuartigen Lineartriebwerk zurück, das vor etwa sechzig Jahren erstmals von Fachwissenschaftlern des Planeten Erde erwähnt worden war.

Zu dieser Zeit hatte Arno Kalup das Licht der Welt erblickt, und eine gewaltige, von nichtmenschlichen Intelligenzen gesteuerte Raumflotte war in das Sonnensystem eingebrochen.

Druuf hatte man die Riesen aus einer anderen Zeitebene genannt. Sie hatten das Lineartriebwerk besessen, und von ihnen hatte es die Menschheit übernommen.

Nur hatte man fast sechzig Jahre benötigt, um das Geheimnis des linearen Hyperantriebs zu lösen. Kalups Forschungen hatten den Ausschlag gegeben.

 

»Brüderchen – du hast Nerven wie ein Roboter, demnach also überhaupt keine«, stellte Leutnant Stana Nolinow fest. Neugierig betrachtete er Brazo Alkher, der völlig erschöpft und dem seelischen Zusammenbruch nahe auf dem Rand seines Lagers hockte.

»Hören Sie nur auf«, bat er weinerlich. »Wie hätte ich wissen sollen, dass ich ausgerechnet ...«

»Schon gut«, unterbrach Nolinow, eine untersetzte Erscheinung mit dunkelblonden Stachelhaaren. »Ich werde mir demnächst vom Alten das Essen bringen lassen.«

Mahaut Sikhra lachte unterdrückt. Klein, dünn und unscheinbar wirkend, lehnte er mit dem Rücken an der Kabinenwand.

Mit einer geschmeidigen Bewegung stieß er sich ab und schritt zu Brazo hinüber.

»Sik nennt man mich unter Freunden«, stellte er sich vor. »Ich fungiere hier als Führer des Einsatzkommandos für Sonderaufgaben. Stana ist Kommandant der Robottruppen. Wenn ich mich nicht irre, wirst du die Feuerleitzentrale übernehmen.«

Brazo schüttelte verlegen die Hände der jungen Männer.

»Angenehm«, murmelte er. »Moment, wieso soll ich die Feuerleitzentrale bekommen? Das macht gewöhnlich ein Major, mindestens aber ein Captain.«

Mahaut Sikhra zuckte mit den Schultern. Sein Blick erschien Brazo rätselhaft. »An Bord der FANTASY ist alles ungewöhnlich. Das ist kein normales Kampfschiff, sondern ein Forschungsfahrzeug.«

Brazos Aufmerksamkeit erwachte. Bedächtig musterte er die jungen Offiziere, die allem Anschein nach besondere Qualitäten besaßen.

»Ein Forschungsschiff?«, meinte er gedehnt. »Hm, ich habe mich bereits über den anormal starken Ringwulst gewundert.«

»Kluges Kind«, spöttelte Nolinow. »Du hast dich nur gewundert? Wir haben bereits das Staunen gelernt. An Bord der FANTASY geben sich all die sagenhaft gewordenen Männer, die eine auf biomedizinischer Basis beruhende, relative Unsterblichkeit besitzen, ein Stelldichein.«

»Hör auf. Mir wird schon wieder schwach im Magen.«

Stana schob die Hände in die Außentaschen seiner Uniformkombi und ließ sich gähnend neben Brazo auf das schmale Hydropneumatik-Lager fallen. Seufzend streckte er die Beine aus. »Das ist aber noch nicht alles, Bruderherz. Jeder Mann der Besatzung ist auf seinem Gebiet ein As. Demnach musst du auch eins sein, oder man hätte dich nicht abkommandiert. Geht dir ein Licht auf, weshalb du auf Herz und Nieren getestet worden bist?«

Brazo nickte erregt. Seine braunen Augen glänzten fiebrig. Stana nickte gönnerhaft. Der schlanke Nepalese Mahaut Sikhra führte ein kurzes Visiphongespräch mit der Zentrale des Schiffes.

