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Nr. 102

 

Aufbruch der BASIS

 

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt

Das Jahr 3586: Seit ein Notruf der Superintelligenz ES eintraf, warten neue Herausforderungen auf die Menschheit. Ein geheimnisvolles Objekt namens PAN-THAU-RA entgleitet in der fernen Galaxis Tschuschik der Kontrolle uralter Wesen. Tod und Vernichtung drohen den Bewohnern zahlreicher Sterneninseln, darunter auch der Milchstraße.

 

Die BASIS ist das größte Raumschiff, das je im Solsystem gebaut wurde; sie startet mit mehr als zehntausend Menschen an Bord zu einer Expedition ins Ungewisse. Schon bald stellt sich heraus, daß der Tod die BASIS begleitet.

 

Auch Perry Rhodan ist mit der SOL auf der Suche nach der PAN-THAU-RA. Der Terraner weiß, daß ihn ein verschollenes Sporenschiff der Mächtigen erwartet – was seit Jahrmillionen das Leben im Universum verbreitet, bringt jetzt den Tod ...

1.

 

 

Der Kollektor spürte die wachsende Bedrohung. Im Status der Zersammlung, wie Dargist seinen gegenwärtigen Zustand bezeichnete, war der Kollektor der einzige Mechanismus, mit dem er seine Umgebung wahrnehmen konnte. Zersammelt zu sein, das bedeutete, dass die Bestandteile seines Körpers über das gesamte Gelände verstreut waren.

Die Gefahr nahm seit einiger Zeit an Intensität zu. Aber noch war der Augenblick des Handelns nicht gekommen. Dargists Denken war rein zweckgebunden. Ihn berührte nicht, dass er nicht wusste, wer er war. Er beschwerte sich auch nicht über die Eintönigkeit seines Daseins, denn obwohl er ein ausgeprägtes Wahrnehmungsvermögen besaß, war die Zahl der Gedanken, die er formulieren konnte, eng begrenzt.

Dargist kannte seine Umgebung recht gut. Er sah die Geschöpfe, von denen die Gefahr ausging. Es wurden immer mehr, darum nahm die Intensität der Bedrohung ständig zu. Diese Geschöpfe waren das Erste, was sich an seiner Umwelt jemals geändert hatte. Das Register hingegen war immer da gewesen. Es enthielt den Wert null, solange Dargist sich im Zustand der Zersammlung befand. Doch bald würde es eine binäre Eins zeigen – das Signal, dass er den Status der Konzentration annehmen und mit der Bekämpfung der Gefahr beginnen solle.

 

Payne Hamiller war in den vergangenen Tagen einigermaßen zur Ruhe gekommen, zumal Boyt Margor sich nicht mehr bei ihm gemeldet hatte.

Hamiller hatte sich an Bord der BASIS eingerichtet. Er war der wissenschaftliche Leiter des Unternehmens, das sich »Expedition PAN-THAU-RA« nannte. Jentho Kanthall, der Kommandant der BASIS, unterstand ihm unmittelbar. Inzwischen waren die ersten Kontingente der Besatzung, die insgesamt zwölftausend Personen betragen würde, von der Erde angekommen.

Die BASIS war nicht weniger als ein Wunder. Dank der kombinierten Unterstützung durch die Bordpositronik und die Paraverknoter flog sich das riesige Gebilde so handlich wie eine Space-Jet.

Wenigstens einmal am Tag trafen sich Hamiller, Kanthall und die Mitglieder ihres inneren Stabes zu einer Besprechung und diskutierten den Fortgang der Startvorbereitungen. Drei Tage vor dem Aufbruch der BASIS in bisher unerforschte Regionen des Universums, am 28. April 3586, zweifelte niemand mehr daran, dass die BASIS zum vorgesehenen Zeitpunkt starten werde.

Die Besprechungen fanden üblicherweise in einem Konferenzraum neben der Hauptzentrale statt. Zu Kanthalls Stab gehörten Walik Kauk, dessen Frau Marboo sowie der ehemalige Ka-zwo namens Augustus, allesamt Mitglieder der TERRA-PATROUILLE. Hamiller hatte sich auf einen ständigen Stab noch nicht festgelegt. In seiner Begleitung, wenn er zu Besprechungen erschien, befand sich gewöhnlich Kershyll Vanne, das Konzept.

»Ich habe nie zuvor an großen Unternehmungen teilgenommen, bei denen es so wenig Schwierigkeiten gab. Wissen Sie, dass das gefährlich ist?«, eröffnete Kanthall.

»Nein. Wieso?« Hamiller zeigte sich überrascht.

»Es vermittelt ein falsches Gefühl der Sicherheit. Wir wissen nicht, was uns am Ziel erwartet, nur, dass es einer Gefahr zu begegnen gilt, die diesen Sektor des Universums vernichten kann. Ich muss mir das immer wieder einreden, weil mir sonst das Bewusstsein entgleitet, an einer gefährlichen Mission beteiligt zu sein.«

»Ich hoffe, das fällt Ihnen nicht allzu schwer«, bemerkte Hamiller. »Jeder an Bord muss sich über die Gefährlichkeit des Fluges im Klaren sein.«

Mara Bootes, von ihren Freunden Marboo genannt, schmunzelte. Mehr hübsch als schön, eher burschikos als feminin, hatte das Schicksal ihr anscheinend die Rolle eines Glückspilzes zugedacht. Für die Positronik-Technikerin hatte das Leben keine Probleme; sie war schwer aus der Ruhe zu bringen.

»Wenn ich mir das so anhöre, bin ich direkt froh, dass in meinem Sektor nicht alles ganz einwandfrei ist«, sagte Marboo.

»Warum? Was ist los?«, fragte Hamiller.

»In einem Peripherierechner ist ein Register nicht ansprechbar.«

»Wie haben Sie das festgestellt?«

Marboo bedachte den Rat für Wissenschaften mit einem Blick, der ihm zu verstehen gab, dass dies keine sonderlich intelligente Frage war. »... beim Programmieren, als ich das Register als Befehlszähler verwenden wollte«, antwortete sie. »Ich bekam die Meldung, dass das Register nur privilegierten Anwendern zur Verfügung steht.«

»Es handelt sich also nicht um ein echtes Versagen, sondern um eine planmäßige Beschränkung?«

Marboo zuckte mit den Schultern. »Aus der Sicht des Rechners sicherlich.«

»Dann haben wir kein Problem. Weitere Meldungen?«

»Morgen kommen die letzten dreitausend Besatzungsmitglieder an Bord«, sagte Vanne. »Darunter einer, der uns wirklich hervorragend in den Plan passt.«

»Wer ist das?«, fragte Hamiller.

»Er heißt Harso Sprangohr ...«

»Oh!«, machte Kanthall. »Der Hyperdrive-Sprangohr?«

»So nennt man ihn«, bestätigte Vanne. »Der Mann kommt von Gäa und hat theoretisch und praktisch auf dem Gebiet intergalaktischer Ferntriebwerke gearbeitet. Er gilt als Kapazität in diesem Bereich.«

»Setzen Sie ihn entsprechend ein«, bat Hamiller. Er erhob sich und löste die kurze Besprechung damit auf.

