Ulrich Offenberg
CHRISTOPH
COLUMBUS
© Verlag KOMPLETT-MEDIA GmbH
2007, München/Grünwald
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1451 |
Geburt von Christoph Columbus in Genua |
1469 |
Isabella von Kastilien heiratet Ferdinand von Aragon |
1476 |
Columbus fällt in die Hände von Piraten Flucht nach Lissabon |
1479 |
Heirat mit Felipa Perestrelo e Moniz |
1480 |
Geburt des Sohnes Diego |
1485 |
Tod von Felipa |
1486 |
Empfang am spanischen Hof in Cordoba Kennen lernen von Beatriz Enrique de Arana |
1487 |
Geburt des Sohnes Fernando |
1491 |
Rückzug nach La Rabida |
Januar 1492 |
Vertrag von Columbus mit dem spanischen Königshaus |
3. August 1492 |
1. Entdeckungsreise |
12. Oktober 1492 |
Entdeckung von San Salvador und den Bahamas |
28. Oktober 1492 |
Entdeckung von Kuba |
21. November 1492 |
Entdeckung von Hispaniola |
15. März 1493 |
Ende der 1. Reise |
Juni 1493 |
Einigung über Demarkationslinie „La Raya“. Portugal und Spanien teilen die Neue Welt unter sich auf |
25. September 1493 |
Die 2. Reise |
3. November 1493 |
Entdeckung von Guadeloupe, Jamaika und Puerto Rico |
11. Juni 1496 |
Ende der 2. Reise |
30. Mai 1498 |
Die 3. Reise |
1498 |
Vasco da Gama erreicht das Kap der Guten Hoffnung |
Juli 1498 |
Entdeckung von Trinidad, Tobago und des Orinoco |
25. November 1500 |
Ende der 3. Reise |
Mai 1502 |
Die 4. Reise (Die große Reise) |
1592 |
Entdeckung von Honduras, Kolumbien, Nicaragua und Costa Rica |
1593 |
Schiffbrüchig auf Jamaika |
November 1504 |
Ende der 4. Reise Tod von Königin Isabella |
1505 |
Umzug nach Valladolid |
20. Mai 1506 |
Tod von Christoph Columbus |
Die erste Reise
Nahe an der Meuterei
Land in Sicht
Die Entdeckung von San Salvador
Landung auf Kuba
Die nackte Häuptlingstochter auf Hispaniola
Das Ende der „Santa Maria“
Der große Sturm
Der gefeierte Held
In den Händen der Piraten
Der Traum vom Seeweg nach Indien
Isabella und Ferdinand von Spanien
Absagen über Absagen
Streit um die Beute
Die zweite Reise
Gold! Gold! Gold!
Die verzweifelte Suche nach Indien
Die große Krise
Unruhen auf Hispaniola
Rückkehr nach Spanien
Die dritte Reise
Ganz nahe an Amerika
Krieg auf Hispaniola
Der Admiral in Ketten
Die vierte, die große Fahrt
Sturm und Regen
Der Goldrausch
Gestrandet auf Jamaika
Zurück in der Heimat
Kampf um das Erbe
Das Ende
Wir setzten Segel an diesem dritten Tag des August 1492 um acht Uhr früh jenseits der Bank von Saltes. Der Wind ist stark und bläst aus wechselnden Richtungen. Bei Sonnenuntergang hatten wir 45 Meilen in südlicher Richtung zurückgelegt. Nach Einbruch der Dunkelheit änderte ich den Kurs in Richtung auf die Kanarischen Inseln nach Südwest und Süd bei West.
Dies ist die erste Eintragung in das Logbuch, das der Seefahrer Christoph Kolumbus auf seiner Entdeckungsreise über den Atlantik geführt hat. Wahrscheinlich war er damals 42 Jahre alt. Und er war dabei, seinen Lebenstraum zu verwirklichen: das Auffinden des Seeweges nach Indien. Drei Schiffe standen unter dem Kommando des Admirals: Die „Santa Maria“ mit 39 Männern Besatzung, die „Pinta“ mit 27 und die „Nina“ mit 34 Mann.