»In einer knappen Stunde findet deine Vereidigung statt. Sehr feierlich, kann ich dir sagen.«

»Vereidigung?«

»Sicher. Wir haben die geheimsten Sächelchen der neueren Menschheitsgeschichte an Bord. Die FANTASY sieht nur äußerlich wie ein Schwerer Kreuzer der Terraklasse aus. Wenn du in die Maschinensektoren kommst, dürftest du blass werden.«

»Das bin ich schon lange«, behauptete Brazo etwas kläglich. Nolinow lachte vergnügt.

»Das legt sich, Kollege. Wir haben bereits einige Raumflüge hinter uns, zu denen Perry Rhodan in seiner bescheidenen Art ›Kurzstreckenerprobung‹ sagte. Die so genannten Kurzstrecken schwankten zwischen drei- und zehntausend Lichtjahren. Eine charmante Untertreibung, wie? Dabei hat sich das neue Triebwerk bestens bewährt. Kalup strahlte vor Freude. Unser verehrter Kommandant, den du noch kennenlernen wirst, lachte so laut, dass sich beinahe die Panzerschotte bogen. Perry Rhodan zeigte ein seltsames Lächeln. Wenn der Alte in dieser Art die Leute anschaut, liegt etwas in der Luft.«

Stana nickte bekräftigend, und Brazo wischte sich die schweißfeuchten Handflächen an den Hosenbeinen ab.

»Nur weiter so, wir haben eine Wäscherei an Bord«, meinte Sikhra launig. Brazo entschuldigte sich hastig.

»Oh – bitte sehr, nur keine Hemmungen«, sagte Stana erneut gähnend. »Wir sind hier, um dich mit den wichtigsten Dingen vertraut zu machen.«

»Ach so!«

»Kundendienst, mein Lieber. Du bist der erste Leutnant der Solaren Flotte, dem Rhodan das Gepäck getragen hat. Ich fühle mich peinlich berührt, einem so bedeutenden Mann Belehrungen erteilen zu müssen.«

»Halunken«, sagte Brazo mit einem schnellen Lächeln.

Nolinow blinzelte dem Nepalesen zu. »Ich glaube, wir werden uns vertragen. Um es kurz zu machen, Brüderchen: die Menschheit hat im Sinne des Wortes siebenundfünfzig Jahre lang geschuftet, um das Geheimnis des Lineartriebwerks zu enträtseln. Vor etwa sechzig Jahren tauchten die so genannten Druuf auf. Das waren jene Wesen, die infolge eigenartiger physikalischer Vorgänge aus einer anderen Zeitebene hervorbrachen, um das Einsteinuniversum zu erobern. Damals waren wir alle noch nicht geboren, aber Rhodan war schon Erster Administrator. Dies mag dir einen Begriff davon vermitteln, wie alt der Mann ist.«

»Alt?« Brazo lachte humorvoll auf. »Er wirkt wie ein durchtrainierter Sportler Mitte Dreißig.«

»Stimmt, aber deshalb ist er trotzdem der älteste lebende Terraner. Wenn du in der Enzyklopaedia Terrania nachliest, wirst du feststellen, dass Rhodan im Jahre 1971 als erster Mensch den Mond betreten hat. Damals war er schon etwas über fünfunddreißig Jahre alt. Heute schreiben wir das Jahr 2102. Das sagt eigentlich alles. Er hat gegen den Widerstand missgünstiger Fremdintelligenzen die solare Einheit geschaffen. Augenblicklich beginnt die dritte Epoche der Menschheitsgeschichte. Wir sind dabei, die damals erbeuteten Konstruktionsunterlagen über das Druufsche Lineartriebwerk praktische Wirklichkeit werden zu lassen. Die Aggregate sind verwendungsreif, zumindest aber in diesem Raumschiff, das als Prototyp zukünftiger Serienbauten anzusehen ist. Du wirst die Ehre haben, zusammen mit uns die Entwicklung ganz entscheidend fördern zu helfen, oder ...«

»... oder?«

»... oder mitsamt der FANTASY ein Opfer des Weltraums zu werden. War das ganz klar ausgedrückt?«

»Ein bisschen verworren, meine ich.«

»Er sagt die Wahrheit, Sik«, stellte Nolinow bekümmert fest. »Willst du weitermachen?«

»Ich überlasse es deinem sprachlichen Talent.«

Stana winkte ab. Sinnend beobachtete er Brazo Alkher, der angespannt auf der Kante seines Lagers saß.

