cover.jpg

img1.jpg

 

Nr. 21

 

Straße nach Andromeda

 

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt

Das 25. Jahrhundert: In Jahrzehnten des Wohlstands und des Friedens hat sich die Menschheit auf zahllosen Planeten der Galaxis angesiedelt. Die Terraner glauben an einen unaufhörlichen Fortschritt bis in die ferne Zukunft. Dann aber besucht der riesenhafte Haluter Icho Tolot die Erde. Sein Erscheinen stößt die Menschheit hinein in das bisher größte Abenteuer ihrer Geschichte – der Sprung in die Nachbargalaxis Andromeda.

 

Icho Tolot liefert Hinweise für die Position des legendären Planeten Kahalo, den die Menschen seit vielen Jahren vergeblich suchen. Hier hofft man Hinweise auf kosmische Geheimnisse zu finden. Perry Rhodan macht sich mit seinem Flaggschiff, der CREST II, auf den Weg. Doch ein gigantischer Transmitter, geformt aus sechs flammenden Sonnen, schleudert das Schiff in den Leerraum zwischen die Galaxien.

 

Dort erwartet Perry Rhodan und seine Gefährten ein mysteriöses Doppelstern-System. Zweitausend Terraner müssen sich gegen die Fallen im Nichts wehren – ihre Feinde sind die Werkzeuge jener geheimnisvollen Beherrscher Andromedas, die als »Meister der Insel« bezeichnet werden.

Einleitung

 

 

Mit dem vorliegenden Buch haben wir einen Sprung über mehr als zwanzig Hefte hinweg gemacht – sicherlich begrüßt von denjenigen Lesern, die sich eine straffe Handlungsführung innerhalb der Buchreihe wünschen, und bedauert von den anderen, die soviel »Rhodan pur« in ihrer Hardcover-Bibliothek haben möchten wie eben möglich.

Ihnen sei versichert, daß wir nichts unter den Tisch haben fallen lassen, das für die Perry Rhodan-Gesamthandlung von unverzichtbarem Interesse gewesen wäre. Die betreffenden Bände 178 bis 199 brachten zwar spannende Weltraumabenteuer, stellen jedoch bei heutiger Betrachtung hauptsächlich eine Überleitung vom Blues-Unterzyklus zu den großen Ereignissen dar, die mit der Entdeckung der Transmitterstraße nach Andromeda in Band 200 ihren Anfang nehmen. Alles für den Serienzusammenhang Bedeutsame (Entdeckung Kahalos, Rhodans Heirat, Vernichtung von Arkon III) findet sich entsprechend aufgearbeitet in diesem Buch.

Einige grundsätzliche Korrekturen zu den Heften waren unerläßlich. Sie betreffen Zeitangaben und die Aktualisierung von Entfernungsdaten im Sinne eines Einklangs mit dem heutigen Wissensstand und bereits erschienenen Büchern, bzw. dem Perry Rhodan-Lexikon. Darüber hinaus galt es wie immer, Widersprüche und Fehler zu eliminieren, ohne zu tiefe Eingriffe in die Originalromane vorzunehmen. Diese Originalromane sind: Die Straße nach Andromeda von K. H. Scheer; Sternstation im Nichts von Kurt Brand; Die Retter der CREST von Clark Darlton; Die Stadt der Verfemten von William Voltz; Der Wächter von Andromeda von H. G. Ewers; Die Schrecken der Hohlwelt von Kurt Mahr und Die 73. Eiszeit von William Voltz. (Auflistung in der Reihenfolge des ehemaligen Erscheinens, ungeachtet der vorgenommenen Kürzungen und Bearbeitungen.)

Daß der bereits hier auftauchende Romantitel Die Schrecken der Hohlwelt identisch ist mit dem Titel des nächsten Buches, sollte insofern nicht verwirren, als es – gerade zu Anfang des Andromeda-Zyklus – unmöglich ist, die Schauplätze strikt voneinander zu trennen, indem man je einen (oder mehrere) in einem Buch abschließend behandelt. Auch das nächste Buch wird noch in und auf Horror spielen, jener künstlichen Hohlwelt, die die Autoren zu einem kaum jemals übertroffenen Feuerwerk an Ideen und hervorragenden Schilderungen inspirierte.

 

Es bleibt der Dank an Franz Dolenc für die mir in bewährter Weise zuteil gewordene Hilfe (sein Idealismus beim Erstellen des »Gerüsts« und der Ausarbeitung von Möglichkeiten, Logikfehler aufzulösen, sei auch hier wieder hervorgehoben), an die Leser für ihre Anregungen und Kritiken und – last not least – an die Autoren der Originalromane für ihre begeisternde und begeisterte Arbeit vor rund zwanzig Jahren, ohne die es heute keine Perry Rhodan-Bibliothek geben könnte.

Rastatt, Herbst 1984

Horst Hoffmann

Zeittafel

 

 

1971 – Die STARDUST erreicht den Mond, und Perry Rhodan entdeckt den gestrandeten Forschungskreuzer der Arkoniden.

1972 – Aufbau der Dritten Macht und Einigung der Menschheit.

1976 – Perry Rhodan löst das galaktische Rätsel und entdeckt den Planeten Wanderer, wo seine Freunde und er von dem Geisteswesen ES die relative Unsterblichkeit erhalten.

1984 – Der Robotregent von Arkon versucht die Menschheit zu unterwerfen.

2040 – Das Solare Imperium ist entstanden. Der Arkonide Atlan taucht aus seiner Unterwasserkuppel im Atlantik auf. Die Druuf dringen aus ihrer Zeitebene in unser Universum vor.

2044 – Die Terraner verhelfen Atlan zu seinem Erbe.

2102 – Perry Rhodan entdeckt das Blaue System der Akonen.

2103 – Perry Rhodan erhält den Zellaktivator von ES.

2104 – Der Planet Mechanica wird entdeckt. Vernichtung des Robotregenten von Arkon.

2114 – Entdeckung der Hundertsonnenwelt und Bündnis mit den Posbi-Robotern.

2326 – ES verstreut 25 Zellaktivatoren in der Galaxis, und es kommt zur Invasion der Hornschrecken. Sie hinterlassen die Schreckwürmer und das geheimnisvolle Molkex.

2327 – Entdeckung des Zweiten Imperiums und der Blues. Die Suprahet-Gefahr kann gebannt werden. Kampf gegen die Blues.

2328 – Terranische Spezialisten dringen ins Herz des Zweiten Imperiums vor und suchen nach einer Waffe gegen die unzerstörbare Molkexpanzerung der Blues-Raumer. Mit dieser Waffe kann der Krieg im letzten Moment für die Terraner entschieden werden. Der Friedensvertrag zwischen den beiden galaktischen Imperien bringt den Völkern der Milchstraße eine, von wenigen Ausfällen einzelner Splittergruppen abgesehen, Zeit der Ruhe und des Aufschwungs.

1.

 

 

Sie schrien ununterbrochen. Sie beruhigten sich auch nicht, als Icho Tolot den Raum betrat und vor den beiden Krankenlagern stehenblieb.

Fancan Teik trug noch seinen Kampfanzug. Teik war vor zwei Stunden von einer Drangwäsche zurückgekommen. Er war müde.

Tolot sah zu dem heimgekehrten Kämpfer hinüber. Niemand würde jemals erfahren, welche Abenteuer Fancan Teik gesucht und auch gefunden hatte. Über solche Dinge schwieg man – normalerweise!