Mara Bootes vertrat ihm den Weg. »Ich kann mir nicht helfen, aber ich habe das Gefühl, dass meine Angelegenheit ein wenig zu kurz gekommen ist«, erklärte sie. »Wo kann ich erfahren, wen der Rechner als privilegierten Anwender betrachtet?«

»Es ist nicht nötig, das zu wissen«, antwortete Hamiller. »Sie können das Problem einfach umgehen.«

»Wie?«

»Indem Sie eine höhere Programmiersprache benutzen, die solche Register nicht explizit anspricht.«

»Das halten Sie für eine Lösung?«, fragte Marboo verblüfft.

»So ist es.« Hamiller nickte ihr freundlich zu und verließ den Raum.

Mara war ein wenig ärgerlich. Es schien ihr, dass der Terranische Rat die Sache zu sehr auf die leichte Schulter nahm.

 

Auf der Erde hatte man inzwischen andere Sorgen. Dass Kershyll Vannes Appell zur Teilnahme an der Expedition ins Ungewisse weltweites Echo gefunden hatte, konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass große Bevölkerungsschichten das BASIS-Unternehmen für nicht ausreichend gerechtfertigt oder glattweg für unsinnig hielten. Hier sammelte sich politischer Zündstoff, ein Problem für die terranische Gesellschaft, die sich vor wenigen Monaten erst konsolidiert hatte. Die Regierung sah es in diesen Tagen daher als ihre Hauptaufgabe an, den Menschen klarzumachen, dass die Expedition PAN-THAU-RA stattfinden müsse.

Am 28. April berief Julian Tifflor mit Zustimmung des Obersten Terranischen Rats eine Kabinettssitzung ein. Lediglich Hamiller war wegen der Startvorbereitungen freigestellt.

Tifflor, der Erste Terraner, brachte sein Anliegen ohne Vorrede zur Sprache.

»Es ist unsere Aufgabe, der Menschheit klarzumachen, dass von PAN-THAU-RA ernst zu nehmende Gefahr droht. Es gibt keine Zweideutigkeit in dem, was Sonderbotschafter Vanne auf Lavallal von Wastor, dem Abgesandten von ES, erfahren hat. PAN-THAU-RA besitzt das Potenzial, alles Leben in diesem Bereich des Universums auszulöschen. Wir wissen nicht, wodurch diese Gefahr ausgelöst wird. Und wir haben keine Ahnung, ob diese Faktoren schon wirksam sind oder dies erst in einigen Jahrhunderten werden. Es kann sein, dass PAN-THAU-RA in diesem Augenblick schon zuschlägt, doch ist ebenso denkbar, dass wir noch Jahrhunderte ungestört leben könnten, falls wir uns nicht um PAN-THAU-RA kümmern.

Aber gerade diese Ungewissheit muss uns zwingen, dem Geheimnis schnell auf die Spur zu kommen. Der Start der BASIS darf nicht verzögert werden. Ich hoffe, dass diese Versammlung die Beschlüsse fassen wird, die für eine groß angelegte Informationskampagne nötig sind. In ihrem eigenen Interesse müssen alle Terraner verstehen, worum es bei dieser Expedition geht – nicht um einen Vorstoß ins Ungewisse aus Abenteuerlust, sondern um die Beseitigung einer Gefahr, die ungeahnte Vorgänge auslösen kann!«

Wenn Tifflor so redete, war er seines Erfolgs sicher. Das Kabinett beriet und billigte ein Informationsprogramm, das innerhalb von zwei bis drei Wochen jedem Erdenbürger klarmachen würde, dass die Expedition der BASIS unumgänglich war.

Das Programm arbeitete mit Fakten und – soweit ES betroffen war – mit Folgerungen, die sich aus der bisherigen Erfahrung mit der Superintelligenz ergaben. Der Umstand, dass man gar nicht wusste, worum es sich bei PAN-THAU-RA handelte, wurde deutlich herausgestellt.

 

Nach der Besprechung nahmen Tifflor und Danton in einem kleinen Speiseraum, der Regierungsmitgliedern und ihren Gästen vorbehalten war, einen Imbiss ein.

»Alles ist noch einmal gut gegangen«, bemerkte Danton. »Binnen zwanzig Tagen werden die Terraner endgültig begriffen haben, dass die Expedition PAN-THAU-RA eine Notwendigkeit ist.«

Tifflor musterte den Freund nachdenklich. »Das Kabinett hat auf meinen Wunsch in der angemessenen Weise reagiert. Aber von dir habe ich kein einziges Wort der Unterstützung gehört.«

Danton legte sein Besteck beiseite. Er schaute Tifflor nicht an, sondern starrte auf die Tischplatte. »Darüber wollte ich mit dir reden«, bekannte er. »Ich habe ein Problem ...«

»Sprich, Junge!«, forderte der Erste Terraner.

»Weißt du, was ich am liebsten tun würde? Mein Amt niederlegen, an Bord der BASIS gehen und die Expedition begleiten.«

Eine Zeit lang schwieg Tifflor, als habe er Roi Dantons Bekenntnis überhaupt nicht gehört. Erst als die Stille etwas Bedrohliches bekam, sagte er: »Ich kenne dich seit wer weiß wie viel hundert Jahren, Roi. Du bist nicht der Typ, der Launen nachjagt. Du bist der Oberste Terranische Rat, der Regierungschef. Gerade du kannst nicht alles stehen und liegen lassen und dich davonschleichen!«

Danton nickte. »Ich weiß. Aber mein Herz weigert sich, genau das zu begreifen.«

»Das hört sich an, als wäre eine Frau im Spiel.«

»Du hast recht, Tiff. Die Expedition als solche interessiert mich wenig; ich will nur in der Nähe dieser Frau sein.«

»Wer ist sie?«

»Die Geheimnisvolle – Dunja Varenczy!«

»Das kann doch nicht sein«, brummte Tifflor. »Junge, du hast noch nie ...«

Danton unterbrach den Freund mit einer schroffen Geste. »Hör mir zu!«, verlangte er. »Bislang spricht mein Verstand, aber wer weiß, wie lange noch. Ich bin ebenso misstrauisch wie du und möchte, dass Dunja einer parapsychischen Analyse unterzogen wird. Ich habe den Verdacht, dass sie hypnotischen Zwang auf mich ausübt.«

Tifflor seufzte. »Die Altmutanten haben sich schon an ihr versucht und haben nichts Verdächtiges finden können – wenn man davon absieht, dass die Telepathen nicht in ihr Bewusstsein vordringen können.«

»Sie müssen es eben ein zweites Mal versuchen! Und wenn es sein muss, noch einmal. Ich will nicht den Harlekin dieser Frau machen, sondern über mein Geschick selbst bestimmen!« Diese Worte schrie Danton fast heraus.

 

Als am 29. April die restlichen dreitausend Besatzungsmitglieder eintrafen, versicherte Hamiller ihnen in einer kurzen Ansprache, dass die Expedition nach Fahrplan starten werde. Er versuchte, humorvoll zu sein, machte dann jedoch abrupt eine Wende um hundertachtzig Grad. »Die Expedition PAN-THAU-RA ist ein gefährliches Unternehmen, das wurde Ihnen unmissverständlich klargemacht«, stellte er fest. »Niemand kann Ihnen eine Garantie geben, dass Sie dieses Unternehmen überleben werden. Sie befinden sich an Bord eines Raumfahrzeugs, das für unsere Begriffe den Gipfel der Vollkommenheit darstellt. Lassen Sie sich aber von dieser Vollkommenheit nicht in falscher Sicherheit wiegen. Wir haben guten Grund für die Annahme, dass PAN-THAU-RA das Erzeugnis einer Technologie ist, die der unseren einige Jahrtausende, wenn nicht noch mehr voraushat!«

Mit diesen Worten überließ er die Leute den Robotern, die alle zu ihren Quartieren führten.

