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Joachim Klöckner

DER KLEINE
MINIMALIST

Praktische Erfahrungen
für ein befreites,
glückliches Leben

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Sämtliche Angaben in diesem Werk erfolgen trotz sorgfältiger
Bearbeitung ohne Gewähr. Eine Haftung der Autoren bzw.
Herausgeber und des Verlages ist ausgeschlossen.

1. Auflage
© 2018 Ecowin Verlag bei Benevento Publishing,
eine Marke der Red Bull Media House GmbH,
Wals bei Salzburg

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das des öffentlichen Vortrags, der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen sowie der Übersetzung, auch einzelner Teile. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Gesetzt aus der Minion Pro, Gill Sans

Medieninhaber, Verleger und Herausgeber:
Red Bull Media House GmbH
Oberst-Lepperdinger-Straße 11–15
5071 Wals bei Salzburg, Österreich

Lektorat: Martina Paischer
Satz: MEDIA DESIGN: RIZNER.AT
Umschlaggestaltung: b3K design, Andrea Schneider, diceindustries
ISBN 978-3-7110-0150-4
eISBN 978-3-7110-5217-9

Inhalt

Willkommen in einer Welt des Wohlfühlens!

Als Minimalist wirst du nicht geboren. Aber es lohnt sich, dein Leben minimalistisch zu gestalten

Minimalismus: Was bedeutet dieser Begriff denn nun für meine Lebensgestaltung?

»WinWinWin«: Selbstsein – Verbundensein – Kooperieren

Mein drittes Leben: der Nomade

Einladung an den Leser: Gestalte dein Leben selbst!

Über den Autor

Willkommen in einer Welt des Wohlfühlens!

Wenn Menschen mit mir sprechen, fällt in der Regel spätestens im dritten oder vierten Satz eine Zahl. Es ist die Zahl 50. Bisweilen kommt es mir so vor, als wenn manch einer meiner Gesprächspartner gar nicht meine Person vor sich sieht, sondern nur diese Zahl, die seit dem Erscheinen einiger Medienberichte im Zusammenhang mit mir kursiert. Mich macht das stets neugierig darauf, wie dieser Mensch sich selbst sieht.

50 Dinge, so heißt es, seien es nur noch, mit denen ich mich umgebe. Diese 50 scheint magisch zu sein, und obwohl ich sie eigentlich nicht mag und außerdem für mich selbst gar nicht brauche, macht sie doch offenbar viele Menschen erst neugierig, worum es bei mir geht.

Für mich persönlich spielt die Anzahl der Dinge indes gar keine Rolle. Vielleicht sind es 50, vielleicht aber auch 55 oder sogar nur noch 48? Ich weiß es nicht und zähle eigentlich immer nur für Interviews mal wieder. Hinterher muss ich jedes Mal über mich selbst lächeln, denn ich schaue vielmehr darauf, ob ich Dinge noch brauche oder nicht. Das hat einen Sinn, der mit dem, was ich in diesem Buch berichten möchte, viel mehr zu tun hat als die absolute Zahl der Dinge, die ich besitze. Konkret orientiere ich mich an folgender Idee: Alles, was ich ein Jahr lang nicht gebraucht habe, kann aussortiert werden. Da die Zahl jedoch so präsent ist und ich immer wieder danach gefragt werde, will ich gleich hier an den Anfang eine Liste der materiellen Dinge stellen, die tatsächlich derzeit noch mein Leben begleiten. Diese gilt in dem Moment, in dem ich das Manuskript für dieses Buch abgebe. In dem Moment, in dem du das fertige Buch in Händen hältst, ist sie vielleicht schon wieder überholt:

• Rucksack in Handgepäckgröße, eine Bauchtasche

• Kleidung: Regencape, Poncho aus einer Fleecedecke, zwei Overalls, einer mit kurzen Armen und Beinen, zwei T-Shirts, zwei Unterhosen, fünf Paar Socken, Schal, ein Paar Schuhe, ein Paar Flip-Flops

• Pflege: Tasche dafür, Zahnbürste, Zahnstocher, Natronpulver, Nagelschere, Haarschere, Handtuch, Papiertaschentücher, Pflaster, Aspirin

• Technik: iPad, iPhone, Apple Watch, drei Ladekabel, zwei Netzteile, Ohrhörer, Brille, Nadel und Faden, Sicherheitsnadel

• Essen: Müslischale faltbar, Löffel-Gabel-Kombination

• Sonstiges: eine A5-Hülle, circa zehn Bescheide und Garantiequittungen, Hülle für Karten und Scheine, Einkaufsbeutel, vier Karten: Ausweis, Bank, Krankenversicherung, Führerschein

Mehr nicht? Mehr nicht!