Diesmal hatte sich jedoch etwas ereignet, das Teik verpflichtete, wenigstens einen Teil seiner Erlebnisse zu offenbaren.

Klautos Mur verhielt sich abwartend. Nachdem er seine ärztlichen Pflichten nach bestem Wissen erfüllt hatte, war er einige Schritte zurückgetreten.

Icho Tolots Haus war groß; eigentlich viel zu groß für einen jungen Mann, der im Rat der Alten zu schweigen hatte, bis man das Wort an ihn richtete. Dennoch besaß Tolot Qualitäten, über die man nicht hinwegsehen konnte. Er war ein hervorragender Wissenschaftler.

Tolot beugte sich über die beiden Kranken, in deren Augen der Irrsinn flackerte. Der Mediziner Klautos Mur hatte sie in einen energetischen Fesselschirm eingebettet, damit sich die Tobenden nicht verletzen konnten.

Tolots tiefe Stimme klang überraschend weich. Vorsichtig strich er dem jüngeren Mann über die schweißverklebten Haare. Tolot versuchte durch seinen Gesang den Kranken zu beruhigen. Es gelang ihm nicht.

»Eine sehr heftige Reaktion«, erklärte Mur. »Sie werden keinen Erfolg haben.«

Tolot richtete sich auf. Seine Hand glitt aus dem Kraftfeld zurück.

»Die körperlichen Schäden haben wir beseitigen können«, fuhr der Mediziner fort. »Die Männer sind physisch vollkommen in Ordnung. Gegen die geistige Verwirrung bin ich machtlos. Was schlagen Sie vor?«

Tolot fühlte den milden Vorwurf, der in dieser Frage lag. Er hatte darum gebeten, die Kranken in seinem Haus aufnehmen zu dürfen.

Er kontrollierte die Robotschaltung der Klimaanlage und nahm neben dem Mediziner Platz. Das Licht der roten Sonne fiel kraftlos durch die Deckenfenster.

Fancan Teik bemerkte Tolots auffordernden Blick. Es wurde Zeit, die Hintergründe der Angelegenheit zu erläutern.

Teik griff in eine Außentasche seines Kampfanzuges und zog zwei Klarsichthüllen hervor.

»Das sind die Legitimationen der beiden Männer«, erklärte er übergangslos. »Es handelt sich um Leutnant Orson Coul, Terraner, und um den Kanonier Heyn Borler, ebenfalls Terraner. Beide gehörten zur Besatzung des terranischen Schweren Kreuzers OMARON.«

»Gehörten ...?« warf Tolot ein.

»Das Schiff ist mit neunundneunzigprozentiger Sicherheit vernichtet worden.«

»Durch eine Kampfhandlung?«

»Nein. Meine Auswertung spricht dagegen. Es scheint sich um einen Unfall gehandelt zu haben. Ich habe die Kranken im Szonu-Sektor entdeckt, in einem Rettungsboot. Ich habe es an Bord meines Schiffes geholt und mich dann entschlossen, die Schiffbrüchigen hierherzubringen. Meine Aufgabe war ohnehin beendet.«

Mehr zu sagen gehörte nicht zu den Regeln. Es genügte vollauf, wenn Fancan Teik versicherte, er hätte die beiden Terraner im Raum zwischen den Sternen aufgefischt.

Tolot erhob sich und trat vor einen Bildschirm seiner Erfassungsanlage. Teiks Schiff ruhte auf dem Landefeld vor Tolots Haus. Das terranische Rettungsboot war bereits ausgeschleust worden. Ein datenverarbeitender Roboter beschäftigte sich mit der Auswertung der Bordpositronik.

»Es ist unbeschädigt«, sann Icho Tolot laut. »Ich bedanke mich sehr herzlich für Ihr Entgegenkommen, Fancan Teik. Sind Sie damit einverstanden, daß ich die Geretteten zum nächsten terranischen Stützpunkt bringe?«

Teik lachte. Es war ein dumpfes, grollendes Lachen.

»Sie werden wohl gehen müssen, Tolot. Ich bin einverstanden. Werden Sie sich in der Zentrale abmelden?«

Der Mediziner hielt den Atem an. Fasziniert sah er zu dem jungen Mann hinüber.

Icho Tolots Augen erglühten in einem inneren Feuer. Seine Gestalt verdeckte einen Teil des Bildschirmes.

»Wahrscheinlich. Ich bin an Terra stark interessiert.«

Fancan lachte erneut, diesmal aber leiser und herzlicher.

»Lassen Sie sich nur nicht dazu verleiten, diesem sympathischen Volk zu hilfreich unter die Arme zu greifen. Es muß seine Probleme allein meistern.«

Der Mediziner lachte ebenfalls. Er war alt und verbraucht. Trotzdem fühlte er in diesem Augenblick den Wunsch, seine Heimatwelt zu verlassen, um in den unergründlichen Tiefen des Alls der charakteristischen Abenteuerlust seines Volkes nachzugehen.

Je intensiver er Icho Tolot betrachtete, seinen gigantischen Körper mit sachverständigen Blicken maß und die Chancen des jungen Wissenschaftlers abwog, um so mehr fühlte er sein Blut wallen.

Auf dem Planeten Halut, der einzigen Welt der schwachen, roten Sonne Haluta, sagte man zu derartigen Gefühlswallungen »Drangwäsche«. Es war ein Ausdruck, der für die Mentalität der Haluter bezeichnend war.

Sie, die wohl mächtigsten Wesen der bekannten Galaxis und im Besitz einer hochentwickelten Wissenschaft, hatten schon vor fünfzigtausend Jahren auf alle Machtansprüche verzichtet.

Kein anderes Lebewesen der Milchstraße wußte, wo der Planet Halut zu suchen war, und keine Intelligenz ahnte, woher die gelegentlich auftauchenden Fremden stammten, was sie bezweckten und warum sie immer wieder einmal mit ungeheurer Vitalität in die Geschicke einzelner Völker eingriffen.

Auf der großen und alten Sauerstoffwelt Halut lebten nur noch hunderttausend Wesen von Tolots Art. Man hatte sich zurückgezogen; man war reif genug geworden, um zu erkennen, daß der Drang der frühen Vorfahren nach Ausdehnung und Eroberung unerwünschte Unruhe in das Dasein brachte.

Auf Halut war man zu der Auffassung gelangt, jeden Haluter nach eigenem Ermessen leben zu lassen. Man war friedfertig geworden, weise und zurückhaltend – bis auf eine bestimmte Ausnahme!

Fancan Teik war ein Beispiel für die fast krankhafte Lust eines Haluters, hier und da die stille Heimatwelt zu verlassen, um sich draußen im Sternenmeer der Galaxis auszutoben.

Der biologische Metabolismus ihrer Körper – ihre Fähigkeit, jede einzelne Zelle geistig zu beherrschen, sie zu verwandeln und somit aus dem pulsierenden Organismus ein stählernes Geschoß zu machen – prädestinierte die Bewohner von Halut für den Kampf.

Wo sie auftauchten, verbreiteten sie Panik und Schrecken – wenigstens so lange, bis andere Lebewesen erkannten, daß ein monströses Äußeres nicht unbedingt auf ein Monstrum schließen läßt.

Der Mediziner erhob sich. Schwerfällig tappte er zu Tolot hinüber und legte ihm die Hand seines rechten Greifarms auf die Schulter.