Einige Stunden später trafen sich Hamiller und Kanthall mit rund hundert neu Angekommenen, die leitende Positionen einnahmen. Harso Sprangohr war ein junger, mittelgroßer Mann mit schwarzem, lockigem Haar und dunklen, von dichten Brauen überwölbten Augen; durch sein freundliches Wesen und seine intelligenten Äußerungen wurde er überall zum Mittelpunkt der Aufmerksamkeit.

Schließlich nahm Kanthall den Hyperdrive-Experten ins Schlepptau und stellte ihn Hamiller vor. Die beiden verwickelten einander alsbald in ein Gespräch, an dem Kanthall nicht mehr teilhatte, weil es ihm zu theoretisch über Hyperdim-Triebwerke und Möglichkeiten noch schnellerer intergalaktischer Fortbewegung ging.

Hamiller hingegen lernte in Sprangohr einen Mann kennen, der das Metier in demselben Maß beherrschte wie er. Sprangohr neigte mehr der praktischen Anwendungsseite zu, während Hamiller sich eher für die Theorie interessierte.

Nach einer längeren Zeitspanne stand Hamiller auf, reichte Sprangohr die Hand und erklärte lächelnd: »Ich bin überzeugt, dass wir noch eine ganze Menge interessanter Diskussionen führen werden. Vor allen Dingen bin ich froh, Sie an Bord zu haben!«

Sprangohr ergriff die dargebotene Hand. Er war plötzlich so ernst, wie Hamiller ihn während ihrer Diskussion nie gesehen hatte.

»Ich bitte um die Erlaubnis, mit Ihnen sprechen zu dürfen, nachdem die Menge sich verlaufen hat«, erklärte der Gäaner.

Payne Hamiller war überrascht. Aber er hatte keinen Grund, die Bitte abzulehnen. »Kommen Sie anschließend zu meinem Quartier!«, sagte er.

Eine eigenartige Vorwarnung bewegte den Rat zu der Hoffnung, Sprangohr werde von dieser Möglichkeit vielleicht keinen Gebrauch machen. Aber er täuschte sich. Er war kaum zehn Minuten in seiner Unterkunft, als Sprangohr ihm folgte.

Der Gäa-Geborene war ungewöhnlich ernst. Mehr noch als das: Er wirkte niedergeschlagen. Hamiller fühlte sich unbehaglich. Dennoch bediente er sich seines freundlichsten Tonfalls, als er Sprangohr einließ. »Sie wirken bedrückt«, stellte er fest. »Wenn Sie mich wissen lassen, was es ist, kann ich Ihnen womöglich helfen.«

Sprangohr schaute auf. Sein Blick war der eines Mannes ohne Hoffnung. Er war so verschieden von der Hyperdrive-Kapazität, die Hamiller erst kennengelernt hatte, dass dem Rat unwillkürlich ein Schauer über den Rücken rann.

»Ich soll Ihnen einen Gruß ausrichten«, sagte Sprangohr dumpf. »Von einem gemeinsamen Bekannten, der Sie keineswegs vergessen hat. Als Zeichen seiner fortwährenden Anhänglichkeit sendet er Ihnen mich, seinen Boten und Befehlsübermittler.«

Sekundenlang stand Hamiller starr. Seine während der letzten Tage aufgekeimte Hoffnung starb in diesen Sekunden. Er hatte an die Güte des Schicksals geglaubt und daran, dass es ihn von dem entsetzlichen Bann befreite, unter dem er seit Monaten zu leben gezwungen war. Nun wusste er, dass er sich getäuscht hatte.

»Boyt Margor, nicht wahr?«, fragte er.

Sprangohr nickte. Nichts an ihm erinnerte mehr an den freundlichen und aufgeschlossenen Mann. Er litt ebenfalls unter Margors Macht.

 

Der Kollektor hatte wahrgenommen, dass die Gefahr um ein erhebliches Maß gewachsen war. Sie stand in unmittelbarem Zusammenhang mit der Ankunft von etwa dreitausend Fremden. Aber das Register enthielt weiterhin den Wert 0, also war die Zeit des Kampfes noch nicht gekommen.

Der Kollektor streckte unsichtbare Mentalfühler aus und tastete nach den zerstreuten Bestandteilen von Dargists Körper. Er vergewisserte sich, dass alle Fragmente vorhanden und einsatzbereit waren.

Ein einziges Mal geschah es, dass Dargist leicht aus dem Gleichgewicht gebracht wurde. Das war, als er das Register inspizierte. Er spürte Unruhe in der Umgebung des Registers und fragte sich, ob bald eine Eins erscheinen würde. Stattdessen gab es eine wirre Sequenz unerklärlicher Ereignisse. Das Register nahm rasch nacheinander mehrere Werte an, die Dargist rein gar nichts bedeuteten, weil sie weder 1 noch 0 waren.

Dargist wusste, dass die Eins, wenn sie jemals erschien, für immer da sein würde. Er hatte also das Durcheinander, dessen Zeuge er soeben geworden war, unbeachtet zu lassen und weiterhin zu warten.

 

Weit von dem Ort entfernt, an dem sich der Kollektor befand, beschwerte sich eine ganz gegen ihre Gewohnheit mürrische Marboo bei ihrem Mann. »Die verdammte Positronik schlägt und tritt mit Armen und Beinen, wenn ich an ihre Basisprogrammierung heran will. Ich weiß nicht, was ich davon halten soll.«

Walik Kauk nahm die Sorge seiner Frau nicht sonderlich ernst. Jedoch kannte er Marboos Gewohnheit, sich in ein Problem zu verbeißen und nicht loszulassen, bevor sie es gelöst hatte. Bislang hatten die Lösungen dank Marboos Sachkenntnis nie lange auf sich warten lassen. Diesmal aber schien sie sich auf etwas eingelassen zu haben, was ihrer Findigkeit trotzte.

»Sag mir, warum dich das so ärgert!«, forderte er Marboo auf.

»Weil es ungewöhnlich ist! Ich leite die Gruppe Peripherierechner, und die Identität aller Gruppenmitglieder, also auch meine, ist dem Bordrechner mitgeteilt worden. Er hat die Kennungen an die Peripherie weitergeleitet. Wenn ich, als die Leiterin der Gruppe, nicht zu den privilegierten Benutzern zähle, dann möchte ich wissen, wer sonst dazugehört!«

»Gibt der Rechner eine Erklärung für sein Verhalten?«

»Er sagt, in die unterste Ebene der Systemprogrammierung sei aus Sicherheitsgründen kein Eingriff möglich. Das ist eine Feststellung, aber keine Erklärung.«

»Sie genügt dir nicht?«

»Nein!«, antwortete Marboo schroff.