»Na schön, viel ist nicht mehr zu sagen, Brüderchen. Wir starten in etwa eineinhalb Stunden. Wohin es diesmal geht, weiß noch niemand. Die raumpolitische Situation ist augenblicklich einigermaßen zufriedenstellend. Die Galaktischen Händler verhalten sich ruhig, auf dem Arkonplaneten scheint Atlan Herr der Lage zu sein. Die Druufinvasion ist schon vergessen, und unsere Kolonisten besiedeln langsam, aber sicher die bewohnbaren Sauerstoffplaneten in den naheliegenden Raumsektoren. Unsere einzige Sorge sind einige Anschläge von Springern und Aras, die aus dem Hintergrund gegen Terra und Arkon arbeiten. Vor siebenundfünfzig Jahren wurde mit dem Ausbau des Mondes begonnen. Heute gleicht er einem durchlöcherten Ameisenbau mit zahllosen Werften, Zubehörindustrien und gigantischen Fertigungsstraßen, von denen selbst große Schiffe nach dem Fließbandverfahren ausgestoßen werden. Damit haben wir das erreicht, was die alten Arkoniden schon vor einigen Jahrtausenden praktiziert haben. Wir haben einen beachtlich großen Himmelskörper zur Flottenbasis gemacht, damit wir ungebetenen Gästen und eroberungslustigen Fremden die Zähne zeigen können. Es wird behauptet, die Schiffsbaukapazität der Lunawerften sei der des dritten Arkonplaneten bereits gleichwertig. Mehr als hundert Millionen hervorragend ausgebildeter Terraner stehen bereit, unsere absolute Autarkie im Notfall zu beweisen. Kannst du noch folgen?«

Brazo runzelte die Stirn. Trocken meinte er: »Dieser geschichtliche Rückblick ist so interessant wie der Inhalt deiner Socken. Ich weiß ziemlich genau, dass sich darin deine Füße befinden.«

Nolinow richtete sich mit einem entsagungsvollen Seufzer auf.

»Schön, es musste sein. Befehl ist Befehl. Du wirst den Beginn der dritten Epoche erleben. Wenn du etwas über das geheimnisvolle Lineartriebwerk wissen willst, so wende dich gefälligst an kompetente Leute. Ich kann dir dazu nur sagen, dass die Zeit der Transitionen vorbei ist, wenigstens für die FANTASY. Bisher haben wir den Hyperraum durch komplizierte, gewaltsam durchgeführte Sprünge nach dem Hasenhupfer-Verfahren überwunden. Es ging zwar ganz gut, aber die langwierigen Transitionsberechnungen, die dabei erfolgende Entmaterialisierung und die vielen Fehlerquellen waren nicht die Ideallösung. Auf der FANTASY wirst du eine andere, vollkommene Art der überlichtschnellen Raumreise kennenlernen. Wir fliegen mit direkter optischer Sicht auf den Zielstern zu. Man behält bei diesem direkten Flug alles im Auge, was man zu erblicken wünscht. Daher auch der Ausdruck ›Lineartriebwerk‹. Wir tauchen in eine so genannte Halbraumzone ein. Das Kalupsche Kompensatorfeld schirmt dabei vordringlich die wirkungsvoll werdenden 5-D-Konstanten ab, wonach ein tatsächliches Eindringen in den Hyperraum vermieden wird. Daher auch keine totale Entstofflichung wie bei den alten Sprungschiffen. Da das Kompensatorfeld mit der Halbraum- oder Librationszone energetisch verwandt ist, fliegen wir in einem nur mathematisch beschreibbaren Halbraumsektor zwischen der fünften und vierten Dimension, in dem beide Energieeinflüsse unwirksam werden. Damit wird ein darin gleitender Körper zum Bestandteil dieser Halbraumzone, in der die Einsteinschen Gesetze nicht mehr gültig sind. Wahrscheinlich können vielmillionenfache Lichtgeschwindigkeiten im direkten Linearflug erreicht werden, aber in dieser Hinsicht hat es noch nicht einmal Rhodan auf die Spitze getrieben. Wir erzeugen beim Gradlaufflug weder eine anmessbare Wellenfront noch einen strukturellen Schockstoß, wie er bei den gewaltsam durch die Zeitmauer vorstoßenden Sprungschiffen ganz typisch ist. Wer das Lineartriebwerk besitzt, ist vielen anderen Intelligenzen der Milchstraße voraus. Ich ... du wirst ja schon wieder blass.«