»Ich beneide Sie. Wann wollen Sie gehen? Würden Sie einem alten Mann erlauben, Ihnen bei der Zusammenstellung Ihrer Ausrüstung behilflich zu sein? Bitte – ich weiß, wie unbillig mein Verlangen ist; aber wenn die Lebenszeit eines Kämpfers fast abgelaufen ist, dann ...!«

»Ich verstehe Sie vollkommen«, unterbrach Icho Tolot ihn. »Haben Sie meine letzte Erfahrungsstudie über Terra gelesen?«

»Sogar studiert. Phänomenal, möchte ich sagen. Unsere Chronik berichtet vom dritten Planeten einer unbedeutenden Sonne. Wir entdeckten damals eine Urwelt.«

»Heute finden Sie ein räumlich kleines, aber machtvolles Sternenreich, das von den Bewohnern dieser dritten Welt beherrscht wird. Das wäre nicht außergewöhnlich. Die Geschichte kennt viele Beispiele vom Aufstieg und Untergang eines galaktischen Volkes. Die Terraner unterscheiden sich von den uns bekannten Völkern in einem wesentlichen Punkt. Sie besitzen persönlichen Mut, Opferbereitschaft und einen unbezähmbaren Willen, das einmal Begonnene zu vollenden. Ihre kluge Politik führte zur Bildung des sogenannten Solaren Imperiums im Zeitraum von nur wenigen Jahrzehnten. Ich möchte mit ihnen Kontakt aufnehmen. Sie reizen mich.«

»Ich bin mit einem terranischen Schlachtschiff zusammengetroffen«, warf Fancan Teik ein. Tolot drehte sich überrascht um. Teik sah sinnend auf den Kontrollschirm. Sein drittes Auge hatte er etwas ausgefahren.

»Die Besatzung war auf einer Welt gelandet, für die ich mich ebenfalls interessierte. Ich riskierte ein Spiel und ließ mich jagen. Sie wurden gefährlicher, als ich angenommen hatte. Parapsychische Waffen sind ebenfalls eingesetzt worden. Sie erwähnten einmal ein Mutantenkorps.«

»In einer lange zurückliegenden Studie«, bestätige Icho Tolot.

Fancan Teik bewegte bestätigend die Hände seiner Sprungarme.

»Ganz recht«, meinte er. »Es ist nicht zuletzt diesem Mutantenkorps zu verdanken, daß die Terraner heute zu einem bedeutenden Macht- und Wirtschaftsfaktor in der Galaxis geworden sind. Ich schätze, daß wir vom Solaren Imperium noch manches hören werden. Derzeit herrscht relative Ruhe in der Milchstraße, wenn man von den Scharmützeln in der Eastside absieht, wo die Bluesvölker noch immer nicht ihren Frieden gefunden haben. Es gibt zwar noch einige kleine, aber einflußreiche Gruppen von Akonen, Aras, Springern und Antis, die aus dem Untergrund heraus versuchen, gegen Terra Stimmung zu machen. Aber diese Aktivitäten können der Erde derzeit nichts anhaben. Dazu ist ihre Stellung zu sehr gefestigt. Diese relative Ruhe hat dazu geführt, daß Perry Rhodan, der Großadministrator des Solaren Imperiums, seit einigen Jahren intensive Anstrengungen unternimmt, um Kahalo zu finden.«

Tolot wußte von der Suche nach dem geheimnisvollen Planeten. Die Haluter kannten diese Welt schon seit vielen Jahrtausenden, obwohl noch niemals einer von ihnen sie betreten hatte. Dieser Planet galt auf Halut als Tabu. Es gab auf Halut ein ungeschriebenes Gesetz, nach dem sich alle Haluter richteten. Und dieses Gesetz verbot es ihnen, sich intensiver mit dem galaktischen Zentrum und mit Kahalo zu beschäftigen. Niemand wußte, warum es so war, und niemand fragte danach. Möglicherweise hing die Tabuisierung des galaktischen Zentrums damit zusammen, daß die halutische Geschichtsschreibung nur etwa 50.000 Jahre in die Vergangenheit zurückreichte. Was vor diesen 50.000 Jahren lag, war unbekannt, und eigenartigerweise gab es keinen Haluter, der versucht hätte, die Ursachen dieser Unkenntnis intensiv zu erforschen. Auch Tolot verspürte nicht die Absicht, sich damit auseinanderzusetzen. Gesetze – auch wenn es ungeschriebene waren – waren dazu da, eingehalten zu werden. Und jeder der 100.000 Haluter hielt sich daran.

Doch das Tabu verbot es lediglich, eine direkte Erforschung des Zentrumsgebiets und Kahalos vorzunehmen oder anderen Intelligenzen direkte Hinweise auf die Existenz der dort existierenden Geheimnisse zu liefern. Es schloß jedoch eine Fernbeobachtung nicht aus. Und so hatte sich mancher Haluter in den vergangenen Jahrtausenden dieser Möglichkeit bedient. Sie hatten von der Existenz einer rätselhaften Anordnung von Pyramiden auf Kahalo Kenntnis erhalten, deren Sinn aber nicht ergründen können. Kahalo wurde weiterhin in gewissen Abständen aus der »Ferne« beobachtet. Dadurch erfuhr man auch, daß vor etwas mehr als siebzig Jahren terranischer Zeitrechnung auf Kahalo ausgedehnte Kampfhandlungen stattgefunden hatten. Damals hielt sich der Terraner Perry Rhodan in Begleitung einiger seiner engsten Freunde und Mitarbeiter auf Kahalo auf, um den Bigheads, der degenerierten Bevölkerung Kahalos, in ihrem Kampf gegen Angreifer aus dem Weltraum hilfreich beizustehen. Danach verließen Rhodan und seine Freunde die Welt wieder, ohne Gelegenheit zu erhalten, ihre Positionsdaten in ihren Besitz zu bringen.

Bei einer erst vor wenigen Monaten stattgefundenen Fernbeobachtung Kahalos stellten die Haluter dann überrascht fest, daß es keine intelligente Bevölkerung mehr gab. Die Kahals waren spurlos verschwunden, und niemand vermochte zu sagen, was aus ihnen geworden war. Daß sie aus eigenem Antrieb ihre Welt verlassen haben könnten, wurde bezweifelt. Dazu hatten sie weder das notwendige technische Wissen, um mit ihren wenigen Raumschiffen umzugehen, noch die Initiative, einen derartigen Schritt zu unternehmen. Auch dieses Rätsel wurde von den Halutern nicht näher untersucht, denn das Tabu hinderte sie daran.

Tolot unterbrach seine Überlegungen und wandte sich wieder Fancan Teik zu.

»Wenn die Terraner weiterhin mit derselben Hartnäckigkeit nach Kahalo suchen, dann werden sie früher oder später Erfolg haben. Ich werde sie auf ihrer Stützpunktwelt Opposite aufsuchen.«

»Haben Sie die Koordinaten?« erkundigte sich der Arzt erregt.

»Ja. Ich bin sehr neugierig, wie man mein Erscheinen auffassen wird.«

Fancan Teik ging. Minuten später hob sein Schiff ab. Es verschwand hinter den flachen, abgetragenen Bergen des westlichen Horizontes.

Halut war alt – uralt. Dieser Planet hatte bereits seine Entwicklungsepoche abgeschlossen, als die ersten halutischen Flotten in den Raum gerast waren. Es war lange her.

Jetzt flogen nur noch die kleinen Spezialraumer jener Haluter ab, die im Banne ihrer Drangwäsche die Heimat verlassen mußten, um draußen für einige Zeit wie die Ahnen zu leben.