»Bei Bordrechnern ist es aber üblich, dass die hardwarenahe Programmierung von außen her nicht angetastet werden kann.«

»Ein Peripherierechner ist kein Bordrechner, diese Maschinen sind für gewöhnliche Dienstleistungen gedacht. Auf Peripherierechnern soll man Speisepläne zusammenstellen und Simulationsspiele fahren können. Eine Peripheriemaschine spielt Drei-D-Schach, macht Arbeitszeitabrechnungen, steuert das Unterhaltungsprogramm, sucht Dateien aus der Bibliothek ...«

»Keine kritischen Anwendungen?«

»Es wäre schon ziemlich kritisch, wenn die Arbeitszeitdateien verloren gingen und sich niemand mehr erinnern könnte, dass Paul Zwiesel in der vergangenen Woche dreißig Überstunden eingelegt hat. Aber dagegen sichern wir uns mit redundanter Aufzeichnung. Und in einem hast du natürlich recht: Kritisch ist das keinesfalls.«

»Also schön«, sagte Walik. »Deine Peripherierechner tun etwas, worüber du dich ärgerst. Ich kenne dich. Du fühlst dich nicht etwa in deinem Stolz verletzt, weil eine Maschine dich nicht als privilegierten Benutzer anerkennt, dich stört etwas anderes. Was?«

Marboo machte ein unglückliches Gesicht. »Wenn ich das wüsste. Manchmal frage ich mich, ob NATHAN uns womöglich einen Streich spielen will. – In der jüngsten Vergangenheit war er nicht immer der Zuverlässigste.«

Walik war nachdenklich geworden. »Ich kenne mich in deinem Metier nicht gut genug aus, um dir Ratschläge zu geben. Aber wenn du einen ernsthaften und begründeten Verdacht hast, solltest du besser Hamiller informieren.«

Marboo machte eine wegwerfende Geste. »Du hast gehört, was er gesagt hat.«

»Oder Jentho ...«

»Der war dabei.«

Walik musste lachen. »Wenn das so ist – was hast du eigentlich vor?«

»Ich weiß es nicht«, sagte Marboo und schmollte.

 

Der Anruf aus dem Amt des Ersten Terraners kam am Morgen des 29. April. Der Anrufer verlangte eine Konferenzschaltung, die ihn mit Hamiller und Kanthall verband.

Der Wissenschaftsrat sah überrascht auf, als er Julian Tifflor erkannte. »Ich nehme an, es gibt etwas Wichtiges.«

Tifflor grinste. »In der Tat, mein Freund. Mir wurde nahegelegt, die Altmutanten um eine Analyse zu bitten. Die Analyse betrifft jegliche Art psionischer Tätigkeit, die es an Bord der BASIS geben mag. Die Mutanten sind gehalten, sich gegen die bekannten Einflüsse abzuschirmen, also gegen die Paraverknoter, und nach bisher unentdeckten Psi-Strömen Ausschau zu halten.«

Hamiller hatte die Anweisungen, seiner Gewohnheit entsprechend, notiert. Als er aufsah und nachfragen wollte, kam ihm Kanthall zuvor.

»Gibt es einen greifbaren Anlass für diese Untersuchung, Sir?«, fragte der Kommandant der BASIS.

»Ja.« Mehr sagte Tifflor nicht.

Kanthall lächelte matt. »Sie haben eine direkte Verbindung zu den acht Mutanten, solange sich die BASIS in Hyperfunkreichweite von der Erde befindet. Könnten Sie wenigstens die Mutanten besser informieren – damit sie wissen, wonach sie suchen sollen?«

Tifflors Blick wanderte eine Sekunde lang zur Seite. Seine Miene verriet Ratlosigkeit, Enttäuschung, Überdruss – eine Mischung dieser drei. »Jentho Kanthall, Sie kennen mich noch nicht«, sagte er schließlich, und seine Stimme hatte einen entschlossenen, fast harten Klang. »Sie und Hamiller tragen die Verantwortung für die BASIS. Ich habe einen guten Grund dafür, Ihnen den Anlass meines Anliegens nicht zu nennen. Seien Sie aber versichert, dass ich mich nicht hinter Ihrem Rücken an die Mutanten wenden werde. Wenn ich etwas für mich behalten will, dann behalte ich es für mich. Ohne Ausnahme.«

Für Hamiller kam es in diesem Augenblick überraschend, dass Kanthall lächelte. Er hörte ihn sagen: »Verstanden, Sir. Im Übrigen bitte ich wegen der Unterstellung um Verzeihung.«

Tifflor winkte ab. »Alles in Ordnung. Nach nicht allzu reiflicher Überlegung fällt mir ein, dass ich ein Detail hinzufügen kann. Die Mutanten sollen während ihrer Analyse dem Besatzungsmitglied Dunja Varenczy besondere Aufmerksamkeit schenken.« Er musterte Hamiller. »Von Ihnen habe ich bislang kein einziges Wort gehört außer dem ersten Satz. Sehen Sie Schwierigkeiten?«

»Keine«, antwortete der Rat. »Ich hatte den Eindruck, der Auftrag sei klar genug formuliert, also werde ich mich danach richten.«

»Gut!« Tifflor nickte. »Ich erwarte einen vorläufigen Bericht von Ihnen – nicht von den Mutanten – noch heute!«

 

Die Altmutanten in ihrem Block aus PEW-Metall waren in bequemer Gehentfernung von der Steuerzentrale der BASIS untergebracht. Der PEW-Block stand im Mittelpunkt einer elliptischen Halle, an seiner Basis waren die Einheiten des Interface-Systems angebracht. Mit ihrer Hilfe nahmen die Mutanten in dem Block ihre Umwelt optisch und akustisch wahr, und mithilfe desselben Systems machten sie sich verständlich.

Der Zugang zur Halle war kontrolliert. Wer eintreten wollte, musste einen guten Grund und eine deshalb erteilte Autorisierung vorweisen können.

Hamiller und Kanthall waren, obwohl sie über entsprechende Anschlüsse in ihren Quartieren und vor allen Dingen in der Steuerzentrale verfügten, hierhergekommen, um den Mutanten Tifflors Auftrag zu übermitteln. Tako Kakuta hatte die Anweisung entgegengenommen und versichert, dass mit der Untersuchung sofort begonnen würde. »Lassen Sie Tifflor wissen, dass er sich keine Hoffnung machen soll«, hatte er zudem gesagt. »Es gibt an Bord dieses Fahrzeugs Dinge, die verdächtig erscheinen, aber sie lassen sich nicht lokalisieren.«

Mit diesem Bescheid hatten Kanthall und Hamiller die Halle wieder verlassen.

Es war gegen fünfzehn Uhr am 29. April, als sich bei Hamiller in seinem Arbeitszimmer der Interkom meldete. Er schaltete das Gerät per Zuruf ein. Auf der Bildfläche erschien Tako Kakutas Gesicht, so, wie es gewesen war, als der Mutant noch seinen eigenen Körper gehabt hatte. Das Bild wirkte lebensecht.

»Ich möchte Ihnen das Ergebnis unserer Analyse übermitteln«, sagte der Mutant. »Kitai hat es übernommen, Kanthall zu informieren.«

Hamiller empfand ein warnendes Gefühl. Warum übernahmen zwei Mutanten die Benachrichtigung? Warum sprach nicht einer zu beiden Empfängern? Bekam Kanthall von Kitai Ishibashi etwas anderes zu hören als er von Kakuta? »Konnten Sie etwas finden?«, erkundigte er sich.