Brazo hatte die Augen geschlossen. Sein Atem ging schwer. Auch wenn sich Nolinow bemüht hatte, in burschikoser und möglichst verniedlichender Art diese umwälzenden Dinge zu erklären, spürte Brazo den tiefen Ernst in den Worten.

Als er wieder aufblickte, standen die jungen Offiziere dicht vor ihm. Nolinows breites Gesicht hatte sich verwandelt. Er lachte nicht mehr.

»Das ist eine harte Nuss, nicht wahr?«, erkundigte er sich leise. »Du wirst es mit der Zeit verstehen. Vielleicht ahnst du nun, warum uns der Kommandant den Befehl gegeben hat, dich etwas vorzubereiten. Jefe Claudrin ist ein guter Psychologe, obwohl er auf den ersten Blick wie ein aus der Kontrolle geratener Panzerwagen wirkt, der alles im Wege Stehende niederzuwalzen droht. Er ist ein Epsalgeborener, einer der ersten Männer, die aus dem Anpassungsprogramm von 2045 hervorgegangen sind. Verliere nur nicht den Rest deiner Fassung, wenn er auf dich zukommt. Tja, das wäre eigentlich alles. Noch Fragen?«

Brazo schüttelte schweigend den Kopf. Sik trat an das Visiphon und gab eine Anweisung. Augenblicke später betrat ein stereotyp lächelnder Bedienungsroboter die kleine Kabine.

»Das ist Omega-185«, erklärte Stana. »Er wird sich um dein leibliches Wohl kümmern. Ich hole dich in einer halben Stunde ab.«

Ehe Sikhra den Raum verließ, sagte er noch: »Du kannst übrigens auf den Flug verzichten. Niemand wird dich zwingen, den Einsatz mitzumachen. Die Sache ist gefährlich. Überlege es dir. Wenn du erst einmal vereidigt bist ...«

Der Nepalese unterbrach sich und zuckte mit den Schultern. In dem Augenblick wusste Brazo Alkher bereits sehr genau, dass er um nichts in der Welt ablehnen würde, auch wenn man es ihm unter gröbster Schwarzmalerei der kommenden Gefahren nahelegen sollte.

Geistesabwesend antwortete er auf die Fragen des Bedienungsrobots. Ja, er wünsche eine Dusche zu nehmen. Nein – seine Dienstwaffe würde er selbst reinigen und pflegen.

Dreißig Minuten später hatte Brazo die zartgrüne Uniform angelegt, die ihm der Kammeroffizier des Schiffes geschickt hatte.

3.

 

 

Er war ebenso hoch wie breit gebaut. Ein mittelgroßer Tresor hätte zumindest ähnlich ausgesehen.

Oberst Jefe Claudrin besaß den vierfachen Brustumfang eines starken Mannes. Dementsprechend war auch seine Muskulatur entwickelt.

Geboren und aufgewachsen auf einem 2,1-Gravo-Planeten, hatte Claudrin nach seinem Eintritt in die Solare Flotte es als schwierig empfunden, sich unter normalen Schwerkrafteinflüssen von etwa einem Gravo bewegen zu müssen. Als der Epsalgeborene bemerkt hatte, dass seine Muskulatur unter der »geringfügigen« Belastung von nur einem Gravo zu erschlaffen drohte, hatte er sich dazu entschlossen, Tag und Nacht einen speziell entwickelten Mikrogravitator zu tragen, der ihm die doppelte Schwerebelastung aufbürdete. So hatte Colonel Claudrin seine körperliche Tüchtigkeit erhalten, wie er sich auszudrücken pflegte.