Icho Tolot begann mit seiner Rüstung. Der alte Mediziner half. Die beiden geretteten Terraner schrien immer noch. Sie berichteten von flammenden Lichtern und rätselhaften Gewalten, die über sie hereingebrochen waren.

Tolot registrierte die Aussagen im Speichersektor seines Planhirns. Es lag in der oberen Hälfte seines halbkugeligen Schädels und wurde durch eine Knochenplatte vom Ordinärgehirn getrennt, das für die motorischen Bewegungen und zur Verarbeitung der Sinneseindrücke zuständig war.

Ichos Planhirn rechnete exakter, schneller und schöpferischer als eine hochwertige Positronik.

Tolot verarbeitete die Daten, die er aus dem Gestammel der Kranken entnehmen konnte. Schließlich kam er zu dem gleichen Schluß wie Fancan Teik. Der Schwere Kreuzer OMARON existierte nicht mehr. Die beiden Terraner waren durch einen Zufall dem Unheil entgangen.

Tolot richtete sich zur vollen Größe auf. In dieser Haltung maß er 3,50 Meter. Seine Schulterbreite betrug 2,50 Meter, sein Gewicht 39,8 Zentner unter einer Schwerkrafteinwirkung von einem Gravo.

Langsam, fast schwerfällig wirkend, schritt er auf seinen relativ kurzen Säulenbeinen dem Ausgang zu. Die schwarze, lederartige Haut seines Körpers absorbierte das Licht der Sonne Haluta.

Klautos Mur wartete vor der Tür der Rüstkammer. Tolot verneigte sich vor den verschlungenen Symbolen, die seine Vorfahren auf dem stählernen Schott hatten einprägen lassen.

Während er die uralten Worte der Zeremonie sprach, legte er seine Kleidungsstücke ab. Mur regte sich nicht. Es stand ihm nicht zu, die Zwiesprache zu stören.

Er trat erst vor, als Tolot sagte:

»Ich bin bereit, es sei. Ich gehe.«

Das Schott schwang auf. Die Robotautomatik tastete die Individualschwingungen des Haluters ab. Das Freizeichen kam. Die eingebauten Waffen wurden in die Stollenwände eingefahren.

Tolot schritt in die Rüstkammer hinein. Er wählte eine Kampfkombination, die dreißigtausend Jahre zuvor hergestellt worden war. Es war eine gute Kombination mit eingebautem Molekülwandler, der das Material in eine stahlfeste Rüstung verwandeln konnte.

Die Einkleidung dauerte drei Stunden. Draußen wurde es dunkel. Der flammend rote Ball Haluta tauchte hinter den Bergen unter. Tolot achtete nicht darauf.

Er schloß die Kombination und überprüfte den Mikromateriewandler, der aus beliebigen Grundstoffen atembare Gasgemische oder trinkbare Flüssigkeiten aufbereiten konnte.

Klautos Mur streifte dem Kämpfer die breiten Schultergurte über, an denen der Waffen- und Allzweckgürtel hing.

Nur noch Ichos Kopf ragte aus dem dunkelgrünen Material des Kampfanzuges hervor. Es war ein mächtiger, voluminöser Schädel, der anscheinend halslos auf den ausladenden Schultern ruhte.

Er hatte die Form einer Halbkugel, war haarlos und enthielt drei Augen. Zwei davon befanden sich dort, wo man bei einem Menschen die Schläfen gesucht hätte. Hinter ihnen waren die verschließbaren Öffnungen erkennbar.

Das dritte Auge saß in Stirnhöhe auf der Frontseite des Schädels. Haluter waren ihren Feinden schon deshalb überlegen, weil sie über einen enormen Blickwinkel verfügten und außerdem infrarotempfindlich waren.

Weder Klautos Mur noch Icho Tolot sprachen bei der Zeremonie des Ankleidens. Alles geschah in bedrückender Stille. Nur die Roboter der Rüstkammer verursachten gelegentlich ein Geräusch.

Abschließend wählte Tolot seine Waffe. Es war ein Dreifachkombinationsstrahler, größer, schwerer und wirkungsvoller als eine terranische Roboterkanone, wie sie nur von mächtigen Kampfmaschinen gehandhabt werden konnte.

Icho brauchte dreißig Minuten, bis er die Waffe überprüft hatte. Der Schießstand lag nebenan. Nacheinander erprobte er den thermischen Impulsstrahl, den materieauflösenden Desintegrator und schließlich den Kernfernzünder, mit dem jede Materie zum Atomzerfall gezwungen werden konnte.

Zahllose andere Ausrüstungsgegenstände folgten. Erst als Tolot fertig war und die Rüstkammer verließ, richtete Mur das Wort an den jungen Haluter.

»Erproben Sie bitte die Umschaltphase Ihrer Herzen.«

Tolot befolgte den Rat. Er legte durch die Kraft seines Willens das linke Herz still, schloß die organischen Ventilgruppen und ließ das rechte Herz anlaufen.

»Reaktion gut, keine Flattererscheinungen«, sagte er.

»Vortrefflich! Strukturumwandlung?«

Tolots hochelastische Haut begann zu schimmern. Die Molekülgruppen ordneten sich um und wurden kristallin. Sekunden später glich der Haluter einer Statue aus bestem Terkonitstahl. Die Facettenverschlüsse seiner drei Augen hatten sich so weit verengt, daß nur noch ein Bruchteil der zwanzig Zentimeter durchmessenden Augen zu sehen war.

»Gehübung, bitte!« forderte der Arzt.

Icho Tolot begann zu laufen; bei der durchgeführten Außenumwandlung waren die Organe nicht betroffen worden. Tolot konnte sich noch gut bewegen. Die Gelenkverdichtung hob sich beim Ausschreiten etwas auf.

»Ihre Kontrolle ist ausgezeichnet. Vollverwandlung, bitte!«

Der Haluter erstarrte. Atmung und Puls setzten aus. Der Arzt nahm eine mechanische Waffe und feuerte eine Serie von hundert panzerbrechenden Geschossen auf den reglosen Körper.

Tolot reagierte nicht. In ihm gab es fast kein Leben mehr. Nur eine Zellballung seines Ordinärgehirns arbeitete noch.

Als die letzten Querschläger gegen die Wandungen geprallt und zu Boden gefallen waren, gab Tolot seinem Körper die normale Biostruktur zurück. Klautos Mur war auch diesmal zufrieden.

Die medizinischen Untersuchungen beanspruchten den Rest der Nacht. Der Lauftest erfolgte kurz nach Sonnenaufgang.

Icho Tolot ließ den Körper nach vorn absinken und berührte mit seinen beiden kurzen Sprungarmen den Boden. Die langen Greifarme waren griffbereit ausgestreckt.

Auf Anordnung des Arztes verwandelte sich der zwei Tonnen schwere Titanenkörper in eine davonschießende Rakete. Haluter konnten auf allen vieren eine Geschwindigkeit von 120 Kilometern pro Stunde erreichen. Dieses Tempo hielten sie mühelos fünfzehn Stunden lang durch.

Icho Tolot kehrte nach einer Laufzeit von einer Stunde zurück. Seine Kreislauffunktionen waren in Ordnung.

Um die Mittagszeit wurde er aus der Obhut des Arztes entlassen. Die technischen Kontrollen wurden von Robotern vorgenommen.