»Wie ich es Ihnen heute Morgen schon sagte: Es gibt an Bord einen fremdartigen Einfluss, den man schlicht als unheimlich bezeichnen muss. Aber wir können nicht bestimmen, von wo dieser Einfluss ausgeht und worauf er ausgerichtet ist. Wir befinden uns in der Lage einer nahezu erblindeten Person, die Umrisse eines ihr unbekannten Gegenstands vor sich sieht. Sie kann mit dem optischen Eindruck nichts anfangen.«

»Glauben Sie, dass die BASIS sich in Gefahr befindet?«

»Das glauben wir. Aber wir sind uns über das Ausmaß der Gefahr nicht im Klaren. Außerdem meinen wir, dass das Besatzungsmitglied Dunja Varenczy außerhalb des fremdartigen Einflusses steht. Jedenfalls lässt sich keine Verbindung feststellen. Das muss aber nicht bedeuten, dass die Frau tatsächlich nichts damit zu tun hat.«

»Was für Empfehlungen haben Sie für uns?«, wollte Hamiller wissen. »Ist der Start der BASIS gefährdet?«

»Ich habe keine Empfehlungen«, antwortete der Mutant. »Im Übrigen würde ich eine Verzögerung des Starts nur dann befürworten, wenn es möglich erschiene, die BASIS könnte von einer unbekannten Macht vernichtet werden. Jeder geringeren Gefahr müssen wir einfach ins Auge sehen. Im Augenblick ist PAN-THAU-RA wichtiger als alles andere.«

Hamiller lächelte schmerzlich. »Es ist nicht leicht, diese Ungewissheit zu ertragen«, bemerkte er.

»Weder für Sie noch für uns«, bestätigte Kakuta. »Aber wir haben noch zwei Tage. Der fremde Einfluss verhält sich momentan statisch. Es gibt keine Bewegung – wenn Sie verstehen, was ich meine. Falls er anfängt, sich zu bewegen, und dynamisch wird, haben wir eine bessere Möglichkeit, ihn zu analysieren. Die Frage ist nur, ob die Dynamik vor oder nach dem Start der BASIS auftritt.«

Hamiller nickte. »Ich werde Ihren Bericht so, wie ich ihn aufgezeichnet habe, an den Ersten Terraner weiterleiten.«

»Er wird nicht sonderlich begeistert sein«, kommentierte der Mutant. »Aber sagen Sie ihm, wir haben die Hoffnung noch nicht aufgegeben.«

 

Nach dem Gespräch mit Tako Kakuta saß Hamiller noch eine Weile nachdenklich vor dem Interkom. Er führte seine eigene Analyse durch. Zwischen ihm und Margor gab es ein psionisches Band, das ihn an den Mutanten fesselte und ihn zwang, dessen Befehle auszuführen. Angeblich konnte diese Verbindung von anderen nicht wahrgenommen werden. Hamiller fragte sich, wie sicher Margor seiner Sache sein konnte. War der »fremdartige, unheimliche Einfluss«, den die Altmutanten wahrzunehmen glaubten, eine Ausstrahlung des psionischen Bandes zwischen Margor und seinen beiden Paratendern an Bord?

Wenn dem so war, dann gab es keine Bedrohung für die BASIS. In gewisser Hinsicht war das beruhigend. Denn was immer Margor im Sinn haben mochte, die Zerstörung des großartigen Raumfahrzeugs gehörte sicher nicht dazu. Auf der anderen Seite bestand natürlich die Gefahr, dass die PEW-Mutanten dem Einfluss auf die Spur kamen. Diese Aussicht war für Hamiller manchmal entsetzlich, manchmal gar nicht so schlimm – je nachdem, in welcher Stimmung er sich befand. Er hatte schon mehrmals versucht, seine Verbindung mit Margor preiszugeben. Doch derselbe Bann, der ihn zwang, die Befehle des Mutanten auszuführen, hinderte ihn daran, sein Geheimnis zu lüften.

Wenn es aber nicht Margors Einfluss war, den die Mutanten wahrnahmen, dann konnte es in der Tat eine tödliche Gefahr geben, die in der BASIS schlummerte.

Hamiller setzte sich mit Kanthall in Verbindung. Der hatte von Kitai Ishibashi angeblich dasselbe erfahren wie Hamiller von Kakuta. Und natürlich würde er es nicht zugeben, wenn Ishibashi ihm gegenüber von einem Verdacht gegen den Wissenschaftsrat gesprochen hatte.

»Ich habe das Gespräch aufgezeichnet«, erklärte Hamiller. »Ich lasse es sofort nach Terrania City überspielen.«

»Das ist ein ganz verdammter Mist!«, grollte Kanthall. »Ich komme mir vor, als säße ich auf einer Bombe!«

 

In Julian Tifflors Stab rief die Auskunft der Altmutanten ebenso Bestürzung hervor. Vorläufig durfte nichts davon an die Öffentlichkeit gelangen. Gerade jetzt, da die Menschen allmählich verstanden, dass das unheimliche Etwas in der Galaxis Tschuschik eine Gefahr bedeutete, die alles übertraf, womit die Zivilisationen der Milchstraße bislang konfrontiert worden waren.

Die große Bedeutung des 1. Mai 3586 als des Tages mit zwei entscheidenden Ereignissen wurde von den Public-Relations-Experten geschickt herausgestrichen.

Der 1. Mai war nicht nur der Tag, an dem die BASIS auf die große Reise ging. Zeitgleich würde auch die Container-Straße zwischen Terra und Olymp wieder in Betrieb gehen, über die das Solsystem dann mit Verbrauchsgütern und Halbfertigwaren aus der gesamten Milchstraße versorgt wurde. Die Erde besaß kein Imperium mehr; der Machtbereich der Liga Freier Terraner endete an den Grenzen des Sonnensystems. Olymp befand sich somit in machtpolitischem Niemandsland. Dass die Menschheit willens war, ihr Versorgungszentrum auf einem Planeten einzurichten, den sie im Ernstfall nicht zu schützen vermocht hätte, bewies ihre Friedlichkeit.

Allerdings hatte Julian Tifflor den Völkern der Milchstraße klargemacht, dass der Verzicht auf Expansion nicht nur von den Terranern gefordert werden dürfe. »Der erste Angriff auf Olymp wird der Anlass für uns sein, unsere Einstellung neu zu überdenken«, hatte er den Vertretern der GAVÖK erklärt.

Derzeit herrschte Ruhe in der Galaxis. Auf Olymp war Anson Argyris, der Roboter vom Typ Vario-500, der sich einstmals Kaiser von Olymp genannt hatte, unermüdlich damit beschäftigt, die Vorbereitungen für die Wiederinbetriebnahme der Container-Straße abzuschließen.

 

Nach einem arbeitsreichen 29. April wollte Payne Hamiller sich gegen 22 Uhr zurückziehen. Als Leiter der Expedition bewohnte er eine geräumige Suite, die in einem Zwischendeck über der Steuerzentrale lag. Auf dem Weg dorthin erreichte ihn jedoch ein Anruf von Demeter.

An Bord der BASIS nannte sie sich Dunja Varenczy. Ihr langes Haar war wie helles, schimmerndes Silber. Sie trug es lose herabfallend, erst in Schulterhöhe mit einem goldenen Band umschlungen. Das Haar bildete einen erregenden Kontrast zu der bronzefarbenen Haut. Demeters Gesicht wurde von den mandelförmigen Augen beherrscht, deren Iris einen chrysolithfarbenen, grünen Schimmer aufwies. Die Nase war schmalrückig und von edlem Schnitt. Angesichts dieser Vollkommenheit wirkte der Mund mit seinen vollen Lippen ein wenig zu breit, fast zu sinnlich. Es hatte sich aber noch kein Mann gefunden, der darin einen Makel sah.

Demeter trug ein lang fallendes Gewand, dessen Farbe sich am besten als flüssiges Orange beschreiben ließ. Das Kleid folgte den Konturen ihres Körpers, als sei es angegossen.