Jefe machte sich einen Spaß daraus, stabil aussehende Sitzgelegenheiten versehentlich zwischen den gewaltigen Oberschenkeln seiner kurzen, stämmigen Säulenbeine zu zertrümmern. Seine Arme glichen überdimensionalen Kolbenstangen, und seine Hände waren gefürchtet. Die Männer der FANTASY-Besatzung hüteten sich davor, sich von Claudrin in althergebrachter Weise durch Handschlag begrüßen zu lassen. Ehe Claudrin die Gefährlichkeit seiner Greifwerkzeuge erkannt hatte, war es zu einigen Unfällen gekommen.

Alles in allem glich der Kommandant des Forschungskreuzers FANTASY einem in der Mitte durchgeschnittenen Riesen, dessen breiter, von brandroten Haaren bedeckter Schädel auf einem Nacken ruhte, dessen Muskelwülste bisher noch in keinen Uniformkragen normaler Serienfertigung hineingepasst hatten.

Als Kommandant und Galaktonaut war Claudrin fraglos ein As. Er hatte die neuartige FANTASY bereits beim Werkstattflug unter seine Fittiche genommen.

Perry Rhodan lauschte auf das Donnern des normalen Impulstriebwerks, dessen hochverdichtete, schubstarke Partikel den Schweren Kreuzer mit fünfhundert Kilometer pro Sekundenquadrat beschleunigten.

Die Maschinen liefen so einwandfrei und zuverlässig wie in zehntausend anderen Raumschiffen der Flotte. Nach arkonidischem Vorbild konstruiert, jedoch in vielen Details wesentlich verbessert und kompakter, stellten sie zur Zeit das Maximum der modernen technischen Entwicklung dar. Es gab nichts mehr daran auszusetzen. Fast war es sinnlos, mit wachen Sinnen auf das Arbeitsgeräusch zu horchen.

Trotzdem überprüfte Rhodan in gewohnter Art die kleinen Kontrollschirme der Ringwulstbeobachtung.

Mehr als ein bläuliches Flimmern, erhitzten und aufsteigenden Luftmassen gleichend, war nicht zu sehen. Die FANTASY kam infolge der Kompaktbauweise mit nur sechs Ringwulstkonvertern aus. Wesentlich mehr Platz beanspruchte das neuartige Überlichttriebwerk, das – genau betrachtet – eigentlich keine Antriebsmaschine im Sinn des Wortes war.

Der Kalupsche Kompensator hatte lediglich die Aufgabe, den Schiffskörper in ein Kugelfeld zu hüllen, das die energetischen Einflüsse der vierten und fünften Dimension reflektierend oder absorbierend aufhob.

Damit wurde innerhalb des Kugelfelds der instabile Librationszonenzustand erzeugt, der weder die Gesetze des Hyperraums noch die des Einsteinuniversums gültig werden ließ.

Eine zwangsläufige, jedoch noch nicht genau errechenbare Folgeerscheinung der abgewandelten Gesetzmäßigkeiten war eine abstrakte Reaktion der Normaltriebwerke, die unter den künstlich veränderten Bedingungen eben nicht mehr so funktionieren konnten wie innerhalb des vierdimensionalen Raumes.

Die bei Normalbetrieb nur lichtschnellen Impulswellen erreichten innerhalb der Halbraumzone Strahlgeschwindigkeiten, die, je nach der energetischen Intensität des Kalupschen Kompensatorfelds, zwischen der zehn- bis vielmillionenfachen Lichtgeschwindigkeit schwankten. Zum Programm gehörte, festzustellen, wo die Grenzen lagen.

Fest stand bisher nur die Tatsache, dass der Prozess von zwei Faktoren abhängig war. Einmal veränderten sich die Impulswellen im Einflussbereich der Librationszone von Natur aus. Zum anderen konnte ihre Strahlgeschwindigkeit durch eine variable Aufladung des Kalupschen Feldes sehr wesentlich verändert werden, was wiederum bewies, dass eine totale Aufhebung der hyperphysikalischen und Einsteinschen Grundgesetze eine Frage des Energiegehalts im Kalupfeld war. Je besser die Abschirmung, um so vollendeter fügte sich der Körper der FANTASY in die Halbraumzone ein; um so mehr wurde das Schiff zu einem Bestandteil des künstlich aufgebauten Sektors zwischen den Dimensionen.