Als Tolot endlich einsatzklar war, glich er einem vierarmigen, grüngekleideten Ungeheuer mit rotleuchtenden Augen, unter denen eine kaum erkennbare Nasenöffnung und ein breiter, rachenartiger Mund saßen.

Auch die Zähne unterstrichen den monströsen Eindruck. Haluter waren Vielstoffverwerter. Ihr Metabolismus war nicht auf die Zuführung tierischer oder pflanzlicher Nahrung angewiesen. Das Konvertersystem ihres Verdauungstraktes, ebenfalls steuerbar durch die Kraft des Willens, nahm mit jedem denkbaren Grundstoff vorlieb.

Den letzten Test unternahm Tolot nach eigenem Ermessen. Er suchte seine Vakuumkammer auf, schaltete die Temperaturregelung auf Minus 185 Grad Celsius und ließ den faltbaren Helm in die Halskrause des Spezialanzuges zurückgleiten.

Fünf Stunden lang lebte Icho von dem Sauerstoff, der in seinem organischen Konvertersystem aus vorher aufgenommenem Felsgeröll erzeugt wurde. Eine Minimalverdichtung seiner Haut verhinderte eine Druckausdehnung seines Körpers. Die Eigenwärme wurde hundertprozentig im Körper gespeichert.

Bei Anbruch der zweiten Nacht war Icho Tolot startklar. Sein Raumschiff tauchte über den Bergen auf und landete auf dem weiten Gelände vor seinem Haus. Außer ihm war niemand da.

Haluter, die dem Ruf ihres wilden Blutes folgten und zur Drangwäsche auszogen, wurden niemals offiziell verabschiedet.

Tolot nahm die beiden kranken Terraner auf seine Titanenarme und trug sie vorsichtig zu seinem Schiff hinüber. Es war ein 120 Meter durchmessendes, kugelförmiges Fahrzeug, wie es in dieser Konstruktion von keinem anderen galaktischen Volk gebaut wurde. In seinem Innern gab es Anlagen, die noch kein anderes Intelligenzwesen geschaut hatte, und Tolot hatte nicht die Absicht, die Terraner in seine Geheimnisse einzuweihen.

Behutsam bettete er die Menschen auf ein Schwebefeld und legte einen hochelastischen Fesselschirm über sie. Sie konnten sich begrenzt bewegen. Sie schrien immer noch. Klautos Mur hatte es nicht gewagt, den Männern ein Beruhigungsmittel zu geben.

Tolot suchte die Zentrale auf. Von hier aus rief er die Wesen seines Volkes an. Er wußte, daß sie alle an den Bildschirmen ihrer Geräte saßen und ihn beobachteten. Der Aufbruch eines Kämpfers gehörte zu den erregendsten Ereignissen auf Halut.

»Ich gehe«, sprach Icho Tolot die vorgeschriebene Formel. »Ich gehe, um zu suchen. Ich werde finden.«

Die Antwort erfolgte in der Form einer atomaren Lichterkette, die im Raum aufflammte und das Funkeln der Sterne überstrahlte. Icho Tolot atmete rascher.

Sein Start erfolgte gegen Mitternacht. Als er den Raum erreicht hatte und die Automatik mit der Zielberechnung begann, setzte der Haluter den vorbereiteten Funkspruch ab.

Die Sonne Haluta stand fast genau im Zentrum der Milchstraße, 51.321 Lichtjahre von Terra entfernt. Zwischen Tolots Ziel, dem Stützpunktplaneten Opposite, und Halut lagen jedoch nur 2414 Lichtjahre.

Niemand bestätigte den Empfang des Funkspruchs. Tolot hatte es nicht anders erwartet.

Er lachte vor sich hin. Dabei öffnete sich sein rachenartiger Mund, und die Mahlzähne wurden erkennbar. Er benötigte sie zum Zerkleinern seiner Materienahrung.

Als das Schiff in den Zwischenraum vordrang und mit millionenfacher Lichtgeschwindigkeit auf sein Ziel zuraste, ging Icho Tolot zu den Geretteten hinüber.

Sie waren etwas ruhiger geworden, jedoch erfaßten sie nicht, wo sie sich befanden.

»Eure Wissenschaftler werden euch helfen, meine Kleinen«, flüsterte der Gigant. Behutsam wischte er den Schweiß von Leutnant Couls Stirn.

Tolot, eingeschlechtlich wie alle Haluter, fühlte Mutterinstinkte in sich aufsteigen. Als er jedoch an die überraschende Kampfkraft der Terraner dachte, wandelte sich das Gefühl der Zärtlichkeit zum Stolz des Vaters. Wieder lachte der Gigant, diesmal aber lauter und kräftiger. Er fuhr in seinem Selbstgespräch fort:

»Deine Leute werden mich für ein Ungeheuer halten, mein Kleiner. Wir Haluter schätzen persönlichen Mut und planvolles Denken. Aber noch mehr lieben wir den Scherz und das Spiel mit den Gewalten der Natur. Ihr Terraner habt Sinn für Humor, oder es wäre euch nicht gelungen, die Völker der Galaxis zu übertölpeln. Ihr habt viel gewagt, und ihr habt gewonnen. Niemals zuvor ist auf Halut so viel und so herzlich gelacht worden, als während der Zeit eurer Expansion in die Tiefen der Milchstraße. Wir haben euch beobachtet und gespannt auf euren nächsten Schachzug gewartet. Ihr habt Abwechslung in unsere Einsamkeit gebracht. Jetzt ist es an der Zeit, in das Spiel einzugreifen. Ihr habt Großes vor – Dinge, die selbst wir nicht gewagt haben.«

Leutnant Coul begann wieder zu schreien. Verzweifelt lehnte er sich gegen die energetischen Fesseln auf. Icho Tolot beobachtete ihn besorgt. Dann ging er leise aus dem Raum.

Die Automatik würde in wenigen Minuten zum Eintauchmanöver ansetzen.

2.

 

 

Man schrieb den 15. August 2400, Standardzeit. Der dritte Planet der grünen Sonne Whilor, 48.333 Lichtjahre von der Erde entfernt, schien unter dem Startgetöse eines Schlachtschiffverbandes der USO bersten zu wollen.

Die Giganten erhoben sich vom neuen Großraumhafen nahe dem planetarischen Südpol, wo erst wenige Jahre zuvor der wichtigste Stützpunkt des Solaren Imperiums entstanden war. Wichtig deshalb, weil die Whilorgruppe zu jenen Sonnensystemen gehörte, die nahe genug am galaktischen Zentrum standen, um den Verbänden des Imperiums als Basis dienen zu können.

Vor einundsiebzig Jahren hatte auf Opposite, wie man diese Welt genannt hatte, lediglich eine geheime Forschungsstation des Obmanns Iratio Hondro existiert.

Hondro!

Selbst jetzt noch stand dieser Name für ein düsteres Kapitel in der Geschichte der terranischen Expansion und der vielen Kolonialvölker, die auf neuen Planeten eine neue Heimat und ein neues Selbstbewußtsein gefunden hatten. Der Tag, an dem der Diktator auf Opposite gefallen war, nachdem beim Freiheitskampf der Plophoser ein terranischer Flottenverband unter Rhodans und Atlans Führung gelandet war, war allen Beteiligten unauslöschlich in die Erinnerung eingebrannt.

Es hatte kurz nach dem Ende der Auseinandersetzungen mit den Blues begonnen. Nach Abschluß des Friedensvertrages zwischen Vereintem Imperium und Gatasern war es innerhalb kürzester Zeit in der Galaxis zu umfassenden Umwälzungen und Zerfallserscheinungen der Machtblöcke gekommen.