Wer in diesem Augenblick den als schüchtern bekannten Wissenschaftler gesehen hätte, dem wären wahrscheinlich die Augen übergegangen. Hamillers Blick fraß sich an der Bildwiedergabe förmlich fest.

Der schönen Fremden schien dieses überdeutliche Interesse keineswegs ungelegen zu kommen. »Ich bin einsam, Payne Hamiller«, sagte sie lächelnd. »Außerdem habe ich einige Fragen. Wirst du mich besuchen?«

Der Wissenschaftsrat kam ruckartig zu sich. Er wurde sich des Umstands bewusst, dass er sich wie ein Halbwüchsiger benahm, und das machte ihn verlegen. Er sagte etwas, das er eigentlich gar nicht sagen wollte: »Hat die Sache nicht bis morgen Zeit?«

Demeter schüttelte den Kopf. »Nein, sie hat keine Zeit. Ich bin sehr ungeduldig.«

 

Demeters Unterkunft lag auf demselben Deck wie Hamillers Quartier. Dieser Bereich der BASIS war den Mitgliedern der Expeditionsleitung vorbehalten – wenigstens vorläufig. Demeter, alias Dunja Varenczy, hatte sich für diese Gruppe keineswegs qualifiziert. Sie war dennoch hier, weil mancher, auf dessen Wort es ankam, eine Ahnung hatte, dass sie zu dem Ziel der Expedition PAN-THAU-RA in Beziehung stand.

Dass die Quartiere nur vorläufig waren, war erst allmählich offenbar geworden. Die BASIS war nach dem Redundanz-Prinzip konstruiert; es gab nicht eine einzige Funktion, die nicht wenigstens in doppelter Ausführung vorhanden gewesen wäre.

Auch die Steuerzentrale mit ihrer umfangreichen Peripherie war redundant ausgelegt. Die BASIS wies acht solcher Zentralen auf, die durch Transmitter untereinander verbunden waren. Musste die eine aufgegeben werden, aus welchen Gründen immer, konnte die nächste fast ohne Zeitverlust bezogen werden.

Eine der acht Zentralen befand sich in dem schürzenförmigen Auswuchs, der den Ringwulst der BASIS bugseitig durchdrang und etwa eintausend Meter über die kreisförmige Kontur des Fahrzeugkörpers hinausragte. Dieser Auswuchs, gemeinhin als Zentralsegment bezeichnet, hatte die Form eines am spitzen Ende abgeschnittenen Tortenstücks. Sein vorderer Rand war wie ein Kreisbogen gewölbt. Hinter diesem Rand erhoben sich lang gestreckte, in Flugrichtung abgeflachte Gebäude, und in einem davon war die Hauptsteuerzentrale untergebracht, von der aus die BASIS während der Expedition gesteuert werden sollte. Der Umzug aus der aktuellen Zentrale in die neue war für den kommenden Tag festgelegt. Auch ohne dass NATHAN sich diesbezüglich hatte zu Wort melden müssen, war klar geworden, dass die Zentrale im Innern der BASIS lediglich Trainingszwecken gedient hatte und ausgewählt worden war, weil sie im Bereich wichtiger Installationen lag. Die Besatzung hatte sich damit vertraut machen müssen.

Wer wie Hamiller aus dem kahlen und zweckmäßig ausgestatteten Gang in den Vorraum des Appartements trat, das Demeter bewohnte, der fühlte sich jäh in eine fremde Welt versetzt. Das Quartier der Frau war mit denselben Standardmöbeln eingerichtet worden wie alle Unterkünfte auf diesem Deck. Aber mit feinem Instinkt hatte die Fremde sich ihre eigene Welt geschaffen, sie hatte Farbtöne verändert, das Mobiliar neu arrangiert und die Luft mit einem exotischen Duft gesättigt. Das Licht war gedämpft. Aus dem Hintergrund drang sanfte Musik.

»Tritt näher, Payne Hamiller!«, erklang Demeters dunkle Stimme.

Der Wissenschaftler hatte das wohlig erregende Gefühl, dass er diese Suite so rasch nicht wieder verlassen würde.

 

Demeter hatte Getränke und einen kleinen Imbiss vorbereitet. Für eine Frau ohne Erinnerung beherrschte sie die komplexe Maschinerie einer automatischen Küche mit bemerkenswerter Vollkommenheit.

»Ich habe auf der Erde einen jungen Mann kennengelernt, der mich sehr beeindruckte«, sagte sie unvermittelt. »Ich frage mich, was er jetzt gerade macht.«

Hamiller lächelte ob der Naivität, die in dieser Frage mitschwang. »Ich glaube nicht, dass ich jeden jungen Mann auf der Erde kenne«, antwortete er.

»Der Mann heißt Roi Danton.«

»Oh!«, machte Hamiller und dachte daran, dass ausgerechnet Danton ihm nahegelegt hatte, ein Auge auf Dunja Varenczy zu haben. Auf Dunja – nicht auf Demeter. Er hatte keine Ahnung, wer sie wirklich war. »Was soll er jetzt schon machen?«, wiederholte er die Frage. »Er sitzt in Terrania City und regiert als Oberster Terranischer Rat.«

Zugleich fühlte er sich ein wenig unbehaglich. Hatte Demeter ihn nur bestellt, um von ihm Auskunft über die Spitzen der terranischen Regierung zu bekommen?

»Wird Roi Danton an der Expedition teilnehmen?«, fragte die betörende Frau.

»Nein, warum sollte er? Seine Aufgabe ist auf der Erde.«

»Bestimmt nicht?«

»Ich bin ganz sicher, dass ich an Bord als Erster informiert würde, wenn sich der Oberste Terranische Rat an der Expedition beteiligen will. Ich habe bislang nichts dergleichen gehört. Also wird er sich nicht beteiligen.« Mit diesen Worten stand er auf. »Ich bin müde. Bitte entschuldige mich. Ich glaube, ich ...«

Auch Demeter hatte sich erhoben. Mit einem um Verzeihung bittenden Lächeln trat sie so nahe an Hamiller heran, dass er ihren Atem spürte. »Ich wollte dich nicht mit Fragen über andere Männer langweilen«, sagte sie. »Ich bin einsam. Bitte, geh jetzt nicht!«

Kaum eine Macht auf der Welt hätte Hamiller dazu bringen können, dieses Angebot auszuschlagen.

 

In der Nacht erwachte Hamiller von einem ungewöhnlichen Geräusch.

Es war finster. Eine Sekunde lang wusste er nicht, wo er sich befand. Er tastete um sich und berührte weiche, samtene Haut. Im selben Augenblick hörte er das Geräusch von Neuem. Es war Demeters Stimme.

»Ich kann den Auftrag nicht ausführen, ihr Götter!«

Demeter musste sich im Bett aufgerichtet haben. Sie sprach wie in Trance. Einem Impuls folgend, fragte Hamiller, wobei er seiner Stimme einen dumpfen Klang zu geben versuchte: »Warum kannst du das nicht?«

Demeter reagierte.

»Weil ich den Weg nicht finden kann, ihr Mächtigen. Seit Jahrtausenden bin ich auf der Suche, aber der Weg bietet sich mir nicht dar.«

Hamiller war schlagartig hellwach. Bot sich hier eine Möglichkeit, Demeters verschüttete Erinnerungen freizulegen?