Jahrelang war der gebürtige Genuese durch Europa gereist, unermüdlich hatte er versucht, europäische Herrscher von seiner Idee zu begeistern. Die Erde ist rund, hatte Christoph Kolumbus wieder und wieder gepredigt, und man müsse nur lange genug in den Westen segeln, um im geheimnisvollen Osten anzukommen. Erst die Herrscher Spaniens, Isabella und Ferdinand, hatten den Mut, diesem merkwürdigen Phantasten die notwendigen Schiffe anzuvertrauen, um die sagenhaften Schätze des fernen Asiens zu heben.
Nach dem Ablegen im Hafen von Sevilla in Richtung auf die Kanarischen Inseln folgten dramatische Tage, Wochen und Monate, die die Weltgeschichte und die Landkarte der Erde für immer verändern sollten. Abschriften seines Bordbuches sind in Teilen bis heute noch erhalten. Darin schildert Christoph Columbus selbst seine Eindrücke auf der Fahrt ins Ungewisse:
Dienstag, den 11. September
Nun sind wir 150 Meilen von Canaria entfernt. Wir sichteten ein Stück von einem Mastbaum, der ohne Zweifel schon lange im Wasser trieb und von einem Schiff mit etwa 100 Tonnen stammen mochte. Ich wollte, ich hätte diesen traurigen Zeugen eines Untergangs allein gesehen! Wieder gab es Wehklagen und Tränen und zum ersten Mal auch Drohungen. Ich werde wohl sehr auf der Hut sein müssen...
Donnerstag, den 13. September (40 Tage auf See)
Wüsste ich nicht, dass der Allmächtige schützend die Hand über mich hält, müsste nun auch ich den Mut verlieren. Ich stehe einem Rätsel gegenüber, auf das vor mir wohl noch kein Seefahrer gestoßen ist. Ich glaubte zu träumen. Ich schloss die Augen und öffnete sie wieder. Aber das half nichts. Die Magnetnadel wies, anstatt auf den Nordpol zu zeigen, ungefähr einen halben Strich nordwestlich. Eine Erklärung? Ich weiß keine. Und ich zittere vor der Stunde, da die anderen mich mit Fragen bestürmen werden. Gewiss werden sie behaupten, der Teufel selber lenke unsere Flotte.
Samstag, den 15. September
Die Schrecken nehmen kein Ende. Plötzlich zeigte sich – etwa um die zehnte Stunde – eine riesige Feuerflamme am Himmel, und ehe ich sie richtig gesehen hatte, stürzte sie vom Himmel ins Meer. Ich hörte, wie auf der „Pinta“ Schreie laut wurden... Am Nachmittag begann es zu regnen, der Himmel wurde bleigrau. Dennoch kommen wir rasch vorwärts. Gestern waren es achtzig Meilen. Zwanzig habe ich wieder unterschlagen.
Sonntag, den 23. Dezember
Noch immer kein Land! Das Meer ist wieder dicht von grünen Pflanzen und Kräutern bedeckt, manchmal sogar so dicht, dass die Schiffe nur mühsam vorwärts kommen. Die Mannschaft murrt wieder, und die tollsten Mutmaßungen springen von einem Schiff zum anderen über: Wir könnten – wie in einem Eismeer – in dem Pflanzenmeer stecken bleiben; das Meer werde immer seichter, und wir würden bald auf tückische Riffe stoßen; wir wären wohl in der Nähe von Inseln gewesen, hätten diese aber verfehlt und segelten nun in eine Gegend, in der es überhaupt keine Winde gebe; die Schiffe würden bald v erfaulen und auseinander fallen.
Das alles ist es nicht, was die Mannschaft beunruhigt. Wir sind zu lange von zu Hause fort, und nichts ist für eine Truppe gefährlicher als Ungeduld und Müßiggang. Aber ich bin außerstand, aus dem Nichts einen Feind hervorzuzaubern, mit dem sie ihre Kräfte messen könnten. Der einzige Feind für sie – bin ich.