Die Völker des Vereinten Imperiums waren, nachdem der Druck durch die Bedrohung von außen nicht mehr vorhanden war, nicht länger bereit gewesen, sich dem Diktat der Imperiumsführung zu unterwerfen. Auf vielen Planeten machte sich die Tendenz bemerkbar, eigene Wege zu gehen. Für Perry Rhodan bestürzend, waren es vor allem die terranischen Kolonialwelten, die sich am hartnäckigsten zeigten und sogar offen gegen die angebliche Bevormundung durch Terra Front machten, allen voran die Plophoser aus dem Eugaul-System, im Jahr 2028 besiedelt und nun auf dem Höhepunkt seiner Blüte.

Das Staatsoberhaupt der Plophoser, im Jahr 2308 durch Putsch an die Macht gekommen, baute innerhalb weniger Jahre ein diktatorisches Regime auf. Mit Hilfe eines von Aras entwickelten Giftes machte Iratio Hondro sich alle wichtigen Persönlichkeiten gefügig. Das absolut tödlich wirkende Gift, falls nicht in regelmäßigen Abständen ein Gegenmittel verabreicht wurde, ließ jeden Widerstand gegen ihn im Keim ersticken. Hondro befand sich im Besitz eines Zellaktivators, einer von jenen sechs, die noch irgendwo in der Galaxis versteckt gewesen und von Rhodan nie gefunden worden waren.

Als es dem Diktator im Oktober des Jahres 2328 gelang, Perry Rhodan, Atlan und Reginald Bull zu entführen und der galaktischen Öffentlichkeit deren Tod vorzutäuschen, brach im Vereinten Imperium ein Chaos aus. Bei dieser Aktion wurde das Flaggschiff CREST von den Plophosern vernichtet. Das Auseinanderbrechen des Imperiums trat in ein neues Stadium, was schließlich dazu führte, daß Julian Tifflor dem Druck der Imperiumsvölker nachgab und das Staatengebilde auflöste. Das Solare Imperium der Menschheit war allerdings mächtiger als jemals zuvor. Eine verzweifelte Suche nach den Verschollenen begann, denn Tifflor und einige andere wollten nicht an ihren Tod glauben.

Hondros Gewaltherrschaft blieb inzwischen nicht ohne Folgen. Auf allen Welten des plophosischen Reiches bildeten sich Widerstandsgruppen, die sogenannten Neutralisten. Ihr Anführer war Lord Kositsch Abro.

Während die galaktische Öffentlichkeit Rhodan, Atlan und Bull abgeschrieben hatte, gelang es diesen, Kontakt mit den Neutralisten aufzunehmen, aus der Gefangenschaft Hondros zu entfliehen und zum geheimen Stützpunkt der Rebellen zu gelangen – dem Mond Badun in der Nähe des galaktischen Zentrumsgebietes. Hondro fand die Position Baduns heraus und konnte den Stützpunkt ausheben. Rhodan und seine Gefährten wurden, zusammen mit Mory Abro, der Tochter des Neutralistenführers, im letzten Augenblick durch eine geheimnisvolle Macht gerettet.

Sie fanden sich an Bord eines offenbar unbemannten Raumschiffs wieder, das sie auf den Planeten Kahalo brachte, die dritte Welt der Sonne Orbon im Zentrumsgebiet der Milchstraße. Die genaue Position dieses Systems blieb ihnen verborgen.

Auf Kahalo lebten die Kahals, von den Gestrandeten aufgrund ihres Aussehens »Bigheads« genannt, und sie waren es, die das Raumschiff geschickt hatten. Die Kahals waren Nachkommen einer uralten Zivilisation, deren Technologie denen der bekannten galaktischen Völker weit überlegen war. Die Kahals jedoch hatten ihre Funktionsweise seit Jahrtausenden verlernt und konnten sie nur noch halbwegs bedienen, ohne zu wissen, wie was funktionierte.

Dann stellte sich heraus, daß sie Perry Rhodan und seine Begleiter zu sich geholt hatten, weil sie sich einer Bedrohung aus dem Weltraum ausgesetzt sahen und selbst nicht in der Lage waren, diese Gefahr abzuwenden.

Tatsächlich gelang es Perry Rhodan, die Zivilisation der Kahals zu retten. Die fremden Aggressoren wurden für alle Zeiten in die Flucht geschlagen. Rhodan entdeckte dabei sechs geheimnisvolle Pyramiden, die von den Kahals als Heiligtum verehrt wurden. Für eine genaue Untersuchung der Sechseckanlage blieb keine Gelegenheit, denn das Raumschiff, das die Verschollenen gebracht hatte, drohte ohne sie wieder zu starten. Nur mit ihm konnten sie hoffen, zur Erde zurückzukehren. Perry Rhodan blieb nichts anderes übrig, als ohne Kenntnis der Positionsdaten von Kahalo wieder an Bord zu gehen. Auch die Positronik des Schiffes vermochte die heißbegehrten Informationen nicht zu liefern. Sie erwies sich als vollkommen unzugänglich.

Und sie brachte die Totgeglaubten nicht, wie erhofft, zur Erde, sondern in einen Sektor der galaktischen Eastside. Inzwischen wurde in der gesamten Milchstraße, angekurbelt durch Tifflor und Allan D. Mercant, verbissen nach dem Verbleib des Großadministrators gesucht. Agenten auf Plophos hatten bestätigt, daß sie lebten. Schließlich gelang es tatsächlich, sie zu finden. Nach monatelanger Irrfahrt kehrten Perry Rhodan, Reginald Bull, Atlan und in ihrer Begleitung die Plophoserin Mory Abro nach Terra zurück. Rhodan und die junge, temperamentvolle Frau waren sich menschlich längst nähergekommen.

Im Juni 2329 gelang es den Neutralisten, Iratio Hondro mit der Hilfe Terras zu stürzen und ein Gegenmittel zu entwickeln, das die plophosischen Giftträger rettete. Hondro konnte auf seinen Geheimstützpunkt auf dem Planeten Last Hope fliehen. Auch dort kam es kurze Zeit später zum Aufstand, wodurch Perry Rhodan die Koordinaten dieses Systems erhielt. Nach erneuter Flucht wurde Hondro schließlich auf einem weiteren Geheimstützpunkt von terranischen Schiffen gestellt – und dieser Stützpunkt war Opposite. In der Stunde seines Todes zeigte der Diktator Reue und übergab Rhodan seinen Zellaktivator mit der Bitte, diesen der Tochter seines ärgsten Widersachers, Lord Kositsch Abro, zu übergeben.

Im September 2329 war die ganze Galaxis Zeuge der Hochzeitsfeierlichkeiten, als Perry Rhodan Mory Abro zur Frau nahm. Mitten hinein platzte jedoch die Schreckensnachricht, daß eine große Flotte der Blues in das Arkon-System eingedrungen war. Trotz sofort eingeleiteter Hilfsmaßnahmen gelang es nicht mehr, die Vernichtung von Arkon III zu verhindern.

Die Blues, von denen man angenommen hatte, daß sie für das Solare Imperium keine Gefahr mehr bedeuteten, waren in den vergangenen Jahren von verschiedenen Untergrundorganisationen, vor allem der Akonen, aufgewiegelt worden. Sie sollten als die Werkzeuge dienen, die Macht in der Galaxis an sich zu reißen. Durch ihre Bruderkämpfe geschwächt und verunsichert, ließen sie sich zum Bruch des Friedensvertrages mit dem inzwischen aufgelösten Vereinten Imperium provozieren. Der ehemalige Kriegsplanet des arkonidischen Sternenreiches zerplatzte unter dem Bombenhagel der Diskusschiffe und bildet seither einen Trümmerring auf seiner ehemaligen Umlaufbahn.