»Wohin führt der Weg?«

»Zu dem Auge!«

»Zu welchem Auge?«

»Ich weiß es nicht.«

»Wer weiß es?«

»Ihr wisst es, die Götter, die Mächtigen. Ich flehe euch an: Vergebt mir und entlasst mich aus dieser Verpflichtung!«

Hamiller überlegte blitzschnell. Er durfte den Faden nicht abreißen lassen. »Du bist eine Treulose!«, rief er ins Dunkel. »Bevor wir dich entlassen, müssen wir gewiss sein, dass du dich wenigstens bemüht hast, unseren Auftrag zu erfüllen.«

»Ich bin nicht treulos – ich war immer getreu!«, widersprach Demeter mit Nachdruck.

»Wohin haben deine Wege dich geführt?«

»Zu Utnapishtim und in das Land Eden, in die Stadt Henoch und nach ...«

»Weiter!«, drängte der Wissenschaftler.

Jäh flammte das Licht auf. Hamiller blinzelte kurzsichtig. Neben ihm auf dem Lager saß Demeter und musterte ihn misstrauisch. Sie selbst hatte die Beleuchtung eingeschaltet.

»Weiter was?«, fragte sie.

Hamiller erkannte sofort, dass es günstiger war, in dieser Lage nicht den Dummen zu spielen. Demeter war unerwartet aus der Trance erwacht und hatte seine letzte Frage gehört.

»Du hast im Traum gesprochen«, sagte er. »Plötzlich unterbrachst du dich. Ich wollte, dass du weiterredest.«

Demeter wirkte verwirrt. »Was habe ich gesagt?«, wollte sie wissen.

»Etwas von einem Auge.«

»Von einem Auge? Was war damit?«

»Genau das wollte ich eben erfahren.«

Hamiller musterte die schöne Fremde eindringlich. Ihr Erstaunen schien echt zu sein. Die Trance hatte einen Teil ihrer unterdrückten Erinnerungen kurzfristig an die Oberfläche gebracht. »Du sagtest ungefähr, dass du den Weg nicht finden kannst, der zu dem Auge führt«, stellte er fest.

Demeter saß eine Zeit lang nachdenklich, dann schüttelte sie den Kopf. »Das bedeutet mir nichts. Bist du sicher, dass du das gehört hast?«

»Ziemlich sicher.«

»Kann es sein, dass du selbst geträumt hast?«

»Kann auch sein«, gestand der Wissenschaftler.

Demeter löschte das Licht.

2.

 

 

Am 30. April verlegten die vierhundert Mitarbeiter des Allgemeinen Flugbetriebs ihren Tätigkeitsbereich aus dem Umfeld der bisherigen Steuerzentrale in die Gebäude des Zentralsegments. Hamiller war in seine Wohnung zurückgekehrt, nachdem er sich von Demeter verabschiedet hatte. Als in der geschäftigen Umgebung der Steuerzentrale endlich Ruhe einkehrte, bestellte er Harso Sprangohr zu sich.

Sprangohr war der Einzige an Bord der BASIS, der außer Hamiller Dunja Varenczys wahre Identität kannte. Boyt Margor hatte es für richtig befunden, ihn über diese Frau zu informieren.

Hamiller berichtete von seinem nächtlichen Erlebnis. Aber wenn er der Ansicht gewesen war, dass sein Gegenüber in irgendeiner Weise darauf reagieren würde, dann sah er sich getäuscht. Sprangohr hörte ihm unbewegt zu und schaute schließlich nachdenklich vor sich hin.

»Damit kann man vermutlich nicht viel anfangen. Die Namen, die Demeter genannt hat, sind natürlich interessant. Utnapishtim stammt aus dem Gilgamesch-Epos, Eden und Henoch kommen in der Bibel vor. Utnapishtim ist eine Person, Eden und Henoch sind Orte. Allen dreien ist gemeinsam, dass sie vor der Sintflut existierten.« Sprangohr sah auf. »Das ist aber auch alles.«

Hamiller nickte. »Ich konnte ebenfalls nicht mehr daraus machen. Aber es scheint geraten, Demeter im Auge zu behalten. Unter gewissen Umständen gelingt es ihr offenbar, Bruchstücke ihres Gedächtnisses zurückzurufen.«

Sprangohr grinste breit. »Schon richtig – aber wenn man dazu neben ihr im Bett liegen muss, dann kommen für diese Aufgabe eigentlich nur Sie infrage!«

 

Am Morgen des 1. Mai saß Payne Hamiller in seinem Wohnraum über der neuen Steuerzentrale und ließ die Wiedergabe der Bildwand auf sich wirken. Die Oberseite der BASIS lag nahezu voll im Sonnenlicht, mit nur wenigen schattigen Stellen im Bereich des Ringwulstes.

Sein Blick schweifte frei über die stählerne Ebene, die sich weit im Hintergrund mit dem gewaltigen Ringwulst vereinte, der aus Hamillers Sicht fast siebenhundertundfünfzig Meter weit aufragte. Vor diesem Hintergrund erhoben sich, winzig im Vergleich mit den Proportionen des Wulstes, die neun Waffentürme, in denen etwa fünfzig Prozent der gesamten Verteidigungskraft der BASIS installiert waren. NATHAN hatte bei ihrer Konstruktion modernste waffentechnische Erkenntnisse angewandt. Zu den Neuerungen gehörte eine abgewandelte Version des Transformgeschützes – eine Kombination aus herkömmlicher Transformkanone und dem lemurischen Konstantriss-Nadelpunkt-Geschütz. In den Instruktionsprogrammen wurde diese neue Waffe »Selphyr-Fataro-Gerät« genannt. Aber noch kannte niemand ihre Wirkung, nur dass sie entsetzlich sein musste, das wusste man.

Jenseits des Ringwulstes sah Hamiller die sanfte Wölbung der oberen Schale der BASIS bis zu jenem Scheitelpunkt ansteigen, an dem sich die Zentralplattform befand. Ein Raumriese der GALAXIS-Klasse war dort niedergegangen.

Hamiller befand sich in einem Zustand eigenartiger Suspension. Er fürchtete sich vor dem bevorstehenden Unternehmen, aber dennoch hätte ihn keine Macht der Welt dazu bewegen können, seine Teilnahme abzusagen.

Er fragte sich, wie schon oft zuvor, welche Mächte zusammengewirkt haben mochten, die BASIS zu erstellen, und was der eigentliche Zweck der Expedition PAN-THAU-RA sein mochte.

 

Kershyll Vanne ließ, genau wie Hamiller, die Wiedergabe der Bildwand in seiner Unterkunft auf sich wirken. Aber währenddessen hielt er Zwiegespräch mit seinen Mitbewusstseinen. Sie hatten ihre eigene Meinung von den Dingen, die bevorstanden – von Ankameras schlecht verhohlener Furcht bis zu Pale Donkvents burschikosem »Ach was! Mit einer ordentlichen Flasche Schnaps werden wir das schon schaffen!«.

Vanne fühlte, dass die BASIS Fahrt aufgenommen hatte, obwohl die Bildwiedergabe noch keine Veränderung erkennen ließ.

Die BASIS war kein Fahrzeug mit hohem Beschleunigungsvermögen. Mit fünfzig Kilometern pro Sekundenquadrat würde es weit mehr als eine Stunde dauern, bis ein Übertritt in den Linearraum ohne extrem großen Energieaufwand vollzogen werden konnte.

Immerhin sah der Sieben-D-Mann nach kurzer Zeit die breite Sichel der Erde auf der Bildfläche erscheinen. Weiße Wolkenfelder spielten über den Konturen des amerikanischen Doppelkontinents.