Mittwoch, den 26. September
Die Lage wird immer bedrohlicher. Peralonso Nino überbrachte mir die Bedenken und Befürchtungen der Mannschaft: Die Vorräte würden bald zu Ende gehen; die Schiffe seien zu schwach für diese weite Fahrt, und ich solle daran denken, dass wir den schon zurückgelegten Weg ein zweites Mal – auf der Heimfahrt – zurücklegen müssten. Das Land, das wir suchten, gebe es gar nicht. Auch die Gelehrten hätten diese Meinung geäußert. Nino lächelte spöttisch, als ich ihm klar legte, dass es meine feste Absicht sei, weiter nach Westen zu fahren. Er meinte, niemand werde widerlegen können, dass ich auf dem Deck ausgeglitten und über Bord gefallen sei.
Freitag, den 28. September
Das ist offene Meuterei! Ein Matrose von der „Pinta“ kletterte während der Nacht auf die „Santa Maria“ und forderte Pedro Gutierrez auf, mich meines Amtes zu entheben und den Befehl zur Rückkehr zu geben. Gutierrez kam völlig verzweifelt zu mir und fragte mich, was er tun solle. In seinen Augen stand nackte Angst. Ich befahl, den Matrosen in Fußeisen zu legen, doch niemand führte den Befehl aus. Diego de Harana wurde tätlich angegriffen und kam gerade noch davon. Auf Schritt und Tritt, wohin immer ich mich begebe, folgten mir Matrosen. In ihren Augen steht Hass, und ich wäre ein Narr, würde ich bezweifeln, dass die Messer schon locker sitzen. Ich bin ein Gefangener auf meinem eigenen Schiff, und der Tag der Hinrichtung scheint nicht mehr fern zu sein.
Samstag, den 6. Oktober
Ein Kanonenschuss weckte mich heute früh. Ich stürzte aufs Deck und sah, dass auf dem Mast der „Nina“, die während der Nacht die „Pinta“ überholt hatte, die Flagge mit dem grünen Kreuz im roten Felde wehte. Das vereinbarte Zeichen! Land! Land! Ein wildes Durcheinander entstand. Juan de la Cosa, der den Großmast erklettern wollte, wurde von zwei Matrosen zurückgerissen, die wie die Affen in die Höhe turnten. Sie riefen mir aufgeregt gestikulierend zu, dass vor uns in südwestlicher Richtung Land liege, eine Insel, welche die Form eines Herzens besitze.
Land! Ich fragte mich, ob wir Cipango schon erreicht hatten. Ich glaubte nicht recht daran, aber es war auch nicht unmöglich. Doch selbst wenn wir nur auf eine unbekannte Insel gestoßen waren, wollte ich zufrieden sein. Fester Boden unter den Füßen würde der Mannschaft neuen Mut einflößen. Ich gab den Befehl, von der bisher eingehaltenen Fahrtrichtung abzuweichen und Kurs nach Südwesten zu nehmen.
Mittwoch, den 10. Oktober
Das Land war eine Wolke. Auf der „Pinta“ merkten sie zuerst, dass die herzförmige Insel in nichts zerronnen war, und von der „Nina“ sprang die Nachricht auf die „Santa Maria“ über. Gleich darauf war die Hölle los. Die Mannschaft drang geschlossen auf mich ein. Vom Deck der beiden anderen Schiffe, die angehalten hatten, sprangen die Matrosen ins Wasser, erkletterten unser Schiff und gesellten sich zu den Aufrührern. Quintero war unter ihnen. Er warf sich zum Sprecher auf. Er sprach nicht viel. “Rückkehr oder Euer Leben, Colon!“
Ich weigerte mich, ihrem Wunsch nachzukommen. Ich hielt ihnen vor, dass sie sich nicht nur mir, sondern auch dem König und der Königin widersetzten. Ich nannte Pinzon einen Hochverräter. Wir kämpften verbissen mit Worten, und ich wartete darauf, dass sie den Kampf mit ihren Messern eröffnen würden. Denn allein war ich nicht. Chachu de Harana, die beiden königlichen Beamten und der Dolmetscher standen neben mir, bereit, ihr Leben zu lassen.