Rhodan schlug die Blues in die Flucht, ehe sie ihr Zerstörungswerk über Arkon I und Arkon II vollenden konnten. Die Rechnung der Kriegstreiber ging nicht auf, denn nach unzähligen Raumschlachten, in denen Millionen von Intelligenzwesen den Tod fanden, wollte Perry Rhodan die Galaxis nie wieder in Flammen sehen. Diese Gefahr vor Augen, versicherten ihm alle terranischen Kolonialwelten wieder ihre volle Loyalität und Unterstützung, während die Arkoniden in die Bedeutungslosigkeit versanken. Plophos, der Gegner von gestern, wurde zum treuesten Verbündeten Terras, nachdem Mory Rhodan-Abro zum neuen plophosischen Staatsoberhaupt gewählt worden war und dem Solaren Imperium mit ihrer ganzen Macht zur Seite stand.

Die Blues, deren Bruderkämpfe auch jetzt noch weitertobten, waren also ungeschoren davongekommen, nachdem die Verschwörung der Untergrundorganisationen durchschaut worden war. Die barbarische Verletzung des Friedensvertrags, so konnte sowohl von Gatas als auch von anderen Hauptplaneten in der galaktischen Eastside nachgewiesen werden, war von Außenseitern der großen blueschen Völkerfamilie verübt worden, ohne jegliche offizielle Billigung. Eventuelle weitere Übergriffe sollten fortan unter die Gerichtsbarkeit von Gatas und Apas fallen.

Rhodan wußte, daß Terra nun stark genug war, um sich selbst zu schützen. In den vergangenen siebzig Jahren hatte sich das Solare Imperium aus allen Zwistigkeiten unter den Milchstraßenvölkern herausgehalten und war in aller Ruhe ausgebaut und gefestigt worden. Wer den Frieden zu stören versuchte, biß auf Granit.

Rhodans Ziel, die terranische Einheit weiter zu stabilisieren und die Menschheit zu stärken, hatte nur durch eine Konzentration aller Kräfte auf die eigenen Interessengebiete verwirklicht werden können.

Neue Systeme waren besiedelt worden. Die Sternhaufen der Plejaden und Praesepe, beide nur rund fünfhundert Lichtjahre von Terra entfernt, hatten sich dazu angeboten.

Es war Rhodans Plan gewesen, ein konzentrisches Ballungsgebiet aufzubauen, in dem kein Stern weiter als dreitausend Lichtjahre von der Heimatwelt entfernt stehen sollte.

Planeten dieser »Außenringgattung« dienten ohnehin nur als dünnbesiedelte Stützpunkte für Flotte und Handel. Die eigentlichen Auswanderungswelten, die von Menschen voll in Besitz genommen worden waren, waren nur bis zu achthundert Lichtjahren von Terra getrennt.

Durch diese Taktik war ein Imperium entstanden, das trotz seiner geringen räumlichen Ausdehnung eine große Packungsdichte an Menschen, Großindustrie, Flottenhäfen und Handelszentren besaß.

An diesem 15. August 2400, nur einundsiebzig Jahre nach dem Zerfall des ehemaligen Vereinten Imperiums und der Galaktischen Allianz, verfügte Terra über 1112 Planeten in insgesamt 1017 Sonnensystemen.

Dazu zählten noch weitere 1220 Welten der Außenringgattung.

Die Heimatwelt Terra, Sitz der Solaren Regierung und Lebenskeim des Sternenreiches, besaß eine Bevölkerung von sieben Milliarden Einwohnern. Die Auswanderung zu neuentdeckten oder noch nicht voll erschlossenen Planeten wurde vom Staat mit allen Mitteln gefördert.

Nach der Vernichtung von Arkon III hatte sich das alte Arkonidenreich im Verlauf der letzten siebzig Jahre in mehr als tausend Interessenverbände aufgesplittert. Ehemalige Gouverneure hatten ihre Besitzansprüche geltend gemacht.

Einige akonische Splittergruppen bemühten sich mit allen Mitteln, die Arkonidenkolonien zu übernehmen.

Springer, Aras, Antis und etwa zweitausend andere Völker, die aus dem Arkonidenstamm hervorgegangen, im Verlauf der Jahrtausende jedoch mutiert waren, versuchten zu retten, was noch zu retten war.

Die Terraner waren, dessen ungeachtet, vor neunzehn Jahren auf die Suche nach dem sagenhaften Planeten Kahalo gegangen, auf dem Rhodan, Atlan, Mory Abro und einige andere Personen die Überreste einer unglaublichen Kultur entdeckt hatten.

Kahalos Wissenschaft konnte ausschlaggebend für die weitere Entwicklung der Menschheit sein.

Seit zehn Jahren existierte der neue Stützpunkt auf Opposite, wo die Tage und Nächte extrem kurz waren. Der Planet wies eine Schwerkraft von 0,86 g auf und rotierte in 14,4 Stunden um die eigene Achse. Die Mitteltemperaturen betrugen +31° Celsius, der Äquatordurchmesser maß 6910 Kilometer. Opposite besaß eine dünne Sauerstoffatmosphäre und war heiß und trocken. Aber das alles nahm Perry Rhodan in Kauf. Wenn Kahalo irgendwo zu finden war, dann nur im Zentrum der Galaxis. Mit dieser Erkenntnis hatte die Suche im Sternenmeer begonnen. Bisher war sie erfolglos verlaufen, obwohl sich Rhodan nicht gescheut hatte, etwa zehntausend Raumschiffe aller Klassen einzusetzen.

Dann war vor acht Wochen das erste Schiff verschollen; wenig später das zweite und dritte.

Vor vier Tagen hatte man einen verzweifelten Notruf des Schweren Kreuzers OMARON auffangen können. Die Ermittlungen wiesen auf, daß alle vier Schiffe im gleichen Sektor der Zentrumsballung verschwunden waren.

Atlan, Regierender Lordadmiral und Oberbefehlshaber der USO, glaubte an eine Serie von Attentaten, die von Unbekannten so geschickt arrangiert wurden, daß sie wie Unfälle aussahen.

Perry Rhodan hielt mit seiner Meinung zurück. Dennoch hatte er elf Flotten nach Opposite verlegt. Atlan hatte die Machtkonzentration durch drei überlichtschnelle Trägergeschwader noch verstärkt.

Zu diesem Zeitpunkt der kritisch erhöhten Wachsamkeit empfing die galaktische Großfunkstation von Opposite eine Nachricht, deren Inhalt so seltsam war, daß der Diensthabende augenblicklich Vollalarm gegeben hatte.

Als Folge davon war ein Abfangverband der USO in den grünen Himmel des Wüstenplaneten gerast. Weitere Schiffe standen mit laufenden Triebwerken auf den Pisten des Hafengeländes.

Die Abwehrforts hatten ihre Geschütze ausgefahren. Niemand wußte genau, was sich da Opposite näherte.

 

»Kennen Sie jemand namens Icho Tolot?« erkundigte sich Rhodan.