Später fragte Vanne sich oft, ob ausgerechnet dieser Anblick das folgende unwirkliche Erlebnis ausgelöst hatte – oder ob das Erlebnis von selbst zustande gekommen war, weil es nur zu diesem Zeitpunkt und zu keinem anderen hatte stattfinden können.

Das Bild verschwamm vor seinen Augen. Vanne fühlte sich benommen und glaubte plötzlich, in einem von rötlich gelber Helligkeit erfüllten Vakuum zu schweben. Er war schwerelos, und ein Gefühl drohender Gefahr schlug ihn in seinen Bann.

Gleich darauf hörte er die Stimme. Sie schien aus weiter Ferne zu kommen. Aber Vanne kannte diesen Klang, er wusste, dass ES zu ihm sprach.

»Vergeblich habe ich zu helfen versucht! Ich habe mich zu nahe herangewagt – nun stürze ich in diese erloschene ...«

Die Stimme wurde schwächer. Sie erlosch, ohne dass Vanne das Ende des Satzes mitbekam. Der Sieben-D-Mann wand sich wie unter inneren Schmerzen; er wollte rufen, wollte schreien, aber in seiner körperlosen Existenz war ihm das unmöglich.

Von einer Sekunde zur andern kehrte Kershyll Vanne in die Realität zurück. Verwirrt starrte er auf die Bildfläche, auf der die Erdsichel inzwischen kleiner geworden war. Einige Sekunden brauchte er, um zu begreifen, dass er soeben tatsächlich Kontakt mit ES gehabt hatte, dass sein Bewusstsein abgerufen worden war, um eine Botschaft des Überwesens zu empfangen.

Doch was für eine Botschaft.

ES drohte Gefahr!

Mehr als das: ES drohte die Vernichtung!

Vanne sprang auf. Er vergewisserte sich, dass seit dem Start der BASIS erst fünfzehn Minuten vergangen waren. Die Erde musste umgehend von der Schreckensnachricht erfahren.

ES existierte vielleicht schon nicht mehr ...

 

Millionen Lichtjahre von Terra entfernt schwebte zu dieser Zeit die SOL über dem Planeten Drackrioch.

Bardiocs Vereinigung mit dem kristallinen Gebilde der Kaiserin von Therm war abgeschlossen. Aus zwei Überwesen, die einander jahrtausendelang befehdet hatten, war ein einziges geworden. Die psychische und physische Macht, die den vereinten Intelligenzen innewohnte, musste gigantisch sein. Niemand an Bord der SOL konnte ihren Umfang auch nur erahnen.

In den letzten Tagen hatten weder Bardioc noch die Kaiserin von Therm sich gemeldet. Es war unklar, ob sie noch mit dem Verschmelzungsprozess beschäftigt waren oder ob ihr vereinigtes Bewusstsein schon in Sphären entwichen war, zu denen die neu gewonnene geistige und materielle Kraft den Zutritt geöffnet hatte.

Das vielfach verflochtene Kristallgebilde der Kaiserin von Therm existierte weiterhin. Bardioc hingegen schien spurlos verschwunden. Doch seine Gehirnsubstanz befand sich zergliedert und auf lebenserhaltenden Substraten angesiedelt an Hunderten Stellen innerhalb der Kaiserin.

Die SOL hielt nichts mehr in diesem Sonnensystem – außer dem Umstand, dass sie dringend Treibstoff und andere Grundmaterialien brauchte. Vor der Vereinigung mit Bardioc hatte die Kaiserin von Therm zugesagt, dass das große Hantelraumschiff sich mit allem Benötigten versorgen könne.

Das nächste Ziel der SOL war die PAN-THAU-RA, Bardiocs Sporenschiff, das der Mächtige im Bereich einer fernen Galaxie zurückgelassen hatte. Deren Name war von SENECA anhand der erhaltenen Positionsdaten ermittelt worden: Tschuschik. Perry Rhodan hatte Bardioc versprochen, dass die SOL versuchen werde, die PAN-THAU-RA in Sicherheit zu bringen oder sie gegebenenfalls unschädlich zu machen.

Gegen Abend besprach Rhodan mit Reginald Bull und Geoffry Waringer den Ablauf der Versorgungsarbeiten. Die Instandsetzungen würden schon in wenigen Stunden abgeschlossen sein, wohingegen die Betankung mit Wasserstoff, den die Verarbeitungsanlagen der SOL zu dem von den SN-Reaktoren benötigten Nugas umwandelten, und mit sonstigen Grundstoffen noch weitere drei bis vier Tage in Anspruch nehmen würde.

Als Bull seine Erläuterungen beendete, geschah etwas Seltsames.

Die drei Männer erlebten, wie sich ihre Umgebung auflöste. Sie schienen im freien Raum zu schweben, umgeben von einem Nichts aus diffus gelblich roter Helligkeit. Sie hatten das eigenartige Empfinden, dass die Luft voll statischer Elektrizität sei.

Dann hörten sie die Stimme. Sie kam aus endlos weiter Ferne. Sie war schwach, und mit jedem Wort wurde sie schwächer.

»Vergeblich habe ich zu helfen versucht! Ich habe mich zu nahe herangewagt – und nun stürze ich in diese erloschene ...«

Das Knistern der aufgeladenen Luft schwoll zu einem mächtigen Rauschen an ... Dann, plötzlich, war es ebenso verschwunden wie das rotgelbe Nichts.

Die Männer befanden sich wieder in ihrer gewohnten Umgebung. Erschrecken spiegelte sich in ihren Augen, sie waren blass.

»Ich nehme an, wir alle haben das gehört«, sagte Rhodan dumpf.

Bull und Waringer nickten gleichzeitig.

»ES!« Reginald Bull sagte das mit allem Nachdruck, zu dem er fähig war.

»Das war ES!«, bestätigte Waringer.

Eine Weile war es totenstill in dem kleinen Nebenzimmer.

»Ich glaube kaum, dass wir einer Halluzination aufgesessen sind«, fuhr Rhodan fort. »Wir haben eine Nachricht erhalten, dass ES sich in Gefahr befindet. Im schlimmsten Fall müssen wir damit rechnen, dass ES nicht mehr existiert. Folglich gilt es zu überdenken, ob diese Entwicklung unsere Pläne beeinflusst.«

»Zwei Dinge sprechen gegen jede Planänderung«, erklärte Bull sofort.

»Welche?«

»Erstens wurde ein Versprechen gegeben, dass die SOL die PAN-THAU-RA sucht und alles unternimmt, um die von dem Sporenschiff ausgehende Gefahr zu neutralisieren. Zweitens könnte es für eine Änderung unserer Pläne überhaupt nur einen einzigen Grund geben: der Menschheit mitzuteilen, dass sie auf den Schutz von ES nicht mehr zählen kann. Allerdings nehme ich an, dass ES der Menschheit dieselbe Warnung hat zukommen lassen.«

Rhodan neigte zustimmend den Kopf. »Ich bin deiner Meinung. Und du, Geoffry?«

»Ich schließe mich an. Ich nehme nicht an, dass wir etwas unternehmen könnten, um ES zu helfen.«

»Wir wüssten nicht einmal, wo wir anfangen sollten, zu suchen«, sagte Rhodan.

Geoffry Waringer starrte nachdenklich vor sich hin. »Wenn wir wenigstens wüssten, wie das letzte Wort heißt. ›Nun stürze ich in diese erloschene ...‹ Erloschene was?«