Um diesen Idealzustand erreichen zu können, war der Kreuzer während der Werftliegezeit mit einem fünften Kraftwerk ausgerüstet worden, was eine zusätzliche Erzeugung von zwanzigtausend Megawatt möglich machte.

Rhodan hoffte, damit den gewünschten Effekt erreichen zu können, nämlich die totale Kompensation der fünf- und vierdimensionalen Konstanten.

Das Rumoren der Ringwulsttriebwerke mäßigte sich. Rhodan fuhr aus seinen Grübeleien auf. Die mit dem Linearflug verknüpften Probleme würden sich nur bei der praktischen Erprobung, nicht aber mit fragwürdigen Überlegungen lösen lassen.

Das Flimmern auf den Kontrollschirmen erlosch. Mit einem letzten Brummlaut liefen die Impulskonverter aus. Im freien Fall schoss die FANTASY mit nur halber Lichtgeschwindigkeit über die Marsbahn hinweg. Erde und Mond waren längst im tiefen Schwarz des Raumes verschwunden. Nur die zahllosen Sterne der Milchstraße waren noch auf den Bildschirmen zu sehen.

»Na, sind wir wieder munter?«, sagte jemand.

Rhodan schlug mit dem Handballen auf die flache Platte des Sammelschlosses. Die Pneumogurte fielen vom Körper ab.

Reginald Bull, ebenso jung und elastisch wirkend wie im Jahre 1971, hatte sich hinter dem Sessel des Expeditionschefs aufgestellt. Ausdruckslos sah er auf die leuchtenden Bildschirme der Panoramagalerie.

Weiter rechts saß der Kommandant in seinem riesigen Spezialsitz.

Er achtete nicht auf die beiden Männer zu seiner Linken. Es war seine Aufgabe als Kommandant, das Schiff in jeder Sekunde unter Kontrolle zu behalten.

Rhodan sah prüfend zu Claudrin hinüber, dessen riesige Schultern an den Rändern der Rückenlehne deutlich hervorragten. »Alles klar, Jefe?«

Der Epsalgeborene wandte den Kopf. Die braune Lederhaut seines Gesichts verzog sich. Er lächelte.

»Wie immer, Sir«, dröhnte seine tiefe Stimme. »Wollen Sie nun?«, fügte er mit gleicher Lautstärke hinzu.

Rhodan nickte. Nach einem letzten Blick auf die Bildschirme erhob er sich auf seinem Sitz. Bull stand immer noch reglos auf dem gleichen Fleck. Sein sommersprossiges Gesicht unter der brandroten Haarbürste wirkte verschlossen und ungewohnt ernst.

Die Männer der Zentralebesatzung blickten angespannt zu Rhodan und dessen Stellvertreter hinüber.

Rhodan schlängelte sich zwischen Sesselsockel und Manuellkontrollen hervor. Die Zentrale der FANTASY war mit Zusatzgeräten überladen.

»Hat man bestimmte Ahnungen?«, fragte er übergangslos.

Bulls Lider schlossen sich für einen Augenblick. Als er die Augen wieder öffnete, stand Rhodan dicht vor ihm. Die Blicke der Männer trafen sich.

»Ahnungen?«, wiederholte Bully gedehnt. »Nein, wohl kaum. Mehr als explodieren kann die Nussschale nicht.«

Rhodans Lippen verzogen sich zu einem ironischen Lächeln, aber in seiner Stimme klang etwas Wehmut mit.

»Oh, Nussschale nennst du einen 200-Meter-Kreuzer? Interessant. Ich glaube, ich kann dir sagen, was in dir vorgeht.«

»Ach!«

Rhodan nickte sinnend. Geistesabwesend sah er sich in der Zentrale um. »Vor siebenundfünfzig Jahren, ungefähr zu dieser Jahreszeit, ist der Arkonide Crest gestorben. Er hat am Erfolg nicht mehr teilnehmen können. Hast du an ihn gedacht?«