Würde ich mich ernsthaft um die genaue Zahl der Dinge kümmern, hätte ich meine eigene Botschaft nicht verstanden. Zählen macht eng, es fixiert den Geist auf das Erreichen und dann das Unter- oder Überschreiten eines bestimmten Wertes. Ich jedoch finde ein offenes Denken viel wichtiger und besser und möchte dir als Leser davon erzählen. Denn vielleicht empfindest auch du bisweilen eine Enge und kannst mit meinen Gedankenanregungen einige Schritte aus ihr herausmachen. Auch der für dieses Buch titelgebende Begriff des Minimalisten wird mir mittlerweile zu eng. Das hängt damit zusammen, dass ich »Ismen« generell kritisch gegenüberstehe. Ismen bezeichnen in der Regel die festgeschriebene Vorstellung eines bestimmten Grundgedankens, sie schränken mich ein, machen also ebenfalls eng. Wenn überhaupt bin ich eigentlich eher ein Maximalist. Denn mir geht es um maximale Weite statt Enge. Weite des Geistes, Freiheit des Denkens, Entfaltung des Potenzials, das in jedem Menschen steckt. Dennoch kann der Begriff des Minimalismus einstweilen als gedankliches Hilfskonstrukt dienen, um zu zeigen, worum es mir geht: das Abwerfen eines Ballastes, der meine freie Selbstentfaltung behindert.

Mir ist es gelungen, mehr und mehr Ballast abzuwerfen und damit auch die materielle Belastung, die mich umgibt, abzubauen. Ich gewann unglaublich viel für mein tägliches Leben, und auch mein Umfeld gewinnt mit, weil wir zusammen immer wieder Neues schaffen können.

Diese Vorstellung, dass zwei Seiten von einer Sache profitieren, nennt man heute gemeinhin Win-win-Situation. Daran angelehnt habe ich »WinWinWin« entdeckt, eine Lebenseinstellung, die aus drei Dingen besteht: Selbstsein, Verbundensein und Kooperieren. Zu diesen drei Dingen bin ich über die minimalistische Lebensweise gekommen – sie beschreiben, wie ich mein Leben leben möchte. Ich bin ich selbst, ich bin mit anderen Menschen verbunden, und ich kooperiere mit anderen. Und all das immer mehr.

Was Menschen in Begegnungen mit mir häufig zuallererst auffällt, sind also die wenigen Dinge, die ich noch mein Eigen nenne. Dann jedoch bemerken die meisten recht schnell, wie viel Leichtigkeit und Freude ich dabei empfinde. Seit drei Jahrzehnten lebe ich nur noch mit wirklich Wesentlichem. Alles Materielle passt heute ins Handgepäck. Das Mehr an Zeit, Energie, Raum und das Wohlfühlen dabei ermöglichen mir ein Leben im Selbstsein, im Verbundensein und mit viel Energie für das Kooperieren. Damit bin ich glücklich und genieße diese befreite Lebensform.

In meinen Gesprächen und Workshops ist hinter den Fragen der Teilnehmer der tiefe Wunsch nach ihrem Glück zu spüren, eine echte Sehnsucht nach Wohlfühlen und Leichtigkeit. Auf den nachfolgenden Seiten zeige ich unter anderem, wie unser Organismus dies unterstützt, besser noch: wie er uns dazu einlädt. Jeder kann so erkennen, wie er sich den Raum, die Energie und die Zeit dafür kreieren und das eigene Glück gestalten kann.

Also, lieber Leser, sei willkommen, genieße dieses Buch! Ich bitte dich, beim Lesen innezuhalten, zu spüren und auftauchende Gedanken, Gefühle und Wünsche zu notieren. Ich möchte dir so einen Vorgeschmack auf dein neues Wohlfühlen ermöglichen. Dazu schreibe ich von mir, von meinem Glück und von meinen Erfahrungen in drei Lebensabschnitten, ergänzt um ganz aktuelle Erkenntnisse. Ich zeige, wie wir mit der Komplexität des Lebens besser umgehen können. Viele Fragen, die mir immer wieder begegnen, sollen mit diesem Buch beantwortet werden, damit du deinen eigenen, vielleicht ebenfalls minimalistischen Weg finden kannst. Dieses Buch soll eine Einladung an dich sein, den Kern des Minimalismus zu erkennen, den ich mit folgenden Worten umschreiben möchte:

Wenn du eine Aufgabe richtig gut machen willst, dann gelingt das am besten, wenn du alles wegräumst, was dich stört, und dich mit dem umgibst, was dir guttut. Wenn du dir das klargemacht hast, mach dir noch etwas klar: Die wichtigste Aufgabe, für die du dich entscheiden kannst, ist dein Leben. Die Einladung an dich lautet also, dein Leben selbst zu gestalten, dich mit anderen Menschen auszutauschen, zu kooperieren und zu vernetzen. Es braucht nur das Wissen, wer du bist. Denn es gibt aus meiner Sicht nichts Schöneres auf der Welt als Menschen, die wissen, wer sie sind, und dann sagen, was sie möchten.