Allan D. Mercant, Aktivatorträger und Chef der Solaren Abwehr, wie die mächtige Organisation nach dem Zusammenbruch des Vereinten Imperiums nun wieder hieß, schüttelte den Kopf. Der Kunststoffstreifen mit dem Wortlaut des Funkspruchs lag auf dem Tisch des Konferenzzimmers.

Außer Rhodan und dem Abwehrchef waren noch Mory Rhodan-Abro, Lordadmiral Atlan, der Mausbiber Gucky und der Mutant Ralf Marten zugegen.

Die Befehlshaber der Flottenverbände hatten bereits ihre Flaggschiffe aufgesucht.

»Eingegangen im Klartext – seltsam!« sprach Perry sinnend vor sich hin. »Hat man den Sender annähernd einpeilen können?«

Mercant verneinte erneut. Mory griff nach dem Streifen und las den Wortlaut nochmals durch.

Das Deckenlicht fing sich in ihrer langen, rotblonden Haarmähne. Morys Haut wies einen eigenartig weißen Teint auf, der ihre Schönheit nur unterstrich. Im Jahr 2304 geboren, war ihr biologisches Alter durch den 2329 erhaltenen Zellaktivator auf dem Stand von 25 Jahren festgehalten worden. Wo immer die 1,79 Meter große, schlanke Plophoserin auftauchte, stand sie im Mittelpunkt des Interesses.

»Leutnant Orson Coul und Kanonier Heyn Borler aufgenommen. Zustand besorgniserregend. Bereiten Sie klinische Hilfe vor. Erbitte Landeerlaubnis. Eintreffen über Opposite eine Stunde Terrazeit nach Abgang Spruch. Gez. Icho Tolot.«

Rhodan sah zu ihr hinüber. Ein Lächeln stahl sich auf seine Lippen, als er ihre gerunzelte Stirn bemerkte. Mory war immer noch die stolze, kühle Frau wie vor einundsiebzig Jahren.

Nachdenklich legte sie den Streifen zurück.

»Laßt ihn landen. Ich möchte wissen, woher er die Namen der beiden Besatzungsmitglieder kennt.«

»Erkennungsmarken oder Legitimationen, Madam«, entgegnete Mercant trocken.

Ehe der Abwehrchef etwas hinzufügen konnte, betrat Admiral Hagehet den Raum. Onton Hagehet war Plophoser und seit mehreren Jahren militärischer Chef des vorgeschobenen Stützpunktes Opposite.

»Ortung«, erklärte er in seiner kurzangebundenen Art. Sein Kahlkopf schimmerte im einfallenden Sonnenlicht. »Das Fahrzeug ist für meine Begriffe ein Leichter Kreuzer. Kugelform, Polachse etwa 120 Meter.«

»Gucky, du solltest zur Ortungszentrale hinaufgehen und versuchen, die Individualimpulse der Besatzung festzustellen«, sagte Rhodan. »Atlan, kommst du mit zum Landefeld?«

Der Arkonide erhob sich. Er trug die Uniform der USO.

»Worauf du dich verlassen kannst.«

Der Mausbiber seufzte, konzentrierte sich und verschwand.

Vor dem Verwaltungsgebäude war eine Formation Kampfroboter aufgezogen. Der kommandierende Offizier grüßte.

»Begleitschutz, Sir«, erklärte er.

»Wer hat das angeordnet?«

»Die Abwehr.«

»Mißtrauischer Haufen«, murmelte Rhodan vor sich hin. Zusammen mit Atlan bestieg er den Prallfeldschweber. Mory Rhodan-Abro startete auf dem Landedach mit ihrem Luftgleiter. Rhodan warf der davonhuschenden Maschine einen Blick nach. Atlan grinste.

»Sieh da, alter Freund! Deine liebe Frau hat stillschweigend darüber hinweggesehen, daß du sie nicht zum Mitkommen aufgefordert hast. Was denkst du wohl, wer von uns zuerst an der Landestelle ist?«

Rhodan fuhr sich mit dem Handrücken über die Lippen. Der Fahrer gab sich alle Mühe, seine zuckenden Wangenmuskeln zu beruhigen.

Perry lehnte sich in das Polster zurück. Von der Wüste her strich ein heißer Wind über das Land. Weiter östlich ragten die Turmbauten der Großstadt in den Himmel.

»Niemand, selbst unser ertrusischer Gigant Melbar Kasom nicht, kann ihrem Tatendurst widerstehen. Ich bin nur ein schwacher Mann.«

Atlan lachte dröhnend. Er lachte auch noch, als der Gleiter mit hoher Geschwindigkeit zwischen den startklaren Raumschiffen der Achten Flotte hindurchjagte.

Mercant hatte sich zur Funkzentrale begeben. Argwöhnisch beobachtete er die Bildschirme, auf denen jedoch niemand sichtbar wurde. Der Sprechkontakt war dagegen einwandfrei.

»Warum zeigt er sich nicht?« erkundigte sich Mercant.

Der angesprochene Funker schwieg, bis die nächste Durchsage erfolgte. Zur gleichen Zeit meldete der plophosische Wachkreuzer SUGARA den Einflug eines fremden Raumschiffes ins System der Sonne Whilor.

»Icho Tolot an Opposite«, klang es aus den Lautsprechern. »Welches Landefeld soll ich benutzen? Lotsen Sie mich ein?«

»Sie werden per Traktorstrahl eingeholt«, gab Mercant durch.

»Einverstanden«, entgegnete der Fremde in einem gutverständlichen Interkosmo. »Ich danke für Ihr Entgegenkommen.«

Mercant drehte sich zu Ralf Marten um.

»War das nun eine spitzfindige Frechheit, oder eine wirkliche Dankbarkeitsbezeugung? Dieser Kerl scheint es faustdick hinter den Ohren zu haben. Was ist? Können Sie ihn nicht übernehmen?«

Der Teleoptiker, begabt mit der Fähigkeit, sein persönliches Ich vorübergehend auszuschalten und durch die Augen und Ohren anderer Wesen zu sehen und zu hören, erwachte aus seiner Konzentration. Der schlanke, dunkelhaarige Mann war verwirrt.

»Nein, Sir, unmöglich.«

»Was?« sagte Mercant lauter. »Wollen Sie damit andeuten, er besäße parapsychische Fähigkeiten? Das hätte mir noch gefehlt.«

»Auf keinen Fall. Der Fremde ist lediglich fähig, einen Abwehrblock zu errichten. Ich orte keine Fremdinitiative. Gucky wird auch keinen Erfolg haben.«

»Stimmt«, piepste der Mausbiber, der unvermittelt im Funkraum erschien. »Er schirmt sich einwandfrei ab – beinahe zu einwandfrei. Der Kerl ist gefährlich, Allan. Ich gehe zu Perry.«

Ehe Mercant eine andere Entscheidung treffen konnte, entmaterialisierte der beste »Mann« des terranischen Mutantenkorps. Im gleichen Sekundenbruchteil tauchte er neben Rhodan und Atlan auf. Die Freunde verließen soeben den Wagen und schritten zum Absorberkraftfeld von Piste 365-A hinüber.

Weiter rechts begannen die spiraligen Mündungen der Traktorstrahler zu flammen. Die Energiebahnen rasten in den Raum und fingen das Raumschiff ein, von dem Admiral Hagehet behauptet hatte, es hätte die Abmessungen eines Leichten Kreuzers.

Mory war schon vor den Männern eingetroffen. Sie saß in ihrem Luftgleiter und verfolgte den Sprechfunkverkehr zwischen der Oppositestation und dem Fremdraumschiff.