Sie griffen nicht an. Mag sein, dass doch keiner von ihnen ein gemeiner Mörder ist, mag sein, dass sie sich den Strick errechneten. Aber sie gaben mir drei Tage Zeit, genau drei Tage. Ich habe gerechnet und gerechnet. Es ist nicht möglich, dass wir in drei Tagen vor der Küste Cipangos Ankers werfen.
Donnerstag, den 11. Oktober
Alles deutet darauf hin, dass wir Land ansteuern. Wieder haben wir frische Pflanzen gesichtet, dann grüne Fische, wie sie nur in der Nähe von Klippen leben, und einen Dornenzweig, der Beeren trug und ohne Zweifel erst kurzem vom Stamm abgerissen worden war. Vielleicht haben mir die Aufrührer deshalb das Leben geschenkt, weil sie selber daran glauben, dass wir dem Ziel nahe sind. Als ich Chachu fragte, bekam ich zur Antwort, dass aber auch manche dies alles für Blendwerk des Teufels ansähen, der uns damit nur weiter von der Heimat fortlocken wollte. Zwei Tage noch! Werden sie es wagen, mich in Ketten zu legen? Haran hat seine Kajüte in eine Festung verwandelt. Ich will lieber beten.
Nacht von Donnerstag, dem 11. Oktober, zu Freitag, dem 12. Oktober
Ich muss noch niederschreiben, was mich bewegt. Kann sein, dass dies meine letzte Eintragung ist, dass sie das Bordbuch ins Wasser werfen, vielleicht aber vergessen sie es, und die Königin wird eines Tages wissen, dass ich kein Phantast, kein weltfremder Träumer war. Ich habe ein Licht gesehen. Es war, als bewege jemand eine Fackel. Ich rief sofort Pedro Gutierrez an Deck. Auch er sah das Licht. Ihm schien es, als befände es sich in einem Boot, das sich mit den Wellen hob und senkte. Als sich Rodrigo Sanchez de Segovia zu uns gesellte, war das Licht verschwunden. Es kam nicht wieder, und de Segovia meinte, wir wären Opfer einer Sinnestäuschung geworden, wir hätten das Licht gesehen, weil wir ein Licht sehen wollten. Ich werde wieder an Deck gehen und auf das Licht warten. Vielleicht kommt es wieder, dieses Licht, das mir das Leben schenken würde...
Freitag, den 12. Oktober, 3 Uhr früh
Um zwei Uhr ertönte auf der „Pinta“ ein Kanonenschuss. Ein Matrose, Rodrigo de Triana, sah das Land als erster. Es liegt ganz nahe vor uns, höchstens zwei Seemeilen entfernt. Ich habe den Befehl gegeben, die Segel einzuziehen und die Schiffe langsam treiben zu lassen. Was werden wir zu sehen bekommen? Marmorbrücken? Tempel mit goldenen Dächern? Gewürzhaine? Menschen, die uns gleichen, oderirgendein fremdartiges Geschlecht von Riesen? Haben wir eine Insel oder Cipango erreicht? Ich kann es kaum erwarten, dass die Dämmerung aus dem Meer steigt. – Seltsam: An einem Freitag habe ich Spanien verlassen, und an einem Freitag habe ich mein Ziel erreicht.
Freitag, den 12. Oktober
Es ist eine Insel, eine bewohnte Insel. Am Strand erblickten wir Eingeborene, nackend, wie Gott sie erschaffen hat. Ich stieg, begleitet von Martin Alonso Pinzon, Vicente Ibanez Pinzon, den beiden königlichen Beamten und zehn bewaffneten Matrosen in ein Boot. Während wir uns dem Land näherten, strömten immer mehr Bewohner aus den Wäldern herbei, und ich konnte, als wir uns noch einen Steinwurf weit von der Küste befanden, von ihren Mienen nur Erstaunen und keine feindseligen Gefühle ablesen.