Die wichtigste Aufgabe in meinem Leben? Mein Leben!

Heute, fast 30 Jahre nachdem ich begann, mein Leben zu verändern, ist Minimalismus fast schon ein Trend. Berichte und Sendungen entstehen dazu. Ich erinnere mich etwa an eine Sendung auf 3sat mit dem Titel »Weniger ist mehr«. Dort konnte ich mich einfach so, wie ich lebe, präsentieren und dem Zuschauer einen Eindruck davon vermitteln, was für mich Minimalismus bedeutet und wie er mir im Leben hilft.

Welchen Eindruck solche Sendungen machen, merkte ich zwei Jahre nach der Erstausstrahlung. Ein Mann schrieb mir: »Als ich dich dort gesehen habe, wog ich 200 Kilogramm. Heute sind es noch 100 und es werden noch weniger. Danke für deinen Impuls.«

Ein anderes Mal ging ich an einer Straße entlang, als plötzlich ein Auto neben mir hielt. Das Fenster ging runter, und der Fahrer stellte mir wie aus dem Nichts eine Frage: »Sind Sie der aus dem Film mit dem Minimalismus?« – »Ich rede seit zwei Tagen mit meiner Frau nur noch über Sie«, fuhr er fort, »wir haben viel zu viele Dinge und brauchen Tipps.« Wir verabredeten uns zu einem Cappuccino und tauschten uns aus.

Dann war da die junge, attraktive Frau, die in der U-Bahn freudestrahlend auf mich zukam. Ich war total verlegen, vermutete ich doch, sie von irgendwoher kennen zu müssen, konnte mich jedoch überhaupt nicht an sie erinnern. Dann jedoch war ich sehr erleichtert, denn sie sagte mir einfach nur Danke. Danke für die Impulse aus dem Film.

Und schließlich: der Marktplatz einer schwäbischen Kleinstadt, es war bereits kurz vor Mitternacht. Ein junger Mann sprach mich an, mein Beitrag habe ihn beeindruckt. Zuerst dachte ich, er meine den Vortrag, den ich an jenem Abend im Kulturforum gehalten hatte. Doch davon wusste er nichts, auch er bezog sich auf die 3sat-Sendung.

Solche Erlebnisse zeigen mir immer wieder auch, dass es sich beim Minimalismus nicht nur um irgendeine Laune handelt, sondern um eine Haltung, die mich und zunehmend auch andere Menschen im Leben voranbringt.

Minimalismus ist für mich: die Entscheidung, dass mein Leben die wichtigste Aufgabe in meinem Leben ist. Ich umgebe mich mit dem, was mir guttut, und räume alles weg, was dabei stört.

Als Minimalist wirst du nicht geboren. Aber es lohnt sich, dein Leben minimalistisch zu gestalten

Ich schaue nach Möglichkeit nur nach vorn. Lasse das Vergangene dort, wo es ist, denn es wird mir im Hier und Jetzt nicht weiterhelfen, sondern im Zweifelsfall meinen Geist nur wieder enger machen. Trotzdem möchte ich auch einen kleinen Ausflug in meine Vergangenheit machen, weil ein kurzer Blick auf meine Biografie noch deutlicher macht, wie alles wurde, was es ist. Denn auch ich wurde nicht als Minimalist geboren, sondern gelangte durch verschiedene Phasen meines Lebens dorthin.

Obwohl Zahlen für mich an sich bedeutungslos sind, ist auffällig, dass es sowohl in der Geschichte als auch in der Natur sehr häufig um genau drei Begriffe geht, mit denen eine gemeinsame Qualität an sich im Grunde hinreichend beschrieben ist. Um zu verstehen, was ich meine, hier ein paar Beispiele, denen sich mühelos einige mehr hinzufügen ließen:

Dalai Lama: Liebe, Zuneigung, Güte

Französische Revolution: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit

Demokratie: Freiheit, Gleichheit, Konsens

Kant: Freiheit, Würde, Vernunft

Urchristentum früh: Vater, Sohn, Geist